verhaftet Warden sei. Der Schutzmann Beyer bekundet dagegen, daß Ncugebauer„Lausejungens" gerufen und, als er festgenommen wurde, um sich geschlagen, aber niemand getroffen habe. Der Angeklagte bestreitet, jemand geschlagen oder Beleidigun- gen ausgcstotzon zu haben. Die übrigen Angeklagten, die bei den Vorgängen Unter den Linden und in der Neustädtischen Äirchstraste beteiligt sind, be- streiten sämtlich entschieden die Vorwürfe, die ihnen von der An- klage gemacht werden, während die als Zeugen vernommenen Schutzleute sie belasten. Draber und Kaffube zeugen nicht. Nach einer Mitteilung des Vorsitzenden hat der Polizei- Präsident aufs neue seine Genehmigung zur Vernehmung der Kriminalbeamten D raber, Kaffube und des Kriminalkommissars Dcgner versagt. lts wird bann zur Erörterung der Vorgänge am Kimigstor geschritten, bei denen der Angeklagte Eduard Ludwig beteiligt ist. Gegen Uhr hatte sich am Königsior ejn�TrupP von mehreren Demonstranten gebildet, denen von einer Schutzmanns- chaine der Marsch in das«tadtinnere verlegt wurde. Auch hier kam es zu Tätlichkeiten. Die Menge rief:„Nieder mit den Bluthunden! Nieder mit den Vlechtöppenl Nieder mit Bülow! Hoch das allgemeine Wahlrecht!" Die Beamten, die die Menge zurückdrängen sollten, fanden heftigen Widerstand und sollen auch mehrfach angegriffen worden sein. Ludwig soll hier gerufen haben:„Haut doch die Bluthunde! Diese Hungerleider haben za nichts zu fressen I" usw. usw. Er sollte dann festgenommen werden, widersetzte sich aber kräftig. Angeklagter Ludwig bestreiket dies. Er sei willens gewesen, nach Hause zu gehen, sei dann aber auf die pfeifende und johlende Menge gestohen und habe nur gesagt:„Was ist denn hier los?!" Von Schimpftvorten wisse er nichts; er gebe aber zu, etwas an- getrunken gewesen zu sein. Polizeileutnant v. Herford , der die Absperrungen an dieser Stelle geleitet und die Befehle zum Zurückdrängen der Menschenmenge gegeben hat, hat gehört, dast Schutzleute den An- geklagten wiederholt in der Menschenmenge gesehen und lärmen gehört haben sollen. Wachtmeister T i e r a u f weiß, daß ans der laut johlenden Menge mit Knüppeln, Stecken und Eisstncken geworfen, einem Mi�chhändler auch von seinem Wagen die Milchkannen herunter- gerissen worden seien. Als der Zeuge einen der Hauptschreier festgenommen hatte, sei er ihm von der Menge wieder entrissen, er selbst aber zu Boden geworfen und umringt worden. Es feien ihm mehrere Beamte zu Hülfe geeilt, sie seien aber angegriffen und auch mit Messern bedroht worden. Die Schutzleute Jüterbock, Neumann und Lut- kowSki bekunden, daß Ludwig auf dem Wege zur Wache Wider- stand geleistet habe, indem er die Füße gegen den Boden stemmte und um sich schlug.» Auf Antrag des Rechtsanwalts Friedmann wird der Gast- Wirt Urban vernommen. Bei diesem hat Ludwig von I l) b i S 4 U h r g e k n c i p t. Er ist der Meinung, daß Ludwig angetrunken gewesen sei. Eine ganze Anzahl von Schutzleuten wurde darüber befragt, ob sie den Ludwig in der soblenden Menschenmenge gesehen haben und etwas von seiner Tätigkeit wissen. Sie verneinen dies sämtlich. Die Beweisaufnahme wendet sich nun den Vorgängen am Schönhauser Tor zu. Hierbei ist der Augeklagte P r i e b e beteiligt. Gegen 3 Uhr nachmittags zog ein Trupp Demonstranten durch die Schönhauser Allee und stieß Psuirnse. Beschimpfungen auf die Schnyleute und Hochrufe au» das Wahlrecht aus. Priebe wird min beschuldigt, mit dem Rufe„Haut doch die Hunde!" mit seinem Stock herumgefuchtelt