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reichsten Menschen. zwanzig Jahre lang Tag für Tag Mittags 12 Uhr in seiner Wohnung anwesend war, um den Mann zu empfangen, der ihm endlich die erste Million bringen wurde, um seine Phalanstöre einzurichten. Er hoffte, dop Roth­ schild einen jüdischen Staat in Palästina aufrichten würde. Warum gehen wir nicht darauf ein und rufen etwa in Amerika oder Australien künstlich kleine sozialistische Gesellschaften ins Leben? Weil wir sagen: Das ist Unsinn. Die bürgerliche Ge- sellschaft ist nicht entstanden, weil man von der Nothwendigkeit und Gerechtigkeit derselben überzeugt war. sondern weil die ökonomische Entwickelung der Gesellschaft diejenige Staats- und Gesellschaftsordnung nothwendig machte, ivelche wir gegenwärtig haben. Die bürgerliche Gesellschaft ist die beste aller bisherigen Gesellschastsordnnngen; sie ist aber auch die letzte. Hinter ihr kommt eine neue Gesellschaft. Die bürgerliche Gesellschaft ist ein verhältnismäßig neues Produkt, sie stammt bei uns aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderls, in Frankreich aus dem vorigen, in England aus dem 17. Jahr- hundert. Wir bekämpfen sie nur in ihren Auswüchsen, um zu zeigen, daß an ihre Stelle eine bessere Gesellschaft treten muß. Die heutige Gesellschaft ist die ausgezeichnetste, die je bestanden hat. Denn sie hat eine so vollständige revolutionäre Umgestaltung der alten Zustände herbeigeführt, wie vorher keine andere Gesell- schast. Dies haben auch Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem bekannten Manifest vom Jahre 1S4S bestätigt. In dem­selben Maße, als die jetzige Bourgeoisie sich weiter entwickelt, schafft sie diejenigen Elemente aus ihrem eigenen Leibe, die ihr den Untergang bereiten, erzeugt sie ihre Todtengräber. Die bürgerliche Gesellschaft war erst möglich nach der Feudal- Herrschast, und die sozialistische Gesellschaft ist erst möglich nach der bürgerlichen Gesellschaft. Nun begreifen Sie ivohl auch, daß wir den Entwicklungsprozeß nicht künstlich beschleunigen können und nicht künstlich beschleunigen wollen. Daß es vor hundert Jahren noch keine Sozialdemokratie gab, liegt daran, daß noch keine Existenzbedingungen damals für sie bestanden, die moderne bürgerliche Gesellschaft noch nicht vorhanden war. Ohne die heutige bürgerliche Gesellschaft aufzuheben, können Sie wiederum auch nicht die Sozialdemokratie aus der Welt schaffen. Wir haben weiter nichts zu thun, als dafür zu sorgen, daß die Massen über das Wesen der bürgerlichen Gesellschaft aufgeklärt werden, ihnen klar zu machen, daß sie darben und in ungerechter Weise ausgebeutet werben, während die Besitzenden den Nutzen aus ihrer Arbeit ziehen und sich als die Herren der Welt auf- spielen. Was nun das Verlangen betrifft, daß wir unser Pro- grawm entwickeln sollen, so verweise ich auf Prof. Delbrück in den Preußischen Jahrbüchern", welcher sagt: Man sei vollständig im Jrrthum, ivenn man meine, es ließe sich von vornherein ein be- stimmtes Programm aufstellen. Was hatten denn diejenigen, die zuerst die Aufrichtung des deutschnationalen Staates ins Auge faßten, für ein Programm? Niemand von jenen Enthusiasten wußte Auskläsung über einen gangbaren Weg zur Errichtung des deutschen Kaiserthums zu geben. Praktisch ausführbare Pro- gramme bedürfen die Parteien und Staatsmänner erst in dem Augenblick, wenn sie an die thalsächliche Verwirklichung ihrer Ideen herantreten. So schreibt ein studirter Mann. Sind Sie denn etwa in der Lage, zu wissen, was Sie in den nächsten fünf Jahren thun