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Nr. 93. 25. Jahrgang.

4. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Sontag, 19. April 1908.

Die Bekleidungsindustrie in der Heimarbeits- Ausitellung in Frankfurt  . neiber einen Tarifvertrag, der im Jahre 1906 zwischen dem Ber- als er bei den einfachen Lager- und Maſſenartikeln erzielt wird.

Frankfurt   a. M., 17. April 1908.

Die Bekleidungsindustrie nimmt in der Ausstellung den breitesten Raum ein, ihre Erzeugnisse füllen einen großen Saal. Bornehmlich sind es die Herrenkonfektion, die Maßschneiderei und die Wäschekonfektion, die sehr viel Heimarbeitsprodutte ausgestellt haben. Die füdwestdeutsche Herrenkonfektion erfreut sich eines guten Rufs bezüglich der Güte ihrer Sachen. Die Arbeitsverhältnisse sind aber auch im Ausstellungsgebiete, wie anderswo, alles andere cher als gut. Die Herrenkonfektion ist fast ausschließlich Heimarbeit, nur wenige Betriebswerkstäten existieren. In großen Massen werden die zugeschnittenen Stoffe den Heimarbeitern übergeben, die den Anzug vollkommen fertig wieder abliefern. Innerhalb der Haus­industrie selbst herrscht eine gewisse Arbeitsteilung insofern, als ein Teil der Arbeiter nur Hosen, ein anderer nur Westen und wieder ein anderer nur Großstüde, Sakko oder Rock anfertigt.

Das Ausstellungsgebiet weist zirka 1600 Heimarbeiter der Herrenkonfektion auf, die in zahlreichen Ortschaften verstreut wohnen, in Frankfurt   a. M. und nächster Umgebung sirka 350, im übrigen Teil des Regierungsbezirks Wiesbaden   zirka 250, im Re­gierungsbezirk Raffel zirka 150, in Oberheffen zirka 50, im Streise Offenbach a. M. zirka 100, im Odenwald   und an der Bergstraße  zirka 200 und in der Provinz Rheinhessen   zirka 500. Die Heim arbeiter arbeiten fast alle nach Frankfurt   a. M., Mainz  , Darmstadt  und Worms  , vereinzelt auch nach Speher und Köln  . Es handelt fich fast ausschließlich um Männer, nur zirka 50 weibliche Heim­arbeiter kommen in Frage und diese nur für Knaben- und Arbeiter Konfettion. Männer wie Frauen sind sämtlich gelernte Arbeiter", von den Männern haben viele früher in der Maßschneiderei ge­arbeitet. Aus den für die Ausstellung vorgenommenen Erhebungen entnehmen wir, daß von 565 männlichen Heimarbeitern 5 unter 20 Jahren, 128 zwischen 20 bis 30, 291 zwischen 30 bis 40, 81 zwischen 40 bis 50, 44 zwischen 50 bis 60, 14 zwischen 60 bis 70 und 2 über 70 Jahre alt waren. Die große Mehrzahl, zirka 480, find verheiratet.

