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kraft oder So« unreifer Körperentwfckelung aver größerer Ge- schmeidigkeit der Glieder anzuwenden. Weiber- und Kinderarbeit war das erste Wort der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie." Noch vor 25 Jahren beschäftigten die damals großen clektro- technischen Firmen ausschließlich Männer. Die ersten Apparate, Bogenlampen, Schalter, Sicherungen usw. waren Handarbeit. Aber bald setzte ein wilder Konkurrenzkampf ein; in jedem Betriebe wurden die Werkzeugmaschinen immer sorgfältiger ausgebildet, um die verhältnismäßig teuren Handarbeiter zu ersparen und un- gelernte Arbeitskräfte an ihren Platz zu stellen. Eine weitgehende Arbeitsteilung wurde eingeführt und der Arbeitsprozeß in einfache monotone Teiloperationen zerlegt. Damit war die Möglichkeit der Frauenarbeit gegeben, deren Anfänge in den elektrischen Fabriken etwa 20 Jahre zurückliegen. Heute sind die Säle für Massenfabri- kation in der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft, bei den Siemens- Schuckert -Werken. Siemens u. Halske , Bergmann usw. fast nur durch Frauen besetzt. In den Abteilungen, in denen die Teile vor- gearbeitet werden, in den Montagcsälen, überall sind es Mädchen, welche die Arbeiten ausführen. Selbst die kompliziertesten Bogen- lampen will man nach den neueren Rezepten durch Mädchen zu- sammensetzen und sogar kontrollieren lassen. Eme der wichtigsten Abteilungen aber ist die Stanzerei. Die Zeiten sind vorüber, in der ein Mechaniker oder ein Schlosser einen Blechhaken oder einen Bügel von Hand aus feilt und be- arbeitet. Durch Massenfabrikation werden jetzt solche Teile aus- gestanzt. In der Stanzabteilung steht Presse neben Presse und werden durch Bedienung von Mädchen täglich Tausende von Ar- beitsstücken aus Blechtafeln zugeschnitten, gepreßt, gebogen, gelocht und so weiter. Diesen Pressen verdanken wir aber auch die höchsten Unfallziffern. Zieht die Arbeiterin dm Hand nur ein einziges Mal nicht schnell genug von dem Arbeitsstück unter der Presse zurück, werden von dem schweren niedersausenden Stempel die Finger zcr- quetscht oder gar die ganze Hand ist ruiniert. Freilich sind Schutz- cinrichtungen konstruiert worden. In der Charlottenburger Aus- stcllung für Arbeiterwohlfahrt nehmen sich solche auch ganz gut aus, aber in der Praxis werden sie nicht überall angewendet. Oft- nials entfernt sie die Arbeiterin selbst mit Zustimmung der Be- triebsleitung, weil ohne die Schutzvorrichtungen schneller gearbeitet werden kann. Die Akkorde find niedrig, so daß ein fabelhaft schnelles Arbeitstempo angeschlagen werden muß, sollen die Mädchen über- Haupt etwas verdienen. Es bleibt dann der alte Zustand. Die er- höhte Unfallziffer am Jahresabschluß zeigt, wie mit der Gesund- heit der Arbeitskräfte gewirtschaftet worden ist. Professor Hund- hausen-Dresden, ein früherer Betriebsleiter von Siemens u. Halske, macht in der ZeitschriftDie Werkstattstechnik" seinen Fachgenossen einen Vorschlag, der ein charakteristisches Beispiel für die moderne Fabrikorganisation bildet. Um die verhältnismäßig hohe Unfallrentc zu sparen, die Ar- beitslöhne erniedrigen zu können, will Hundhausen die heutigen Pressen so umbauen lassen, daß die reine Handarbeit noch mehr ausgeschaltet wird. Wenn z. B. jetzt 20 000 kleine Blcchhebel in der Stanzabteilung hergestellt werden sollen, so werden die Teilopera- tioncn entweder hintereinander oder nebeneinander ausgeführt. Wird die Arbeit hintereinander hergestellt, so werden an einer Dtaschine die SpezialWerkzeuge je nach den Teiloperationen etwa sechsmal ausgewechselt. Beim ersten Gang werden die Schnitte für das Ausstanzen eingespannt, bei dem zweiten für das Pressen, dann für Lochen, Biegen. Börteln usw. Im anderen Fall würde