penttlt tnl Nuge Zu fassen, so k>at sich hier in üb'erraschenLkurzer Zeit die Situation geändert. Es kann nicht geleugnetwerden, daß gerade Naumann eine ganze Zeitlang in An-jgcstellteskreisen viele Anhänger besaß. Er galt manchenOptimisten als der kommende Mann, der nun wirklich einedemokratische Volkspartei schaffen werde, dieSchulter an Schutter mit der Arbeiterpartei kätnpfe. DieseErwartungen baben sich nicht erfüllt. Naumann hat nichtnur keinen Versuch gemacht, an dem Zusammenbruch der per-siden Blockpolitik zu arbeiten, sondern er hat nach einigenSeitensprüngen alle Freisinnsverrätemen mitgemacht. SeineCharakterlosigkeit in der Blockpolitik und in der Wahlrechts-frage bedeutet nicht nur einen Verrat an der Arbeiterklasse,fondern auch an dem neuen Mittel st and. Gerade dieWahlreckitsfrage ist für den Angestellten ebenso wichtig wiefür den Arbeiter, weil er materiell ebenso dürftig gestellt undwirtschaftlich ebenso abhängig ist wie der Arbeiter. Allestatistischen Erhebungen aus Ängestelltenkreisen haben uns ge-geigt, daß der geistige Industriearbeiter auf Grund seinermateriellen Lebenshaltung ein Proletarierdasein führt. Aucher ist ein Besitzloser, der in der dritten Masse zu wählen hat.Auch die O e f f e n t l i ch k e i t der Landtagswahl macht fürden Angestellten das Wahlrecht geradezu illuso-r i s ch. Nicht nur preußisch-deutsche Minister dulden keineAngestellten und Arbetter nnt freier Gesinnung in ihren Be-trieben, sondern auch die Kndufttiebarone sehen im Angestelltenihren geistigen Kuli, ihren gefügigen Lohnsklaven! Jede freieRegung wird unterdrückt und die Gesinnungsheuchelei undGesinnungslosigkeit als das Haupterfordernis eines tüchtigenJndustriebeamten betrachtet.Daß trotzdem die Angestelltenfrcundc vom Schlage Nau-mann den Wahlrechtskampf preisgaben, liefert den Beweisihrer politischen Unfähigkeit oder Unehrlichkeit. Deshalb istes Sache der Angestellten selbst, sich von diesen falschenFreunden zu befreien und sich der Sozialdemokratie anzu-schließen, der einzigen Partei, die entschlossen ist, das Boll-werk der heutigen preußischen Drciklassenschmach niederzu-reißen und ein wahrhaft demokratisches Wahlrecht zu er-kämpfen I_politifcbe Ocberftcbt.Berlin, den 10. April 1908.Freisinnige für neue indirekte Steuern!Wie sehr der Freisinn auf das Niveau der Stationalliicralcu, sader Freikonscrviitiven herabgekommen ist, beweist folgende Resolution,die die Abgg. D o v e und M o m m s e n dem bevorstehenden Partei-tag der„Freisinnigen Vereinigung" unterbreiten wollen:„Die baldige und für die Ankunft ausreichende Deckung derfinanziellen Bedürfnisse des Reichs ist eine unbedingte Rot-wendigleit im Interesse der Aufrechtcrhaltung unseres poli-tischen und wirtschaftlichen Ansehens im Inlands und Auslände. Zur dauernden Deckung des Mehrbedarfs anlaufenden Ausgaben und des Bedarfs, der zur Herab-Minderung des Änleihebedürfnisses außerdem erforderlich ist, g e-nllgen nicht allein direkte Steuern oder Steuern, diedie vermögenden Klassen treffen, es muß auch auf geeigneteVerbrauchssteuern zurückgegriffen werden...."Das ist ganz genau d.erselbe Standpunkt, den die HerrenBas s ermann und Zedlitz vertreten I Die nichtbesitzendeMasse des Volkes soll durch die Reichsfinanzreform abermalsin Gestalt neuer indirekter Steuern um Hunderte vonMillionen geschröpft werden! Aber um dies unerhörte Attentatauf die Taschen des Volkes zu beschönigen, sollen auch ein paar.Dutzend Millionen direkter Steuern eingeführt werden I DieNotwendigkeit solcher direkter Steuern hat Herr Basfermannbereits seit Jahr und Tag betont! Aber auch der Frei-konservative