es fich, dah Tampvel!- Bannerman die Partei gerettet hatte. Seine parlamentarische Opposition wurde immer kühner, die Nach- Wahlen fielen immer günstiger für die Opposition aus, bis die konservative Regierung gegen Ende des Jahres 1905 die Ueberzeugung gewann, dasi sie das Vertrauen nicht mehr besah und deshalb die Macht niederlegte. Die liberale Fraktion beaus- tragte dann ihren Führer, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen und ein Mnisterium zu bilden. Mit unfehlbarem Takte suchte sich dann Campbell-Bannerman seine Minister aus und löste daS Par« lament auf. Die Neuwahlen des Januar 1906 ergaben eine er- drückende liberale Mehrheit. Die Wahlerfolge verschafften dem neuen Premierminister eine Autorität, der sich Freund und Feind willig beugten. Der einst verachtete und verlachte Campbell-Bannernian wurde nunmehr mit Respekt angehört. Die Konservativen, im Be- wußlsein ihrer Schuld gegen den einstigen Kriegsminister, fürchteten ihn und wollten ihm die Pairswürde verleihen, um ihn ins Ober- hauS zu schicken. Aber der Premierminister blieb bis zum Schlüsse im Untcrhause. Das Gute, das die liberale Regierung in den letzten zwei Jahren geschaffen hat, ist zum großen Teile ihm zu verdanken. Er trat für die Gewährung der freien Verfassungen an Transvaal > und Oranjekolonie ein, für die Unterstützung der Arbeiterpartei in ihrer Forderung eines freien Trade-UnionSrechts, für Einschränkung des internationalen Wettrüstens, für die Milderung des Einwanderungs- gesetzes und für eine Intervention zugunsten aller unterdrückten Völkerschaften. Unvergessen bleibt sein Ruf:.Die Duma ist tot, es lebe die Duma I- zu einer Zeit, als die britische Regierung mit dem Zaren um den mittelasiatischen Ausgleich verhandelte. Und wenn es nach dem Willen Campbell- Bannermans gegangen wäre, dann hätten die Frauen bereits das Wahlrecht, die Iren ihre Homerule und die Arbeitslosen ihre Reform. Sein Tod wird wahrscheinlich nirgends so tief betrauert werden wie in Südafrika und in Irland . Mit Campbell-Bannerman starb der letzte große Liberale, der in den Traditionen CobdenS, BrightS und GladswneS gelebt und gewirkt hat. Sein Nachfolger ist Mr. Asquith, der den neuen bürger- lichen Geist vertritt, den liberalen Imperialismus, der ein Kind der letzten zwei Jahrzehnte ist und früher oder später unter dem Drucke des sozialistischen Vormarsches im Konservatismus seine Ruhestätte finden wird.— poUtifcbe Qcbcr licht. verlin. den 6. April 1908. Junkersehnsucht nach der Prügelstrafe. Im Dreiklassenparlament gaben heute wieder einmal die Junker Proben ihres edlen Gemütes und ihrer vornehmen DenkungSart. Ein bürgerlicher Richter namens Böhmer forderte bei einem Anttage auf Reform der Strafvollstreckung an Jugendlichen anstatt besonderer Jugendgerichtshöfe die Prügelstrafe und erklärte das ganze Ver- langen nach besserem Schutz der verwahrlosten Jugend, die heute im Gefängnis die hohe Schule des Verbrechens besucht, für Wahlmache der anderen bürgerlichen Parteien. Herr Böhmer mag ja feine Kollegen aus dem Dreiklassenparlament kennen und trotz ihres entrüsteten Protestes gegen diese Unterstellung wissen, wie es um sie bestellt ist, daß er aber immer noch die Barbarei der Prügelsttafe beweihräuchert, zeigt eine Gesinnung, der kaum anders als mit seinem Mittel beizukommen ist. Ganz richtig ent- gegnete ihm der Nationalliberale Schiffer, daß augenscheinlich nicht uur bei der Jugend sich die Sitten sehr verschlechtert hätten. Sonst diskutierte inän im AbgeordNeteiihaUse über den Antrag Hitze auf Erweiterung des Kinderprivilegs in der