Beweguny zur Croverung d'sS allgemeinen Wahlrechts gav; wie diese, nach der'Annahme deS jetzigen Wahlrechts, sofort von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei aufgenommen, von Jahr zu Jahr gewachsen ist, zeitweise von den bürgerlichen Demokraten und der bürgerlichen Frauenbcivegung unterstützt, nacheinander von beiden wieder verlassen wurde und nunmehr von der Arbeiterklasse Hollands unter Führung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei allein geführt wird. Auch die(bürgerlichen Parteien— neben dem Freisinnig-demokratischen Bunde nunmehr auch die Liberale Union, sowie die christliche Antirevolutionäre Partei und die Katholiken — wurden durch die Wahlrechtsbewegung gezwungen, sich mit der Lösung der Wahlrechtsfragc zu beschäftigen. Die Gefahr drohe aber, das; ein zugunsten der Bourgeoisie zugeschnittenes Wahlrecht zustande kommt. Unter Beifall des Parteitages weist Redner auf den vorige Woche von der Gewerkschaftszentralc gefaßten Beschluß hin, der die Mitwirkung der Gewerkschaften, die bisher gegen Teil nähme waren, zusagt und wobei erstere sich hierfür unter die Führung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei stellt. Das «Komitee für das allgemeine Wahlrecht", dem Redner den Tank der Partei für sein ausgezeichnetes Wirken bringt, hat hierdurch das ihm gestellte Ziel erreicht. Ter Parteitag hat durch Annahme der Resolution eine kräftigere Führung der Bewegung zu be- schließen, da? die Lösung der Frage naht. Rachdem beschlossen worden war, daß in Zukunft, wenn vom „allgemeinen Wahlrechte" gesprochen wird, hiermit stets gemeint ist: sowohl.für Männer wie für Frauen", und nach der Mitteilung, daß die sozialdemokratische Kammer- fraktion in Bälde«ine Resolution bei der Zweiten Kammer einreichen werde, die fordern wird: Aufnahme des allgemeinen Wahlrechts für Männer und Frauen in die Verfassung, wird die WahlrechtS -Resolution ein- stimmig angenommen. Ebenso fand eine Resolution für daS Frauenwahlrecht einstimmig« Annahme._ Clfter Polnisch-lozlalistlfcher Parteitag (?. P- S.). Im Gewerlschaftshause zu K a t t o w i tz(Oberschl.) tagte in den Osterseicrtagen der 11. Parteitag der polnisch- sozialistischen Partei (P. P.©.). Er war von 30 Delegierten aus Posen. G liefen Jnowrazlow, Wreschen, auS einer Reihe oberfchlefifcher Orte sowie auS Bremen und einigen Orten in der Umgebung von Hamburg besucht. Die Mandate der von Berlin entsandten Delegierten wie daS einzige auS Rheinland tominende Delegiertenmandat wurden aus weuer unten erörterten Gründen annulliert. Die Verhandlungen leitete Genosse Biniszkiewiez- Kattowitz. NainenS der deulschen Genossen begrüßte B r u h n s» Kattowitz die Versammelten und sprach seine Freude darüber auS, daß eS nach manchen früheren Mißhclligkeiten gelungen fei, den Weg zu finden, auf dem die polnischen und deutschen Genossen Hand in Hand für die gemein- same Sache schaffen lönnten. Dieser Weg werde nicht mehr verlassen werden, denn der Erfolg habe ihn als den richtigen erwiesen. Die Arbeit der polnischen Genossen sei noch viel schwerer, wie die der Deutschen , aber ihr Erfolg von größter Wichtigkeit für die Sache aller Arbeiter. Ihr Kampf ist unser Kampf! Ihr Sieg ist unser Sieg I schloß Redner unter lebhaftem Beifall. Parteiselretär T r a b a l S k i gibt alsdann den Geschäftsbericht des Vorstandes der P. P. S-, der sich über die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1907, also über neun Monate erstreckt. Die agitatorische