Nr. 78. 25. Zahrgang. 1. Knlize i>cs.Awärls- Knlim Mittlooch, l. April 1908. Keickstag. ISS. Sitzung vom Dienstag, den 31. März Ivos, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratStische: Kraetke, v. Bethmann-Holl- weg. Der Bericht der Neichsschulden-Kommission wird debattelos der Rechnungskommission überwiesen. Es folgt die erste Beratung eines Gesetzentwurfes betreffend die Beschäftigung von Hülfsmitgliedern im kaiser» lichen Patentamte. Danach soll der Reichskanzler die Be- sugnis haben, Personen, welche die Berechtigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienste besitzen oder in einem Zweige der Technik sachverständig sind, mit den Verrichtungen eines Mit- gliedes des Patentamtes beauftragt werden. Abg. Dr. Junck(natl.) befürwortet das Gesetz, kündigt jedoch für die zweite Lesung einen Antrag an. die Geltungsdauer der Befugnis des Reichskanzlers bis zum 31. März ISII zu beschränken. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg : Der von Herrn Junck an- gekündigte Antrag liegt durchaus nn Sinne des Gesetzentwurfs, der nur ein Notgesetz bis zur Revision des Patentgesetzes ist. Nach unwesentlicher Diskussion wird, da Kommissionsberatung nicht beantragt ist, in die zweite Beratung eingetreten. Hierzu beantragt Dr. Junck(natl.s, die Befugnis des Reichs- kanzlerS bis zum 31. März 1911 zu beschränken. Das Gesetz wird mit diesem Antrage debatteloS an- genommen. Es folgt die erste Beratung der E r g ä n z u n g e n des Etats- gesetzes, wodurch der Reichskanzler erniächtigt werden soll, den Postüberweisungs- und Scheckverkehr einzuführen. Staatssekretär Kraetke: Schon bei der Beratung des Scheck- gesetzes ist allgemein betont worden, dast eine Einschränkung des Bnrumlaufs und seine Ersetzung durch den Scheckverkehr sehr wünschenswert ist. Die Post ist besonders geeignet, den Scheck- verkehr für weite Kreise der Bevölkerung einzuführen. Zu dem Postscheckverkehr soll jeder zugelassen werden, der bei einem Post- scheckamt eine unverzinsliche Einlage von 109 M. hält. Auf der Grundlage, die hier geplant ist, werden Sie. wie ich hoffe, dem Entlvurf zustinimen. Abg. Dr. Roesicke(f.): Wir stehen dem Gesetzentwurf sehr skeptisch gegenüber, woran der Hinlveis, bah der Postscheckverkebr in Oesterreich existiert, nichts ändern kann. Bei uns sind die landwirt- schaftlichen und Handwerkergenoffcnschaften bedeutend mehr ent- wickelt, als in Oesterreich . Diese Genossenschaften bekommen jetzt das überschüssige Geld der kleinen Leute, während es bei Einführung des Postscheckverkehrs durch die Post der Reichsbank zufliegen würde, von der es großkapitalistischen Unternehmungen, nicht aber den Ge- nossenschaften zur Verfügung gestellt werden würde. Abg. Singer(Soz.): Der Vorredner hat sich gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. weil er eine erhebliche Konkurrenz für die landwirtschaftlichen und die Handwerkergenoisenschajlen fürchtet.- Ich kann aber nicht finde». daß die von ihm angeführten Gründe berechtigt sind, und muß vielmehr betonen, daß die Vorlage eine volkswirtschaftlich berechtigte und gesunde Idee enthält. So wie sie gestaltet ist, glaube ich jedoch nicht, daß die jcnigen Vorteile durch sie herbeigeführt werden, welche der Herr Staatssekretär erwartet. Zunächst möchte ich mein Bedenken dagegen äußern, daß die Bedingungen, unter denen der Postscheckverkehr ins Leben treten soll, wenn auch nur für bestimmte Zeit, durch Verordnung des Bnndesrates bestimmt lverden. Gerade mit dem Herrn Staatssekretär haben wir doch viele Erfahrungen gemacht, welche uns die Notwendigkeit zeigen, daß die Gebühren gesetzlich festgelegt werden,(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) so daß wir nicht die Hand dazu bieten werden, sie auf den: Verordnungswege festsetzen zu lassen. Wäreid