Einkommensteuer. Der freisinnige Wolff-Lissa nahm dabei teilweise eine alte Forderung der Sozialdemokratie auf, die Einkommen unter 1509 M. gänzlich frei zu lassen und dafür die Millionäre energischer heranzuziehen. Ein SchlußaMrag der Mehrheit machte weiteren, für die Erwählten des Geld- sacks peinlichen Erörterungen ein Ende. Um so längere Zeit ver- schwendete man an einen Antrag Brütt(Freik.) auf Erzielung höherer Pachtbeträge aus dem Bahnhofsbuchhandel und mit allerlei auf- gewärmten MittelstandSrettereien des Malermeisters Hammer aus Zehlendorf . Am DienStag stehen die zweite Lesung der Teuerungszulagen und allerlei Kleinigkeiten auf der Tagesordnung. — Die Bürgermeister lernen strammstehen. Das Haus der geborenen Gesetzgeber nahm heute zunächst die Vorlage über den Bau des Masurischen Kanals einstimmig an, nicht ohne daß die ostelbischen Großgrundbesitzer, an ihrer Spitze Graf Mirbach , ihr Verlangen nach weiteren Liebesgaben für Ost- Preußen kräftig kundgetan hatten. Dann überwies das Herren- haus nach langer Beratung daS Polizeikostengesetz der Gemeindekommission. Die Oberbürgermeister von Danzig , Posen, Breslau , Königsberg und selbst Herr Kirschner protestierten lebhaft und erregt gegen diese Vorlage, die die großen preußischen Gemeinden, die königliche Polizei haben, es sind 25, mit einer neuen Extra- steuer von 5 Millionen belastet, darunter Berlin allein mit 2� Millionen, ohne daß ihr Verfügungsrecht über die Polizei- Verwaltung, das jetzt gleich Null ist, irgendwie vergrößert würde. Einstimmig drückten alle Bürgermeister den lebhaften Wunsch nach Ueberführung der gesamten Polizeiverwaltung in die Hände der Kommunen aus und erklärten sich bereit, dann alle Lasten der Polizeiverwaltung zu tragen. Unter dem jetzigen Zustande, bei dem sie nur zu zahlen und gar nichts zu sagen hätten, müsse jede Lust an der Selbstverwaltung schwinden. Der elend langweilige Streit zwischen der Kommune Berlin und der staatlich protegierten „Großen Berliner" wäre längst beendet, wenn nicht ein staatlicher Polizeipräfekt, sondern ein kommunaler Polizeiverwalter an der Spitze der Berliner Sicherheitsbehörde stände. Die Regierung kümmerte sich aber um den Widerspruch der Bürgermeister nicht im mindesten, und der dreiste Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben, der weiß, was er dem Bürgertum bieten kann, erklärte den Herren rund heraus, daß eigentlich die Städte alle Kosten für die königliche Polizei tragen müßten, und daß, wenn sie nicht gleich kuschten, der Staat sie noch mit ganz anderen Lasten belegen werde. Sofort knickten die tapferen Wahrer der städtischen Selbst- Verwaltung zusammen und baten flehentlich, sie nur mit den Stacheln dieses Gesetzes und nicht mit den Skorpionen einer noch viel schlimmeren Regierungsvorlage zu züchtigen. Selbst als Herr Kirschner in hülfloser Verzweiflung die Hände über dem Kopf zu- sammenschlug, schrie ihn der Finanzminister noch einmal an, er solle nicht so tun als ob er bete; und nun waren die liberalen Mannesseelcn geduckt genug, um kein Wort mehr gegen die Re- gierungsvorlage zu sagen, die sie wahrscheinlich in der Kommission unbesehen schlucken werden. Gegen die städtischen Arbeiter, die von ihnen wirtschaftlich ab- hängig sind, zeigen diese kleinen Bureaukratenseelen ganz anderen Mut. Am Dienstag wird das Herrenhaus seine Erbweisheit der Selundärbahnvorlage widmen.