Tätigkeit war eine sehr rege, es wurden 38 Volks- perfammlunaen abgehalten, davon b2 in Oberfchlesten, 7 in der Provinz Posen und 29 in anderen Teilen deS Reiches. Die Themata betrafen zumeist die preußische Wahlrechtsbewegung, daS Reichs- Vereinsgesetz und die EnleignungSvorlage. DaS nationalpoliiiscbe Lager habe sich in allen diesen für daS polnische Volk so wichtigen Fragen diplomatisch zurückgehalten, keine Bollsbewegung zustande gebracht. Flugblätter, welche obengenannte Frage behandelten. wurden besonders in Oberschlesien in mehreren hunderttausend Exemplaren verbreitet, meist in Gemeinschaft mit den deutschen Genoffen. Aus einer für Oberschlesien einberusenen Konferenz wurde eine AgitationSkiunmission gewählt, die eifrig tätig war. Die Organi- sation babe hier erfreulich zugenommen, besonders aber müsse betont werden, daß trotz der großen Schwierigkeiten sich gerade hier eine Anzahl Arbeiter geistig sehr gut entwickelt habe. Mit gutem Erfolg wurde auch ein neues Gebiet, der südliche an Mährisch- Ostrau grenzende Teil de» Kreises Ratibor in Angriff genommen. Neue Organisationen der P. P. S. seien in Gnesen und in der Stadt Posen entstanden, von welchen sich besonders letztere gut entwickele. Die langjährigen Mißverständnisse, die dort bestanden, seien völlig beseitigt und an ihre Stelle gemeinsame fruchtbringende Arbeit ge- treten. In deutschen Gegenden sei noch in Schiffbeck bei Hamburg eine neue Organisation entstanden, die länger bestehende Organi- sation in Herne sWestfalen) entwickelte sich neuerdings sehr gut. Populäre AgitationSbroschüren wurden in 18 000 Exem- plaren verkauft, der AgitationStalender in 20 000 Exem- plaren. von welchen nicht weniger wie 13 000 Stück von deutschen AgitationSkommissionen gekaust und an die polnischen Arbeiter der betreffenden Bezirke verteilt wurden. Eine solche Mit- arbeit sei ebenso erfreulich wie notwendig. Auch das Parteiblatt „Gazeta Robotnicza" entwickelt sich gut und gewinnt ersichtlich größeren Einfluß auf die polnische Arbeiterschaft. In der Berichts- zeit habe die Abonnentenzabl um 1200 zugenommen, besonders in Oberschlesien , aber auch im Rbeinland und bei Hamburg »nd Bremen . Einige Prozesse, die das Blatt hatte, führten zur Freisprechung. andere jedoch zur Verurteilung zu ziemlich hohen Geldstrafen. Dte Beziehungen der P. P. S. zum Vorstande der sozialdemokratischen Partei Deutschlands , deren Bestandteil die Organisation jetzt sei und die fortgesetzt erhebliche Mittel aufwende, seien sehr gute und auch die Beziehungen unserer örtlichen Organisationen zu den gleiche» deutschen hätten sich gut entwickelt. Zum Parteitag in Essen haben die oberschlesische» polnischen Genossen eine» Delegierten entsandt. zum letzten Preußentag waren die Parteiorganisationen in Kattowitz und Gnesen durch Delegierte vertreten. Auf dem Jnternationaleu Kongreß in Stuttgart war die P. P. S. durch zwei Delegierte vertreten. Eine lebhafte Debatte veranlaßle dann der Bericht der MandatprüfungSkommission. Sie erklärte die M a n d a t e der Berliner Delegierten Thiel und g t o l k i e w i c z für ungültig, weil beide auö der Partei aus- geschlossen, thre Mandate außerdem aber von einer jetzt nicht mehr der P. P. S. angehörenden Organisation kommen. Auch R y b i ck i, der in seiner Eigenschaft als Mitglied der Kontroll Ion, Mission erschien, hat nach Meinung der Mandatprüfungs kommissiou kein Recht mehr, am Parteitage teilzunebmen, da er lediglich als Mitglied des zur Partei nicht