werden? Nein! Weil Sie nicht wissen, was für Verhältnisse eintreten werden. Wir haben ein Programm, das die Grundzüge dessen enthält, was wir wollen. Wir er- streben die Umwandlung des kapitalistischen Privateigenthums an Grund und Boden, Werkzeugen, Maschinen, Verkehrsmitteln in gesellschaftliches Eigcnthum. Das wird die ErtragSsähigkcit erhöhen. Die Expropriation der Arbeitsmittel wird vor sich gehen im Angenblicke/wo die Sozialdemokratie die Macht dazu hat. Es ist sehr leicht, die großen Betriebe, wie Krupp, Stumm:c. zu ex- propriiren. Je mehr die großen Geschäfte in die Hände der Aktionäre, der Nichtarbciter, übergehen, desto leichter ist das Expropriationsgeschäft, und daher sind wir in gewissem Sinne mit dem Staate einverstanden, wenn er die Eisenbahnen, die Bergwerke u. s. w. in seine Hand bringt, weil wir im gegebenen Augenblick diese Staatsbetriebe mit größter Leichtigkeit in sozia- listische Betriebe umwandeln können, ohne die einzelnen expro- priiren zn müssen. Je mehr sich die bürgerliche Gesellschaft in diesem Sinne entwickelt, desto leichler ist die Expropriation. Ihre Techniker und Ingenieure stellen wir alle an.(Heiterkeit.) Um diese Schritte durchführen zu können, müssen wir auch die poli- tische Macht haben. Wir fordern eine ganze Reihe von Frei- Helten: das allgemeine gleiche, direkte geheime Wahlrecht vom zwanzigsten Jahre an"für Männer und Frauen, direkte Gesetzgebung durch daZ Volk, Erziehung zur allgemeine» Wehrhastigleit durch Schaffung eines Volkshecres, Abschaffung aller Gesetze, welche die freie Ateinungsäußerung und das Versmnmlnngsreckt unterdrücken, Erklärung der Religion alS Privatsache, Abschaffung aller Aufwendungen für kirchliche und religiöse Zwecke, nnentgeltlichen Unterricht in öffentlichen Volksschulen, kostenlosen Rechtsbeistand u. s. w. Stimmen Sie dem bei? Nein! Nickt einer einzigen Forderung. Also warum darüber diskutiren? Mit den Maßregeln der Expropriation geht Hand in Hand die Aushebung der öffentlichen Schulden und Hypotheken, so das eines Tages das Schiller'sche Wort zur Wahrheit wird:Unser Schuldbuch sei vernichtet, ausgesöhnt die ganze Welt." Die heutige Gesellschaft, besonders der Großgrund- besitz, ist so kolassal verschuldet, daß sie vielleicht froh ist, wenn wir sie expropriiren. Auch den Herren von der Rechten werden wir»och einmal als Wohlthäter erscheinen.(Heiterkeit.) Wenn wir das allgemeine Bildungsniveau der Massen auf eine Höhe erhoben haben, dann wollen wir einmal sehen, was ein Volk mit einer solchen Masse von Bildung auch in bezug auf die Besserstellung feiner materiellen Lage schaffen kann. Das ist ja der Vorzug der bürgerlichen Gesellschaft, daß dieselbe mit ibrer groß- artigen Entwickelung der technischen Anwendung der Wissenschaft die Gesellschaft in einen Stand gebracht hat, wo sie, wenn sie einmal nur mag und will, die Kousumarlikel in einer Masse und Vollkommenheit erzengen kann, daß alle reichlich zu leben haben. Heule leiden wir von der Uebcrproduktion. Auf der einen Seite alle Läden voll aufgestapelter Waaren, auf der anderen Seite große Bcvölkerungskreise. die im Elend dahinleben, die bereit wären, mit dem größten Vergnügen zu arbeiten, aber nicht ar- beiten dürfen und können. Kann es eine verrücktere Ordnung der D inge(jeden? Sollte es nicht eine Gesellschaft geben können, wo jeder theilnimmt an der Produltion und auch jeder seinen Antheil an Produkten zum Lebensunterhalt erhält? Rodbertus hat viele Forderungen vertreten, welche die Kon- servativen heule nicht mehr anerkennen. Wird nicht die