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*. 87. 25. i. Deilllge des Lomarts" Kerlilttt Wlksdlllü. SM".« m'WS. MP P«II1IMIII II......... t«,. Sozlalckemokrstiicher Aahlverein der frauen Serlin; und Umgegend. Auch die Genossinnen Berlins und Umgegend gedenken tn dem bevorstehenden Landtagswahlkampf mit aller Tatkraft einzutreten. Zu diesem Zwecke ist unter dem obigen Namen ein Verein ins Leben gerufen, der folgende Bestimmungen in seinen Statuten enthält: § 1. Der Verein bezweckt die Agitation für die Landtags- Wahlen 1808. § 2. Jede erwachsene weibliche Person kann Mitglied des Vereins werden. Z 3. Der monatliche Beitrag ist auf 20 Pfennig festgesetzt. § 4. Der Borstand besteht aus drei Personen: einer Vor- sitzenden, einer Schriftführerin, einer Kassiererin. § 5. Nach Beendigung der Lanbtagswahlen löst der Verein sich auf. Etwa noch vorhandene Gelder werden im Jnteresie der Arbeiterbewegung verwendet. Hus Induftrlc und Handel* Umgehung der ZawachSsteuer? Um der Zuwachssteuer, wie sie in Halle vor kurzem beschlossen wurde, zu entgehen, machen große Grundstücksbesitzer mancherlei Versuche. So hat, wie derBodenreformer" schreibt, der Ritterguts- besitzer Beyer in Dresden durchlästigen Vertrag" sein Eigentum seinen Söhnen abgetreten. Der Uebernahmepreis beträgt drei Millionen Mark. Dadurch glaubt Herr Beyer der Bestimmung der Steuerordnung, soweit sie rückwirkende Kraft auf 20 Jahre hat, ent- gangen zu sein. Einen ähnlichen Weg hat ein größerer Grundbesitzer in Cröllwitz eingeschlagen. Unter dem Namen.Hallische Bodengesellsckiast" haben Fabrikbesitzer Wernicke und Kaufmann Häring eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet zur Verwertung ihrer Liegen- schaften. Die Haftsumme beträgt 400 000 Mark. Auch in diesem Falle handelt es sich wohl in der Hauptsache darum, der Zuwachssteuer die rückwirkende Kraft zu nehmen. Die einfachste Korrektur der hier zutage tretenden zweifellos vorhandenen Mißstände würde darin bestehen, daß die Stadt Halle nun sofort die Steuer nach dem gemeinen Wert einführt. Wird dann der Verkaufs- oder Uebernahmepreis bei der Be- rechnnng des gemeinen Wertes zugrunde gelegt, so hat die Gesamt- heit aus den oben erwähnten Verschiebungen lediglich Vorteil, indem sie sich eine stete reiche Steucrquelle erschließt. Die Zuwachssteuer steht eben ohne die Steuer nach dem gemeiiten Wert zu einem guten Teile in der Luft, während andererseits die Zuwachssteucr ein vor- züglicher Regulator der Steuer nach dem gemeinen Werte wird. In Köln haben sich an dem Tage nach der Annahme der Zuwachs- steuer etwa 200 Baustellenbesitzer darüber beschwert, daß der gemeine Wert ihrer Grundstücke bisher zu niedrig eingeschätzt sei Steuer- reklamationen, denen im Interesse der Gerechtigkeit natürlich sofort entsprochen wurde._ Der ,�iberi,ia"-Pr»zeß hat nun sein Ende bor dem Reichs- gericht gefunden. Bekanntlich hatte der Fiskus Klage erhoben auf Ungültigkeitserklärung des Beschlusses der Generalversammlung vom 4. Dezember 1806, wonach das Aktienkapital um 10 Millionen Mark erhöhl werden sollte durch Ausgabe von 10 000 neuer Vorzugs- aktien. Das Bezugsrecht der Aktionäre sollte aber ausgeschlossen sein. Das Angebot de» Fiskus, diese Aktien zu 120 Proz. ihm zu überlassen, wurde abgelehnt. Die Aktien übernahm ein Bank- konsortium. Die Klage war vom Landgericht Bochum abgewiesen, ebenso hatte die beim Oöerlandesgcricht Hamm eingelegte Berufung keinen Erfolg. Auch die vom Fiskus beim Reichsgericht beantragte Revision ist jetzt vom ersten Zivilsenat diese? höchsten Gerichtshofes zurückgewiesen. Dymit hat diese Klage des F'�kus ein ebensolches Ende genommen, wie der vor zirka 2 Jahren angestrengte Prozeß, der sich