mehr gehörenden Vereins Berliner polnischer Sozialisten in Betracht komme. DaS Mandat cineS vierten Delegierten, U r b a n e k aus Rheinland , sei ungültig, weil es überhaupt nicht von einer Organisation komme. Da die drei Erstgenannten an einem durch den Parteitag endgültig zu ent scheidenden Streit zwischen Vorstand und Berliner Genossen beteiligt sind, beantragte die Mandatprüfungskommission, ihnen zu erlauben. sich mit unbeschränkter Redefreiheit an der Verhandlung dieses Punktes zu beteiligen. Die Vorschläge der Kommission wurden fast ein- stimmig angenommen, doch verließen die drei Ausgeschlossenen schon vor der Abstimmung den Parteitag, mit ihnen per Delegierte für Rixdorf, Jantowsli. Zu dem Partei st reit selbst referierte dann BiniSkiewicz- Kattowitz namens des Vorstandes. Der„Fall Thiel" entstand da- durch, daß dieser sich weigerte, eine Summe von S000 M., die ein freund der Partei dieser vermachte und die Thiel als formellen rben ausgehändigt wurde, der Parteikaffe zu überweisen, weil die jetzige Leitung der Partei sein Vertrauen und daS der Berliner Ge« nassen nicht besitze, die Berliner zurücksetze und auch sonst nicht in der diesen richtig erscheinenden Weise vorgehe. Ein vom Porstande vorgeschlagenes Schiedsgericht lehnte Thiel ab, worauf er aus der P. P. S. ausgeschloffen wurde. Seinen Protest dagegen entschied der Parteitag durch Annahme folgender Resolution» i „Der formelle Erve war verpflichtet, die Mittel, welche der verstorbene Genosse der Partei bestimmt hatte, der vom Partei- vorstand verwalteten Parteikaffe zu überweisen. Indem Stefan Thiel daS trotz wiederholter Aufforderung ablehnte und sich per- sönliche Rechte an diese für die Partei bestimmten Geldmittel vor- behielt, hat er einen Mißbrauch begangen, Demoralisation und Desorganisation in die Reihen der Partei gewogen. Und indem Thiel das Parteischiedsgericht, zu dessen Berufung der Vorstand nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet war, nicht anerkannte und sich ihm nicht stellte, hat er den Vorstand gezwungen, ihn auS der Partei auszuschließen. Seine Berufung weist der Parteitag auf Grund deS H 1 und 3 des OrganiiationSstatutS zurück." Dem Ausichlutz Ziolkiewicz lag folgender Tatbestand zu Grunde Z. hatte in einer in Berlin tagenden nationalpolnischen Versammlung erklärt, er werde der„polnischen gewerkschaftlichen Vereinigung. Sitz Bochum ", beitreten, was nationalpolnische Blätter triumphierend bc richteten. Der Vorstand der P. P. S. in Kattowitz forderte den Verein polnischer Sozialisten in Berlin auf. sein Mitglied deshalb zur Verantwortung zu ziehen. Der Verein beschloß jedoch, nichts gegen Z. zu unternehmen, die Aufforderung nicht einmal zu beaulworten. Z. selbst erklärte dem Vorstand in einem Briefe, er werde sein Vor- haben ausführen, weil er auf dem Staudpunkt stehe, daß eine besondere polnische GewerkschaftSorganisalion notwendig sei und er beabsichtige, die jetzige national-polnische Gewerkschaft aus den Boden des KlassenkampseS zu stellen. Auch er lehnte daS vom Vorstand der P. P. S. vorgeschlagene Schiedsgericht ab. worauf auch sein Ausschluß erfolgte. Weiter beschloß der Vorstand der P. P. S., den Verein polnischer Sozialisten in Berlin nicht mehr zur Partei zu zählen und alle Beziehungen zu ihm abzubrechen. Die nicht mit der Mehrheit des Vereins einverstandenen Mitglieder traten ans und der in Charlottenburg bestehenden polnisch sozialistischen Organisation bei. Zu diesen beiden Punkten beschloß