man die Arbeit von 6 Pressen zugleich ausführen lassen und zu gleicher Zeit die Arbeitsstücke stanzen, pressen, lochen, biegen, börteln usw. Im erstcren Falle hätte man an einer Maschine die sechsfache Ar- bcitszeit gebraucht, im letzteren Falle 6 Maschinen in dem sechsten Teil der Zeit arbeiten lassen. Hundhauscn macht nun den Vorschlag. an einer einzigen ArbcitSmaschine die betreffenden Arbeitsstücke ohne AuLivcchselung der jeweiligen Werkzeug- in einem Gang fix und fertig herzustellen. Dafür wird von ihm eine sehr sinnreiche Stcmpclaussührung konstruiert, durch welche der gedachte Zweck technisch vollkommen erreicht wird. Es wird dann durch einen ein- zigen Hebeldruck das Arbeitsstück in allen seinen Stadien fertig hergestellt. Nach dieser Anordnung wird man die Tagesproduktion von Stanzstücken ungeheuer steigern können; sie würde etwa das fünf- und sechsfache gegen früher betragen. Das Arbeitspensum, welches früher von fünf Maschinen geleistet wurde, bewältigt dann eine einzige Maschine; das Anschaffungskapital für den Unter- nehmer wird ermäßigt, ebenso reduzieren sich die Löhne auf ein Fünftel und noch mehr. Bei Anwendung der von Hundhauscn vorgeschlagenen Presse wird ähnlich wie bei den Automaten in der Dreherei nach Ein- stellung der Maschine nur ein einziges Mädchen zur Bedienung notwendig sein, welches dafür sorgt, daß der Maschine immer ge- nügend Material zur. Verarbeitung zugeführt wird, während auf der anderen Seite die Arbeitsstücke fix und fertig in den Lieferkorb hineinfallen. Es zeigt sich hier dasselbe Bild, wie wir cS bei Massenfabrikation der Großindustrie oft beobachten können. Tic Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Cha, rakter für die Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird." Wie finnlandifche Dienstmägde in Deutschland missbandelt werden. Unser finnisches BruderorganTömieS"(Der Arbeiter") veröffentlichte kürzlich zwei Briefe finnischer Dienstmädchen. d,e ihm aus Deutschlands gesegneten Fluren. Ostertrop und Alsleben in Schleswig-Holstein . zugegangen waren. Die Mädchen haben ihre Stellungen durch Agenten in Helsingfors und Tammerfors erhalten. Sie klagen in den Briefen über unmensch- liche Behandlung und unerträglich schwere Arbeit. Aufstehen müssen sie uni 3 Uhr morgens und schlafen gehen können sie oft erst um 12 Uhr nachts. Den Tag über müssen sie Wasser schleppen. eine große Zahl Kühe melken oder sonstwie hart arbeiten. Die Kost sst schlecht.Oft müssen wir uns Schlage und Fuß- t r i t t e gefallen lassen," beißt es in dem Briese au» Ostertrop. Als wir fort wollten, wurden uns 182 M. abverlangt, obwohl die Reise hierher nur 30 M. kostete. Wir können natürlich jene Summe nicht aufbringen, und darum müssen wir hier bleiben. Unser Nachtlogis ist im Viehstall. Die anderen Dienstleute treiben ihren Spott mit uns." In dem Briefe aus Alsleben , der von der Verfasserin des ersten Briefes mit unterzeichnet ist, wird über ebenso schlechte Behandlung geklagt, außerdem aber über einen brutalen Vergewaltigungsversuch, der eines Nachts gegen das Mädchen unternommen wurde. Leider werden die Namen der Dienstherren nicht mitgeteilt. Jedenfalls muß alles aufgeböten werden, um die Finnländerinnen auS der deutschen Sklaverei zu befreien. In der arbeiterfreundlichen und anständigen Presse Finnlands wird jetzt überall vor jenen gewissenlosen Seelen- Verkäufern gewarnt, die ihre Opfer nach Deutschland schicken, wo sie vielfach der Mißhandlung, ja sogar der Vergewaltigung aus- gesetzt sind.