Mer baß die Unzufriedenheit der„Kreuz- Zeitung' mit derZurückziehung des Antrags Mommsen ihn so sehr erschreckenwürde, daß er seine Attentatsabsichten auf die Taschen der Arbeiternoch vor den Wahlen enthüllt, überrascht uns doch einiger-maßen I Doch um so dankbarer müssen wir anerkennen, daß derFreisinn alleS daran setzt, um völlige Klarheit für den Wahlkampfzu schaffen. Die entschiedenen Liberalen werden hinaus gedrängt,mit den nationalliberalen Wahlrechtsfeinden werden Kompromisseabgeschlossen und die Belastung der Volksmassen in den Zeiten der Kriseund des ZollwucherS als nächste Etappe der freisinnigen Blockpolitikproklamiert: fürwahr, deutlicher konnte die Volksfeindlichkeitdes Blockfreisinns nicht mehr bekundet werden IES ist aber eine elende Ausrede, wenn die„Voss. Ztg." die Höhedes Defizits als Entschuldigung für indirekte Steuern anführen will.Ganz abgesehen davon, daß bei der rapidenZunahme desReichtums der besitzenden Klassen in Deutschland sehrwohl Hunderte von Millionen aus direkten Steuern, aus Erbschafts-,Vermögens- und Einkommensteuern zu erzielen sind, sobraucht das Defizit gar nicht allein durch neue Steuernbeseitigt zu werden. Das Defizit ist entstanden durchdie wahnwitzige Steigerung der Ausgaben für die Weltpolitik, für Kolonien, Heer und Flotte! Eine Einschränkung dieserAusgaben täte dringend not. Bor allem das sinnlose Wettrüstenzur See könnte sofort beseitigt werden, wenn die deutsche Negierungdazu von, Parlament gezwungen würde. Gerade in den Tagen desAbschlusses der Nord- und Ostseeverträge tritt die Sinnlosigkeitdieser sportmäßigen Flottenvermehrung auf das deutlichste hervor.Eine Verständigung mit England über die Einschränkung derFlottenrüstungen ist durchaus möglich. Wenn nichts der-gleichen geschieht, so tragen daran dieselben Frei-finnige n die Schuld, die sich bedingungslos allen Forderungen desMilitarismus und Marinismus unterworfen und jede Kritik derNüstungspolitik, geschweige jeden ernsthaften Widerstand seit derBlockära) völlig aufgegeben1 haben. So sind sie mit-schuldig an der Größe des Defizits, und es ist wirklich eine un-gewöhnliche Kühnheit, diese Größe nun als Ausrede zu be-nutzen, um die Lasten seiner Beseitigung den Besitzlosen aufzuerlegen.Aber gut ist's, daß die Wühler die freisinnigen Pläne recht-zeitig kennen lernen. Mögen sie sich am Wahltage danach richten.Zweierlei Moral.Mit jettev sittlichen Entrüstung, die einem aus preußischesEhristentum geeichten Scharfmacherblatt besonders gut ansteht.schüttelt sich die„Post" von neuem ob der moralischen Verlotterungder„Genossen". Sie hat im vorliegenden Falle eine ausgezeichneteGelegenheit, ihren Abscheu zum besten zu geben; handelt es sichdiesmal doch um nicht mehr und nicht weniger, als um die Ver-herrlichung eines Meineides.In Nr. ISS vom 2. April nimmt die„Post" unter der Stich-marke„Sozialdemokratische Moral" von einer Reso-lution Kenntnis, die eine Textilarbeiterversammlungin Chemnitz gefaßt hat. Sie lautet:„Die heute, am 4. April, tagende Mitgliederversammlungspricht dem Kollegen Gauleiter Albin R e i ch e l t ihr volles Ver-trauen aus. Die Kollegen und Kolleginnen haben nicht die Ab-ficht, wegen der„Vergangenheit" eines solchen Mannes von derGefolgschaft, die sie ihm leisten, abzusehen. Die Anwesendenwissen, daß Kollege Reichclt sein ganzes Leben, seine Gesundheit,seine Freiheit