zum Beispiel die Gebühren für Drucksachen und Briefe im Nachbarortsverkehr gesetzlich festgelegt worden, so hätten wir jetzt nicht einen Zustand, bei denen der Verkehr in Drucksachen zum Schaden des Publikums außerordentlich herab- gegangen wäre. sSehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wenn ich auch zugeben muß, daß man bei der Einrichtung einer neuen Or- ganisati'on erst gewisse Erfahrungen sammeln will, ehe man sich durch Gesetz bindet, so würde ich doch mindestens fordern, daß die An- ordnungen, die der Bundesrat trifft, dem Reichstage zur Gc- urhmigung vorgelegt werde», und daß sie, wenn die Genehmigung versagt wird, außer Kraft gesetzt werden. Ich will jetzt schon den Antrag stellen, diesen Entwurf an die Bndgetkonnnission zur Vorberatung zu überweisen und hoffe, daß es dort möglich kleines feuilleton. Theater. Kammerspiele:„Der Tor und der Tod " von Hugo v. Hofmannsthal ;„Nju", eine AlltagStragödie in acht Bildern von O fsip Dymow. Dymow gehört zum jungen Nachwuchs der russischen Literatur, der ebenso wie die vorangehenden Schriftstellergencraliouen, frei von der Pose selbstgenügsamen Aesthetentums, lebendigen Auleil an den Leiden und Kämpfen des Volkes nimmt. In den Zeiten des revolutionären Aufschwungs, als die Fesseln der Zensur sich lockerten, trat er mit politischen Satiren hervor, die großes Aufsehen erregten. Wie Gorki hat er seither unter dem Drucke der immer höher anschwellenden Reaktion die Heimat verlassen. Einige von DymowS Dramen erzielten auf russischen Bühnen große Erfolge. Hier in den Kammerspielen fand seine Alltags- uagödie„Nju" äußerlich geringen Beifall. Indes braucht die Reserve nicht ein Zeichen gleichgültiger Teilnahm- losiakeit dem Stücke und der wundervollen Darstellung gegenüber zu sein. Schauspielerisch gehörte diese Aufführung zum allerbesten, >vas unter Reinhardts Leitung an intimer Kunst geboten wurde und literarisch durften Stil und Inhalt das Dramas in ihrer aus- geprägten Eigenart zuin inindesten ein lebhaftes Jntcreffe bc- anspruchen. Das gilt vor allem für den ersten Teil, in welchem der typische Charakter, worauf der Titel: eine AlltagStragödie hinweist, in konsequenter Weise festgehalten wird. Der Schlnßteil biegt in andere Bahnen ab. Nju, das kleine verzärtelte Frauchen, deren verzückter Schwärmerei für den jungen Poeten sich anscheinend so viel kindischer Eigensinn und unbedachte Laune beimengt— Nj», von der wir erwartet hätten, daß sie nach verflogenem Rausch bestürzt und traurig in das Heim ihres so versöhnlichen Gatten zurückflattere, wird zur Märtyrerin ihrer Exaltationen. Weil sie ihre große zum Idol erhobene Liebe durch einen unseligen Zufall befleckt glaubt, entschließt sie sich, das Leben fortzulverfen. Eine Wandlung, die wenig überzeugend vorbereitet ist und zugleich den Angelpunkt des Interesses vom Allgemeinen weg ins Besondere verschiebt und so in doppelter Hinsicht wider die Einheit des Stiles verstößt. Die lose, in der ersten Hälfte kunstvoll abgewogene Struktur des Dramas erzeugt, indem sie die Zlvischenglieder der Handlung ausschaltet und Momentaufnahme neben Momentaufnahme stellt. eine ganz eigene Spannung. Die Beweglichkeit dieser Form erlaubt es den, Autor, dem, was ihn psychologisch an der Sache interessiert, in voller Freiheit, wie in der Novelle, nachzugehen, ohne die drückende Sorge, ob die herausgegriffenen Situationen sich auch zu einer geschlossenen Szenenfolge verbinden lassen. Unmittelbar nach dem Leben scheinen die Bilder hingeworfen, im Fluge von oben her mit sicherem Auge ersaßt. Wir sind Zeugen, wie sich im Ballsaale die «ste» Fäden zwischen Nju und dem jungen Dichter spinnen; wie sein wird, diejenigen Aenderungen an ihm anzubringen, die es uns möglich machen, ihn anzunehmen. Ich wende mich nun zu dem