__ Versammlunge» Veranstaltungen. Marienborf. Dienstag sg. Osterfeiertag). nachmittags 4 Uhr: Gemütliches Beisammensein bei Reichert. Chausseestraße 27. SchSneberg. DonnerZiag, 23. April, in den Neuen Rathaussälen, In- Haber Grosser(früher Obst), Meininger Straße 8: Ocffent- liche Versammlung. Vortrag. Reichstagsabgeordneter Fritz Z u b e i l:Welches Interesse haben die Frauen an den preußischen Landtagswahlen?" ßeriebtö- Zeitung. Prämie» für Kinderausbenter. Schon in den Städten werden die Arbeiterschutzbestimmungen, besonders die über die Jugendlichen und weiblichen Arbeiter häufig genug übertreten, auf dem Lande aber, wo keine gewerkschaftliche Organisation den Unternehmern auf die Finger sieht, scheren sich die Herren überhaupt den Teufel darum, was Gesetze und Ver- ordnungen ihnen zur Pflicht machen. Das zeigte wieder eine Ver- Handlung vor dem Schöffengericht K r o u a ch, das über die Glas- fabrikantcn Robert, Eduard, Wilhelm und Heinrich Heinz von Alexanderhütte wegen mehrfacher Verfehlungen wider die Gewerbeordnung abzuurteilen hatte. Am buntesten trieb es Robert Heinz, der neben der Glashütte in einer ehemaligen Kegelbahn eine Schleiferei einrichtete und darin Frauen, Jugend- liche und schulpflichtige Kinder beschäftigte. Dabei war auch eine ganze Familie, die in der Schleiferei arbeitete, kochte und speiste; selbst der Säugling war in diesem Räume untergebracht. Zwei Mädchen dieser Familie von 13 und 10 Jahren sind feit ihrem siebenten Jahre in diesem Betriebe be- schäftigt worden. Sie mußten auf Verlangen des Fabrikanten so- gar öfters von der Schule wegbleiben, wenn die Ar- beitdrängte. Die Kinder arbeiteten so lange wie ihre Mutter, nicht selten bis 11 Uhr nachts. Arbeiterinnen wurden schon acht Tage nach ihrer Entbindung wieder in der Schleiferei beschäftigt. Heinz will die Kegelbahn alsHausbetrieb" angesehen haben. Die Bestimmungen über die Sonntagsruhe wurden eben- falls nicht eingehalten. Ein als Zeuge vernommener Schürer be- kündete, daß er seit Jahren, solange er in dieser Fabrik arbeitet, bis in die jüngste Zeit keinen freien Sonntag hatte.Sonntag war wie Werktag." Auch den anderen Angeklagten lag zur Last, in vielen Fällen Jugendliche und schulpflichtige Kinder über die gesctz- liche Zeit hinaus beschäftigt zu haben. Diese Zustände dauern seit vielen Jahren an; erst als im vorigen Jahre die Organisation ihren Einzug hielt und ein Streik ausbrach, wurden sie aufgedeckt. DaS Gericht verfuhr sehr milde mit den Angeklagten; Robert Heinz wurde zu 6 und 7, Eduard und Heinrich Heinz je zweimal zu 3 M. Geldstrafe verurteilt. Die Verhandlung hat eine so schmachvolle Ausbeutung der Arbeiter aufgedeckt, daß man sich verwundert fragen mutz: wie kann das Gericht einen derartig krassen Fall von Gesetzesüber- tretung so milde beurteilen? Aber auch die Tatsache, daß Kinder von ihrem siebenten Jahre an in der Fabrik beschäftigt werden konnten, ohne daß die Gewerbeinspektion sechs Jahre lang davon etwas merkte, läßt den hohen Wert der jetzigen Art der behördlichen Aufsicht in hellstem Lichte erstrahlen. Immer wieder ist im Interesse der Arbeiter die Forderung zu erheben: Beaufsichtigung der ge- werblichen Betriebe durch Beamte, die durch die Arbeiter selbst ge- wählt werden._ Fristgerechte und dennoch ungültige Kündigung. Eine bemerkenswerte Entscheidung in bezug auf die Aufhebung einer Kündigungsfrist sprach gestern die fünfte Kammer des Kaufmannsgerichts aus. In dem zur Beurteilung stehen- den Rechtsstreit lvar dein Verkäufer B. des Tcppichgeschäfts von B. Hurwitz am 31. Dezember v. I. zum 31. Januar d. I. gekündigt worden. Am 17. Janaur jedoch wurde das Vertragsverhältnis mit vierwöchentlicher Kündigungsfrist erneuert, unter gleichzeitiger Zubilligung einer Gehaltserhöhung, wogegen der Verkäufer in mündlicher Abrede die Verpflichtung übernahm, auch während der im März beginnenden Saison im Geschäfte zu verbleiben. Am 31. Januar kündigte indessen der Angestellte das Vcrtragsverhältnis zum 1. März, der Prinzipal erklärte sich mit dieser