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dah Wahrnwnd wegen der Broschüre, in der der Wiener Staats- emwalt an fünf Stellen das Vergehen der Herabwürdigung von Lehren der katholischen Kirche gefunden haben will, straftgericht- lich verfolgt werden wird. Das könnte für den Staat und seinen Anwalt auch übel ausgehen, denn da in Oesterreich strafbare Handlungen, die durch die Presse begangen sind, vor die Ge- schwor enen kommen, wäre der Effekt der strafgerichtlichen Verfolgung kein anderer, als daß die JnnSbrucker Geschworenen Wahrmund glänzend freisprechen würden. Das österreichische Pretzrecht läßt es bekanntlich auch zu, daß statt der subjektiven Verfolgung deS Täters das sogenannte objektive Verfahren em- tritt: daß das Gericht über Antrag deS Staatsanwaltsdarüber erkenne, ob der Inhalt einer Druckschrift eine strafbare Handlung begründe", in welchem Falle das Verbot der weiteren Verbreitung der Druckschrift ausgesprochen wird. Dieses Verbotscrkenntnis, das über die Wahrmundsche Broschüre verhängt ist, wurde nun am Donnerstag vor dem Wiener Pretzgericht auSgefochten, und die Verhandlung endete mit dem imobjektiven" Verfahren ganz seltenen Ergebnis, daß dem Einsprüche stattgegeben wurde: das Verbot von drei Stellen wurde aufgehoben, und so bleiben nur fünfundzwanzig Zeilen mit dem Interdikt belegt. Damit ist aber auch der politischen Verfolgung des Professors der Boden entzogen, und cS ist ausgeschlossen, daß Wahrmund etwa noch in Disziplinaruntersuchung gezogen wird. Der klerikale Angriff ist abgeschlagen, und derAtheist" wird trotz dem Begehren des apostolischen Nuntius, der seine Entfernung forderte, an einer österreichischen Universität weiter Kirchenrccht lehren und vor- tragen können. Der Ausgang der Sache beweist, daß auch in Oesterreich die klerikale Macht ihre sicheren Grenzen hat, und daß diese Grenzen heute ungleich enger sind als jemals zuvor. Wohl erfreut sich das österreichische Abgeordnetenhaus einer klerikalen Partei, die größer ist als je dieses Staates, und daß die Negierung nicht ungern bereit wäre, ihr zu folgen und ihren Wünschen zu entsprechen, hat das klerikale Bekenntnis Becks und haben die Hetzreden GeßmannS bewiesen. Aber die geistige Freiheit hat in der sozialdemokratischen Fraktion eine so starke Wehr erhalten, daß die ungeschcutc Erfüllung einer klerikalen Forderung der Regierung versagt ist, wenn sie nicht Konflikte heraufbeschwören will, die ihre Existenz in Frage stellen müßten. Vor einem Dezennium noch hätte man einem solchen Frevler", wie eS Wahrmund in den Augen der Pharisäer sein muß, in Oesterreich einfach auf kaltem Wege erwürgt; und die bürgerlichen Freiheitshelden hätten, außer dem Geflenne über die klerikale Macht, mit der sie ihre Feigheit traditionell entschuldigt haben, nichts zu erwidern gewußt. Aber die Sozialdemokratie hat auch hier nachgeholt, was das Bürgertum verabsäumt hat: die Organisierung des Widerstandes gegen die Knechtung der Geister, und sie läßt es nicht zu, daß der mutige Mann der römischen Herrschaft ausgeliefert wird. Wie immer man Wahr- mund werten will, er hat die Wissenschaft verteidigt und ihre Rechte gegen die klerikale Bedrängnis verfochten: deshalb ward seine Sache zur Sache aller derer, die die Forschung ehren und die Freiheit lieben. Indem der klerikale Angriff abgeschlagen wurde, ist der Verklerikalisierung Oesterreichs endlich Halt ge- boten worden. politifcbe deberficbt« Berlin , den 1. April 1908. Preußische Reaktion in der Flußschiffahrt. Der