Ver- staatlichung de- Grund und Bodens von den Bodcnbesitzreformern verlangt? Wenn wir erst den Boden expropriiren, dann machen wir vor den Fabriken nicht Halt. Je schneller die Zeiten der Prosperität»nd der Krisen sich auf einander folgen, desto mehr iverden sich die Menschen von der Nothwendigkeit der sozialen Reform überzeugen. Die paar Unternehmer können diesen Laus der Dinge nicht aushalten. Die nationalökonomische Wissenschaft geht mehr und mehr zu sozialistischen Anschauungen üoer. Sogar das offiziöse Organ des Papstes hat den Sozialiemus als die Parole der Zukunft bezeichnet. Alles arbeitet der Sozial- demokratie in die Hände. Daß die Bourgeoisie ihre eigenen Kinder nicht mehr in den Beamtenstelle», als Lehrer, als Aerzte u. s. w. unterbringen kann, daß überall ein großes Ueber- angebot herrscht, beweist, daß die ProduktionSkräste der Gesell- schast über den Kopf wachsen, so daß sie uutergehen muß. Wenn eS dahin kommt, daß Sie mit Ihrer famosen äußeren Politik über kurz oder lang in einen europäischen Krieg verwickelt werden, wenn Millionen von Menschen ins Nichts geschleudert werden, Massenbaukrotte entstehen, wenn durch Hinderniffe der Zufuhr eine furchtbare Theuerung der Lebensmittel eintritt, wenn aus Schlachtfeldern ein Masse». schlachten das Entsetzen von ganz Europa hervorrufen wird: dann haben Sie etwas geschaffen,>vas den Untergang der bürger- Uchen Gesellschaft nach sich zieht. Die bürgerliche Gesellschaft er- zeugt aus dem Ueberfluß die Roth und den Mangel. Damit ist alles gesagt, da verwirklicht sich das Wort von Heine: Es giebt hienieden Brot genug für alle Menschenkinder. Auch Rosen und Myrrhen und Schönheit und Lust und Zuckererbsen nicht minder. Ja, Zuckererbsen für jedermann, sobald die Schoten platzen, Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen." Das ist unser Programm. Die Zukunst gehört uns, wir werden weiter marschiren; Sie werden bei den nächsten Wahlen eine noch größere Zahl auf unserer Seite sehen als bisher.(Leb- haster Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Stumm(Rp.): Auf die Frage, wie er sich den Zukunfrsstaat denkt, hat Herr Bebel mit den alten bekannten Redewendungen geantwortet und nicht ein Wort vorgebracht, daS wir nicht aus seinen Schriften schon kennen. Wie soll denn die Produktion und die Konsumtion geregelt, wie sollen die 50 Millionen Menschen in Deutschland ernährt werden? Herr Bebel betrachtet den Großbetrieb als eine Vorstufe für die sozialistische Betriebsform. Eine Genossenschaft, die sich über das ganze Reich erstrecken soll, das ist ein Unsinn sondergleichen; eine solche Genossenschaft würde sich nicht leiten lassen. Wir können uns nur an das halten, was Bellamy uns vorgeführt hat; aber Bellamy's Staat ist aufgebaut auf einem idealen Ge- biet der Zufriedenheit, während die Sozialdemokratie die Zu- friedenheü als ein Laster betrachtet; aus lauter unzufriedenen Menschen kann aber ein dauerhafter Staat nicht gegründet werden. Mit Unrecht hat der Vorredner das Mißglücken von Genoffen- fchaften zurückgewiesen. Allerdings sind die Genossenschaften nicht identisch mit dem Zukunftsstaat. Aber wenn ein paar hundert Menschen nicht einmal in Ordnung gehalten und geleitet werden können, so ist das ein Beweis dafür, daß Ihnen die Kräfte fehlen zur Organisation. Die Sozialdemokraten möchten die Unter- nehmer nach Afrika transportiren, aber Sie können sie gar nicht entbehren. Die Mehrzahl der sozialdemokratischen Fraktion be- steht ja aus Unternehmern; es sind nur wenige Arbeiter darunter, und ich möchte bezweifeln, daß