der Parteitag folgende Resolutionen: I. Zum Protest Ziolkiewicz gegen seinen Ausschluß: „In Erwägung, daß die allgemein anerkannten Grundsätze der sozialistischen Poliük tue energische Forderung der auf dem Boden des Klassenkampfes stehenden Gewerkschaften erfordert: daß die internationalen Kongresse und die Parteitage der sozialdemo> kratischen Partei Deutschlands sich wiederholt in dieser Richtung ausgesprochen haben: daß der Beschlutz unseres Parteitages von 1901 in derselben Richtung ging und stets in diesem Sinne ans» geführt wurde: in weiterer Erwägung, daß im Deutschen Reiche nur die fteien Zenlralverbände Gewerkschaftsorganisationen im Sinne der modernen Arbeilerbewegung bilden: daß angesichts der einheit- lichen kapitalistischen Organisationen, der immer stärkeren Zentralisation der Lohnkämpfe und der Tatsache, daß hundert- tausende polnischer Arbeiter in denselben Werkstätten und Industrie- unternehmen mit deulschen Arbeitern arbeiten— die Gründung oder Unterstützung von Gewerkschaftsorganisationen, die auf nationaler oder konfessioneller Grundlage beruhen, die bewußte Zersplitterung und Schwächung der Arbeiterkräste und ihrer Solidarität bedeuten: in Erwägung endlich, daß die sogenannten„polnischen Ber- bände" Organisationen sind, die der sozialistischen AufklärungS- arbeit im polnischen Proletariat entgegenwirken sollen und in der Tat einen bedeutenden Teil ihrer Tätigkeit dem Kampfe und der Verleumdung des Sozialismus und der modernen Arbeiter- bewegung widmen: stellt der Parteitag fest: 1. die Erklärung Ziolkiewicz', der polnischen.GewerkschastS- Vereinigung" beitreten zu wollen, ist mtt seiner Zugehörigkett zur Partei unvereinbar. 2. Ziolkiewicz Hai durch die Nichtanerkennung deS Partei- schiedsgerichts und der Weigerung, sich einem solchen zu stellen. den Vorstand gezwungen, ihn auS der Partei auszuschließen. Der Parteitag weist daher die Berufung Ziolliewicz gegen seine Ausschließung aus der Partei zurück." H. In Sachen des Vereins polnischer Sozialisten in Berlin . „In Erwägung, daß der Verein bis zum Parteitage die desorganisatorische Tätigkeit der früheren Genoffen Thiel und tiollicwicz systematisch gefördert hat und alle Bemühungen des orstandes. den Verein von diesen Wegen abzubringen, vereitelte. erklärt der Parteitag: 1. die durch den Borstand bewirkte Lösung aller Beziehungen zum Derein der polnischen Sozialiften in Berlin entsprach den Interessen der Partei; 2. der Parteitag bestätigt diesen Beschluß ausdrücklich, hinzufügend, daß der Verein polnischer Sozialisten in Berlin nur dann wieder als Parteiorganisation anerkannt werden kann, wenn er sich ausdrücklich und ohne Vor- behali auf den Boden des Parteistatut» und der Parteitags- beschlüsie. insbesondere auch der Beschlüsse in Sachen Thiel und Ziolliewicz stellen wird." Der Erledigung dieser für die Entwickeln»» der Partei wichtigen Streitfrage folgte ein erschöpfendes Referat des Genossen H a a s e über:„Die preußische Unterdrückungspolitir", daS mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde. Ein Antrag, das Referat als AgitationSbroschüre herauszugeben, wurde einstimmig angenommen, ebenso die dem Referat folgend« Resolution, die eine sehr scharfe Verurteilung der UnlerdrückungSpolitik Preußens gegen die Polen enthält und mit der Aufforderung an die polnischen Ar- bester schließt, in Massen in die KarnpfeSreihen der Sozialdemokratie einzutreten. Dann wurden eine Reihe Anträge erledigt. Nach einer Debatte über die