— Gegen das Koalitionsrecht. Di«.Kreuzzeitung" eröffnet bereits ihre Agitation für die preubische Landtagswahl. Anknüpfend an einen von der hamburgischen Firma L. Jsermann an die„Hamb . Nachr/ gerichteten Brief, in dem diese Firma behauptet, daß sie nur deshalb ihre Pianomechanikfabrik schließt, um von.den geradezu furchtbar werdenden Lasten und Aergern mit den Arbeitern abzu- kommen"(wunderliches Deutsch ), rät das Blatt der Epigonen HammersteinS den„Arbeitgebern", sich zusammenzuschließen und den Arbeitern die Koalitionsfreiheit zu nehmen. „Indessen brauchen", meint das Blatt,»unsere Arbeitgeber darum noch lange nicht, wie der Hamburger Industrielle, den Mut zu verlieren. Sie brauchen nur nachzuholen, was sie jähre- lang versäumt haben. Schon jetzt haben sich die Arbeitgeber in verhältnismäßig kurzer Zeit machtvolle, leistungsfähige Zenttal- organisationen geschaffen und damit der sozialdemokratischen Be- wegung gegenüber namhafte Erfolge erzielt und für sich selbst größere Sicherheit erreicht. Aber auf eine zentralisierte Betätigung in wirtschaftlicher Hinsicht allein kommt es nicht an, so wirksam diese behufs Eindämmung der beunruhigenden gewerkschaftlichen Machtproben auch sein mag. Es gilt, diese Betätigung auch auf politischem Gebiete zu ent- falten. WaS nützt die gegenwärtige Stärke der zertralifierten Arbeitgeberverbände. wenn das unabläsfige Drängen der„sozialen" Reichs'tagsmehrhett nach Erweiterung der Koalitionsfreiheit und nach Verwirklichung bedenklicher sozialpolitscher Reformpläne weiteren Erfolg zu haben droht?" Diese„Betätigung auf politischem Gebiete' besteht darin, daß die Liberalen, wie weiter das ehrsame Blatt für Gott, König und Brotwucher ausführt, die Industriellen ihren letzten Rest von Libera« lismus, dem die Fabrikanten allein ihre jetzigen Bedrängnisse zu verdanken hätten, aufgeben und sich auf die Seite der Konservativen schlagen und zwar.schon bei den bevor st ehenden Land- tagswahlen". Das konservative Blatt gibt also offen zu, daß dieKon- servativen bereit sind, das Koalitionsrecht der Arbeiter zu- gunsten der Fabrikanten zu beschneiden. Ein Eingeständnis, das unsere Genoffen sich für die Landtagswahlagitation merken sollten.— Preußische«nd badische Polizei. Preußen marschiert bekanntlich nach der Behauptung des Reichskanzlers den übrigen deutschen Staaten voran, und in bezug auf eine der preußischen Institutionen trifft diese Behauptung BülowS tatsächlich zu: keine süddeutsche Polizei übertrifft die preußische an Schneidigkeit, Rücksichtslosigkeit des Eingreifens, äußeren Drill und— Zuvorkommenheit. Ermahnungen, wie sie kürzlich das badische Ministerium an die unteren Behöroen richtete, um den Bestrafungen von Bagatellsachen vorzubeugen, sind deshalb auch in Preußen durchaus unnötig; denn in Preußen kommen polizeiliche Ausschreitungen, wie erst jüngst wieder daS musterhafte Verhalten der Berliner Polizei bei den Wahlrechts- und Arbeits- losendemonstrationen bewiesen hat, niemals vor. In Baden und anderen nicht an das hohe Niveau der preußischen Kultur heran- reichenden süddeutschen Staaten liegt allerdings die Sache ganz anders, und deshalb hat es denn auch für Baden immerhin einen gewissen Zweck, wenn das badische Ministerium die Anweisung er- läßt, in Fällen, in denen entweder Polizeiübertretungen ganz un- bedeutender Art in Frage stehen oder begründeter Anlaß zu der Annahme vorliegt, daß eine Vorschrift lediglich aus Unkenntnis übertreten wurde, soll es künftig zuerst bei einer Verwarnung sein Bewenden haben und nur im Wiederholungsfälle strafend ein- geschritten werden.— Wie entsetzlich weit dieses Baden doch hinter Preußen her- hinkt.