diese noch wirkliche Handarbeiter sind. Durch den Terrorismus werden die Massen zusammen- gehalten und der Terrorismus der sozialistischen Partei geht weit über das hinaus, was irgend ein Unternehmer geleistet hat. Welcher Tervorisinus wird in Amerika , in England:c. von den aus- ständigen Arbeitern gegen die nichrau-ständigen Arbeiter geübt! Ich wage es nicht, Ihren Zukunftsstaat darzustellen, weil es sich als Spielerei herausstellen würde, deren Widerlegung leicht wäre. Ter Zukunftsstaat ist einfach ein großes Zuchthans und weiter nichts(Heiterkeit rechts). Der Richter'sche Zukunstsstaat gefällt mir auch nicht. Herr Richter hat die letzten Konsequenzen doch nicht gezogen. DaS Buch von Gregorovius : das Himmelreich auf Erde », das hat die Richter'sche»"Konsequenzen gezogen. Die Thaten, welche die Sozialdemokraten für die Arbeiter verrichtet haben wollen, sind nicht vorhanden. Sie haben bei den Wohl- Jahrtsgesetzen Anträge eingebracht, aber schließlich immer gegen die ganzen Gesetze gestimmt, ganz naturgemäß, denn sie wollen ja keine Wohlfahrt, sondern die Unzufriedenheit. Jede Wohl- fahrlscinrichtung wird ja als eine Sklaverei für die Arbeit be- zeichnet, sogar in die Wohnungen, die der Arbeitgeber zur Ber- fügung stellt, sollen die Arbeiter nicht einziehen. Wenn die Re- giemna etwas thut, um die Arbeitsgelegenheit zu vermehren, so z. B. bei der Korvette K, so stimmen die Sozialdemokraten da- gegen. Die Arbeitslosigkeit ist doch hauptsächlich dadurch ent- standen, daß unser Export zurückgegangen ist, weil wir zu theuer arbeilen. Die Arbeitszeit von 8 Stunden bei gleichem Lohne würde die Arbeit noch mehr vertheuern. Die Sozialdemokraten haben den Arbeitern nur falsche Vorstellungen gemacht über die Zustände und über die Hilfe, die ihnen gebracht werden kann. Bei uns in Saarbrücken giebt es 60 000 Arbeiter, davon 30 000 in der Industrie, 30 000 Bergleute. Die Ersteren werden nach meinem Prinzip behandelt, d. h. streng, aber mit warmem Herzen, und diese wollen von den Sozialdemokraten nichts wissen. Alle Heyereien haben' dort nichts genützt. Die Arbeiter werden zur Gewalt aufgehetzt, aber wenn der Staat eine Schuldigkeit thut, dann wird die Sozialdemokratie nicht zu ürchten sein: sie ist nur zu fürchten, wenn der Staat schwach ist. (Zustimmung rechts.) Abg. Bachem(Z.) weist darauf hin, daß derVorwärts", das Zeniralorgan der sozialdemokratischen Partei, über die Debatte vom Dienstag gesprochen hat mit Ausdrücken wie:Der Zen- trumskapuziner Bachem"die verrückte Kapuzinade", daß der Reichstag sich mit nichtigsten Dingen beschäsligt»nd daß der Reichstag mit Schülerverbindungen von Quartanern und Quin- tanern verglicheil wird. In diesen Ton wolle er nicht verfallen. Jedenfalls habe Herr Bebel die Kapuzinade, die nichtigen Dinge einer N-'e stündigen Wiederlegung werlh erachter. Alle Map- regeln sollen nur Palliativmiltel sein. Die Sozialdemokraten wünschen eben keinen Erfolg von diesen Mitteln, denn dann wäre es mit ihnen vorbei. Es sind erhebliche Fortschritte gemacht ge- rade gegen den Widerstand der Sozialdemokratie, Kranken-, Un- fall- und Invalidenversicherung und der Arbeiterschutz sind von der Sozialdemokratie verworfen worden. DaS möge der deutsche Arbeite/ sich klar machen; die älteren Arbeiter werden sich nicht hinter das Licht führen lassen. Herrn Liebknecht habe ich nicht vorgeworfen, daß er ein hohes Gehalt beziehe. Ein Mann von seiner ArbeitSlrasl und Aufopferung muß materiell gut gestellt sein. Ich habe nur darauf hingewiesen, daß eS in der sozialdemokrati- scheu