auch gegen damalige Beschlüsse von einer Generalversamm- lung derHibernia" richtete. Eine starke Zunahme hat die Kohlenversorgung der Großstädte im Februar erfahren. Dic Kohlcnzufuhr zu zwanzig deutschen Groß- städten stellte sich nämlich im Februar auf 1614 638 Tonnen gegen 1384 444 Tonnen im Februar 1807. Sie war also in diesem Jahre um beinahe 10 Proz. höher als damals. Im Januar und Februar zusammen wurden 2 376 318 Tonnen Kohle deutschen Großstädten zugeführt, gegen 2 808 353 Tonnen im vorigen Jahre. Es ragen im Februar vor allem Königsberg, Berlin , Altona , Lübeck , ferner Magdeburg , Köln und Nürnberg mtt äußerst kräftigen Zunahmen hervor. Die Steigerung der Kohlenversorgung Berlins beträgt mehr als 12 Proz., Königsberg bezog gar 30 Proz. mehr Kohle als 1807. Stettins Kohlenzusuhren gingen von 23 838 Tonnen im Februar 1307 auf 34 580 Tonnen im laufenden Jahre oder um zirka 20 Proz. hinaus. Die Steigerung von Altonas Kohlenzusiihr stellt sich auf mehr als 40 Proz. Den Rekord aber hat Lübeck erzielt, das seine Kohlcnbezüge im Februar gegenüber dem Vorjahre verdoppelte. Teilweise dürste die stärkere Zufuhr darauf zurückzuführen sein, daß die Händler einfach genötigt werden, große Mengen ab- zunehmen. Weigern sie sich dessen, erblüht ihnen die Aussicht ge- sperrt zu werden. Die Wirkungen der Krise machen sich auch in der Seeschiffahrt bemerkbar. Der Verkehr Hantburgs weist für das erste Vierteljahr 1803 noch eine Zunahme des Verkehrs gegenüber der gleichen Epoche im Vorjahre auf. Dagegen lassen die Ziffern für Rotterdam und Antwerpen nicht unbeträchtliche Rückgänge erkennen, in denen die Krisenwirkung deutlich zum Ausdruck kommt. Es liefen ein: 1807 1803 1808 Schiffe Ton? Schiffe Ton« Schiffe Tons Hamburg 3265 2 616 281 3621 2 860 440-j-356+ 245148 Antwerpen 1553 2 337 683 1452 2 200 085101137 608 Rotterdam 2088 2178 622 1836 2 006 716152172 622 Hamburg weist zwar noch einen weiteren Aufschwung auf, doch hegt man allseitig die Befürchtung, daß diese Erscheinung nicht an- haltend sein wird. Der englische Außenhandel. Die Handelsstatistik für den ver- gangenen Monat zeigt, daß daS englische Wirtschaftsleben sich in einer stark rückläufigen Bewegung befindet. Im Vergleich mit dem Parallelmonat des Jahres 1807 ist der englische Außenhandel im März 1303 um 8,5 Millionen Pfund Sterling gefallen, die Einfuhr um 5.6 Millionen, die Ausfuhr um 1,8 und der Transithandel um 2.1 Millionen. Im März 1807 belief sich die Einfuhr auf 57,7, die Ausfuhr auf 34,7. der Transithandel auf 8,1. Im März 1303 waren diese Zahlen 52,1, 32,8, 5,8. Die Ausfuhr von Metallwaren fiel um 1,1 Million, Textilwaren um 1,3 Million Pfund Sterling. Lotterie und Industrie. Die Japaner sind schlaue Geschäfts- leute. Sie haben die Spielleidenschast in ihre geschäftlichen Kalku- lationen mit eingezogen. Und daß sie damit gut gerechnet haben. scheinen auch andere Leute zu fürchten. Aus Hongkong wird unterm 10. April gemeldet: Die Handelskammer richtete an eine Anzahl von Handels- kammern in England und China ein Rundschreiben, worin sie eine diplomattsche Aktion anregt gegen den Plan japanischer Baumwoll- spinner, tn die Ballen Baumwollgarn Lvtteriescheine einzuschließen, da auf diese Weise der japanische Handel aum Nachteil des indischen künstlich durch Anrufen der chinesischen Spielwut gefördert würde. öembts- Deining . Vom LoS einer Sachsengängerin. Eine zweifache Kindesaussetzung führte gestern die Land- arbeiterin Josefa Wawrzineck vor die 4. Strafkammer des Land- gcrichts II. Die Verhandlung emrollte ein trauriges Bild über die unter den sogenannten ausländischenSachsengängern" be- stehenden Verhältnisse. Die Angeklagte gehört zu jenen Land- arbcitern, die