Reichstag hatte heute wieder einmal mit einem Vor- stoß der preußischen Reaktion sich zu befassen, der diesmal die Verteuerung der Flußschiffahrt bezweckt. Die Reichs- berfassung schreibt im Z 54 ausdrücklich vor, daß auf den natür- lichen Wasserstraßen des Reiches Abgaben nicht erhoben werden dürfen, die über die Kostendeckung für besondere Anstalten hinausgehen. Trotzdem bat die preußische Regierung sich vom Landtage ein Gesetz bewilligen lassen, in welchem die Einführung von Schiffahrtsabgaben auf den Flüssen in Aussicht genommen ist. Erst als sich dagegen der öffentliche Unwille regte, trat sie in Verhandlungen mit den übrigen deutschen Regierungen, um eine Verständigung über die Erhebung von Schiffahrtsabgaben auf allen deutschen Flüssen herbeizuführen. Diese Tatsachen gaben sowohl der sozialdemokratischen wie der freisinnigen Partei Anlaß zu Interpellationen, welche Stellung die Reichsregierung zu diesen gegen die ReichSverfassung verstoßenden Plänen der preußischen Regierung einnehme. Beide Interpellationen waren auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt. Genosse F r a n k- Mannheim begründete die sozialdemokratische Interpellation, indem er die Unvereinbarkeit des Vorgehens der preu- ßischen Negierimg mit der Reichsregierung nicht nur, sondern auch mit internationalen Verträgen scharf betonte und den Uebermut der Handlauger des Junkertums in Amt und Würden zurückwies, die nun auf Geheiß der Agrarier die Schiffahrt verteuern wollten. Sehr wirksam waren seine Zitate aus den Schriften der für diesen Agrarvorstoß mobil gemachten Juristen, deren einer überdie philisterhafte Heiligkeit" des 8 64 der Reichsverfassung unddie juristischen Zwirnsfäden" höhnte, über welche die materiellen Interessen hinwegschreiten würden. Zum Schluß appellierte Frank an diekleinen" BundcSratsmitglieder gegen den inneren Feind. die preußische Reaktion. Nachdem auch Herr K a e m p f in stark abgeschwächter Tonart, aber in ähnlichem Sinne, die freisinnige Interpellation begründet hatte, verlas Herr v. Bcthmann-Hollwcg eine offizielle Erklärung, aus der hervorgeht, daß der Weg der authentischen Interpretation, also nur durch die Gesetzgebung deS Reiches be­schlossene Auslegung der Reichsverfassung, betreten werden solle, um die Einführung der SchiffahrtZabgabcn zu ermöglichen. Der preußische Vcrkchrsminister Breitenbach ergänzte das durch mündliche Ausführungen, die eine selbst bei preußischen Bureaukraten ungewöhnlich herausfordernde Schneidigkeit und entsprechende geistige Dürftigkeit sich auszeichneten. So drohte er damit, wenn die preußische Regierung nicht ihren Willen bc- komme, werde sie nichts mehr für die Verbesserung der Fluß- fchiffahrt tun. Genosse David holte sich, im Laufe der Debatte für die Kennzeichnung dieser Breitenbacherei als.Erpressung" einen Ordnungsruf. Die Agrarier aller Schattierungen stimmten jedoch den beiden Bülow-Adjutanten zu. so daß Herr Breitenbach mit einigem Recht behaupten konnte, die Stimmung der Mehrheit deS Hauses pi auf seiner Seite. Vor dieser Verhandlung wurde die Forderung der Ost- markenvorlage in namentlicher Abstimmung von der ge- schlössen«! Blockmchrheit angenommen. Des Landtags Sterbetag. Das Drciklassenhaus denkt augenscheinlich nur »loch an sein Sterbestiindchen. Es plapperte am Mittwoch noch drei Stunden über die Sekundärbahnvorlage, strich vom Fonds für Betriebsmittel 50 Btillionen ab und setzte das Polizeikostengefetz und sonstige Bagatellsachen auf die Tages- vrdmlng der nächsten, DonnerStagssttzung. Das