Kündigung nicht einverstanden und entließ B. sofort. Letzterer erhob nunmehr vor dem Kaufmannsgericht Klage auf Zahlung des Februargchalts, indem er die Entlassung als unbegründet anfocht, da er fristgerecht gekündigt hätte. Der Beklagte wandte demgegenüber ein, daß er bei Erneuerung des Engagements damit gerechnet habe, sich den Kläger für die S a i s o n zu sichern, er hätte sonst gar keine Per- anlassung gehabt, B. für den Februar, wo nochtote Saison" sei, noch dazu mit einem höheren Gehalt, zu verpflichten. Das Kaufmannsgericht trat den Ausführungen des Beklagten bei und wies den K l ä g e r a b. Nach§ 133 des Bürgerlichen Ge- setzbuches war der wahre Wille der Parteien bei Vertrags- schluß zu erforschen. Im allgemeinen ist es zwar zulässig, daß ein Anstelluugsvertrag vor Antritt der Stellung gekündigt werden kann. Hier aber war verabredet, daß Kläger auch während der Saison tätig sein sollte. Dadurch, daß der Kläger dennoch kündigte. hat er dem Beklagten die ihm obliegende Leistung nicht so angeboten, wie er sie anzubieten hatte. Er hat deshalb gegen§ 204 des Bürger- lichen Gesetzbuches verstoßen, und Beklagter konnte mit Recht die nur auf e i n e n Monat angebotene Leistung zurückweisen. Der falsche Gerichtsvollzieher. Eines schweren Vergehens im Amte hat sich der Kairzleigehülfe Lothar L ü d k e r schuldig gemacht, der sich wegen Diebstahls, Be- trugeS, Unterschlagung und Urkundenfälschung im Amte vor der 2. Strafkammer des Landgerichts I verantworten mußte. Der An- geklagte war als Kanzleigehülfe bei dem Amtsgericht Berlin- Mitte angestellt. Am 30. November v. I. nach Schluß der Bureaustunden wurde B. von der Reinemachefrau Günzcl in den: Sekretariat der Abteilung Sie noch angetroffen. Auf ihre verwunderte Frage, was er um diese Zeit hier suche, ant- wartete der Angeklagte, er müsse des«onntags arbeiten und wolle sich dazu nur ein paar Formulare holen. Die Reinemachefrau glaubte auch dieser Angabe und erstattete keine Meldung. Der Angeklagte hatte sich jedoch Kosteiirechnungsformularc in der Absicht angeeignet, sie zu einem raffinierten Betrüge zu verwenden. Er schrieb sich aus den Akten der Gerichtskasse das Rubrum und das Aktenzeichen von verschiedenen Sachen auf und füllte die entwende- ten Formulare mit einer bedeutend höheren Summ, als die gerichtlich festgesetzte, aus. Mit der so präparierten Kostenrechnung begab cr sich dann zu verschiedenen Firmen, die in einem Zivil- Prozeß verwickelt waren, und versuchte unter der Angabe, er sei Hülfsgerichtsvollziehcr, die Beträge einzuziehen. In sechs Fällen gelang ihm dies auch. Um eine Entdeckung zu verhindern, sandte er dann den von der Kasse festgesetzten Betrag an diese ab, während er den Mehrbetrag in seine Tasche steckte. Zugleich machte sich der Angeklagte hierdurch der Urkundenfälschung schuldig. Außerdem verübte er auch noch eineLeichenfledderei" an einem Kollegen, mit dem er eine Bierreise unternommen hatte. Als dieser infolge des genossenen Alkohols einschlief, entwendete ihm'Lüdker aus der Tasche ein Zwanzigmarkstück. Vor Gericht war der Angeklagte trotz eines klaren SchuldbewciscS nur teilweise geständig und machte allerlei Ausslüchte. Das Gericht erkannte mit Rücksicht auf die bisherige Unbescholtenheit, andererseits aber auf die raffinierte Ausführung der Tat und des groben Vertrauens- bruchs auf eine Gefängnisstrafe von 9 Monaten. Nahrungömittesvergehen. Zu der unter obiger Spitzmarke in unserer Nummer vom 17. d. M. gebrachten Verurteilung eines Schlächtermeisters B i e- d e r m a n n ersucht uns der Schlächtermeister Franz Biedermann, Rixdorf, Neißestraße 4, mitzuteilen, daß er mit dem Verurteilten nicht identisch ist. VeiTammlungen. Die wirtschaftliche Notlage der Zivilbernfsmussker vntz ihre Ursachen. Dies war der erste