und einem in Zivil als Radfahrer dastehenden Polizeibeamten Barkel die Laterne seines Fahrrades beschädigt zu haben. Angekl. Priebe bestreitet diese Darstellung. Er sei ganz Hann- loS an Ort und Stelle gewesen, als ihm plötzlich jemand sagte: er solle sich in acht nehmen, Schuhleute scheinen ihn aufs Korn ge- nominen zu haben. Er habe es vorgezogen, sich schleunigst zu ent- fernen, plötzlich habe er einen Schlag über den Rücken erhalte», ein Radfahrer fei plötzlich an seiner Seite gewesen und er habe die Worte gehört:„Da haben wir ja den Lumpen!" Als er fragte, weshalb er denn geschlagen und festgenommen werde, habe man ihm geantwortet:„Das wird sich schon finden l" Auf der Wache hätten ihm die Schutzleute gesagt:„Verfluchter Judenjunge I" und er habe einen Schlag über den Kopf erhalten. Da habe er bloß gesagt: „Danke schön! Darüber sprechen wir und wo anders!" Schutzmann Barkel will von dem Angeklagten Priebe den Ruf gehört haben:„Haut doch die Bluthunds!" Priebe habe sich bei dem Skandalieren in hervorragendem Maße beteiligt. Der Zeug« stand mit seinem Rade auf dem Bürgersteig, als ihm Priebe mit seinem Stocke die Laterne zerschlug und dann forteilte. Priebe habe nach seiner Meinung sehen müssen, daß eS sich um ein Polizeirad handelte. Dies wird von dem Verteidiger bestritten. Auch der Polizei- Hauptmann Stephan erklärt, daß Polizeiräder sich nur sehr wenig von privaten Fahrrädern unterscheiden. Restaurateurfrau Köhler kennt den Priebe als ruhigen, an- ständigen Menschen. Er habe am 12. Januar nachmittags ein Glas Bier bei ihr getrunken und habe die Absicht gehabt, nach Hause zu gehen. Hierauf solgen die Ereignisse in der Holzmarktstrasxe. Hier soll der Angekl. Vogel die Menge zum Durchbrechen dsr Schntzmannskette aufgefordert haben. Gegen 1 Uhr hatte sich in der Holzmarktstraße eine Menschenmenge von zirka 1000 Personen angesammelt, denen durch eine Schutzmannskette der Weiter- marsch verlegt wurde. Wie die Anklage behauptet, soll sich Vogel. der ein grünes Plakat mit der Aufschrift:„Heraus mit dem Landtagswahlrecht" am Hute trug, den Anordnungen der Polizei- beamlen ividersetzt haben. Er soll durch die Schutzmannskette hin- durchgelaufen sein und dann die Menge aufgefordert haben, eS ihm nachzutun und ebensallS die EchutzniannSkette zu durckibrechen. Der Angeklagte bestreitet irgend etwas gerufen zu haben. Der als Zeuge vernonimene Schutzmann GeSke bestätigt jedoch die Darstellung der Anklage. Der letzte Anklagepunkt betrifft den Angeklagten Bechmann, der auch des Aufruhrs bezichtigt ist. Wie der Schutzmann LiebeS- kind bekundet, ist er am Büschiugplatz einem bedrängten Kollegen zu Hülfe geeilt. Da sich ein« Menschen- menge von etwa 300 Personen dort befand, die tätlich gegen die Beamten wurde, mußte er sich in das S ch w a r z e s ch e L o k a l zurückziehen. Die darin befindlichen Gäste verließen a u f Wunsch des Schankwirts das Lokal, der«benfallS an- wesende Bechmann mußte mit Gewalt hinausgedrängt werden. Bald darauf sei mit Steinen gegen das Lokal geworfen worden. Etwa 15 Personen hätten sich an dein Exzeß beteiligt, darunter der Angeklagte Bechmann. der von einem Wachtnieister verschiedene Male zum Weggehen aufgefordert sein ioll. Er soll sich widersetzt haben und ist schließlich zur Wache sistiert worden.