alsSachsengänger" alljährlich aus ihrer russisch . polnischxn Heimat mit Sack und Pack und Kind und Kegel nach Deutschlaitd kommen, um sich hier in landwirtschaftlichen Be- trieben zu verdingen. Im vergangenen Jahre stand die Angeklagre mit einer großen Anzahl ihrer Landsleute auf dem Gute Düppel bei Potsdam im Dienst. Sie brachte ihre sechs zumeist noch ganz kleinen saußerchelichen) Kinder mit. Ein halbjähriges Mädchen hatte sie bei einer Frau G. in Zehlcndorf in Pflege gegeben. Da sie aber keinen Pfennig bezahlte, wurde ihr das Kind bald wieder zurückgebracht. Um sich des ihr unbequem gewordenen kleinen Wesens zu entledigen, legte sie eS eines Morgens in aller Frühe in der Nähe der Wohnung der Frau G. auf die Straße und ging ihres Weges. Das Kind wurde nach einiger Zeit aufgefunden und der Polizei übergeben. An demselben Tage entledigre sich die An- geklagte auch noch eines zweiten ihr unbequem gewordenen Spröß- lings, eines zweijährigen Knaben. Die in der Kieler Straße in Steglitz wohnhafte Frau Ouandt bemerkte einige Stunden nach dem ersten Vorfall vor der katholischen Kirche in Steglitz einen kleinen nur notdürftig gekleideten Knaben, der jämmerlich weinte und schrie. Nachdem Frau O. erst noch geraume Zeft gewartet hatte in der Annahme, die Mutter sei in die Kirche hineingegangen, begab sie sich auf die Straße. Da es sich ergab, daß das Kind tasächlich mutterseelenallein war, nahm sie es mit sich und machte der Polizei Mitteilung. Sie wurde an das Fundbureau gewiesen, wo ihr aber gesagt wurde, die Polizeibeamten wären keine Kinder- mädchen, sie solle daS Kind nur ruhig bei sich behalten! Erst am Nachmittag stellte es sich heraus, daß die Angeklagte den Knaben vor der Kirchentür ausgesetzt hatte. Das Gericht nahm in dem ersten Falle an, daß das Kind nicht in hülfloser Lage war, da es schon nach einigen Minuten aufgefunden werden mußte und er- kannte in diesem Falle auf Freisprechung. Wegen des zweiten Falles lautete das Urteil auf sechs Monate Gefängnis. Welche falschen Vorspiegelungen von Werbeagenten mögen die Angeklagte zu der irrigen Ansicht verleitet haben, es würde auf dem Gut ein Lohn gezahlt, der hinreichte, eine siebenköpfigr Familie zu ernähren!_ Von der Polizeiattacke gegen die Arbeitslosen. In unserem Bericht über den Prozeß wegenAufruhrs"«sw. steht zu lesen, ein Zeuge habe ausgesagt, daß an der Kronprinzen- brücke ein Polizeioffizier die Schutzleute zur Attacke angefeuert habe mit dem Ruf:Nun, Kerle, haut, was Ihr könnt!" Das WortKerle" ist ein Druckfehler. Der Zeuge hat ausgesagt, es sei dort von einem Polizeioffizier kommandiert worden:Nun, Leute, haut, was Ihr könnt!" In dieser Form ist das Kommando an einer anderen Stelle unseres Berichtes, in dem Plaidoyer des Rechtsanwalts Dr. Rosenfeld, richtig wiedergegeben.Kerle" wird wohl kein Polizeioffizier seine Schutzleute nennen, wenn er sie zur Attacke gegen Arbeiter kommandiert. AlsKerle" gelten ihm die Arbeiter, auf die er einHauen läßt. Ei» Heiratsschwindler stand am 5. Februar bor dem Landgerichte Braunschweig in der Person des Reisenden Hermann Knackstrdt. Er wurde wegen je eines Falles des Betruges, der Urkundenfälschung und der Unter- schlagung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Tochter des Tischlermeisters T. hatte in denNeuesten Nachrichten" ein Heirats- gesuch veröffentlicht und sehnte sich nach der Bekanntschaft mit einem sogenannten besseren Herrn, am liebsten mit einem Beamten. Der Angeklagte schrieb ihr nun einen Brief und sagte darin, er sei 34 Jahre alt und als Eisenbahnbeamter in sicherer Stellung mit einem Gehalte von 2400 M. Den Brief unterzeichnete er mitHermann Brandes, Eisenbahnbeamter". Es folgte dann die