v. Zedlitz redete ja am 12. März d. I. denverbündeten Regierungen zu, doch in den sauren Apfel direkterReichssteuern zu beißen, um dadurch den bürgerlichen Parteien dieZustimmung zu einer um so gigantischeren Steuerschröpfung derMassen durch neue indirekte Steuern zu erleichtern. Herrv. Zedlitz, der Freikonservative, beschwor die Regierungen,doch„so weise" zu sein, durch das arglistige Danaergeschenk direkterReichssteuern die Möglichkeit zu geben,„durch kleine Ilonzessionen den größten Teil des Mehrbedarfs imReiche durch eigene indirekte Reichssteuern zu verschaffen".Die„Freisinnigen" Dove und Mommsen sind also auch imPunkte der Steuerpolitik mit Nationalliberalen und Frei-konservativen ein Herz und eine Seele.—Auch ein Erfolg deutscher Auslandspolitik.Die New Aorker Briefe der„Kreuzzeitung" gehören zuden besten Berichten der deutschen Presse aus dem Nankee-lande. Ter Verfasser beurteilt zwar das wirtschaftliche undpolitische Leben der Vereinigten Staaten von Amerika vomstreng konservativen Standpunkt aus und ist kein VerehrerUncle Sams; aber er besitzt Beobachtungsgabe und Menschen-kenntnis. Um so gewichtiger ist es, daß auch er in seinem heutevon der„Kreuzzeitung" veröffentlichten Brief über den„FallHill" die Ansicht vertritt, daß die Nachrichten über die Ab-lehnung Hills als amerikanischen Botschafters in Berlin imamerikanischen Volk eine„große Erregung" hervorgerufenund die Beziehungen der Union zu Deutschland wesentlich verschlechtert haben. Wörtlich schreibt er:„Gleichwohl ist es für die Förderung der deutsch-amerika-nischen Beziehungen nicht erfreulich, daß die Hill-Lffäreerst akut wurde, nachdem Hill bereits ernannt war. Zwarmeldet ein Telegramm der„Associated Preß" auS Venedig, derdeutsche Kaiser habe erklärt, er hätte keinen Einwand gegenHill erhoben, wenn» er auch sein Bedauern ausgesprochen habe,daß Charlemagne Tower den Botschafterpostcn verlassen müsse;aber zugleich wird behauptet, daß andere hochgestellte Personenihn nicht für geeignet befunden hätten. Wenn ich darübernäheres mitteile, so bemerke ich ausdrücklich, daß ich nur überhiesige Blättermeldungen referiere. So wird von CharlemagneTower mitgeteilt, daß er schon im Herbst vorigen Jahres demPräsidenten geschrieben habe, er wolle nach Amerika zurück-- kehren. Das nach diesem Briefe erwartete förmliche Demissions-gesuch sei aber nicht eingetroffen und deshalb habe Staats.sekretär Noot einige Wochen später bei Tower angefragt, ob erdenn wirklich zurücktreten wolle; Tower habe geantwortet, ergedenke dies zum Frühjahr 1308 zu tun. Darauf habe Root femAugenmerk auf Hill geworfen, der schon längst gern nach Berlingehen wollte, um die dortigen großen Bibliotheken zu studieren,weil er an einer„Geschichte der europäischen Diplomatie"arbeitet, von der schon zwei Bände erschienen sind, uill» die er inBerlin zu vollenden gedachte. Charlemagne Tower habe diesenWorschlag persönlich dem Kaiser übermittelt, der sich sofort damiteinverstanden erklärte. Auf diese Meldung erachtete man imStaatsdepartement die Ernennung Hills für per»fckt und ernannte schon für seinen jetzigen Posten im Haagden Gesandten Beauprä in Buenos Aires, während SpencerEddy, erster Sekretär in Berlin, nach Buenos Aires berufenaurfce,..,Darauf wurde plötzlich gemeldet, der Kaiser habe bei einemDiner bei Charlemagne Tower den anwesenden amerikanischenVizekonsul in Berlin, der nach Amerika reisen wollte, aufgetragen,den Präsidenten Roosevelt zu grüßen undihm mitzuteilen, er sei sehr böse auf ihn,weil er Charlemagne Tower abberufen wolle.Dies habe man für einen Scherz gehalten,gleich darauf sei aber ein