Eunvurfe selbst. Bei seiner Be urteiluug muß man von der Auffassung ausgehen, daß die ver- bündeten Regierungen, speziell die Reichspostverwaltung eine Ver- mehruug ihrer Betriebsmittel herbeizuführen wünscht. Das scheint mir das maßgebende Moment bei dem Entwurf zu sein. Ich ver- stehe dieses Bestreben der Postverwaltung sehr wohl. Wenn aber dieser materielle Zweck für die Postverwaltung maßgebend ist, dann darf sie sich nicht auf den Standpunkt stellen,' daß diese Vermehrung ihrer Betriebsmittel auf Kosten des Publikums geschieht, sondern dann muß sie dafür, daß das Publikum ihr das Geld anvertraut, auch Zinsen geben. Wie bei dem früheren Entwurf, so halte ich das auch jetzt für durchaus notwendig. So wie der Entwurf gegenwärtig gestaltet ist, würde der Herr Staatssekretär mit ihm überhaupt keinen Scheckverkehr erreichen, sondern nur einen Ueberweisungsverkehr, oder mit anderen Worten, das Geld wird nickit in der Postanstalt bleiben, sondern sofort aus- gezahlt werden müssen, während man doch bei einem Scheckverkehr zwar die Mittel zur Verfügung der Einleger halten müßte, sie aber immerhin für eine gewisse Dauer bei der Post bleiben würden. Würde der Entwurf nach dieser Auffassung umgestaltet, so würden wir gern unsere Zustimmung dazu geben, weil wir die Notwendigkeit empfinden, daß die Post mit stärkeren Betriebs Mitteln ausgestattet wird. Aber zu erwarten, daß das Publikum sich diesem Scheckverkehr zuwenden wird, ohne diejenigen Vorteile zu haben, die es bei den Privatanstalten genießt, das ist eine Illusion, die wir nicht teilen. Aus der Begründung der Vor- läge geht auch hervor, daß die Regierung selbst zugibt, daß die mangelnde Verzinsung auf den Verkehr einwirken wird. Sie gibt sich aber doch der Hoffnung hin, daß sich vielleicht trotzdem ein Ver- kehr entwickeln wird. Es ist eine alte Regel, daß eine Verkehrs- einrichtung sich nur dann einbürgert, wenn sie dem Publikum Nutzen schafft. Ich sehe nicht ein, warum das Privatpublikum den schönen Augen der Postverwaltung zuliebe die Gelder lieber in die Post- lassen legen soll, während man 60 Schritte weiter eine sichere Depositenkaffe hat, welche die Gelder verzinst. Genau so steht es mit den Gebühren. Ich kann nicht begreifen, wie man glauben kann, daß das Publikum in Scharen zuströmen wird. Wir haben ja auch bei der Paketfahrtgesellschaft gesehen, daß der Staats sckretär, um Geschäfte machen zu können, die Postgebühren herab setzen mußte. Immer wenn die Reichspostverwaltung eine neue Einrichtung eröffnet, sollten deshalb keine neuen Schranken errichtet werden, welche dein Publikum die Lust an dieser Einrichtung ver- gällen. Der bloße Ueberweisungsverkehr mag ja auch gewisse Vorteile für die Post bieten; ich kann mir aber nicht denken, daß die Postverwaltung von diesem einen Zweck allein erheblichen Nutzen hat und auch nicht, daß sie große Lust dazu hat. Es kommt hinzu, daß mit diesem Vorschlage auch nicht unerhebliche Kosten verbunden sind und wir darauf sehen müssen, daß sie auch wieder heraus kommen. Ob dies bei dem bloßen Ueberweisungs- verkehr geschehen wird, ist doch zweifelhaft. Ganz anders steht die Sache, wenn die Postverwaltung durch den Scheckverkehr in erfolg- reiche» Wettbewerb mit den Banken tritt. Gelingt es in der Budget- kommission, diesen Entwurf so zu gestalten, daß er unseren Wünschen entspricht, so werden wir nichts dagegen haben. Aber wir sind Feinde von Gesetzen, die schon bei ihrer Geburt den Keim des Todes in sich tragen. �Zustimmung bei den Sozialdeutokrateu.) Noch ein Wort über die Verwendung der Gelder. Wir haben nichts dagegen, daß die überschüssigen Gelder von der Post zur Reichsbank gegeben werden, um so weniger, als über kurz oder lang die Frage der Veränderung des Wesens der Reichsbank den Reichstag beschäftigen wird. Wir werden uns dabei zu fragen haben, ob es nötig ist, daß bei der Reichsbank ein erhebliches Privatkapital festgelegt wird, dem durch die hohe Ver- zinsung erhebliche Zuwendungen gemacht werden. Aber diese Frage wird uns später beschäftigen; jedenfalls ist das kein Grund, daß die Post die überschüssigen Gelder nicht an die Reichs- bani gibt.