Notwendigkeit planmävtger Agitation wurde be- chloslen, dem Vorstande auszugeben, energisch um die Anstellung eines Parteisekretärs für Posen bemüht zu sein, der deutsch und polnisch spricht. Ein Antrag, der systematische Information der deulschen Parteipresse über polnische Angelegenheiten verlangte, wurde abgelehnt, weil für die damit verbundene Arbeit vorläufig nicht die nötige Zeit seitens der jetzigen Angestellten auf- gewendet werden könne. Dabei wurde die Wichtigkeit und Notwendigkeit solcher Arbeit durchaus anerkannt. Der Vor- stand wurde beauftragt, dahin zu wirken, daß in der deutschen Parteipresse auch die polnischen Parteiorganisationen veröffentlicht werden. Beichloffen wurde auch die Einführung einheitlicher Mit- gliedsbücher. Mehrere Anträge aus tägliche Herausgab« bezw. Er- Weiterung der. Gazeta Robotnicza". einer Frauenbeilage usw., wurden abgelehnt, da zunächst erst eine wesentliche Erhöhung der Abonnentenzahl eintreten muffe. Wenn diese wie bisher im letzten Jahre steige, werde eS in zwei Jahren möglich sein, solchen Wünschen näher zu treten. Der nächste Parteitag der P. P. S. soll in zwei Jahren stattfinden. In den Vorstand wurden gewählt die Genossen Adamek. Biniszkiewiez. Mieczkowski. SoSna Trabalski, sämtlich in Kattowitz : in die Preßkommission Ritzmann und Blott-Zabrze , in die Konttoll- kommissio» Caspari. Cepernit, Kunze. KuS, Scholtysek, ebenfalls sämtlich in Oberschlesien . Mit einem Hoch auf die internattonale Sozialdemokratie schloß der Parteitag. Rheinischer Provinzlalparteltag. Der Parteitag für den Agitationsbezirk obere Rheinprodinz, der die Regierungsbezirke Köln . Aachen . Koblenz und Trier umfaßt, fand an den beiden Ostertagen in Oberstein an der Nahe, dem Hauptort deS von der Rheinprovinz umschlossenen Fürstentums Btrkenfeld. statt. Da das Fürstentum zu Oldenburg gehört, befand der Parteitag sich außerhalb deS NachbarbcreicheS der preußischen Pickelhaube; oie Verhandlungen wurden weder an- gemeldet, noch polizeilich überwacht. Der Parteitag war besucht von 46 Vertretern aus 15 ReichStagswahlkreisen. Den Jahresbericht des Agitationskomitees er. stattete Parteisekretär A. H o f r i ch t e r. Er führte unter anderem aus: Die Wahlkreise des SlgitationSbezirks sind mit wenigen Aus. nahmen Zentrumshochburgcn. Die Bevölkerung ist durchivcg katho- lisch. Kuk«a Fürstentum Kirlenfeld und im Mhllreis Kreuz-. , nach-Simmern überwiegen die Proiestcmten. In den übrigen 1 13 ReichStagswahlkreisen des Agitationsbezirks schwankt der Pro- zentsatz der katholischen Bevölkerung zwischen 66 und 99 Proz. In 15 dieser Wahlkreise beträgt er mindestens 30 Proz. DaS Zentrum ist dort am festesten fundiert, wo das politische Leben am rück- ständigsten ist. Die weitaus größte Zahl der 20 Wahlkreise des Bezirks hat, wenn auch von Industrie durchsetzt, einen überwiegend ländlichen Charakter. Nach dem eigenen Urteil von Zentrumsblättcrn stagniert in vielen von ihnen das politische Leben gänzlich. Der Geistliche gibt dort die Parole für die Wahl aus, der unweigerlich Folge geleistet wird. In den Wahlkreisen aber, wo das politische Leben lebhafter ist und wo daS Zentrum mit kräftigen Gegnern zu tun hat, hat eS sich in engster Anlehnung an die kirchlichen Pfarrbezirlo eine Organisation geschaffen, die als nahezu mustergültig zu be- zeichnen ist. In den meisten seiner Herrschaftsgebiete hält daS Zentrum fast jede Aufklärung mit den Mitteln der brutalen Gewalt fern. Zahlreich waren auch im verflossenen Jahre