Herren!) aus unterhielt sich zur selben Zeit über den Etat, den es glücklich zu Ende beriet, und ganz besonders über den Kultusetat. Der Kieler Professor R e i n k e schalt auf Höckel und ein paar Funker schimpften auf die angeblich zu strenge Nahrungsmittelkontrolle. Fn dieser Gesellschaft erschien der alte Graf H a e s e l e r als ein moderner Kultur- mensch. Der Etat wurde gegen die Stimmen der Polen an- genommen, die auf diese Weise gegen das Korsarengesetz de- monstrierten. Am Tonnerstag will man noch einige Kleimq- leiten erledigen, vom Freitag an wird blau gemacht. So ein geborener Gesetzgeber hat es schwer! Das blamierte Kanzlerblatt. DaS Publikationsorgan des Fürsten Bülow, dieNordd. Allg. Ztg.", sucht unseren Nachweis seiner Stupidität durch allerlei faule Ausreden zu entkräften, gerät aber dabei infolge seiner gloriosen Unfähigkeit noch tiefer in die Patsche. Wir hatten in unserer Dienstagsnummer dargelegt, daß die Uebersetzung deS ZitatsHio Ehodus, hio salta" mitHier i st die Rose, hier tanze!" nicht, wie daS Kanzlerblatt in seiner Superklugheit angenommen hatte, von der Redaktion des Vorwärts" herrührt, sondern von Marx selbst, daß ferner diese Nebersetzung sich in allen Ausgaben desAchtzehnten Brumaire " befindet und auch von den bürgerlichen Maixlritikern allgemein als launige Satire" aufgefaßt wurde. Daß Marx selbst das obige Zitat aus Aesops bekannter Fabel mit Hier ist die Rose, hier tanzet" übersetzt hat, wagt daS Blatt nicht zu bestreiten, zumal es höchstwahrscheinlich von der Existenz der ge- nannten Marxschen Schrift erst durch Nummer 63 desVorwärts" erfahren hat; dagegen will es nicht gelten lassen, daß Marx seine Uebersetzung ironisch gemeint hat. unterstellt also, Marx hätte den Sinn de S Zitats nicht gekannt. Wir haben diese AuSrede erwartet, und deshalb in der letzten DienStagnummer verschwiegen, daß Marx einen Vorläufer gehabt hat. der das Zitat ebenso scherzhaft übersetzt hat, und von dem Marx wahrscheinlich erst zu seinem Schalkstreich veranlaßt worden ist. Dieser Borläufer ist der Philosoph Hegel , der in seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts ebenfalls den SatzEis Rhodas, hio saltus(nicht salta)" zitiert und ihn mit.Hier ist die Rose, hier tanze" übersetzt. Vielleicht werden, selbst auf die Gefahr hin, sich noch mehr zu blamieren, nun die Gelehrten des Kanzlerblatts behaupten, auch Hegel sei so ein Einfaltspinsel gewesen, der nicht das Zitat richtig zu übersetzen vermocht habe. Warum auch nicht? Vielleicht befinden sich doch einige Armen im Geiste unter den Lesern des Bülowschen LeibblatteZ, die ihm auch diese Behauptung glauben. DaS Kanzlerblatt ist also gründlich hereingefallen. ES hat be« wiesen, daß es in sein« Redaktion und unter seinen geheimrätlichen Instrukteuren nicht nur keinen Kopf hat, der die Marxsche Literatur kennt, sondern auch keinen Mann, der Hegel gelesen hat. Um so besser hat das Kanzlerblatt dieGeflügelten Worte" deS großen Weltweisen Georg Büchmann studiert, aus den eS sich auch in seiner letzten Notiz wieder dafür beruft, daß daS Aesopsche Zitat nur allein mitHier ist NhoduS, hier springe' übersetzt werden dürfe. DaS offiziöse Blatt folgt auch darin nur den Spuren seines großen Herrn und Meisters, der bekanntlich gleichfalls seine geist- reichen Sentenzen dirett aus Büchmann bezieht. Kanzler und Kanzlerblatt arbeiten an derselben hohen Aufgabe; sucht der erste der Welt zu beweisen, wie sehr auf die deutsche Regierungskunst Oxenstjernas bekanntes