im Dienste der Arbeiterbewegung geopfert hat, undhoffen, daß es den Textilarbeitern noch lange vergönnt sein möge,ihn in ihrer Mitte zu haben. Sie versprechen nach wie vor, denKollegen Reichelt zu schätzen und zu achten. Ueber das gegenihn gefällte Urteil enthält sich die Versammlung jeder Kritik."Und diese Vertrauenskundgebung gilt einem Manne, von demdie„Post" erfahren hat, daß er kürzlich wegen Körperver-l e tz u n g und Nötigung zu einer hohen Gefängnisstrafe ver-urteilt worden ist, zu einer besonders hohen Strafe deswegen, weilcr schon wegen Meineids Zuchthausstrafe erlitten hat. Dasist Genossenmoral!Einem solchen Fall muß man näher auf den Grund gehen, seibs auch auf die Gefahr hin, daß die Sozialdemokratie den Abscheujener gesitteten Menschheit erregt, die auf dem Niveau der„Post"steht.Also zunächst die Körperverletzung. Die Angelegenheit hängtmit den bekannten und zum Glück erfolglos verlaufenen Kämpfender Behörde und des Unternehmertums gegen die Verwaltung derChemnitzer OrtZkasse zusammen. Neichelt sollte bei der Wahl denwohlgesinnten Schneider K r ö n e r mit dem Kopf gegen eine Säulegestoßen und ihn mit Totschlag bedroht haben. Zum 23. März d. I.war Termin vor dem Schöffengericht in Chemnitz angesetzt worden.Der Verteidiger beantragte Vertagung der Verhandlung mit derausdrücklichen Motivierung, daß dem Beschuldigten die Anklageerst spät zugestellt worden sei und das Gericht die Ladung derEntlastungszeugen abgelehnt habe. Das Gericht hört abereinzig die Belastungszeugen, von denen fast nur der„Angegriffene"Kröner gegen die Angeklagten aussagt, und verurteilt Neichelt zu& Monaten 2 Wochen, seinen Mitangeklagten Haubold zu 2 Mo-naten 2 Wochen Gefängnis. In der Verhandlung meint der Amts-anwalt von den nicht zugelassenen Entlastungszeugen, daß es sichbei ihnen um Zeugen der Partei der Angeklagten handele, vondenen man nicht wissen könne, ob sie die Wahrheitsagten.Und nun glaubt der Vorsitzende des Schöffengerichts inder Urteilsbegründung noch etwas Besonderes tun zu müssen, in-dem er die Frage stellt, wie es möglich war, daß Reicheltmit seiner Vergangenheit den Kröner mit Gewalt ander Ausübung seiner Rechte hindern könne, und wer ferner nocheinem solchen Mann wie Reichelt Gefolgschaft leistenmöge?So war also eine der bekannten sächsischen Verurteilungengustande gekommen.Aber nun die Vergangenheit Reichclts. Ja, er ist wegenPretzvergehen und ähnlicher politischer Delikte vorbestraftwie nur einer. Bis jetzt aber galt auch unter bürgerlichen Poli-tikern, soweit sie auf Gesittung Anspruch machten, her Grundsatz,daß Strafen, die mit der politischen Tätigkeit eines Manneszusammenhängen, dessen Ansehen in den Augen der Mitwelt unterUniständen erhöhen, nicht aber herabsetzen können,Doch der Meineid.Es war unter dem Sozialistengesetz. Ein Prozeß wegen Ver-breitung des„Sozialdemokrat" stand in Frage. Reichelt beschworgleich zwei anderen Zeugen, daß er das verfemte Blatt von einerbestimmten Stelle nicht erhalten habe. Hätte er das beschworen,was die Anklage für Wahrheit hielt, so würde er, wie die Chemnitzer„Bolksstimme" am 3. April d. I. schrieb. Hunderte in den Prozeßverwickelt haben. Reichelt erhielt ein Jahr Zuchthaus, also di-niedrigste nach dem Gesetz zulässige Strafe, und zwar mit der Be-gründung, daß er sich selbst einer strafbaren Handlung hätte be-zichtigen müssen, wenn