persönliche Bekanntschaft und das Verlöbnis. Auch die weiteren Liebesbriefe unterzeichnete der Angeklagte mit dem falschen Namen. Unter dem Vorgeben, er wolle die Ausstattung in Möbeln bei einem Vetter kaufen, erschwindelte er von dem Vater des Mädchens 1175 M.; eine Obligation, die ihm das Mädchen gegeben hatte, unterschlug er. Die Briefe wurden vom Gerichte als Urkunden zum Nachweis des Verlöbnisses angesehen. Auf die Revision des Angeklagten hob am Donnerstag das Reichsgericht das Urteil wegen Betruges und Unterschlagung wegen eines Formfehlers auf. Bezüglich der Urkundenfälschung wurde die Revision verworfen. Die Wahlrechtsdemonstration vor dem Spanbauer Schöffengericht. Der Schlosser Hermann Richter, der Schlosser und Stadtver» ordnete Paul Schmidt, der Arbeiter Richard Böhm und der Dreher Paul Holldorf zu Spandau hatten jeder ein polizeiliches Straf- mandat in Höhe von 6 M. erhalten, weil sie am 12. Januar d. I. gelegentlich der Stratzendemonstrationen den zur Sicherheit und Bequemlichkeit erlassenen Anordnungen der Polizeibeamten keine Folge geleistet haben sollen. Infolge Widerspruches der Angeklagten fand Verhandlung vor dem Spandauer Schöffengericht statt. Auch nicht einer der vier Beamten vermochte etwas dafür anzugeben, daß einer der Angeklagten sich der Uebertretung schuldig gemacht, deren sie nach dem Strafmandat beschuldigt sind. Der Zeuge Polizeikommissar Marks weiß über die einzelnren Personen selbst nichts anzugeben. Er hat nur allgemein die Sache überwacht und seinem Auftrag gemäß gehandelt, Ansammlungen von Menschen zu zersprengen. Holldorf und Böhm hatten sich der Aufforderung des Polizeikommissars Genz in der Klosterstraße, sich zu zer- streuen, nachkommend, die innere Ringchaussee entlang begeben. Sie gingen nachher durch die Charlottensttaße nach der Pots- damer Straße zu, weil sie glaubten, daß dort gar keine Ansamm- lung mehr war. An der Ecke der Charlotten- und Potsdamer Straße hat Holldorf einen Stoß vom Polizeikommissar Marks er- halten mit der Aufforderung, wieder die Charlottenstratze zurück- zugehen. Bride wollten dies befolgen, konnten dies aber nicht, weil der Polizeisergeant Böhm mit seinem Pferd aus dem Bürgersteig hielt und sie zurückdrängte. In dem Augenblick wurden der Künstlerwell und Presse, die entweder ebenfalls bei Namen genannt, oder in leicht erkenntlicher Verkleidung vorgeführt werden. Andere Personen, die in unserer Partei stehen, lassen sich gleichfalls unschwer wiedererkennen. Damit haben wir aber sofort auch den wenig künstlerischen Charakter de» RomanS bezeichnet. Allerdings scheint dem Pseudonymen VerfasserVcteranuS" in erster Linie an etwas anderm gelegen zu haben. Wenn man im übrigen, wie er, über eine brillante flüssige Feder gebietet, die trotz des hastigen impressionistischen ArbeitenS doch so abgerundete, leben- atmende Situationen zu geben vermag, dann kann man auch schon einen kecken Seitensprung riskieren, ohne gleich zu straucheln. Dom Verfasser scheint es ein tiefes Bedürfnis gewesen zu sein, sich einmal gründlich zu entladen und aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Seine polittsche Anschauung steht zwar abseits von der auSge- sprochcnsozialistischen: glcichwohlscheintVeteranuS" nicht bloß Fühlung mit der höfischen, zum mindesten aristokrattschen und plutokratischen Gesellschaft von Berlin W. zu unterhalten, sondern auch in unserer Partei vertraut zu sein. Der preußische Byzantinismus ekell ihn gehörig an. Gegen ihn richtet er feine spitzen Pfeile. Mag daS ThemaHurra-Schreier" auch schon so alt sein, wie eS Potentaten gibt, mag es immerbin bereits früher eine romanhafte Behandlung gefunden haben es wirkt doch stets neu und sensationell. Und