Wort zutiifft, so dieNordd. Allgem. Ztg.", mit wie wenig Verstand in Preußen offizielle Regierungsblätter redigiert werden._ Teuerungszulage. Wie die.Neue Ges. Korr." zu melden weiß, wird demnächst von der Regierung eine Vorlage im preußischen Abgeordnetenhause eingebracht werden, die eine Erhöhung der Zivilliste fordert, die Wilhelm II. bezieht, und zwar soll diese Zulage, ebenso wie die Gehaltserhöhung der Beamten, mit dererheblichen Steigerung der Kosten der Lebensführung" infolge der neuesten Schutzzoll- gcsctzgebung begründet werden. Um wieviel die Zivilliste, die zurzeit 15,7 Millionen Mark beträgt, gesteigert werden soll, wird nicht gemeldet; aber um etliche Millionen dürfte es sich sicherlich handeln. Schon heute wird die Zivilliste des Königs von Preußen nur von denen des Königs von England und des Zaren übertroffen(mit dem österreichischen Kaiser steht sich der preußische König gleich), doch kommt dabei in Betracht, daß in England der Geldwert ein niedrigerer ist, als in Deutschland. Wilhelms II. Tank an Tirpitz. Tirpitz, der Vater dreier Marinevorlagen und einer der Haupt- schuldigen an dem RcichSdalleS und der uferlosen Pump- und Defizit- Wirtschaft, ist zum Zeichen der kaiserlichen Anerkennung über daS Durchbringen der jüngsten Floitenvorlage zum Mitglied der preußischen Pairskammer ernannt worden I Der offiziöse Telegraph meldet: Syrakus , 1. April. (W. T.®.) Der Kaiser richtete gestern aus O t r a n t o folgendes Telegramm an den Staatssekretär v. Tirpitz: Ihre Meldung über die Annahme de« Marine- Etat« hat mich hoch erfreut, ist doch hiennit ein sehr wichtiger Abschnitt im Ausbau der Marine erreicht worden. DaS Be- wußlsein deS errungenen Erfolges im Dienste des Vaterlandes wird Ihnen und Ihren Mitarbeitern der beste Lohn für alle Mühen und Sorgen sein. Es ist mir aber ein persönliches Be- dürfnis, meiner dankbaren Anerkennung Ihrer Verdienste sichtbaren Ausdruck zu geben und ich habe deshalb beschlossen, Sie aus be- sonderem Vertrauen in daS preußische Herrenhaus zu berufen. Indem ich Ihnen dieS mitteile, ersuche ich Sie, mir Vor- schlage zu Auszeichnungen für Ihre Mitarbeiter einzureichen. Gezeichnet Wilhelm I. R. Die Tirpitz-Ehrung an sich und der Wortlaut des Telegramms beweisen, welche Bedeutung der Kaiser dem neuen Flottengesetz beimißt, dessen Tragweite nicht nur von der offiziösenNordd. Allg. Ztg.", sondern auch der gesamten bürgerlichen Presse geflissentlich verhehlt und verleugnet worden wart Natürlich: da sowohl Frei- sinn wie Z e n t r u m für die Vorlage eintraten, verbot sich jede offene Würdigung dieses Gesetzes, das nichts weniger bedeutet, als eine dauernde Steigerung der Marineausgaben um j ä h r l i ch 100 Millionen k_ Zur Aufstellung freisinniger Laudtagskandidate« schreibt man unS: Vielleicht fragen Sie einmal, wer eigentlich jetzt die Volks- parteilichen Landtagskandidaten ausstellt? Die Wähler werden überhaupt nicht mehr einbemfen: Der- sammlungen der Vertrauensmänner, in denen sich die Kandidaten vorstellten und wo über jede von 50 Vertrauensmännern unter- stützte Kandidatur abgestimmt werden mußte, wagt man nicht mehr einzuberusen. Da die volksparteiliche Organisation nach den Reichstags- wahllreifen, nicht»ach den Landtagswahlkreisen, eingeteilt ist, so haben sich einfach, über den Kopf der bestehenden Wahttörperschaften hinweg, nach den Wünschen der leitenden Herren stilleWahl- komiteeS" aus im voran» designierten Herren gebildet, dt« jetzt da» Volk von Berlin ' spielen und willkürlich