er die Wahrheit gesagt hätte. Reichelt selberbehauptet heute noch seine Unschuld.Das sind die Tatsachen, welche die Kameraden und Partei-genossen Reicheltö veranlassten, ihm ihr Vertrauen zu be-iLUdL»Nun soll ja gelten, daß sozialdemokratische Moral keine bürger-liche Moral ist, und daß vor allem, soweit Eidesfragen inBetracht kommen, die Feststellungen eines beut-s ch e n G e r i ch t s für ein Blatt vom Schlage der„Post" unantast-bar sind.Aber da will es das Unglück, daß die„Post" einen Tag später,als sie die Angelegenheit Reichelt gegen die Sozialdemokratie aus-nützt, in einem Leitartikel den Münchener Harden-Prozeß behandeln muß. Hier ändert sich ihre Eides-moral mit einem Schlage. Deutlich sagt sich die ge-samte„nationale" Presse vom Fürsten Eulenburg los. Nur die„Post" kann es nicht fassen; sie glaubt nicht, daß der einstige Be-rater des Kaisers seine Eidespflicht verletzt habe. Und deswegenmuß die Autorität des Gerichts nach Kräften heruntergerissen,mutz die Wahrheit der gegen Eulenburg gerichteten Zügen-aussagen angezweifelt werden. Die Verhandlungen in Münchenerinnern zu diesem Zweck die„Post"„wieder recht lebhaft an denHexen sabbath vor dem Berliner Schöffengericht". DieZeugen, welche in diesem Prozeß aufgetreten sind, machen der„Post"„keinen guten Eindru ck". Zur Entschuldigung desFürsten wird weiter geltend gemacht, daß es sich um Vorgängehandelt,„die sich bor 24 Jahren abgespielt habensollen". Um so notwendiger ist es in den Augen der„Post",„daß die Bekundungen der Zeugen dieser Verhandlung in demProzeß, den die Berliner Oberstaatsanwaltschast gegen JustizratBernstein eingeleitet hat, nachzuprüfen."Ganz besonders spaßig ist der Satz:„Alle aber, die erklären, Fürst Eulenburg habe mit ihnenSchmutzereien getrieben, heften sich, wenn auch dieses Ver-gehen längst verjährt ist, in den Augen aller anständig Denkendeneinen schweren Makel an, der sie um so verächtlicher macht, alsfestgestellt worden ist, daß diese Zeugen sich nur gegen erheblicheGeldgeschenke prostituiert haben."Moral: Der Eid des Arbeiters, des SozialdemokratenReichelt ist auf alle Fälle ein Meineid, und wenn die Sozial-demokraten für ihren verfolgten Genossen einstehen, so ist daseben„sozialdemokratische Aioral".Der Eid des Fürsten Eulenburg— ja, Bauer, das ist ganzwas anderes!-»Hu 9 dem(Hahlhampf.Zentrumsbauer« gegen das Wahlrecht.Die zentrumsagrarische„Rheinische V o l k s st i m m e" hatan dem Wahlaufruf der preußischen Zentrumsfraktion allerlei aus-zusetzen. So will dem Blatte nicht gefallen, daß das Zentrum auchauf sozialem Gebiete sich weiter bemühen will. Hier habe die Partei„in vielen Stücken ein zu rasches Tempo eingeschlagen"— meintdas ultramontan-agrarische Blatt. Die Arbeiterbevöllerung seidem Zuge der Zeit nach einer kostspieligeren Lebensführung gefolgt;sie betrachte heute Ansprüche als unentbehrlich, die der Arbeiter vorfünfzig Jahren noch nicht vermißte, ohne daß er sich deshalb so un-behaglich und unzufrieden gefühlt habe, wie heute.Besonders hat es dem Blatte die Wahlreform angetan, für dieder Aufruf zu wirken verspreche. Das sei eine Frage, in der„dieZentrumsbauern nicht mit der Partei übereinstimmen", versichertdas Blatt und begründet das folgendermaßen:„Das jetzige Wahlsystem hat seine großen Fehler, das steht fest.Was aber will man an seine Stelle setzen? Ein verständigerMann reißt doch