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Wef�r(natl.): Der Vorlage stimmen wir prinziell zu, da sie eine brauchbare Grundlage für die Einführung des Post- scheckverkehrs bildet. Daß die landwirtschaftlichen Genossenschaften dabei geschädigt werden, glauben wir nicht; im Gegenteil, auch sie werden Vorteile aus der Einrichtung ziehen. Dem Vorschlage des Abg. Singer, die Gebühren gesetzlich festzulegen, müssen wir wider- sprechen. Abg. Kacmpf(frs. Vp.): Ich glaube nicht, daß es in Land oder Stadt irgend jemand geben wird, der der Post 199 M. zinslos über- geben wird, wenn er anderswo dafür Zinsen erhalten kann, wie z. B. bei den Genossenschaften. Diese werden also sicherlich nicht geschädigt werden. Der Zweck des Postscheck- Verkehrs ist ein anderer, nämlich Ersparnis an Barmitteln. Um das Empfinden Njus noch in derselben Nacht in ein Gefühl dumpf feindseliger Gereiztheit gegen den verliebt zudringlichen Gatten um- schlägt, sind Zeugen des ersten schüchternen Geständnisses, der jubelnden Freude, des Streites der beiden Männer und der furcht- baren, aus Begier und Eifersucht gemischten Qualen, die den Ge- mahl am Lager der Verlorenen rütteln. Die versteckte, geräuschlose Art, in der sich solche Krisen im Leben zu vollziehen pflegen, ist ausgebildet. Am packendsten in den Szenen des Streites. Der Gatte schießt, doch ohne den Gegner zu treffen. und gleich darauf sitzen die beiden, als der aufgeschreckte Wächter die Wohnung visitiert, Anekdoten erzählend mit Nju am Spieltisch. Kein Fremder soll von dem geheimen Ringen etwas erfahren. Nju reißt sich los von ihrem Manne, aber noch ehe der goldene Strahlen- kränz, den sie um ihres Dichters Haupt gewoben, vor ihren Augen wieder schwindet, greift sie zum Gifte. Sie fühlt sich Mutter und kann den Gedanken, daß in dem neuen Wesen statt des Geliebten vielleicht das Blut des Gatten weiter lebt, nicht tragen. Ihr hinter- lassenes Tagebuch gibt die Motive, die sie in den Tod getrieben. In Gertrud Eysoldts Spiel kamen alle die mannig- fachen sich kreuzenden Gefühle mit erstaunlicher Plastik zum Auö- druck. In jeder Miene, jedem Tonfall glitzerte und glänzte vielfarbiges individuelles Leben. Auch Winter st ein in der Rolle des ge- beugten Gatten, M o i s s i in der des weltmännischen Poeten, belebten ihre mit feinster Sorgfalt ausgemeißelten Gestalten. Mit der Darstellung von Hof mannsthals gedankenvoll schwermütiger Dichtung„Der Tor und der Tod ", die den Abend eröffnete, habe ich mich um so weniger befreunden können Der schöne Wohllaut der Sprache ging bei der nervösen outrierten Art, wie Moissi , bald unverständlich leise flüsternd, bald ausbrechend zu lauter Deklamation, die Verse vortrug, für mein Empfinden ganz verloren. Auch den Tod, die Schatten der Mutter und Geliebten umlvittcrte kein wahrer Geisterhauch. tt. Humor und Satire. Hill. Vor allem eins, mein Sohn; als Diplomat Kannst du ein Rindvieh sein, ein riesendummeS, Das schadet weder dir noch deinem Staat, Hast du Manieren nur und viel MesummeS. So denken wir. Drum übe Parität, Roosevelt . Für Specky fühle dick, verbunden, DaS ist ein Kerl, der sein Geschäft versteht. Und hat doch auch das Pulver nicht erfunden. _ Fridolin. Notizen. — Theaterchronik. Eleonora Duse beginnt ihr Gast- spiel im N e u e n T h e a t e r am 7. April mit ,La Locandiera". dieses zu erreichen, ivird man von der Einrichtung Gebrauch machen. Ich glaube aber nicht, daß dieser Verkehr großen Umfang annehmen wird, denn es gibt wohl kaum ein besseres Mittel, das Publikum abzuschrecken, als die gegenwärtigen Bestimmungen keine Verzinsung und zu hohe Gebühren. Nur wenn die Gebühren bedeutend heruntergesetzt werden, halte ich eine Ausbreitung dieser Art von Verkehr für möglich.