— Der Angeklagte bestreitet dies und erklärt auf Befragen, daß«r angetrunken ge- Wesen sei. Hierauf wird die Sitzung auf Donnerstag l0>/, Uhr vertagt. Im Anschluß an dw Sitzung findet ein Lokaltermin in der Friedrichsgracht statt._ ein Mliment modernen Sklaventums. Was für„Arbeitsverträge" im zwanzigsten Jahrhundert und noch dazu in nächster Nähe einer Großstadt Arbeitem zugemutet werden, dafür ist das nachfolgende Kulturdoktiment ein drastischer Beweis. Es lautet wörtlich: Arbeitsvertrag. Zwischen der RittergutSverwaltuna in Burgk, vertreten durch Herrn Oekonomieinspcktor Pörsdorf daselbst, und dem ll) Ernst Otto Schubert ist folgender Arbeitsvertrag vereinbart und abgeschlossen worden. � pp. Schubert tritt am heutigen Tage beim Rittergute Burgk als Arbeiter und wenn nötig als Kutscher in Dienst und ver- pflichtet sich, die ihm aufgelrage,iei, Arbeiten stets willig und geivissenhaft zu verrichten, allezeit nüchtern zum Dienst zu er- scheinen und den Anordnungen und Weisungen der Gutsverwaltung pünktlich Folge zu leisten. Ohne ausdrückliche Geneh- migung der letzteren darf er niemals flllj ander- iv ä r t s Arbeit annehmen, vielmehr hat er mit seiner Ehefrau ausschließlich beim Rittergut« Burgk zu arbeiten. 2. MS Lohn erhält Schubert 1. den jeweilig, üblichen Tagekohn für sich und seine Ebefrau. 2. freie Wohnung und 3. monatlich einen Zentner Kartoffeln für sich und seine Ehefrau. Treten Akkordarbeiten ein. so wird der Lohnsatz vorher seitens der Verwaltung mit ihm vereinbart. Die Auslohnung, die wöchentlich Mittwochs erfolgt, umfaßt jedesmal die Tage von Sonnabend bis mit Freitag. 8. Alles Halten von Vieh ist dem pp. Schubert untersagt. 4. Die der Familie Schubert angewiesene Wohnung ist jederzeit pfleglich zu benutzen und in gutem Zustande zu erhalten. Nameullich haftet Schubert für allen Schaden, der durch ihn und seine Familie an Fenstern, Oefen, Türen, Schlössern usw. entstanden ist. Untervcrmietung wie VaS Beherbergen von erwachsenen über 16 Jahre alten Familienangehörigen ist verboten. 5. In allem seinem Tun und Handeln hat Schubert stets das Interesse der GutSherrschaft zu beobachten. Er verspricht, weder sozialdemokratischen Ver- einen be»zutreten, noch sich an den Bestrebungen lind Versammlungen der Sozialdemokratie zu beteiligen. 0. Das Arbeitsverhältnis kann beiderseits durch eine viertel- jährliche Aufkündigung, gebunden an die Termine 1. April, 1. Juli, 1. Oktober und 1. Januar gelöst werden. Der Ritterguts- Verwaltung steht jedoch das Recht zu, das Ar- beitSverhältnis auch ohne vorherige Kündigung sofort zu lösen, wenn Schubert oder seine Familie sich grober Pflicht- Verletzung schuldig macht, wenn er sich betrunksn zu und wahrend der Arbeit zeigt oder sich unehrerbietig gegenüber der Gutsherrschaft und deren Vertreter benimmt. Mit dem Aushören des Arbeitsverhältnisses beim Rittergute Burgk erlischt auch die Wohnungsberechtigung ohne weiteres. Mit Einstellung der Arbeit hat Schubert mit seiner Familie die ihm ein- geräumte Wohnung sofort und ihn« Verzug zu verlassen. 7. Mit vorstehenden Bestimmungen find beide Teile einverstanden und zufrieden, ste sagen sich gegenseitige Festhaltung derselben auS- drücklich zu und haben diesen Bertrag m doppelten Exemplaren eigenhändig unterschrieben. Rittergut Burgk, am t. März lSv3. Parsdorf, Jnfp. , Otto Schubert. Wenn man solches Sklavendostlment liest, und dann die mo- deinen Sklavenhalter über Leulenol Nagen hört, dann bekommt man ein Verständnis für die grenzenlose Verachtung, die die Nachfahren der ehemaligen Strauchdiebe für die arbeitende Be- völkerung haben. Wo solche Arbeitsverträge noch möglich sind, da lebe» die Arbeiter schlechter als