Punkt der Tagesordnung einer Versamm« lung, die der VereinBerliner Musiker am Gründonncrs- tag im Musikcrvercinshause in der Kaiscr-Wilheliir-Stratze abhielt. Der Saal war gedrängt voll, größtenteils von Mitgliedern jenes eingetragenen, im Jahre 1869 gegründeten Vereins, zu einem kleineren Teil von Mitgliedern des Zentralverbaltdes der Zivil- berufsmusiker, Außerdem waren Vertreter aus verschiedenen Städten Deutschlands anwesend und auch aus London war ein Vertreter erschienen. Zahlreiche telegraphische und schriftliche Sympathie- kundgebungen waren eingelaufen, von denen der Obmann Paul Zimmer einige verlas; aus Paris unter anderem ein Schreibe» des Präsidenten der Internationalen Musikerkonföderation, worin ausgeführt wird, daß man sich in Deutschland zur Beseitigung oder Einschränkung der Militärmusikerkonkurrenz die französische Gesetzgebung zum Muster nehmen könnte. Als Referent sprach Drl jur. P l e i ß n e r, der Herausgeber der Zeitschrist Deutscher Kampf". Er schilderte das wirtschaftliche Elend der deutschen Orchestermusiker, die mit Monatslöhnen von 40 bis 80 M. auf allerlei Nebenerwerb, Mitarbeit der Frau usw. augewiesen sind, wenn sie nicht geradezu verhungern wollen, die zudem durch Berufskrankheiten, besonders durch Nervenleiden, frühzeitig arbeits- unfähig werden, so daß ein alter und noch berufstätiger Musiker eine große Seltenheit ist. Daß dieses Elend bestehen kann, schrieb der Redner dem Mangel au straffer Organisation, dem Umstand zu, daß von 65 000 Musikern Deutschlands nur IS 000 bis 16 000 organisiert sind. Berufsbcwnßtsein, Klassenbewußtsein sei auch für den Msisiker notwendig. Den Begriff Klasseubelnuvtsein habe man der Sozialdemokratie zu verdanken, und gut sei es, daß man nun diesen Begriff habe. Auch hätten die glücklichen Musiker, die großen Dirigenten wie Strauß, Nikisch, Weingart- n e r, die doch ihren Ruhm den Orchestermusikern verdankten, die heiligste Pflicht, ihnen tatkräftig unter die Arme zu greifen. So- dann sprach der Redner über die Militärkonkurrenz, erwähnte die Armeeverordnung vom 28. November 1906, wonach die Militär- musiker zu gewerblichem Spielen nur dann Erlaubnis erhalten sollen, wenn berechtigte Klagen der Zivilberufsmusiker dein nicht entgegenstehen. Es sei unglaublich, in welcher Weise sich einzelne Regimentskommandeure über diese Verordnung hinwegsetzten. Der Redner führte dafür einige merkwürdige Beispiele an. wie die Rheinfahrt derPankgrafenschast"(ein bürgerlicher Juxvcrein). bei der die Militärmusik zugelassen wurde, weil es sich nach Meinung der Militärbehörde um einenAufzug in Uniform" handelte. An- zuerkennen sei, daß die süddeutschen Regierungen mehr Rücksicht auf die Zivilmusiker nehmen. Die bayerisch« Regierung habe den Beamten und Militärmusikern jedes gewerbliche Musizieren ver- boten, und ausdrücklich werde erklärt, daß darunter jedes Musizieren, das auf Gegenleistung ausgeht, zu verstehen ist. In Preußen erkläre man es nicht für gewerblich, wenn Militärmusiker für freie Kost und Zeche spielen. Als eine weitere schwere Schädigung dcs Musikerberufs bezeichnete der Redner die Lehrlingskapellen, aus denen sich die Militärkapellen rekrutieren. Die Lehrlinge seien meist Proletarier- linder. Es herrsche ein furchtbares Elend unter ihnen. Pflicht des Bundesrats sei es, sich dieser jungen Leute anzunehmen. Die Be- rufsmusikcr selbst müßten auch dafür sorgen, daß dem Publikuni Verständnis und Mitgefühl beigebracht werde. Ferner müsse die Gesetzgebung eingreife». Die Musiker müßten der Gewerbe­ordnung. der Gcwerbegerichtsbarkcit, dem Krankenkassengesetz unterstellt werden, soweit sie nicht über 2000 M. verdienten,©ie sollten den törichten Stolz ablegen, sich in ihrer Organisation die moderne deutsche Arbeiterschaft zum Muster