daß dieHofkultur" in unserer Gegenwart kaum vom Zeitalter des Absolutismus und Despotismus uberboten wird, oder daß sie ebenso geile Schößlinge treibt wie diese Epoche, das wird schwerlich in Abrede gestellt werden können. In diesem Zeittoman wird manch tapferes Wort gesprochen. Brillant ist da namentlich die sarkastische Schilderung derPotem- kinschen Dörfer" wennMajestät" zur Fabrikbesichtigung kommt. Der stoffliche Vorwurf, das Gerüst der Romanhandlung sozusagen, ist ja nicht neu; aber die schillernde Drapierung ist es desto mehr. Dazu ist er allzu flach projiziert. Indessen wird er doch gerade seinen tendenziösen Zweck erreichen, weil der Leser gewissermaßen spielend in das Getriebe hineingeführt wird, indem er ihm durch noch nicht ganz verschwitzte Zeitungsschilderungen aus der jüngsten Vergangenheit, die noch mit der Gegenwart eins ist, alle jene Vor- kommniffe und Ereignisse im Konttast mit einer oppositionellen An« schauung vorS geistige Auge zaubert. o. k. Notizen. Theaterchronik. Im Thalia-Theater geht am Mittwoch, den 16. d. M., ein neuer Schwank von Stobitzer u. Neal: Die Brunnennymphe" in Szene. Donnerstag, den 16., und Sonnabend, den 13. d. M., gastiert das Leffing-Thcater im Thalia-Theater mitNora" undBorkmann". Musikchronik. Im Theater des Westens bringt am Karfreitagabend der Pfamiichmidtsche Chor Mendelssohns OratoriumPauluS" zur Aufführung. Die Morwitz-Oper wird auch in diesem Jahre im Schisler-Theaterv. ein Gast« spiel gebe» und zw« vom IS. Juni au. kleines feuilleton. Jnbianerbüchcr und Detektivgeschichten. Die Lektüre der heranwachsenden Jugend ist, wenn sie nicht unter die Kontrolle der zu höheren und ernsteren Zielen erziehenden sozialistischen Jugend- Organisation gestellt wird, im wesentlichen die Indianer- und die Detektivgeschichte. Heinrich Wolgast , der verdiente Vorkämpfer der Jugendschriftenbewegung, kennzeichnete diese Kost, die der Jugend durch das neue Vcreinsgesctz erhalten bleiben soll, in einem Vortrage, den er in einem Dresdener Frauenbildungsvercin hielt. Wenn man von der Tatsache ausgeht, führte er aus, daß die Jndiancrbücher früherer Jahrzehnte verschwunden sind, so könnte man meinen, die Hauptarbeit sei getan. Allerdings, diese Art Jndianergeschichten sind nicht mehr zu sehen. Aber an ihre Stelle ist noch schlimmeres getreten. Aus den immerhin weniger gefähr- lichcn Jndianerbüchern sind Räubergeschichten und sensationelle Dctektivgeschichten geworden. Nick Carter, Bufallo Bill, Ethel King und wie die Titel über vielversprechenden Bildern alle heißen, alle diese Hefte spekulieren auf die äußere Sensation. Blutrünstiger noch als ihre Vorgänger tragen sie noch.alS besonderes Merkmal einen Zug ins äußerst Perverse an sich, die grauenhaftesten Greuel. taten sind nicht grauenhaft genug, sie werden noch künstlich ge- steigert. Woher diese Veränderung? ES ist, als seien die Nerven der Leser abgestumpft, als seien sie noch sensationslüsterner ge- worden. Diese Literatur ist nicht nur Jugendlettüre, sie wird auch von Erwachsenen gelesen. In vielen Fällen kauft der Vater diese Schwarten, liest sie und gibt sie dann seinen Kindern. Die all- gemeinen Kolportageromane scheinen zurückgedrängt; das ist aber erklärlich, da diese Hefte ähnlich jenen innerhalb einer Folge immer denselben Helden zum Gegenstand ihrer Verherrlichung haben. An diesen Heften werden nicht weniger als 100 Proz. verdient. In Hamburg beträgt die Ausgabe des Volkes für diesen Schund ebenso- viel, als der Aufwand an Schulgeld für sämtliche Volksschulen. Weiter wird der Kampf gegen diese Sintflut dadurch erschwert, daß die Autoren niemals genannt sind, ebenso wie sich der Verleger meistens hinter irgend einen Geschäftsnamen