erst dann ein, wenn er etwas Besseres an seineStelle setzen kann. Das Reichstagswahlrecht, das von verschie-denen Seiten gefordert wird, ist aber doch in allewege nichtsBesseres, eher etwas noch Schlechteres. Der Bauer, insbesondere dermittlere und kleine Bauernstand, wie er gerade in der Rhein-Provinz in Frage kommt, der fest an seine Scholle gebannt ist,hat doch wahrlich ein größeres Interesse am Ge-deihen des Staates, als der unstet von Ort zu Ortziehende unansässige Arbeiter, der sein Ränzel schnürt, wennes ihm an seinem Ort nicht mehr gefällt. Solange aber derBauer die heilige Pflicht zu erfüllen hat, alle anderen Stände.die gesamte Bevölkerung des Landes zu ernähren, darf ihm seinunantastbares Recht, entsprechend seiner Bedeutung Einfluß aufdie Gesetzgebung des Landes haben, nicht verkümmert werden.Das würde durch die Einführung des Reichstags-Wahlrechtes unbedingt der Fall sein. Der Bauer kommtschon unter den heutigen Verhältnissen nicht zu seinem Rechte.Wie sollte das erst werden, wenn er, der verantwortungsreichsteStand, noch mehrandie Wandgedrückt würde. Darumkann von einer Reform des Wahlrechts in diesem Sinne nie undnimmer die Rede sein, wenn anders der Staat sich nicht selberdie starken Wurzeln seiner Kraft abschneiden willDas Blatt, das sich hier als den Freund des kleinen Bauernaufspielt, schein! nicht zu wissen, daß der kleine Bauer gerade sogut zu den 85 Proz. Wählern dritter Klasse gehört, wie der kleineHandwerker und der Arbeiter. Das Dreiklaffenwahlrecht ist für dasLand ebenso ein Geldsackswahlrecht, wie für die Stadt, und wer esmit Rücksicht auf das Land verteidigt, macht sich zum Anwalt derGroßagrarier und Großbauern, um die Masse der Landbewohner:die kleinen Bauern und Landarbeiter, zu entrechten.Wenn man die blödsinnige Anschauung, daß der Bauer die ge-samte übrige Bevölkerung ernähre, einer Widerlegung für nötighielte, konnte man fragen: wer denn den Bauern ernähre und obder Bauer nicht ebenso von der Stadtbevölkerung abhänge, wie diesevom Bauern?Das Gerede des ultramontanen Bauernblattes hat nur Be-deutung insofern, als es beweist, wie weit und wie tief die Ab-ncigung im Zentrum gegen ein volkstümliches Wahlrecht geht!Gegen zwei Fronten?Die„Freisinnige Zeitung" belehrt— ganzüberflüssigerweise!— die Freisinnige Vereinigung darüber,daß der Freisinn den Kampf bei den Landtagswahlen sowohlwie bei den Reichstagswahlen gegen zwei Fronten, nachrechts sowohl wie nach links, führen müsse.Mit der Sozialdemokratie könne die Freisinnige Ver-einigung bei den Landtagswahlen schon deshalb nicht zusammen-gehen, weil sie vier von ihren neun Landtagsmandaten mitkonservativer Hülfe erlangt habe. Ebenso sei es bei derReichstagswahl. Wozu wir bemerken wollen, daßgerade die Freisinnige Bereinigung 1907 von ihren 14 Mandatennicht weniger als 10 nur durch sozialdemokratischeHülfe erlangt hat!Aber das nur nebenbei. Die Freisinnige Vereinigungdenkt ohnehin gar nicht daran, mit der Sozialdemokratie zu-sammen gegen die Reaktion zu schlagen. Sie schlägt genauso wie die Freisinnige Volkspartei mit den R e a k t i o n s-Parteien zusammen gegen die Sozialdemo-kratie!Aber wir würden über die Bekämpfung der Sozial-demokratie kein Wort verlieren, wenn der Freisinnwenigstens auch die Rechte bekämpfte! Aberwährend der Freisinn die Sozialdemokratie rücksichtslos be-kämpft, schlägt crsich