unter der unverschärsten Form der antiken Sklaverei. Diese veranlaßte den Sklavenhalter doch wenigsten«, au» RützlichleitSerwägungen. den Menschen nicht schlechter zu behandeln al» sein Bich. Solches Motiv der Rückficht- nähme fällt bei dem modernen Sklaven fort; die Arbeitskraft wird skrupellos ausgebeutet und ist der Träger kranl und schwach ge- worden, fliegt er aufs Pflaster. Der Plünderer braucht ja leinen neuen Sklaven zu kaufen, er kauft, für ein paar Bettelpfennige, lediglich die Arbeitskraft. Longe hat Schubert die Herrlichkeiten und Annehmlichketten des„feinen" Arbeitsvertrages übrigens nicht ausgekostet. Es war ihn, unmöglich, mit dem jeweilig üblichen Tagelohnsatz von 14 M. pro Woche für sich und seine Ehefrau auSzukomme«. Ob dem Herrn RittergulSbesttzer wohl für eine Familienmahlzeit 14 M. genügen? Aber ein Arbeiter braucht sich ja auch nicht satt zu essen; für da« Recht, hungern zu dürfen, nimmt ihm der„Brotherr" die Last der Staatsbürgerrechte ab. Und für diese Ordnung kämpfen im trauten Verein: Scharf- macher, Agrarier, Zentrümler und— Freisinnige! Klus der frauenben>egung. Fraue »- Wnhlveret«. Für den Frauen- Wahlverein nehincn im Kreise Teltow - Beedkow Anmeldungen entgegen in AdlerShof : Frau Schindhelm. Bismarckstr. 86. Köpenick : Frau TiniuS, Eliiabethstr. 2. Biliiiiischiilenweg: Frau Ktnzel, Marieuthaler Straße 3- Rixdorf: Frau Mohr, Wißmannstr. 10. Btarirndors: Frau Händel . Blumenweg 18. Königs-Wusterhnusrll: Frau Lorenz. Luckenwalber Straße i. Schenlendorf: Frau Fischer, Gartenstr. 5. Schöneberg : Frau Baumler, Mciningerftr. 8. Steglitz : grau Dräger , Ahornstr. 15. Friedenau : Frau Budrnß, Ringstr. 25. Wilmersdorf : Frau Tolle, Schöneberg . RegenSvurgerfir. 83 v Zrhlendorf: Frau Schulz, Hnnptstr. 46. Teliorn: Frau Keßler, Hoher Steinweg 7. Charlottenburg: Frau Burkert, Brauhofstr. 2. Grvß-Lichterfclde: Frau Senst, Moltkcstr. 21. Tempelhos: Frau Thiel, Friedrich Wilhelmstr. 20. Frauenarbeit i» der TcLtilindustrie. In den Webereien in Bocholt wurden im Januar zirka 6142 Fabrikarbeiter und Fabrikarbeilerliinen beschäftigt. Die Zahl der Fabrikarbeiterinnen belief sich auf 2054 gegen rund 2000 vor zehn Jahren, hat also seitdem nur unwesentlich zugenommen, stellte sich aber doch auf über 33 Proz. der Gesamtarbeilerschast. Annähernd die Hälfte der Fabrikarbciterilmen(nämlich 03ü> waren über 21 Jahre alt. Unter den 4088 Fabrikarbeitern waren 8738 über 16 Jabre, 850 unter 16 Jahre alt. Rund 500 der Arbeiter wareil holländischer Skotionalität. Mit dem 1. April traten 102 ans der Schule ,nt- lasse, icn Kinder(1l4 Knaben und 78 Mädchen) in die Webereien ein. damit nahm diese Industrie 5>! Proz. der Knaben und 42 Proz. der Mädchen auf. die am 1. April die Volksschule verlassen hatten. Dieser Hoppen biNiger Arbeitskräfte ermöglicht e«, besonder« jetzt bei der Sauen Geschäftszeit, erwachsene, teuere ArbeitSkräkte auss Pflaster zu wetfen. Von den schulentlassenen Knaben erlernen nur 30 (---- 10 Proz.) ein Handwerk._ Der grundsätzliche Freisinn. Wie das„Verl . Tagebl," zu berichten in der Lage ist, wird auf dem Delegiertentage der Freisinnigen Vereinigung Pfarrer v. Lehmann folgende Resolution vorlegen: „Wir treten für ein« allmähliche Zuziehung der Frauen zu den eigentlich politischen Vertretungen tn Reich, Staat und Ge- lneinde ein, bleiben unS aber bewußt, daß der Eigenart der Ge- schlechter entsprechend die aktive Politik Männersache ist und um der Wohlfahrt der Natlou willen Männersache bleiben