einen einzigen Mann für jeden Bezirk aufstellen und bekanntgeben. ES ist die Frage, ob sich die Berliner Wähler daS bieten lassen._ Die ungehaltene Rede des Reichsverbändlers. Der Reichsverbandsgeneral v. L i e b e r t ist unerschöpflich in der Erfindung neuer Methoden, um einesteils seinen Auftrag- gebern, den Scharfmachern, gerecht zu werden, und auf der anderen Seite nach Möglichkeit von sich reden zu machen. Jetzt veröffentlicht er sogar ungehaltene Rcichstagsredcn. Diese Rede ist nickst allein in seinem Leiborgan, denLeipziger Neuesten Nachrichten", abgedruckt, sondern erscheint außerdem als Flugblatt des Reichsverbandes, der natürlich seinen Herrn und Meister nach Möglichkeit herausstreichen muß. Die Rede ist offenbar ausgearbeitet auf Anweisung der Scharf. macher in der Glasindustrie, die dafür geneigt sein werden, dem Reichsverband Geld zur Verfügung zu stellen. Liebert behauptet, daß ihm das Wort abgeschnitten worden sei, deshalb schlage er diesen Weg ein, damit seine Leistung der Mit- weit nicht verloren gehe. Seine Polemik richtet sich gegen unseren Genossen Horn-Sachsen, der seit Jahren für die Interessen der Glasarbeiter im Reichstage eingetreten ist. Bis jetzt hat sich noch kein Abgeordneter gefunden, der den Mut gehabt hätte, die Zu- stände in den Glashütten zu beschönigen. DaS ist dem Liebert vorbehalten geblieben, der anscheinend eine Generalvollmacht der Scharfmacher aller Berufe hat. ihre Ansichten im Reichstage zum Ausdruck zu bringen. Auf den sachlichen Inhalt des Flugblattes einzugchen, lohnt sick) nicht; es verrät eben in jeder Zeile Liebertsche Auffassung, und das sagt jedenfalls gerade genug. Aber zweifellos ist es originell, sich den Auftraggebern gegenüber der Aufgabe dadurch zu erledigen, daß man seine un- gehaltenen Reden veröffentlicht. Die Tweedmouth-Briefe. In der neuesten Nummer desMärz" vom 1. April wird der angebliche Wortlaut des vielbesprochenen Briefes, den Kaiser Wilhelm II. an den Ersten Lord der englischen Admiralität, Tweedmouth, gerichtet hat und der der Antwort des.- Lords veröffentlicht. Der Inhalt wäre danach nicht gerade Welt- erschütternd. Wir sparen uns deshalb ein etwaiges nähere» Ein- gehen, bis die Echtheit der Veröffentlichung feststeht. Nationalliberale Arbeiterkandidaturea. In den industriellen Wahlkreisen des Westens bestehen die evangelischen Arbeitervereine darauf, daß die Rationalliberalen für die bevorstehende LandtagSwahl einige Arbeiterkandidaten ausstellen. Namentlich wird das gefordert für einen der drei LandtagSwahlkreise. auS denen der ReichStagSwahlkreiS Bochum besteht. DieHeina Zeitung" deutete bereits vor einiger Zeit an, daß die Arbeiter und ein erheblicher Teil der Intelligenz von der nattonalliberalen Partei abfallen würden, wenn man diesmal dm Wünschen der Arbeiter nicht Rechnung trage und wieder einen Vertreter deS Großkapitals aufstelle. Die Kandidatenfrage ist darauf in Bochum schon von Partei wegen verhandelt worden, doch ist man noch zu keiner Eni- scheidung gekommen. Auch in Dortmund spielen ähnliche Dinge, doch hat man sich dort bereits entschieden, den Arbeitern die verlangte Kandidatur nicht zu bewilligen. Wie dieDortmunder Zeitung" meldet, bc- schloß das nattonalliberale Wahlkonntee des Landkreises Dortmund einstimmig die Ausstellung deS Rechtsanwalts Dr. Crcmer- Hagen. der die Kandidatur auch annahm.Der Wunsch der evangelische» Arbeitervereine', heißt«S dann weiter,aus ihrm Reihen einen Vertreter in den Landtag zu wählen, konnte leider keine