-_ Gegen das«Oprozentige Ausnahmegesetz. Leipzig , 5. April. Drei überfüllte Bolksversammlungen protestierten heute hier gegen den Wechselbalg des Reichsvereinsgesetzes, Die Redner geißelten besonders scharf die sogenannten Liberalen wegen ihres Volks- verräterischen Treibens bei der Beratung der Vorlage. Zu der Ver- sammlung für Leipzig -Stadt im.Volkshause" war der Abgeordnete dieses Kreises, Dr. Junck, geladen worden, der sich vor seinen Wählern inimer als ein besonders freiheillich und arbeiterfreundlich gesinnter Mann aufspielt; er hat es aber vorgezogen, nicht zu er- scheinen. Die von den Versammlungen angenommene gleichlautende Resolutton. die dem Reichstage zugesandt werden soll, kritisiert die volksfeindlichen Bestimmungen im einzelnen und verlangt ein völlig unantastbares Vereins- und Versammlungsrecht für daS deutsche Volk.—_ Kriegervereine, Sozialdemokratie und Konsumvereine. Die Kriegervereine sind immerfort bemüht, zu beweisen, daß ihre Behauptung, sie seien unpolitische Gebilde, nicht den Tatsachen entspricht. So ist jetzt wieder ein solcher Fall aus Hötensleben im Regierungsbezirk Magdeburg zu berichten. Und zwar hat der dortige Krieger-Landwehrverein gleich gründliche Arbeit zu verrichten versucht. In Hötensleben wählten im verfloffenen Monat die Arbeiter bei der Gcmeindevcrtretcrwahl einen Sozialdemokraten in das Gemeiirdeparlament. Die öffent- liche Stimmabgabe wurde den sozialdemokratischen Wählern zum Verhängnis, die noch dem Krieger-Landwehrverein als Mitglieder angehörten. Der Vorstand des Vereins sandte ihnen ein hekto- graphierteS Schreiben folgenden Wortlautes: „Laut Beschluß der Vorstandssitzung vom 29. März 1998 werden Sie benachrichtigt, da Sie, wie aus eingegangenem Schreiben an den Vorstand des Krieger-Landwehr- Vereins mitgeteilt wird, bei der letzt stattgcfundenen Gemeinde- Vertretungswahl einem Kandidaten der sozialdemokrati- scheu Partei Ihre Stimme gegeben und sich somit zur sozial- demokratischen Partei bekannt, daß Sie auZ dem Krieger- Landwehrverein ausgeschieden und der Rechte an vor- benanntem Verein verlustig gegangen sind. Der Vorstand." Da er nun einmal beim Aufräumen war, gedachte der Vor- stand auch gleich der Mitglieder seines Vereins, die auch dem Konsumverein angehörten. Hatte er aber die sozialdemo- kratischen Gemeindewähler ohne viel Federlesens aus dem Verein hinausbefördert, so ging er mit den Konsumvereinsmitgliedern etwas glimpflicher um. An dreißig von ihnen versandte er folgende Aufforderung: „Laut übersandtes Schreiben vom 19. März 1993 an den Vorstand des Krieger-Landwehrvereins Hierselbst sind Sie als Mitglied des hiesigen Konsumvereins eingetragen. Da der- selbe unter sozialdemokratischer Leitung steht, werden Sie als Mitglied des Krieger-Landwehrvereins Hötensleben auf- gefordert, binnen acht Tagen Ihre schriftliche Abmeldung aus dem Konsumverein dem Vorstande des Sieger-Landwehr- Vereins hier zu übersenden, anderenfalls Ihre Ausschließung aus letzterem Verein erfolgen wird. Der Vorstand." Zwar bringt der KriegervereinSverstand zu Unrecht den Konsumverein in Beziehungen zu der sozialdemokratischen Partei. Aber was verschlägt das? Das bewiese höchstens, daß er in diesem Falle seinen Mitgliedern Unrecht tut, wenn er glaubt, sie huldigten sozialdemokratischen Bestrebungen im Konsumverein. Aber bei dem so oft betonten unpolitischen Charakter der Kriegervereine sollte er sich um die politische Betätigung seiner Mitglieder über- Haupt nicht kümmern. Daß das Gegenteil der Fall ist und daß die Kriegervercine recht eifrig Politik treiben, beweisen die beiden Briefe mit dankenswerter Offenherzigkeit. Aber noch eins ist bei den beiden Schriftstücken bemerkenswert. In beiden wird auf ein Schreiben Bezug genommen, baS Beitt Kriegerb ereinSvorffand zugegangen ist und in dem ihm die„unbotmäßigen" Mitglieder denunziert wurden. Dem Ehrenmann, der so eiftig die Ab- stimmung der Kriegervereinsmitglieder überwachte und der so sorgsam die Liste der Konsumvereinsmitglieder, die nur auf dein Gericht einzusehen ist, mit der Liste der KriegervereinSmiigliedcr verglich, wird doch wohl die Ehrenmitgliedschaft im Kriegerverein angetragen werden? Verdient hat er sie!