muß. Wir sind deshalb der Ansicht, daß ein Frauenwahlrecht in den ver- schiedenen politischen Körperschaften grundjatzlich so zu gestalten ist. daß das männliche Element bei Wählern wie bei Gewählten auch ziffermäßig das Uebergewicht behält." Der hier aufgestellte Grundsatz paßt zweifellos zu der grund- sätzlichen Verleugnung liberaler Grundsätze durch den Freisinn. Geradezu komisch aber wirkt eS, wenn die Apportierpudel der Konservativen sich als Vormünder der Frauen ausspielen. Christliche Kulturbilder. Das Münchener Organ für geistige Verkrüppelung der katho- tischen Dienstboten findet es in seiner letzten Nummer wieder einmal notwendig, die guten Schäfchen graulich zu machen vor den roten Ehristenfemden. ES orakelt eingangs:„ES gibt ein sehr bedeutungsvolles Theaterstück, in dem ein gewisser Herr Doktor Faust und«in schönes, aber auch frommes Mädchen namens©retchen drin vorkommen." Wir kennen nun zufällig diese«„sehr bedeutungsvolle Tcheatcr- stück" und«rinnern uns, daß eS vor kurzer Zeit in einem katho- lischen Seminar als ein hodsst unmoralisches, fluchwürdiges Machwerk symbolisch verbrannt wurde und einen der unglückseligen Seminaristen, der«s vor der hl. Kommunion gelesen hatte, beinahe direkt in die Hände des Teufels geführt hätte. Tie„Monatsschrift de« Vereins für die Interessen ver i�aus- angestellten", alle unsere Parteiorgane werden der Reihe nach und di«„Gleichheil" ganz besonders an den Schandpfahl genagelt. lind zuletzi stellt der gesalbtr Artikelschreiber den„fozialbemokra- tischen Toktor Faust", Herrn August Bebel , vor die Gewissensfrage: „Nun sag, wie hast Du'S mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann... Allein ich glaub', Du hältst nicht viel davon." Ohne nun mit unserem Genossen Bebel Rücksprache genommen zu haben, können wir erklären, daß er es mit Schiller hält, der da sagt:„Keine Religion au» Religion!"— Um nun die„Religion" der katholischen Dienstbotenfreunde und-freundinnen näher zu de- leuchten, teilen wir folgenden Fall mit: Vor einiger Zeit kam ein unerfahrene« Mädchen aus einet erzkatholischen Gegend nach Berlin und trat bei einer sehr frommen Frau Landgerichtsrätin in Dienst. Hier hatte da« junge Mädchen neben anderen Arbeiten ein« A. ch t zimmerwohnung instand zu halten. Weil eS den an sie gestellten Ansprüchen nicht gewachsen war, bat e« die gnädige Frau um Entlassung. Die Dame willigte «in und wt noch ein üorige», indem sie das Mädchen nach dem A... stift, einer Art klösterlicher Anstalt in Berlin brachte. Hier begann cjne wahre LeidenSperiod« für die Aermste. Von morgens früh bis in den sväten Abend mußte«S Plätten und beten, beten und plätten. Das Mittagbrot genügte nicht, zum Frühstück gab c» zwei Schmalzstullen, am Tag deSHerrnaber nur einr. Prügel setzte es in diesem GotteSheim reichlich, und die persönliche Fr»iheit war so beschränlt, wie im Gefängnis. Endlich faßte sill, das Mädchen doch ein Herz und ersuchte die Oberin, die daselbst „liebe Mutter" tituliert wird, um ihre Freilassung. Da kam sie aber schön an. Sie sei verpflichtet, 3 Jahre(I) zu bleiben. Eines Tagez nun gelang dem Mädchen, durch einen glücklichen Zu- fall, die Flucht aus der christlichen Anstalt und es wollte in seiner Harmlosigkeit schnurstracks zu der Landgerichtsrätin laufen, als eS zum Glück erst eine Frau um Rat fragte. Da« war eine organi- siert« Genossin und diese führt« di« gehetzte Fremde �ur Genossin M., wo sie herzlich aufgenommen wurde und vorlaufig bleiben konnte. Genossin M. setzte sich nun mit dem Genoflen Z., einen, alten Veteranen der Partei, in Verbindung, und beide gingen nun in Begleitung des Madchens in da» Kloster und stellten die„liebc Mutter" zur Red«, ob sie das Fräulein kenne.