Partei Leute giebt, die das nicht billigen und ich habe darauf hingedeutet, wenn Sie nicht einmal den ersten Führer vor solchen Neid bewahren können, wie wollen Sie dies erst in einem sozial- demokralischen Staats d> rchsetzen! Herr Bebel will von einem ZukunstSstaate überhaupt nichts wissen. Vor einigen Jahren ivar er anderer Meinung. Er schrieb in der Schrift:Unsere Ziele", daß es im Kämpft nicht möglich sein werde, die Ge- staltung des Slaates fest zu stellen. Der Grundriß muß des- halb vorher schon festgestellt werden.(Heiterkeit.) Fürst Bis- marck forderte die Sozialdemokraten auf, wenn sie 36 Mann im Reichslage wären, den Zukunstsstaat vorzuführen und Herr Bebel ertlärle sich damals, 1884, bereit, eine Darlegung der Produktion und der Dislribulion zu geben. Bis heute ist aber nichts davon bekannt geworden. Herr Bebel meint, der sozialdemokratische Zukunftsstaat werde sich aus der Entwickelung der Gesellschaft von selbst ergeben. Die Sozialdemokraten können diese Ent- Wickelung garnicht abwarten, denn die Frage ist brennend. Herr v. Wollmar hat die Prophezeihrnigen zusammengestellt; Die letzten zehn Jahre dieses Jahrhunderts ja 1898 spätestens soll den Sieg der Sozialdemokratie bringen. Dann wird Herr Bebel Präsident der Republik und Herr Liebknecht Slaalssckretär des Innern.(Widerspruch.) Dann werden Sie keinen Plan haben, ja Herr Bebel setzt auseinander, wir wollen gar keinen sozialdemokratischen Zukunftsstaat(Hört! rechts und im Zentrum). Aus diese Weise sollte man doch die Dinge nicht behandeln. Die Entwickelung der Gesellschalt, welche langsam Schritt vor Schritt vor sich geht, wollen Sie nicht; Sie wollen die Re- volution nicht; Sie wollen einen großen Kladderadatsch; aber wenn man das will, dann ist es frivol, keinen Plan zu haben. Die Herren Bebel und Liebknecht von jetzt sind nicht mehr die von früher.(Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Herr Marx , den Sie noch nicht so weit über Bord geworfen haben, wie Lassalle , hat von der revolutionären Diktatur deS Pro­ letariats als Uebergangsstnfe zum sozialistischen Staate ge- sprochen. Diese revolulionäre UebergangSstuse ist später in die Ecke gestellt worden, als man ihre Wirkung auf die Massen ge- nügend benutzt hatte. Die Sozialdemolraten erkennen leine Autorität an des Himmels und auf Erden. Wenn der sozial- demokratische Staat eingeführt wird, dann hören alle Meister auf anzuordnen, alle Zeichner auf zu zeichnen. Alle Fabriken, alle Betriebe müssen still stehe». Was soll dann aus dem Volke werde»? Sie sind verantwortlich dafür, Herr Bebel!(Zuruf Bcbel's: Sehr gern!) Also haben Sie doch schon einen Plan, wie Sie ihn in Ihrem BuchUnsere Ziele" verlangt haben. Also heraus damit!(Große Heiterkeit.) Herr Bebel könnte dann vielleicht zum Leiter einer Fabrik gewählt werden; das ge- uügt ihm vielleicht nicht; er will vielleicht Präsident der Re- publik werden.(Widerspruch der Sozialdemokraten.) Vielleicht ist aber ein anderer da, der die Massen besser zu sanatisiren und zu beschwatzen versteht.(Widerspruch der Sozialdemokraten.) Nehmen wir an, Herr Bebel wäre Leiter eines Bergwerks mit 3000 Arbeitern. Er würde natürlich die Direktoren, die Obersteiger und Steiger zu Bergleuten degradiren. Dazu sind sie gerade gut genug. Wer soll denn zum Maschinentechniker gemacht werden?(Zuruf Bebel's:" Sie nicht!) Soll ich denn hinausgeworfen werden? (Widerspruch.) Was soll ich denn machen?(Zuruf Bebel's: Wir-verde» Sie zum Blechschmied machen! Große Heiterkeit.) Ich weiß nicht, ob ich mich dieser Funktion im sozialdcmo- kratischen Staate auf genügende Weise entledigen werde.