Brief des Kaisers an den Präsidentenavisiert, in dem es geheißen habe, der Kaiser habe zwarim November v. I. der Ernennung Hills zu,gestimmt, nachher aber andere Informationen erhalten, dieihn vcranlatztcn, den Präsidenten zu bitten, dieselben nicht auf-recht zu erhalten. Dieser Brief soll nur avisiert, d. h. nochnicht eingetroffen sein. Wie behauptet wird, sei nämlich derchiffrierte Wortlaut von Charlemagne Tower an das Staats-departement telegraphiert worden. Zugleich wird in WashingtonerBlättern versichert, daß der deutsche Botschafter Frhr. Speckv. Sternburg von der ganzen Sache nichts wisse.Im übrigen erklärt die inspirierte Presse, daß es bei der Er-nennung Hills fein Bewenden haben müsse. Natürlich sei esdas Recht jeder Regierung, einen ihr nicht genehmen Kandidatenabzulehnen, und wenn Hill sofort als persans minus xrstsdezeichnet sei, würde ein anderer Herr ernannt sein, aber mankönne sich auf nachträgliche Einwendungen nicht einlassen."Der sehr vorsichtig abgefaßte Bericht bestätigt, was sichdeutlich aus der amerikanischen Presse ergibt, nämlich, daß dieHill-Affäre dem Ansehen Deutschlands in den VereinigtenStaaten mehr geschadet hat, als jemals alle Professorenaus-tausche sowie Prinzen- und Statuenverschickungen auszugleichen vermögen. Um so bedauerlicher ist es, daß Bülownicht im Reichstag wegen dieser Angelegenheit interpelliertworden ist. Möglich, daß er. wie so oft, auch diese Sache erstnachträglich durch die Zeitungen erfahren hat; nichtsdestoweniger bleibt er als nomineller Leiter der auswärtigenPolitik für sie verantwortlich.—Wer befahl den Sprachenparagraphen?Eine Dortmunder Zuschrift des„Berliner Tageblatt' beleuchtetkritisch das von Bethmann- Hollweg bei der dritten Lesung desReichSvereinSgesetzes im Austrage BülowS abgegebene Dementider Behauptung, die rheinisch- westfälischen Großindustriellen seiendie Veranlasser der Einsetzung deS§ 7 in die ReichLvereinSgesetz«Vorlage gewesen. Es heißt in dem Schreiben:.... Ich kann Ihnen nun folgende Tatsache mitteilen, diekein Dementi ans der Welt schafft. Hier in Dortmund sprach ineiner großen öffentlichen Versammlung, die von der Leitung dernationälliberalen Partei einberufen worden war, AbgeordneterBassermann über„Des Reiches Polittk", einige Zeit nachseinem Besuch beim Reichskanzler in Norderney. Geradedamals war in einigen Blättern die Meldung aufgetaucht, d a SVereinsgesetz enthalte ein Verbot des Ge-brauches fremder Sprachen. Lebhast, ja mit einerauffallenden Schärfe wandte sich der Abgeordnete Bassermanngegen diese Behauptung. Das Gesetz, so erklärte er,enthält keinen„Sprachenparagraphen". Fürst Bülow habe aneine solche Bestimmung absolut nicht gedacht. Allerdings aber werdein gewissen Gegenden, etwa hier im Jndustriebezirk, eine gewisseEindämmung der polnischen Agitatton nötig sein. AbgeordneterBassermann hat dann aber später auf der Landesversamnilung derwürttembergischen deutschen Partei die Erklärung, der Entwurf cnt-halte kein Sprachenverbot, mit Nachdruck wiederholt. Offenbarentsprach das, was er mitteilte, dem Stande der Dinge oder demInhalte des Entwurfes zur Zeit der Norderney er Unter-Haltungen, er war aber nicht unterrichtet darüber, daß in-zwischen der Entwurf durch die Beratung im preußischen StaalS-Ministerium um den Sprachenparagraphen bereichert worden war."Die Zuschrift weist weiter darauf hin, wenn der Staatssekretärim Namen des Reichskanzlers erklärte, eine„Einwirkung derIndustriellen auf den Reichskanzler" sei weder direkt noch indirektversucht worden, so dementiere er etwas, was gar nicht behauptetworden sei.