wieder die Klagen unserer Parteigenossen, die aus den Dörfern Flugblätter verbreiteten, über Bedrohungen, Angriffe undschwereMißhandlungen. In mehreren Fällen gelang es, einige der klerikalen Wegelagerer zur gerichtlichen Bestrafung zu bringen; in einem Falle befand sich sogar der Ortsvorjtehcr als Anstifter unter den Angeklagten. Zahlreich waren die Klagen der Flugblattverbrciter über De- lästigungcn durch Polizeibeamte. Das Verhalten einer An- zahl dieser Beamten, die ohne jede geschliche Berechtigung die Flug- blattvcrbreiter sisticrtcn und die Schriften konfiszierten, läßt sich nur durch völlige Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmungen er- klären, zu deren Ueberwachung die Polizeibeamten bestimmt sind. Im Agitationsbezirk wurden verbreitet: 2 200 000 Flugblätter, 290 000 sonstige Drucksachen, 1250000 Stimmzettel, 8000 Bro- schüren und 8900 Plakate. Die Ausbreitung der sozialdemokratischen Organisation hat im AgitationSbezirk mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sprunghafte Fortschritte sind hier nicht zu erwarten; in ruhigem. aber stetem Anwachsen breitet die Organisation sich aus. 14 von den 20 RcichstagSwahlkreisen haben eine feste Organisation in Form eines über den ganzen Kreis sich erstreckenden sozialdemokratffchci, Vereins; in vier Wahlkreisen besteht die lose Organisation und in zwei fehlt jede Verbindung. Die Mitgliedcrzahl stieg im Berichts- jähre von 6750 auf 8600. Die Zahl der im Bezirk abgegebenen sozialdemokratischen Reichstagßwahlstimmen stieg von 50 855 im Jahre 1903 auf 60 724 im Jahre 1907. Die Einnahmen stiegen im Berichtsjahre von 23 877 M. auf 35 784 M. Einen sehr günstigen Einfluß übt« der im Jahre 1905 beschlossene Einheitsbeitrag von 10 P f. pro Woche für den ganzen AgitationSbezirk. Tie Einnahmen des Agitationskomitees beliefen sich auf 11 245,67 Mk., die Ausgaben auf 10 789.93 M., wozu wcircre 8070 M. Einnahme und 7818 M. Ausgabe für die ReichstagSwahl kommen. Zu der Wahl der sozialdemokratischen Stimmen wie auch ins- besondere zu der Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter steht die Zahl der politisch Organisierten in argem Mihverhältnis. Sic beträgt durchschnittlich nur 25 Proz. der gewerkschaftlich Organi- sicrten. Kurse zur Weiterbildung der Parteigenossen haben di« Wahlkreise K ö l n, S t a d t und Köln -Land sowie Mülheim- Wipperfürth veranstaltet. Die Maifeierveranstaltungen wiesen überall im AgitationSbezirli eine starke Beteiligung auf. In verschiedenen Orten wies die Zahl der durch Arbeitöruhe Feiernden eine wesentliche Steig«« r u n g auf. Die Wahlrechtsbewegung hat mit außerordent- licher Wucht eingesetzt und nimmt bei jeder Demonstration an Um- fang zu. Die an den Bericht anschließende Diskussion brachte eine Fülle von Anregungen aus den Erfahrungen der Organisationen in den einzelnen Wahlkreisen. Es wurde beschlossen, auf die Tages- ordnung des nächstjährigen ParlcitageS die K o m m u n a l p o l i t i k als besondere» Gegenstand zu stellen und im Laufe diese» Jahres eine Konferenz der sozialdemokratischen Gcmcindcvertreter abzuhalten. Eine Resolution, die die Parteigenossinnen auffordert, nach Inkrafttreten deS neuen Vereinsgesetzes sich den sozialdemokratischen Pereinen anzuschließen, fand einsttmmige An, rahme. Ueber den preußischen Wahlrcchtskampf und di« LandtagSwahlcn redete Genosse Ho n ra th«Aachen . Er legte dar, daß der Wahlrcchtskampf vor 60 Jahr«» cm Verfassungs- kämpf war. den Kapital und Arbeit