versteckt. Dadurch wird eine Kennzeichnung unmöglich gemacht. Wolgast besprach dann die Mittel zur Bekämpfung dieser Schundliteratur, erinnerte an die Bestrebungen der Jugend- schriftenausschüsse und lobte das energische Eingreifen der Sozial- demokratie, die von allen Parteien am meisten bemüht war, dem Uebel zu steuern. Die Sozialdemokratie besitzt sagte er einen Prüfungsausschuß für Jugendschriften, dessen Bücherverzeichnis als mustergültig anerkannt werden muß. Sie ist fast die einzige Partei, die diese Frage ernst nimmt, die bürgerlichen Parteien haben die Verpflichtung, sich dem anzuschließen. Auch könnten sich pädagogische Elternvereine mit dieser Sache beschäftigen. Der An. reiz dazu müßte gerade hier ein Parker sein, da es sich doch um die geistige Zukunft eines ganzen Volkes handelt. Aber eS wäre schon viel erreicht, wenn wenigstens jede Mutter ernst darüber nachdenken würde, was sie ihren Kindern zu lesen geben soll. Gegen diese Ratschläge läßt sich nichts einwenden. Aber eine Utopie ist es, wenn Wolgast die Bildung eines Kollegiums vor- schlägt, das über Partei und Konfession stehen und dazu berufen sein soll, in solchen Fragen als Sachverständige zu wirken. Von einem Vorgehen der Gesetzgeburkg vollends halten wir gar nichts. Es trifft sich gerade gut, daß die Aprilnummer derA r- beitcnden Jugend" einen temperamentvollen Artikel über ähnliche Fragen bringt. Es werden darin die Schäden, die Schmutzliteratur, Kinematographenzaub«r und Automatenspiel- Höllen anrichten, beleuchtet und im Gegensätze dazu auf den sitt- lichen Einfluß der Jugendorganisation hin- gewiesen. Hier ist wirksam einzusetzen. Hier sind junge, frische Geister für eine edlere, höhere Lebensauffassung zu gewinnen. Setzen wir die Worte her, in denen dieArbeitende Jugend" sich ihre Aufgaben selbst vorzeichnet: Wir wissen ein schon in der jetzigen Gesellschaft vorzüglich wirkendes Mittel, die Jugend vor den Gefahren der Schmutz. literatur, Kinematographen und Spielautomaten zu bewahren: die Stärkung der freien Jugendorganisation. Ihre Mitglieder meiden diese Unternehmungen und verrichten in ihren Kollegen- kreisen eine intensive Aufklärungsarbeit über die Schädlichkeit dieser für die arbeitende Jugend. Unsere Organisation macht die Jugend empfänglich für höhere Genüsse: wahre bildende, künst- lerische. Sie gibt der Jugend ein Ideal, für das zu kämpfen sie berufen wird und interessiert sie für große Fragen. Statt aber unsere Organisation zu stärken, bekämpfen dieselben Leute sie, die jetzt über die Verwahrlosung der Jugend Zetermordio schreien. Nur gut, daß unseren Vereinen dadurch nur wenig Schaden zu« gefügt wird, sonst würden sie es sein, die die Verwahrlosung der Jugend fördern. Eine geistig stupide, verwahrloste, sittlich ver. kommene Jugend ist aber den Unternehmern sehr viel lieber, als eine geistig und sittlich hochstehende, ein besseres Leben des Volkes erkämpfende, organisierte Jugend. Und warum ist ihnen nichts verhaßter, als die Aufklärung und Bildung der Jugend.... Wer die Jugend sittlich heben will, der bekämpft nicht die freie Jugend. organisation, der stärkt sie." Literarisches. V. E. TeranuS: Hurra-Schreier, ein Zeitroman <Verlag Karl Reißner, Dresden ). Wenn wir in Betracht ziehen, daß die allerjüngsten Ereignisse und Vorgänge aus dem politischen wie gesellschaftlichen Leben in diesem Buche zusammengettagen sind, so ist eS daS, was man einaktuelles" Buch, einenZeitroman" nennt. Hierauf deutet schon der Titel, der aber auch zugleich die Tendenz des Ganzen knapp und energisch umschreibt. Hierauf deuten einigehöchste" undallerhöchste" Personen, die offen bei Namen genannt sind, ferner Type» der reichshauptstädtischen Gesellschaft,