„Als die Person, an die sich die Großindustriellen mitihrem Verlangen gewandt haben, ist nicht der Reichs-k a n z l e r, sondern ein anderer preußischer Ministerbezeichnet worden, den mit den großindustriellen Kreisen verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen verbinden. Hatder Staatssekretär nun aus eigener Schuld danebcndementiert,oder war das auch in seinem Auftrage enthalten?"Das letztere ist das wahrscheinlichere. Offizielle Dementissind, wie das Exempel zeigt, gerade soviel wert wie offiziöse.D. h. gar nichts!—_Eine nationale Gefahr.Der reichliche Ordenssegen, der sich alljährlich über jeneWürdigen ergießt, die sich nach allerhöchster Ansicht um das sogen.öffentliche Wohl irgendwie verdient gemacht haben, hat die Kassender Generalordenskommission sehr erschöpft. Es ergibt sich daherdie Notwendigkeit, entweder die reichlichen Ordensverleihungeneinzuschränken oder neue Mittel für die Anschaffung von Ordenjeranzuschaffen. Die Einschränkung deS Ordensregens ist jedochin Preußen unmöglich, denn darunter würde unzweifelhaft diepatriottsche Begeisterung, vornehmlich der Kommerzienräte,Finanziers, freisinniger Blockparlamentarier, LegattonSräte usw.wesentlich leiden, und diese Abkühlung der vaterländischen Ge-fühle könnte leicht für die nationale Gesinnung verhängnisvollwerden. So bleibt nur der Ausweg, die Kassen der General-ordenSkommission aufzufüllen. Tatsächlich ging denn auch schonvor einigen Tagen durch die Presse die Notiz, daß bei der ständigzunehmenden Zahl der Ordensverleihungen eine Erhöhung desEtatStitelS„Anschaffung und Unterhaltung der OrdenSinsignicn"erforderlich werden würde. Aber woher sollen die Mittel ge-nommen werden? Auch diese Frage hat die Regierung nach einerlängeren geistigen Anstrengung gelöst. Man will, wie die„Berk.Neust. Nachr." melden, einen Reichszuschuß zu den Ordenskostenverlangen, unter Hinweis darauf, daß neuerdings besonders vieleOrdensverleihungen an Reichsbeamte, Schutztruppenoffizicre usw.(auch RcichStagsabgeordnete) erfolgt seien.ES bietet sich also für Ordenssüchtige Aussicht, auch einenAdler vierter Klaffe zu erlangen; denn der nationale Block kannunmöglich solche Forderung ablehnen, erstens nicht aus Rücksichtauf die Erhaltung des patriottschen Gefühls, und zweitens nicht,weil sich dadurch die liberalen Parlamentarier selbst der Möglich.keit berauben würden, ihre Brust verziert zu sehen.—Pluralwahlrecht für Sachsen.ÄuS Dresden wird unterm 10. April gemeldet, daß das neueLandtagswahlrecht im wesentlichen fertig sei. Die Meldung be-stätigt im Grunde nur, was unser Dresdener Korrespondent schonvor einiger Zeit mitteilte, daß die Nationalliberalen und der größereTeil der Konservativen sich auf ein Pluralwahlrecht geeinigt haben,das je eine Mehrstimme für ein gewisses Alter, für Besitz und„Bildung" festsetzt. Neu ist, daß die Regierung geneigt sein soll,auf diese? Kompromiß, das ihre Vorschläge beiseite schiebt, ein-zugehen. Doch wird angedeutet, daß ihren Ideen auch irgendeineKonzession in dem System gemacht werden wird.Die zwischen den Nationalliberalen und Konservativen strittigeFrage der Wahlkreiseinteilung(die Konservativen wollen die ihnengünstige Scheidung der Wahlkreise in städtische und ländliche bei-behalten, die Nationalliberalen sie beseitigen) so? gleichfav?Aussicht auf Lösung haben. Sie werde wahrscheinlich so geregeltwerden, daß die Großstädte besondere Kreise bilden und die kleinerenStädte mit ländlichen Wahlkreisen zusammengelegt werden. Die Ver-Handlungen darüber sind indes noch nicht abgeschlossen.Nach dem„Verl. Tagebl." ist noch eine besondere Teufelei aus-geheckt worden, um das