So lange wie die Erwachsenen. Der geringe Schuß, den die bescheidenen Grenze von 12 bis 20 Pf. Der Leiter des Fachaus­Gewerbeordnung jugendlichen Arbeitern gewährt, eristiert für sie schusses konstatiert, daß die Löhne für bessere Arbeit infolge der nicht. darauf verwendeten längeren Arbeitszeit trotz der verhältnismäßig Den Bemühungen der Gewerkschaft verdanken die Konfektions  - hohen Stücklöhne meist keinen höheren Stundenverdienst ergeben, band füddeutscher Kleiderfabrikanten und den Verbänden der In fast allen Fällen hat die arme Näherin die Maschine auf Ab= Schneider( freier und christlicher) abgeschlossen worden ist. Der zahlung erwerben müssen und zwar zu einem sehr hohen Preise und Tarif enthält nicht weniger als acht Bohnklassen. Hierdurch und muß sie neben den Ausgaben für Garn usw. regelmäßige Abgaben durch die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der einzelnen Ar- an den Maschinenhändler von ihrem geringen Verdienst leisten. Die beiter werden große Verschiedenheiten in den tatsächlichen Stunden- Notwendigkeit der Organisation haben die Wäschenäherinnen noch verdiensten bedingt. Die Bruttolöhne schwanken nach einer Be- nicht erkannt, nur wenige gehören der gewerkschaftlichen Organi­rechnung des Fachausschusses in den geringen Lohntlassen zwischen fation an. 20 bis 30 Bf., in den höheren zwischen 25 bis 35 f. für die Stunde, Die gesundheitlichen Verhältnisse werden als nicht besonders sie sinken vereinzelt unter 20, ja bis auf 13 f., und steigen in günstig bezeichnet, Unterleibsleiden. Blutarmut und seltenen Fällen bis auf 40 bis 55 Pf. bei besonders tüchtigen Nervosität sind sehr verbreitet. Schneidern. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn wird ab- Neben diesen beiden Abteilungen sind die anderen Branchen der gesehen von den Heimarbeitern des Spessarts und der Rhön  , die Bekleidungsindustrie in geringerem Maße vertreten. Wir finden niedriger sind auf 25 Pf. für Hosen und Westen und 30 Pf. für noch die Hutfabrikation, die rund 260 Heimarbeiterinnen saison­Sakkos und andere Großstücke anzunehmen sein. Von dem Brutto- weise beschäftigt und etwas bessere Verhältnisse als die Wäsche­lohn fommen die Auslagen für Garn, Seide, Nadeln, Bügelfohlen konfektion aufweist. Daneben steht aber die Filetstriderei mit schr u. a., sowie die Kosten für Abnutzung der Maschine und anderes feinen Erzeugnissen und unendlich traurigen Löhnen: 1% Pf., 4 Handwerkzeug in Abzug, was insgesamt auf 3 bis 5 Pf. für die bis 7 Pf., wenns hoch kommt 10 Pf. kann die im hohen Taunus  Stunde berechnet werden muß, so daß die Nettolöhne sich auf 22 bis wohnhafte Filetstriderin bei ihrer an Geschick und Kunstfertigkeit 30 Pf. im Durchschnitt belaufen. Wenn man sich daran erinnert, große Ansprüche stellenden Arbeit erwerben. Auch die Häfelei und daß in diefer Branche ausschließlich gelernte Arbeiter in Frage Stickerei, die hauptsächlich in Hessen   und Unterfranken   betrieben kommen, so müssen die Löhne als außerordentlich gering werden und zirka 1000 Arbeiterinnen, wovon ½ im Alter von 14 bezeichnet werden und es ist zu verstehen, daß übermäßig lange Ar- bis 16 Jahren sind, beschäftigen, bringen nur Stundenlöhne beitszeiten die Regel bilden und Sonntagsarbeit häufig anzu- von 7 bis 10 P f., selten mehr. Aehnliche Löhne verzeichnen die treffen ist. ausgestellten Gegenstände der Blusen- und Korsettnäherei, die Die Konfettion aus Aschaffenburg   hat Sportkleidungsstücke Gürtelnäherei trägt sehr geschickten Arbeiterinnen etwas mehr ein ausgestellt, die nach Angabe der Etiketten den Heimarbeitern bis zu 24 bis 30 Pf. Die Arbeitszeit ist für alle lang, 10, 12 auch Stundenlöhne von 70 bis 84, ja bis 91 Pf. eintragen sollen. Jeder 15 und 16 Stunden und dazu kommt nicht selten Sonn­Kenner der wirklichen Verhältnisse kann hierdurch aber nicht ge- ta gsarbeit. Die Gesundheitsverhältnisse sind ebenfalls un­täuscht werden, denn die Löhne in Aschaffenburg   find bedeutend günstig, auch bei diesen Arbeiterinnen sind Blutarmut und Ner­niedriger. vosität oft ständige Gäste.

Die gewerkschaftliche Organisation hat unter den Konfektions­schneidern in Südwestdeutschland   bereits guten Fuß gefaßt und sie wird auch nach Ablauf des jest geltenden Tarifs wieder für Ver­befferung der Verhältnisse ihre Kraft einsehen.