(Beifall bei den Freisinnigen.) Abg. Nacken(Z.>: Auch wir begrüßen die Vorlage im Interesse von Handel und Verkehr. Bei ihrer jetzigen Fassung scheinen «Schädigungen der landwirtschaftlichen Genossenschaften ausgeschlossen. Gesetzliche Gebührenfestlegung halten auch wir für nötig. Abg. Raab(wirtsch. Vg.) meint, man solle sich die Vorlage gründlichst überlegen, da eine Schädigung der Genossenschaften sehr wohl möglich ist. Abg. Dr. Arendt(Rp.): Wir stehen der Vorlage günstig gegen- über, und ich selbst bin der Meinung, daß die Sparer ruhig bei ihren Genossenschaften und den Sparkassen bleiben werden. Dabei wird die neue Einrichtung den kleinen Kaufleuten und Gewerbe- treibenden von großen: Nutzen sein.— Die Rede des Abg. Singer steht im Gegensatz zu der Haltung, die die sozialdemokratische Fraktion bei der Erneuerung des Reichsbankprivilegiums ein- genommen hat.— Wir sind damit einverstanden, daß die ge- sammelten Gelder der Reichsbank zufließen, da diese dadurch ge- stärkt wird. Damit schließt die Diskussion. Der Gesetzentwurf wird der Budgetkommission überwiesen. Nächster Gegenstand der Tagesordnung ist die erste Beratung eines Gesetzentwurfs betreffend Aenderungen im Münz - Wesen. Reichsschatzsekretär Sydow: Der Entwurf will die Ausprägung von 25-Pfennig-Stücken ermöglichen. Es entspricht dies einem in den letzten Jahren namentlich in Norddeutschland geäußerten Wunsche. Gegen daS sich geltend machende Bedürfnis kann der Einwand, daß das 26-Pfennig-Stück dem Dezimalsystem nicht ent- pricht, nicht als stichhaltig gelten. Auch der Reichstag hat sich in einer Resolution für die Einführung des 2S-Pfennig-Stücks aus- gesprochen. Die neue Münze soll aus reinem Nickel bestehen; ein Loch soll sie nicht haben; ein solches halten die verbündeten Ne- gierungen für ungeeignet, so lauge das deutsche Volk nicht die Ge- wohnheit hat, Münzen auf eine Schnur gereiht um den Hals zu tragen.(Heiterkeit.) Weiter bringt der Entwurf die Erhöhung der Kopfquote der silbernen Scheidemünze von IS auf 29 Mark. DaS ist im Interesse des Verkehrs notwendig, aber auch ausreichend. Im Interesse des Verkehrs hoffe ich, daß das Gesetz recht bald ver- abschiedet wird. Abg. Speck(Z.): Von der Einführung des 2S-Pf.-Stückes be« Archte ich eine Erhöhung der Preise, indem später 26 Pf. losten vird, was jetzt 29 Pf. kostet.(Sehr richtig! im Zentrum.) Mir 'cheiilt die Frage des 26-Pf.-Stückes noch nicht spruchreif zu sein.— Die Vermehrung der Silberausprägung sucht man als notwendig zu beweisen mit dem Hinweis auf die gestiegenen Löhne, also mit einem wirtschaftlichen Aufschwung; andererseits aber sagt die Begründung des Entlvurfs aus Seite 9, daß ein erhöhter Bedarf an Silbernlünzen in Zeiten wirtschaftlicher Krisen auftritt. Das beweist also gar nichts. Weiter weist man auf den Bedarf an Silbermünzen in den Kolonien hin; im ganzen sind dort jetzt für 8,3 Mllionen Silbermünzen und wenn man eine riesige Steigerung, bis zu 29 Millionen Mark annimmt, so soll das der Grund für die Neuausprägung für 399 Millionen Mark sein I Der treibende Gedanke des Entwurfs scheint der zu sein, die Betriebsmittel des Reichs zu stärken. Prinzipiell weisen meine Freunde die Erhöhung der Kopfquote des Silbers nach Maßgabe des erhöhten Bedarfs nicht zurück. Nach dem Verkehr gc- nügen gegenwärtig 13 M. Nun soll das Mehr von 7 M., also 429 Mllionen Mark, nicht auf einmal ausgeprägt werden, sondern der Bundesrat soll die Befugnis dazu je nach dem steigenden Be- darf haben. So plötzlich tritt aber die Steigerung des Bedarfs icherlich nicht ein, daß wir den Reichstag bei der Vermehrung der Silberausprägung ausschalten sollten. Wir haben Bedenken, unsere seit der Beseitigung der Taler reine Goldlvährung wieder in eine hinkende Währung zu verwandeln.