„Freilich," lautete die süßliche Anttvort,„daSiftjaunserKind!"„Ihr Kind?" fragten die beiden Genossen erstaunt.(DaS„Kind" ist 22 Jahre alt.)„Na, wir nennen unsere Mädchen alle unsere Kinder! er- widert« die Oberin ganz treuherzig. Nun stellte sich die Genossin M. al» Waisenpflegerin vor. Das wirkte. Die Kleider des Mäd- chen? wurden ausgehändigt, und als die Schuhe nicht zu finden waren, ging eine Nonne mit und kaufte in einem Schuhgeschäft ein Paar neu«. Später erhielt dann da« Mädchen»och von der Oberin zwei Karten, auf denen groß vorgedruckt der Spruch stand: Gelobt sei Jesus EhristuSl und c? wurde ihm prophe- zeit, daß es rettungslos dem Teufel verfallen würde, sofern cS nicht wieder zurückkehrte. Den geistigen Tiefstand in der Heimat des Mädchens kennzeichnet die Stellungnahme der Stiefmutter der Aevmsten. die das Mädchen„opfern" will, weil sie selbst geheiratet und ihrem„himmlischen Bräutigam" Jesu « die„Treue ge» brechen" hat._ Versammlungen— Veranstaltungen. Britz . Im Monat April fällt di« Versammlung au». Soziales. Die sittliche Verwahrlosung. Unsere Mucker können nicht genug über die„sittliche« Verwahr- losiing" der Kinder des arbeitenden Volke» jammern. Deshalb propagiert man auch da» Füriorgegesctz in allen Stücken, baut neue Anstalten, in di« dies«„verwahrlosten" Kinder der Arbeiter gebracht werden sollen. Kinder werden ans der Schule durch Schutzleute abgebolt und tn Polizeigefängnisse gebracht, bis sie der Anstalt zugesührt werden können. Lehrer drohen jetzt schon vielfach un- austncrlsame» Schalen, mit der„Fürsorgeerziehung'. Wegen ganz geringer Vergehen armer Kinder wird die Zwangserziehung amtlich auSiprochcn. Wie sehr man sich da irren und armen Kindeni Unrecht zufügen kann, beweist wieder ein Fall, den vor einigen Tagen unsere Frankfurter Genossen im dortigen Stadtparlament zur Sprache brachten. Ein zwölfjähriges Mädchen machte allerlei bedenkliche Streiche, die der Schulvcrwaltung und Armenbehörde Veranlassung gab. ohne weitere« den Antrag auf Zwangserziehung zu stellen. Nur der Vormund des KindcS wehrte sich dagegen und erklärte, daß da« anne Kind nach seinem Verhalten unmöglich geistig normal sei» könne und verlangte ärztliche Untersuchung seines Mündel«. Als dies jedoch abgelehnt wurde, entschloß sich der Mann dazu, da« Kind auf seine Kosten von einem hervorragenden Nervenarzt untersuchen zu lassei«. der daö Kind für— geisteskrank erklärte und«»staltSpflege, jedoch in einer Irrenanstalt empfahl. Die Srnienverwallung be- stand jedoch aus Fürsorgeerziehung, bis endlich gerichtlich die Beobachtung deS Kindes in der Irrenanstalt verlangt wurde. Nach längerer Beobachtmig wurde auch vom Chefarzt der Irrenanstalt da» Zeugnis ausgestellt, daß das Kind unheilbar geisteskrank sei und dauernd wohl in der Jrrenpflege gehalten werden müsse. Jetzt lehnte auch das Amtsgericht die beantragte Fürsorgeerziehung ab und bleibt da? Kind unter ärztlicher Aufsicht tn der Jrrc»anstalt. So wurde ein anneS Kind vor ständigem Prügeln und ähnlichen„Erziehungsmethoden" unserer Muckeranstalten bewahrt I Mit Recht haben unsere Franlfurter Genossen dieses Fiirsorgcgesetz als ein Ausnahmegesetz gegen arme Leute bezeichnet, das doch in der Praxis niemals gegen die Kinder reicher Leute angewendet würde-