Proletariat zu benachteiligen. Das aktivcWahlrecht soll mit zweijähriger, das passive mit vier-jähriger Staatsangehörigkeit erworben werden. Nach demselbenBlatte werden die Präsidenten des Landtages und bekannte Partei-führer mit der Regierung während der Osterferien weiter ver-handeln.Danach scheint die Sache doch noch nicht so weit zu sein, wiedie Meldungen behaupten. Die Konservierung eines Wahlunrechtsist eben eine schwierige Sache, zumal, wenn die Furcht vor derSozialdemokratie den Gesetzesmachern und Regierungsvertretern imNacken sitzt und daneben noch jede Koterie ihren Sondcrgewinn zumachen bestrebt ist. Die sächsische Sozialdemokratie hat übrigensauch noch allerlei dazu zu bemerken und sie wird das zu geeigneterZeit zweifellos deutlich und laut genug tun. So ganz ungestörtwerden die bürgerlichen Parteien ihre volksfeindlichen Machenschaftennicht zu Ende bringen.—_Der Hundeweibchenprozetzdes Zentrumsabgeordnetcn Dr. Heim fand vor dem Landgerichtin Augsburg eine Neuauflage. Der Vorsitzende des liberalen Ver-eins in Diesen am Ammerscc wurde vor einiger Zeit vom Schöffen-gcricht in Landsbcrg a. L. wegen Beleidigung des Abg. Heim zu30 M. Geldstrafe verurteilt. Es handelte sich um Beleidigungenin einer Wählcrvcrsammlung. Der Prozeß hatte seinerzeit be-sondere? Interesse erregt, weil zur Sprache gekommen war. daßDr. Heim zu einem Zentrumspfarrer gesagt habe:„Sagt mirsdoch ins Gesicht, aber macht es nicht hinter dem Rücken, wie einverschnittenes Hundeweibchen, das um den Eckstein schifft, sonderngeradeaus wie ein männlicher Hund; ich hasse jedes onanistischehinterrücks gehende Wesen."— Der Zentrumspfarrcr gehört zujener Clique innerhalb des Zentrums, welcher der demokratischeZug des Dr. Heim nicht gefällt.— Die Berufung des seinerzeitVerurteilten wurde verworfen.Ei» unhaltbares Urteil!Wegen Förderung der Fahnenflucht mußte sichder Reservist Simar vor dem Dresdener Kriegs-g e r i ch t verantworten. Der Angeklagte hat seine Dienstzeit beimDragoner-Regiment in Koblenz abgeleistet, ivährend welcher er sicheine Bestrafung zuzog. Nach ihrer Verbüßung kam Simar indie Militär-Arbeiterabteilung nach Ehrenbreitstein. Am 30. Sep-tember 1007 sollte nun der Angeklagte entlassen werden. Um sichZivilkleidung zu laufen und mit Geldmitteln einigermaßen versehenzu sein, setzte er sich mit einem anderen Arbeitssoldaten, namensKriemer, in Verbindung, um sich von diesem einen Geldbetrag zu borgen.Kricmer willigte ein und der Vermögensverwalter sandte auf Ver-anlassung Kriemers 232 M. an Simar. Inzwischen war für denAngeklagten von dessen Bruder ein größerer Geldbetrag eingetroffen.Am 30. September, dem EntlassungStage, begab sich nun Simarnach der Post, um den von Kriemer geliehenen und für ihn ein-getroffenen Geldbetrag abzuheben. Die Summe sollte Kriemer baldwieder zurückerhalten. Noch an demselben Tage, nachts,reiste der Angeklagte von Ehrenbreitstein nach Dresden ab. Nun trataber das für Simar Verhängnisvolle ein. In derselben Nacht, woer abreiste, wurde kriemer mit einem anderen Arbeitssoldatenfahnenflüchtig, und bis heute sind sie spurlos verschwunden. Alleangestellten Nachforschungen sind bisher ergebnislos geblieben.Während man der beiden Fahnenflüchtigen mcht habhaft werdenkonnte, erhob man aber gegen Simar eine Anklage wegen Förde-rung zur Fahnenflucht. Die Anklage nimmt an, daß der angeblichgeliehene Geldbetrag von 232 M. nicht für Simar, sondern fürKriemer bestimmt war, und daß Simar den Betrag nur abgehobenhat, um diesen an Kriemer auszuhändigen und so die Flucht zu fördern.Der Angeklagte bestreitet mit aller Entschiedenheit, etwas von