— Wir beantragen, den Entwurf an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen.(Bravo I im Zentrum.) Staatssekretär Sydow: Ich hätte nicht geglaubt, daß gegen eine o harmlose Vorlage sich so viele Einwendungen erheben ließen. Ich glaube, die Bedenken des Vorredners lassen sich in den einen Satz zusammenfassen:„die ganze Richtung paßt mir nicht"(Heiter- keit), weil eben in Siiddeutschland das Bedürfnis nach dem 26 Pf.- Stück nicht so hervorgetreten ist, wie in Norddeutschland.— Von einer hinkenden Währung kann doch auch bei der Erhöhung der Kopfquote der silbernen Scheidemünze gar keine Rede sein. Am 8. wird„La Citta morte" und am 9.„RoSmerSholm" dargestellt. Am Freitag, den 3. April, kommt das von der Zensur jetzt frei- zegebene Drama„Das Evangelium" von Heinrich Strauß m Bürgerlichen Schauspielhaus zur Uraufführung. — Der Polarforscher in der We st min st er- Abtei. Nach einer Meldung der„Nature" ist der Beschluß gefaßt worden, dem verstorbenen englischen Polarforscher Leopold MacClintock, dem Pionier der nordwestlichen Durchfahrt, ein Grabdenkmal in der RuhmeShalle der Westminster-Abtei zu London zu bereiten. Nach dem bisherigen Entwurf wird es unter dem Monument von Sir John Franklin seinen Platz stnden, dessen Schicksal durch die Expedition von Mac Clintock an Bord der„Fox" endgültig festgestellt wurde. — Ein Meteorfall auf hoher See. Vor wenigen Tagen wurde die Meldung bekannt von einem Schiffe, das auf hoher See während eines heftigen Sturmes von einem Meteoriten durchlöchert und zum Sinken gebracht wurde. Aus Plyntouth kommt ■ ctzt die Nachricht von einem ähnlichen Ereignis, das glücklicherweise Menschenleben nicht gefordert hat. Es handelt sich um den holländischen Dampfer„Ozean", der sich auf dem Wege von Notier» dam nach Philadelphia befand. Das Schiff war noch etwa 290 englische Meilen von dem amerikanischen Hafen entfernt, als ein Meteor, der viele tausend Pfund gewogen habe» muß, vom Himmel herabfiel. In unmittelbarer Nähe dcs Schiffes stürzte er ins Meer und die gewaltigen Wogen, die durch den jähen Aufprall aufgepeitscht wurden, gingen bis über das Verdeck des Dampfers. An der Stelle, wo der Meteorit ins Meer gesunken war, bildeten sich sofort Gaswellen, und die Rauchwolke» waren so dicht und giftig, daß die Mannschaft, um dem Tode zu entgehen, sich Hals über Kopf unter Deck flüchten mußten. Als die Mannschaft sich wieder an Deck wagen konnte, fand man das ganze Fahrzeug über und über mit einem seltsamen braunen Staub bedeckt. Kurz danach erfolgte ein Regen von kleineren flammenden Meteoriten, die zischend neben dem Schiff in-Z Meer versanken. Eine Zeitlang phosphoreszierte die ganze Meeresoberfläche. — Eine prähi st arische Bildergalerie. Eine interessante Entdeckung ist Dr. Reuo Jannel zwischen Foix und Mas d'Azil in Südfrankreich gelungen; er hat eine neue prähistorische Höhle aufgefunden, deren Wände mit alten Zeichnungen und Male- reien bedeckt sind. Mehr als 49 Büffel und Pferde sind hier in Rot und Schwarz von der Hand prähistorischer Künstler auf die Wände gezeichnet. Besonderes Juteresse gewinnt die Entdeckung dadurch, daß sich unter diesen Zeichnungen auch die Gestalt eines Menschen findet, was' in jenen Epochen eine außerordentliche Seltenheit be- deutet. Auch zwei Nenutiere sind zusehen; das Vorhandensein dieser Tiere, die im südlichen Europa bald ausstarben, liefert tpichtige Anhaltspunkte für die Datierung dieser eigenartigen Zeugnis� pra» historischer Kunst.
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