Erfülluns, finden, weil cS an einer geeigneten Kraft fehlt, welche die Interessen der Srbester ebenso nachdrucksvoll und sicher zu führen in der Lage wäre, wie daS bei dem hierorts gutbekanntcn Rechtsanwalt Dr. Cremer der Fall ist. Der Kreiswahlausschuß spricht aber die Hoffnung auS, daß bis zu einer kommenden Wahl sich diese augenblickliche Schwierigkeit durch shstematisdic Fortsetzung der UnterrichtSbeftrebungen innerhalb der evangelischen Arbeitervereine und von feiten der Partei wird überwinden lassen." Der rheinisch- westfälische Verband der evangelischen Arbeiter- vereine zählt 000, die sogenannte Bochumer Richtung 10 000 Mit- glieder, so daß also unter 45 000 evangelischen Arbeitcrvercinlern nicht einer zu finden wäre, der genügend politische und geistige Fähigkeiten zum LaudtagSabgeordneten besäße. Wie sträflich müssen da die politischen und kirchlichen Gönner der evangelischen Arbeiter- vereine, die Nationalliberalen und die Pastoren, die Bildung dieser Leute vernachlässigt haben. Wir wollen aber, ohne die evangelischen Arbeitervereinler zu hoch einzuschätzen, doch annehmen, daß eS sich hier weniger um den Mangel an einer geeigneten Kraft, als mi­die Abneigung der Nationalliberalen vor einer Arbeiterkandidatrn handelt._ Aufregung an der Produktenbörse. Dm Freisinnigen wird die Bereitwilligkeit, mit der sie stch in den Dienst der Börse gestellt und die Volksrechte gegen die Börsen- gesetznovelle verschachert haben, schlecht gelohnt. Die Fondsbörse ist mit dem Erreichten ziemlich zufrieden und wird bei Gelegenheit ihre freiwilligen Mandatare durch Spenden zum freisinnigen Partei- und WahlsondS sicher entschädigen; dagegen ist die Produkten- börse wegen der Beschränkung de» versteckten Terminhandels und besonders wegen der im§ SS des Komproinißentwurfs enthaltenen Ungültigkeitsbestimmungen in arger Aufregung. So verbreitetWolfis Telegraphen-Bureau" folgende Mitteilung: Die Produktenbörse ist in großer Erregung infolge der Börsen- gesetzreform. insbesondere über die Unklarheiten des§ gg. g.j werden Anträge an den Vorstand des Vereins Berliner Getreide- und Produktenhändler vorbereitet, den Verkehr nur bis zur gh- wickelung der bestehenden Geschäfte aufrecht zu erhalten. Freisinnige Politiker und freisinnige Demagoge». Unter dieser vielsagenden Uebcrschrift bringt dieKölnische Zeitung " einen Bericht über zwei Versammlungen, die am Mon­tag in Köln stattfanden. Die eine war eine Mitgliederversammlung des Vereins der Freisinnigen BolkSpartei, in der zwei politische Lokalgrößen siebenter Ordnung, die Herren Schaaf und Feilchenfeld, die Halttmg des Freisinns in der Wahlrechts« und ReichSvereinSgesetzsroge priesen und den Block als daS Heil und die Zukunft Deutschlands prollamiertm. DaS warn» diefrei- sinnigen Politiker" im Sinne derKölnischen Zeitung ". Die andere Versammlung war vom sozialliberale n Verein emberusen; in ihr redete Dr. Barth , der natürlich weder mit der Herrlichkeit der Blockpolitik noch mit der staats- männischen Weisheit der Freisüuissührer einverstanden, der aber auch weiter die Verwegenheit befaß,, in der WahlrecbtSfrage ein Zu- fammmgehen mit der Soffaidiimokratie zu befürworten. In feinem Sinne sprachen sich anch�nifgrke liberale Redner an?. Da» warci: diefreisinnigen Demagogen", um mit derKölnischen Zeitung - zu sprechen..yNiMütfr Bemerkenswert ist,, haß "unter dm Rednern, die sich auf den Standpunkt Barths stelst�i, ifeuch der sozialliberale Dr. Brunhubcr befand, der vor kurzem noch Hedaltcur an derKölnischen Zeitung "