derFahnenflucht gewußt zu haben und daß irgend eine Verabredungnach dieser Rtchlung bestanden habe. Das Geld habe er für sichverbraucht und nicht an Kriemer abgeliefert. Er bezeichnetdie Fahnenflucht, von der er erst bei Einleitung seines Strafverfahrens erfahren hat, als einen allerdings auffälligen, aberdennoch unglücklichen Zufall. Das Kriegsgericht erachteteden Angeklaglen der ihm zur Last gelegten Straftat für überführtund verurteilte ihn gemäß dem Antrage der Vertreter der Anklagezu der gesetzlich geringsten Strafe von— sechs Monate» Gefängnis(II)und Versetzung in die zweite Klasse des SoldaicnstandeS.Ein eigenartiges Verfahren des Gerichts gegen denAngeklagten soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Nach Ver-kündung des Urteils wurde Simar entlassen. Schon hatteein anderer Angeklagter auf der Armensünderbank Platz genommen,da kamen die Mitglieder des Gerichts auf einmal auf den Ge-danken, den Verurteilten mit Rücksicht auf die Höhe der erkanntenStrafe sofort in Haft zu nehmen. Flugs mußte der Gerichts-diener den Angeklagten suchen. Dieser hatte bereits dasGerichtSgebäude verlassen, über auch das hielt das Gerichtnicht davon ab, diesen d'urch den Gerichtsdienerwieder zurückholen zu lassenl! Als Simar wieder denBerhandlungssaal betreten hatte, wurde in die Beratung über dieInhaftnahme eingetreten. Der Vertreter der Anklage beantragte dieVerhaftung Simars. Der Angeklagte bat jedoch davon abzusehen.Das Gericht beschloß' aber die sofortige Verhaftung inder Annahme, daß der Gerichtsherr den Hastbefehl wieder aufhöbenwerde. Darauf wurde der Verurteilte abgeführt.Arbeiterschaft kontra sächsische Justiz.Bekanntlich wurde vor kurzem Genosse Reich elt und mitihm Genosse Haubold wegen angeblicher Körperverletzung undNötigung, begangen bei den Vertrctcrwahlen zur Ortskrankenlassean dem nationalen Wahlleiter Schneider Krön er, zu unterhält-nismäßig hohen Gefängnisstrafen verurteilt. In der famosenUrteilsbegründung wurde unter Hinweis auf die unter demSozialistengesetz und im Dienste der Arbeiterbewegung von Reichelterlittenen Strafen von Rcichclts„Vergangenheit" und davon ge-sprachen, wer denn„solchem Mann" noch Gefolgschaft leistet.Reichelt ist Gauleiter des Chemnitzer Bezirks des Deutschen Textil-arbeiterverbandes. Die Filiale Chemnitz hat nun in ihrer letztenVersammlung folgende Resolution einmütig angenommen:„Die Mitgliederversammlung spricht dem Kollegen Gau»leiter Albin Reichelt ihr volles Vertrauen aus. Die Kollegenund Kolleginnen haben nicht die Absicht, wegen der„Vergangen-hcit" eines„solchen Manne»" von der Gefolgschaft, die sie ihmleisten, abzusehen. Die Anwesenden wissen, daß Kollege Reicheltsein ganzes Leben, seine Gesundheit, seine Freiheit im Diensteder Arbeiterbewegung geopfert hat und sie hoffen, daß es denTextilarbeitern noch lange vergönnt sein möge, ihn in ihrerMitte zu haben. Sie versprechen, nach wie vor den KollegenReichelt zu schätzen und zu achten. Ueber das gegen ihn gefällteUrteil enthält sich die Versammlung jeder Kritik."Das wird der Amtsrichter Grützner natürlich wiedernicht verstehen, wie er die ganze moderne Arbeiterbewegung nichtversteht und doch als Richter sein Urteil über Klassenkämpfer desProletariats fällt. Unparteiisch natürlich. Und von Rechts wegen.franhmcb.Polizistenvermutungen.Paris, 10. April. Die Polizei verhaftete auf einem Boule-vard drei bekannte Anarchisten, Sioussel, Kühn und Roux, die aufeinem Handwagen verschiedene Einrichtungsstücke wegschafften,unter denen eine Anzahl Dynamitpatrsncn und sonstige Sprengstoffe verborgen waten. Die Verhafteten behaupten, sie hätten