Die soziale Versicherung ist nur äußerst mangelhaft durch geführt, noch nicht einmal die Hälfte der Arbeiter ge hört der Krankenversicherung an und die Invalidenversicherung steht überhaupt nur auf dem Papier.

Soweit Frauenarbeit in Frage kommt, und das ist bei der Mehrzahl der erwähnten Branchen der Fall, find also die Löhne so niedrig, daß sie eine angemessene Lebensführung nicht gestatten. Selbst gesundheitsgefährliche Weberarbeit reicht in vielen Fällen nicht aus, den allernotwendigsten Lebensunterhalt zu erwerben.

Mit dem Eindringen der Organisation in das Gebiet der Die Familienangehörigen werden vielfach zur Hülfe heran. Seimarbeit wird wenigstens die allertrasseste Ausbeutung hintan­gezogen, am häufigsten die Frauen, ferner arbeiten 87 Kinder gehalten. Von Grund aus können die elenden Arbeits- und Lohn­über 14 Jahren und zirka 40 andere Angehörige mit, auch Die Wäschekonfektion, die Sachen aller Art und der ver- berhältnisse jedoch nur durch die Errichtung von Betriebswerkstätten werben Kinder unter 14 Jahren mit dem Ausziehen der schiedensten Qualität, von der gewöhnlichen Stapelware bis zu gebessert werden. Freilich findet diese Forderung bei den be­Nähfäden und mit Abholen und Abliefern beschäftigt. Troßdem es den elegantesten Stücken, ausgestellt hat, beschäftigt fast nur weib- teiligten Unternehmern den schärfsten Widerstand. Grmöglicht auch in der Konfektion eine Saison gibt, ist die Beschäftigung doch liche Heimarbeiter, deren Zahl nicht genau festgestellt, aber sehr hoch ihnen doch die Heimindustrie, die den Unternehmern obliegenden ziemlich während des ganzen Jahres gleichmäßig, nur im Frühjahr ist. Bon zirka 500 Heimarbeiterinnen, von denen genaue Angaben sozialen Verpflichtungen auf die beschäftigten Arbeiter abzuwälzen. und Herbst erfährt sie eine Steigerung und im Sommer besorgt vorliegen, ist die größere Hälfte verheiratet. Die Beschäftigung in Unterstübt wird dieser Widerstand durch das Gerede reaktionärer ein Teil der Heimarbeiter nebenbei landwirtschaftliche Arbeiten, der Wäschebranche ist fast im ganzen Jahre gleichmäßig, nur vor Parlamentarier, die in der Heimarbeit ein idyllisches Familien­einige finden auch in der Arbeit für Privatkundschaft einen Neben Weihnachten   erfährt sie eine Steigerung und in den Monaten leben erblicken. Januar und Februar fällt sie etwas. Das Charakteristikum der Die Arbeitszeit ist sehr lang, von morgens 6% Uhr bis Heimarbeit, unendlich ausgedehnte Arbeitszeit, ist abends 8% Uhr ist die Regel, dieser Arbeitstag von in der Wäschekonfettion häufig zu treffen, auch Sonntags. 14 Stunden wird durch kleine Essenspausen um höchstens 1 bis arbeit ist nicht selten. Die zu beiden gehörige Begleit­ Stunden gefürzt. Während der Saison wird die Arbeitszeit erscheinung, niedriger Lohn, fehlt natürlich auch nicht, finden wir noch verlängert und im Winter bis tief in die Nacht doch Stundenlöhne von 9 Pf. gar nicht selten. Ver­hinein ausgedehnt. Die eigenen Kinder der Heimarbeiter im einzelt erreichen sehr geschickte Arbeiterinnen Löhne von 40 Pf. Alter von 14 bis 16 Jahren arbeiten fast in allen Fällen genau für die Stunde, im Durchschnitt bewegen sich aber die Löhne in der

erwerb.

Eingegangene Druckfchriften.

Bon der Kommunalen Praxis find die Nummern 14 und 15 er­schienen. Zeitschrift für Sozialwissenschaft. Heft 4. Herausgegeben von Dr. Jul. Wolf. Monatlich ein Heft. Biertelj. 5 M. 12 Hefte bilden einen Band. Verlag: A. Deichert Nacht. in Leipzig  .

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