(Große Heiterkeit.) Ich werde also in dein Bergwerke auch ein Unter- kommen finden, aber was»verde ich leisten können. Ich glaube, das Bergwerk wird bald so ruinirt sein(Zuruf Bebel's: Das ist Ihnen schon zuzutrauen! Heiterkeit) und wird eingestellt werden müssen. Und was soll denn daraus werden, da wir jetzt schon für die Millionen kaum genügend Brot haben. Dann wird eine Hnngersnoth hereinbrechen(Zuruf Bebel's: Entsetzlich!) Das ist entsetzlich, aber es ist Wahrheit. Es wird eine Des- organisation der ganzen Arbeit sich ergeben. Entweder wird sich alles zur besseren Arbeit drängen, dann herrscht Anarchie, oder Sie müssen jedem seine Arbeit anweisen, und dann ist die Freizügigkeit und die freie Berufswahl beseitigt(Zustimmung rechts und im Zentrum). Schilderungen des Zunkunftsstaates finden sich in mehreren Schriften: Wohnung, Kleidung und Nahrung soll jeder in beliebigem Maße finden, und dabei soll die Ar- beitszeit nur 3 Stunden betragen. Wie das geschafft werden soll, darüber zerbrechen sich die Schriftsteller den Kopf nicht. Jede Autorität soll beseitigt, jede Beschränkung der Presse, der Versammlungen und der Meinungsäußerung soll ausgeschlossen sein. Es darf also jeder so krilisiren, wie die Jungen es gethan haben. Glauben Sie, daß dabei ein sozialdemokratischer Staat bestehen kann? Niemals hat es einen Staat, eine Gesellschaft gegeben, die ohne Autorität bestand; was machen Sie denn Herr Bebel, wenn Jemand nicht freiwillig die persönliche Autorität gewisser Leute anerkennen will? Heute heißt es in der Partei: wer nicht gehorchen will, fliegt hinaus. Das kann man doch nachher nicht anwenden. Das wäre mir eine schöne Gleich» berechtigung.(Heiterkeit.) Wenn ich 1898 in den sozialdemo- kratischen Staat hincingezwungen werden soll, dann will ich doch wissen, wie es mir ergeht. Ich glaube doch nicht, daß ich bis dahin lammfromm geworden sein werde, vielleicht bin ich dann ein Krakehler, aber Sie können mich doch nicht als einen Radau- bruder beyandeln. Es wird sehr viele solcher Krakehler geben und es wird nicht eher anders werden, bis Sie diese Unzu- sriedcnen im Blute erstickt haben.(Zurus bei den Sozial- demokraten: Uhu!) Wir können uns der Meü,img nicht ver­schließen, daß die Sozialdemokratie auf eine eigenthümliche Ent- wicklung gekommen ist. Sie wird immer vorsichtiger mit ihrem Zukunftsstaat, immer vorsichtiger mit ihrer Boraussage der Re­volution. Ich nehme an, daß auch hier eine neue Phase der sozial- demokratischen Entwicklung sich zeigt; Sie warten ab, daß die Gesellschaft sich tn den neuen sozialdemokratischen Zukunfts» staat hineinivächst. Ich glaube, Sie stehen sich besser dabei. Die älteren Arbeiter in unserem Vaterlande sind jetzt schon be- denklich geworden. Sie haben die Zeit vor 20 Jahren noch ge- kannt und wissen, daß sie sich heute besser stehen. Wir wollen die Arbeiter auch zufrieden machen. Wir verlangen viel für die Arbeiter, aber wenn das erreicht ist, sollen dieselben auch zu- frieden sein. Die meisten Arbeiter werden sich sagen, daß sie es in einem sozialdemokratischen Staat nicht besser haben werden. Auch die jungen Leute, die jetzt vielleicht schlechte Löhne haben, werden sich überlegen, ob sie den Sprung in's Dunkle wagen. Ihnen gehört die unbesonnene Jugend, uns die besonnenen älteren Arbeiter. So lange die Arbeiter noch denken, habe ich keine Angst vor dem sozialistischen Zukunftsstaat. Durch die Kritik haben die Sozialdemokraten unsere Entwickelung gefördert, aber die Entwickelung