jedesmal bedingungslos aufdie Seite der reaktionären Parteien, sobalder es in der Hand hat, einem Brotwncherer, Schutzzöllucr undWahlrechtSfeind den Garaus zu machen! Bei den letztenReichstagswahlen hat der Freisinn der Reaktion 32 Mandatezugeschanzt! Und so weit sich ihm bei der LandtagSwahlGelegenheit bietet, sozialdemokratische Vertreter des all-gemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts durchnationalliberale und konservative Wahlrechtsfeiode zu ver-drängen, wird er es am guten Willen nicht fehlen lassen!Das nennt dann die freisinnige Heuchlersippc: Kampfgegen zwei Fronten!poUtifchc öcberlicbt.Berlin, den 25. April 1908,Herr Franz Behrens.Der„Fall Behrens" hat eine großartige Verwirrung im christ-lichen Lager angerichtet. Während der„Bergknappe", da?Organ des christlichen VergarbeiterverbandcS Herrn Behrens in allerForm den Hinauswurf aus seiner Stellung als Generalsekretär desgenannten Verbandes ankündigt, spricht die Bezirksleitung deS Ge-Werkvereins christlicher Bergleute im Saarrevier Herrn Behrensihre volle Billigung für fein Verhalten in der Vereinsgesetzfrageaus, er habe nach dem Grundsatze gehandelt, das Erreichbare zunehmen und auf dem Errungenen weiter zu bauen.Die„Germania" findet die Haltung der Bezirksleitung desSaarrevierS„unverständlich" und fiihrt zur Erklärung an,daß„das eine führende Mitglied der Bezirksleitung, Gutsche, beidenletzten ReichStagswahlen als christlichsozialer ReichStagSkandidat auf-gestellt war und zwischen Haupt- und Stichwahl im Saarrevier alseifriger nationalliberaler Wahlredner austrat, währenddas andere führende Mitglied, HüSkeS, einerseits in Zentrums-Versammlungen als offizieller Wahlredner auf-trat und andererseits bei den Sozialdemokraten au f d i e„Pfaffen" schimpfte".Die christliche„Baugcwerk schaff hält der Leitung be?Bergarbeitervereins vor, daß eS ihre Pflicht gewesen wäre, Behren?rechtzeitig zu instruieren und ihn dadurch vor unliebsamen Ver-Wickelungen zu schützen:„Aber die Leitung! Uns scheint, derGewerkverein hat heute überhaupt keine Leitung.Jeder Beamte arbeitet für sich und hält sich für die erste Autorität,der niemand mehr etwas vormachen kann. Daß dann schließlicheins neben dem anderen hergehen muß. ist klar... demGewerk-v erein fe h lt d i e Einh eitlich keit des Wollens unddes Handelns."Und während die„Germania" dem Zentrum rät, auf demPosten zu sein, damit in den GewerkschaftSversamm-lungen keine agrarische Politik(!) getrieben werde,ersucht der„Bergknappe" die Zentrumspresse, sich nicht indie gewerkschaftlichen Angelegenheiten zu mischen;über den Fall Behrens zu entscheiden, steht einzig dem Gewerkvereiuchristlicher Bergleute zu.Man darf gespannt sein, wie sich die Beteiligten aus diesemWirrwarr herausfinden. Wahrscheinlich wird alleS beim altenbleiben, da jeder Ursache hat, den anderen zu schonen, um selbergeschont zu werden.Wie unS telegraphisch aus Essen gemeldet wird, bringt die„Deutsche BergwerkS-Zeitung" in ihrer gestrigenNummer einen Bericht über eine stattgehabte GeneralversammlungdeS Deutschen ErzgrubenverbandeS. In diesem Berichte findet sichunter anderem die sehr interessante Mitteilung, daß neben denHerren Dr.-Jng. E. Guillaume, BergwerksbesitzerAnsorge, Generaldirektor Roetzel usw. auch derRrichstagsabgeordnew Franz Behrens zum Borstande gehört.' Bestätigt sich diese Meldung der„Deutschen Bergw.