gemeinsam kämpfen konnten: heute aber sei der Wahlrcchtskampf ein ausgeprägter Klassenkampf geworden; Junkertum und Kapitalisten kämen mit dem herrschen- den System auS; das entrechtete Volk der Arbeit aber kämpfe um seinen Anteil an der Gesetzgebung, an der Leitung seines eigenen Geschickes. ES gebe keinen mächtigeren Protest gegen dte Wahl- rechtsschmach, kein wirksamere» Mittel, die schände PrcußenS vor der ganzen Welt offenbar zu machen, als eine großartige Beteiligung der Sozialdemokratie an der Wahl. Die Aussichten auf ehrliche Mithülfe bürgerlicher Parteien im Wahlrechts- und im Wahlkampf feien sehr gering; um so mehr sei es darum unsere Aufgabe, alle(Entrechteten in den Kampf hineinzu- reißen, und um so mehr mühten alle Wähler und Wahluiänner der Partei die Wahlparole des Parteivorstandcs beachten, unbekümmert um das Geschick der verschiedenen bürgerlichen Gebilde, die sich als Wahlrechtsfreunde aufspielten, ohne bereit zu sein, eine grund« sätzlrche demokratische-Reform mit zu erkämpfen. In der Diskussion führte M c e r f e l d- Köln auS. daß die Sozialdemokratie in diesem Wahlrcchtskampf isoliert dastehe, rühro einmal von der politischen Verlotterung des Liberalismus in Preußen her, zweitens daher, daß das Zentrum, im Gegensatz zu dem damaligen Wahlrechtöbündntö mit der bayerischen Sozial- demokratic. in Preußen kein parteipolitisches Interesse an einer Wahlrechtsänderung in Preußen habe. Im Rheinlande müßten be- sonders die katholischen Arbeiter gegen das Zentrum mobil gemacht werden. Die Furcht vor dem Verlust dieser Anhänger an die Sozialdemokratie müsse das Zentrum in der Wahlrechtsbewegung vorwärts peitschen und es auch zwingen, seine Abneigung gegen die Neueinteilung der Wahlkreise aufzugeben. Einen vortrefflichen Vortrag hielt dann Genosse Erte»-Köln über die Sozialdemokratie und die Frauenfragc. Zum Reichsvereinsgesetz nahm der Parteitag ern- stimmig eine R e s o lu t i o n an. worin die Verschlechterungen be. dauert werden, die da? Gesetz für verschiedene Bundesstaaten bringt. Die§8 7 und 10a bedeuten sogar für Preußen ein« wesent» liche Verschlechterung der bisherigen Bestimmungen, die aus einer Zeit der unbeschränktesten Reaktion stammen. Zum Schluß erklärt die Resolution:„Durch die Annahme dieser Bestimmungen, nament, lich aber durch die Einfügung des von der Regierung gar nicht ge- forderten Z 10a haben die sich liberal nennenden Parteien s,ch ein dauerndes Denkmal der Schande gesetzt." Ferner beschloß der Parteitag die Einführung einheitlicher Mit» gliedsbücher. die spätestens am 1. Januar 1909 erfolgen soll.— Zum Sitz des AgitationSkomitceS wurde wieder Köln bestimmt. Tann schloß der Vorsitzende Genosse B. Müller-Köln den Parteitag mtt einer packenden Schlußansprach« und mit einem begeistert auf- genommenen Hoch auf die Sozialdemokratie. Serickts- Leitung. Kaun der Angestellte eine de« Chef gegenüber abgegebene Willen». erklörung zurücknehmen bez». einschränken? Bei Stteittgkeittn zwischen Prinzipal und Angestellten kommt es häufig vor, daß letzterer in die ihm vom Chef angebotene sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses vorbehaltlos willigt, aber, sobald sich die durch den Stteit entstandene Aufregung gelegt hat, seine Erklärung dahin einschränkt, daß er sein Gehalt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beansprucht. Der Entscheidung der zweiten Kammer de» Kaufmauosgericht» unterlag die Rechtsfrage.
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