märe auch ohne die Sozialdemokratie ge- kommen. Wir haben selbstlos gearbeitet und werden auch weiter mitarbeiten. S i e werden uns nicht übertreten an Liebe zum deutschen Arbeiter, aber wir werden Sie ubertreffen an Be- sonnenheit und Ruhe im Vorschreiten. S i e rechnen ganz ohne die ethischen Gefühle der Menschen. Sie erkennen keine Auf- erstehung an und wollen alles aus das irdische Leben bastren. Wir wollen an Christo festhallen und wenn alle Parteien auf diesem Boden zusammenstehen, werden wir das Ziel schneller er- reichen, als wenn wir die Experimente machen, die Sie uns und dem deutschen Arbeiter zuinuthen.(Lebhafter wiederholter Beifall im Zentrum und rechts.) Darauf wird die weitere Debatte um 5 Uhr bis Sonnabend 1 Uhr vertagt. Uoketles. Einer der Abgeordneten der Arbeitslose», welcher sich bei der Abordnung befand, die vom Handelsminister v. Berlepsch und dem Oberbürgerincistcr Zelle empfangen wurde, schildert uns seine persönlichen Eindrücke folgendermaßen: Die Deputationen der Arbeitslosen haben ihre Schuldigkeit gethan. sie haben das cilizig Vernünftige" gethan, was der Handelsminister von den Arbeitern verlangt hat,sie haben sich mit ihm in Verbindung gesetzt und sie haben außerdem die Gelegenheit wahrgenommen, um sich auch mal mit dem Oberbürgermeister von" Berlin zu unterhalten. Resultate haben diese Unterredungen bisher nicht ergeben, die Forderungen der Arbeitslosen sind in beiden Fälle» zurückgewiesen worden. Der Handelsminister war jetzt auf ein- mal der Absicht, er sei diefalsche Adresse", an welche sich die Deputation gewendet hätte und deshalb lehnte er es auch ab, die übrigen noch angekündigtenZIbordnungen zu empfangen. Das Einzige, was er versprach, war, daß er Recherchen anstellen lassen wollte! Overbürgermeister Zelle erwies sich weniger zugeknöpft, aber er hegte nur die eine Sorge, daß die bösen Kollegen im Magistrat seiner Arbeiterfreundlichkeit wohl Zügel anlegen würden. Er versprach alles thun zu wollen, was nur in seinen Kräfte stehe, aber, aber, der schlimme Magistrat.... Die Auskunft des Handelsministers bezüglich derfalschen Adresse" wäre schließlich auch noch in de» Kauf zu nehmen ge- ivesen, wenn derselbe auch nur mit einem Wort verrathen hätte, welches denn nun eigentlich die richtige Adresse sei, an welche sich die Arbeitslosen mit Aussicht auf Erfolg zu wenden hälten. Das that aber der Minister nicht, trotzdem er vorher die Arbeits- losen aufgefordert hatte, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Die Depulation sah denn auch ohne weiteres ein. daß von hier Hilfe nicht zu erwarten sei und so unterließ sie jedes überflüssige Parlamentiren. Oderbürgermeister Zelle war wenigstens bereit zu Unter- Handlungen, es fanden sogar sämmtliche Vorschläge der Depu- lation seienvrinzipielle" Zustimmung. Die Ideen der Roth- standsarbeiten hieß er gut, er interessirte sich für einen Nolhstands- kredit, er bedauerte, daß das Schneeschippen nur mit 2 M. pro Tag bezablt werde, er ivar dafür, daß der Magistrat den Unternehinern die Miniinallöhne vorschreibe, ja er konnte sich sogar bis zu einem gewissen Grade für den Achtstundentag er- wärmen. Dann kam aber das große, gewaltigeAber". So gern der Oberbürgermeister auch helfen möchte, im Hintergrund stehen drohend die Kollegen vom Magistrat und die iverden die frommen Wünsche ihres Bürgermeisters elend ins Wasser fallen lassen. Der Stadtbaurath hielt die Ausführung von Erdarbeiten im Winter für unmöglich, die Baudeputation hat keine alten Gebäude»ur Verfügung, welche niedergerissen werden