-Ztg."— anihre Richtigkeit ist kaum zu zweifeln— dann wird allerdings dasVerhalten deS Herrn Behrens durchaus begreiflich.Jsenbiel bleibt.In hiesigen Juristenkreisen kursiert daS Gerücht, daß dieStellung des Oberstaatsanwalts Jsenbiel erschüttert sei. Einer derRedakteure der.Morgenpost", die in letzter Zeit das Interviewenals Spezialität betreiben, hat deshalb Herrn Jsenbiel aufgesucht undihn ausgefragt. Statt den Redakteur abzuweisen, hat sich HerrJsenbiel herabgelassen, Rede zu stehen und folgendes erwidert:„Sie fragen mich, ob meine Stellung erschüttert ist? Ichkann Ihnen darauf nur antworten, daß mir davon nichts bekannt ist.Ich würde auch gar nicht in der Lage sein, es zu wissen, wenneS der Fall wäre, denn ich wüßte nicht, wer mich von derErschütterung meinet Stellung in Kenntnis setzen sollte. Inmeinem Plaidoyer habe ich gesagt:.Wenn mein von besterUeberzeugung geleitetes Vorgehen an zuständiger Stelle nicht gc-billigt wird— voila, ich bin bereit, einen Würdigeren Platz zumachen. DaS ist selbstverständlich mein Standpunkt. Ob das an-geblich im Umlauf befindliche„Gerücht" lanziert oder nur eineVermutung ist, vermag ich nicht zu sagen, ich besitze nach dieserRichtung gar keine Verbindungen. Jedenfalls bin ich mir bewußt.daß die Staatsanwaltschaft in keiner Weise ihre Pflicht versäumthat, ich habe auch nicht bemerkt, daß an mir übergeordneter Stelleeine gegenteilige Auffassung bestände."Wir glauben auch, daß das Gerücht unbegründet ist. Zwar hatim Prozeß Moltke-Harden Herr Jsenbiel eine seltsame Rolle gespieltlmd seine Tiraden fordern, wenn man sie mit den Ergebnissen desMünchener Harden-ProzesieS vergleicht, zum spöttischen Lachen heraus:aber aus mangelnder Befähigung wird in Preußen einhöherer Beamter selten entlassen, sondern gewöhnlich mirwegen'ungenügender patriottschcr Gesinnung, Verletzung derStandesrücksichten, Abweichung von den Ansichten seiner Vorgesetztenoder anderen ähnlichen Verstößen. Und mangelnde GesinnuiigS-tüchtigkeit kann man Herrn Jsenbiel nicht vorwerfen, besteht dochsein Malheur gerade darin, daß er diensteifrig gleich im Ramschalles das beweisen wollte, was oben aus Gründen der Staatsraisougewünscht wurde.—_Zur Charakteristik der„Post".Die stinkende Mistpflanze der deutschen Journalistik, die Krön?»beinsche„Post" leitet ihren Landtagswahlkampf mit einer perfidenFälschung ein. AuS der Zeit der letzten ReichStagSwahl hat sie sichdie Verleumdungen, die damals der Liebertsche Rcichsverband inseinen Flugblättern gegen die Sozialdemokratie ausstreute, sorgfältigaufgehoben und beginnt nun. aus der schönen Sammlung nachihrem Geschmack eine Auswahl zu treffen, ganz unbekümmert darum.daß die meisten dieser Verleumdungen als freche Fälschungen nach-gewiesen sind.Wie sich manche unserer Leser wahrscheinlich noch erinnernwerden, hieß es damals in verschiedenen vom Liebertsche« Reichs-verband herausgegebenen Broschüren:„Zweibeinige Tiere in Uniform" nannte 1872 der„VolkSstaat",daS Blatt des Abgeordneten Liebknecht, die deutschen Soldaten,die als Sieger aus Frankreich zurückkamen. Arbeiter! Genau sodenken die Sozialdemokraten im Herzen auch über die deutschenSoldaten in Südwestaftika. Arbeiter! Sind Eure Söhne undBrüder, die dort kämpfen, wirklich zweibeinige Tiere? Wollt Ihreinem Kandidaten Eure Stimme geben« dessen Parteigenossen sovon Euren Tapferen denken?"