— TerroriSmuk aber treiben nur die Sozialdemokraten.,,, Der Segen der Fahrkartenstener. Anläßlich einer sozialdemokratischen Jnterpellatton über die Ein- führung eines Schnellzugpaares Würzburg-Saarbrücken erklärte im b a d i I ch e n Landtage der Eisenbahnininister v. Marschall , daß trotz Steigerung der Frequenz die Einnahme der Eisenbabnverwattung aus dem Personenverkehr im Jahre 1997 etwa eine Million Marl weniger betrage, wie im Jahre vorher. Der Ausfall sei zurückzu- führen auf die Personentarifreform und die Fahr- karten st euer, durch welche ein Herabsteigen in die untere« Klaffen stattgefunden habe. Daß die Fahrkartensteuer eine gesetzgeberische Mißgeburt ist, haben auch ihre ehemaligen Bäter eingesehen. Man geht denn auch mit der Absicht um, sie umzugestalten. Und zwar dadurch, daß die Fahrkarteiisteuer für die I. und H Klasse aufgehoben wird, damit diesen teueren Klassen ihre ehemalige Frequenz wieder- gewonnen wird. Die Fahrkartensteuer für die dritte Klasse soll bestehen bleiben! Käme eine solche Absicht wirklich zur Ausführung, so wäre das eine Begünstigung der Besitzenden und eine B e n a ch- teiligung der Minder- und Nichtbesitzenden, dit noch zehnmal schlimmer wäre, als der jetzige Zustand!— Zur Landtagswahl. AuS verschiedenen Gegenden wird gemeldet, daß aller Wahr- scheinlickikeit nach dort die Freifinnigen und Nattonalliberalen bei der LandtagSwahl gemeinsame Sache machen werden. In einigen Wahlkreisen scheint bereits ein Wahlbündnis zustande gekommen zu sein: so wird uns telegraphisch aus Wiesbaden mitgeteilt, daß die Borsitzenden der volksparteilichen Wahlvereine des Wiesbadener LandtagSwahlkreiseS gestern in einer Versammlung nattonalliberalcr Vertrauensmänner erklärt haben, ihre Partei würde auf die Auf« ftellung eines eigenen Kandidaten verzichten und von vornherein für den nattonalliberalen Kandidaten Bartling einteten.— Ein Konterfei. Die„B. Z. am Mttag" erörtert im Leitartikel ihrer heuttgen Nummer die politischen Fähigkeiten der freisinnigen Reichstagsabgeordneten und kommt aus Grund ihrer Kenntnit der Personen zu folgendem Ergebnis: ES würde sich wirllich einmal verlohnen, die polittsche Lauf« bahn der gegenwärttgen freisinnigen Volksvertreter und ihre Rechts- tttel auf den Namen Polittker zu untersuchen. Die EntWickelung ist mit ganz seltenen Ausnahmen typisch. Man fängt als Mitglied einc-Z Bezirksvereins an und beteiligt sich an der Diskussion: ist man Volks- schullehrer, so gibt die nützliche Gewohnheit, den Schülern der zweitcit oder der obersten BolkSschulklaffen die deutschen Aufsätze zu korrigieren berechtigten Anspruch darauf, als Vortragender mit einer jener Bc- zirksvereinsreden zu debütieren, die jedem selbständig denkenden Deutschen i» Laufe der letzten zwanzig Jabre den Besuch von freifinnigen Bezirksvereinsversammlungen verekelt haben. Komm: nun noch ein starkes Organ zu der Sicherheit des AufttetenS, die der tägliche Verkehr mit einer Schar von niemals widersprechenden Schullindern verleiht, so ist der Stoff zu einem Vereinsvorsitzende« gegeben, der sich im Verlaufe weniger Jahre zum Stadtverordnete::. Reichs- und Landtagsabgeordneten