nehmen, die das K la s senbewußtsein großgezogen habe, das ein e d e r größten Errungen s cha si t eit sei.' DaS sage er. Redner, obwohl er überzeugter Monarchist sei. Dann müsse man auch die Presse in Anspruch nehmen, die freilich nur zu oft versage. DaS sei nicht Schuld der Redakteure oder Reporter, sondern der Verleger, die immer erst überlegten, ob sie nicht Annoncen einbüßten, ehe sie einen Artikel über Musikerelcnd aufnehmen. Hinsichtuch der Or- ganisation sprach sich der Redner für strenge politische Neutralität aus und sagte, es sei ganz verkehrt, wenn man im Verein Agitation gegen die Sozialdemokratie betreibe. Getrennt marschieren und vereint schlagen, meinte cr. sei das Richtige. Im übrigen vermied der Redner in seinem Vortrag jeglichen Angriff auf den Zentral- verband. Das konnte man leider nicht von dem zweiten Referenten. Herrn Wo r ch, sagen, der über:Unsere Gegner und ihre Kampfes- weise" sprach. Er hielt es für angebracht, in seinem Vortrag unter Vorlesung von Briefen, die vom Ortsvorsitzenden des Zentralver- bandes in Bremen geschrieben sein sollen, den Zentralverbaub maß­los zu beschimpfen. Was diesen Angriffen zugrunde lag. tonnte nicht festgestellt werden, da den Mitgliedern des Zentralverbandes nickst Zeit zu einer einigermaßen ausreichenden Erwiderung ge- geben wurde. Das Bureau der Versammlung legte folgende Rc- solution vor: Die heute imMusiker-VereinshauS" tagende öffentliche Versammlung erkennt die Berechtigung der Klagen über die wirtschaftliche Notlage der Zivilberufsmusiker(hervorgerufen durch die Konkurrenz der Militär- und Beamtenmusiker, Lehr- lings- und Ausländerkapellen) voll und ganz an; protestiert leb- hast gegen die Art und Weise der Erledigung dieser Klagen durch die Militär, und Zivilbchördcn und fordert weitgehendsten gesetzlichen Schutz dieses von allen Seiten hart bedrängten Standes. Vor allem Verbot des gewerblichen Musizierens der Militär- und Beamten musiker und Regelung des besonders arg daniederligendcn Lehr- lingSwefensl Mit den vom Allgemeinen Deutschen Musikerverbaud und oem Berein Berliner Musiker(E. V.) eingeleiteten Schritten zur Beseitigung dieser Mißstände erklärt die Versammlung sich durch- aus einverstanden. An die Mitbürger aber richtet die Versammlung die drin- gende Bitte, bei ihren festlichen Veranstaltungen ZivilberufS- musiker zu beschäftigen und die Sorge für eine auskömmliche Lebenshaltung der Militär- und Beamtenmusiker den in Frage kommenden Behörden zu überlassen." Aus ber_ Versammlung wurde dazu der Zusatz vorgeschlagen: Im übrigen ist die Versammlung der Uebcrzeugung, daß nur eine auf dem Boden des Klassenkampfes stehende Einheits- organisation die Lebenslage der Musiker zu heben vermag." Das Bureau brachte es jedoch, gestützt auf eine Mehrheit in der Versammlung, fertig, jede Diskussion über Resolution uist» Zusatzautrag zu hintertreiben. Man ließ zunächst die Resolution annehmen,� und dann sollte diefreie" Aussprache stattfinden. Da wurde auf Vorschlag des Bureaus beschlossen, die Redezeit gleich von vornherein auf 10 Minuten zu beschränken. Di« Mitglieder des so schwer angegriffenen ZentralverbandeS protestierten energisch gegen diese Vergewaltigung, aber es half-nichts. Aufgefordert von ihrem Hauptvorsitzenden F a u t h schickten sie sich an. den Saal zu verlassen. Herr Dr. P l e i ß u e r sagte dem Vorsitzenden Z im m e r und der Versammlungsmehrhcit mit anerkennenswerter Freimütigkeit. daß sie u n p a r l a m e n t a r i s ch und töricht gehandelt hatten. und auch ein Vereinsmitglied, Herr M c i x n e r, verurteilte scharf die Vergewaltigung der ZentralverbandSmitglieder. Cln«?e<?ÄNgene Druchfcbrlften. Tiibdeutfche Monatshefte.(Jüddeutsche Monatshefte&. m. b. 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