auswachsen kann. Einem Manne, der auf diesem Wege und mit den Mitteln der Bezirlsvereinsrednerei groß geworden ist, wird sich allerdings der Begriff der Polittk und der staatsmännischen Leistung notwendig mit der Vorstellung von Reden, Reden und wieder Reden völlig decken. Die gewaltigen wirtschaftlichen Interessen, die ein großes Staatsganze erfüllen,— die geschichtlichen Machtfaktoren wie du neu aufstrebenden Volkskräste werden ihm, der daneben niemals Gelegenheit hatte, eine umfassendere Bildung, weitreichende Kenntnisse, die Fähigkeit der Menschenbehandlung sich anzueignen— überall untct dem Bilde seiner kleinen Bezirksvereinsinttigen sich darstellen.... Und was das Schlimmste: im stillen Bewußtsein seiner eigenen Schwäche wird er darnach trachten, sich ausschließlich mit Leuten des eigenen Bildungsniveaus, der eigenen bescheidenen und bc' schränkten Anschauungen zu umgeben, jeden selbständig Denkender. sorglich fernzuhalten. Herr Kopsch und seine Genossen werden sehr erfreut sei/" über diese amüsante biographische Skizze.— Eine Wandlung zum Besseren. DaS Verlesen der Kriegsartikel bei den militärischen Kon- trollversammlungen brachte bisher stets das Verbot jedes Dritten gegenüber erkennbar gemachten revolutionären oder sozial. demokratischen Gesinnung durch Gesänge oder Ausrufe, weiter dak Verbot d"- Haltens oder Verbreitens anarchistischer oder sozio- listischer Schriften in Kasernen oder Diensträumen und schließlich das V: jeder Beteiligung an Vereinen oder Geldsa.nmlungeu ohne Genehmigung des Vorgesetzten. Wie uns jetzt aus Mag de« bürg berichtet wird, wurde dort bei den diesjährigen Frühjahrs- kontrollverjammlungen nur das Verbot des Verbreitens anar- chistischer oder sozialistischer Schriften unter den Kontrollpflichtige», Angehörigen d.'s Heeres oder in Diensträumen bekannt gegeben. Das Verbot des Haltens dieser Schriften und der Beteiligung an Vereinen oder Geldsammlungen ist also in Wegfall gekommen. Den Militärbehörden ist also wohl die Einsicht gekommen, daß diese letztgenannten Verbote sich nicht mit dem praktischen Lebek vereinbaren ließen, sondern nur auf dem Papier standen.— Was trieb den Man« in den Tod? Zum Selbstmord des Soldaten Nagel vom 6. Infanterie« Regiment in Bamberg veröffentlicht die„Neue Bayer. Landesztg/ einen Brief von Verwandten des Selbstmörders, woraus hervorgeht, daß nicht Schikanen der Offiziere oder Unteroffiziere an der unselige,: Tat schuld find, wohl aber das verfehlte militärische System. Nagel litt schon bor seiner Militärzeit an chronischem Kopfleiden und RheumatisinuS, war sehr schwächlich, blutarm und hochgradig kurz- sichttg. Trotzdem wurde er ausgehoben und im November v. I eingezogen. Seit dieser Zeit befand er sich mit kurzen Unter brechungen im Lazarett, wurde aber trotzdem nicht als untauglich entlassen. Am 21. März wurde er für gesund erklärt und verließ das Lazarett; er mußte sich aber schon am 26. März wieder beim Arzt melden, der ihn heftig angefahren haben soll. Der Mann bc- gab sich darauf vom Arzt weg zum Feldwebel, wo er sich zum inneren Dienst meldete, ein Schreiben kopierte und ein anderes auf die BataillonSlauzlei trug. Dann ging er auf sein Zimmer, verschloß die Türe und hängte sich an seiner Bettlade auf. Er hinterließ einen Zettel mit den Worten:.Ich ziehe den Tod meinen Schmerzen vor"._ Die unerbittliche Militärjnstiz. Der Musketier Schuck der 9. Kompagnie des Infanterie- Regiments Nr. 143 besuchte am 2. Januar dieses Jahres in Mutzig im Elsaß zwei Wirtschaften. Er betrank sich,
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