fuhrpramie auf Zucker wieder hätte einführen müssen. Mit dieser Betätigung seiner politischen Unwissenheit hatte Herr Schultz jedenfalls den Vogel ab- geschossen, denn Ausfuhrprämien auf Zucker sind in Deutsch - land nicht wieder eingeführt worden. Alle Anträge der Freunde des Dohuenstiegs werden denn auch mit großer Mehr- heit abgelehnt und das Gesetz in der Kommissionsfassung an- qenominen._ Zur Geschäftslage des Reichstags. Im Seniorenkonvent des Reichstags gelangte heute die Ge- schäftslage des Reichstags zur Besprechung. Sicherheit darüber, ob die Session geschlossen oder vertagt werden wird, besteht noch nicht. weil die Regierung sich darüber noch nicht geäußert hat. Die Wahrscheinlichkeit besteht, daß mit dem Ende der nächsten Woche Vertagung bis zum Oktober stattfindet. Zur Beratung sollen folgende Materien gelangen: Der Gesetzentwurf über Stempelabgaben(Kraftfahrzeuge), das Müuzgesetz, das Postscheckgesetz, die Gesetze über Teuerungszulagen, über Postdampfer- subventionen, den Versicherungsvertrag, Wechselprotest, die Minderung der Haftung deS Tierhalters, den Befähigungsnachweis(kleine Gewerbeordnungsnovelle), die Maß- und Gewichtsordnung und über die Kolonialbahnen. Ferner sollen noch der Bericht der Budget- kommission über die Militäranwärter, einige Wahlprüfungen, Rechnungssachen und Petitionen zur Beratung gelangen. Der nichtgeadelte August Scherl . Die„München « Post" berichtet: „Seit mehreren Wochen geht eine Notiz durch die bürgerliche Presse über ein Angebot Scherls, dem Vaterlande die„Allgemeine Zeitung " weiter zu erhalten, wenn die bayerische Regierung dieieS Opfer durch einen Orden lohnen wolle. August der Scherl habe aber einen ganz bestimmten Orden verlangt, einen hohen nämlich, nachdem er sich von Preußen und Baden mit einem verhältnismäßig niederen hatte abfinden lassen. Er wollte Ordensbruder der Herren von Orterer und von Daller werden und verlangte darum sie Mitgliedschaft des Ritterordens der bayerischen Krone, mit der der persönliche Adel verbunden ist. August von Scherl, wie schön das klingen würde. Der ReichSrat Freiherr v. Würtzburg habe sich eifrig für den adelsbedürftigen Scherl verwendet: aber trotz dieser Verständnis- innigen Verwendung hätte die bayerische Regierung nicht Dank- gefübl genug für die politische Liebe der„Allgemeinen Zeitung " empfunden, um sie auf so billige Mani« den Zeitgenossen zu er- halten. So blieb der Scherl der Scherl und drehte der Allgemeinen den Hals um.—_ Die ertappte Vossin dreht und windet sich hin und her. weil ihr für ihre Zitaten- fälschung vom Genossen Wurm so gründlich auf die Fing« geklopft wurde. Und da sie zu ihr« Entschuldigung gar nichts zu erfinden weiß, quält sie sich die Ausrede ab. der„Vorwärts" habe ja selber erklärt, gegen solche Luxussteuern sei in der Tat nicht viel einzu- wenden I Dabei passiert ihr wieder das-- Versehen, daß sie das weder noch d«„Vorwärts"-Erklärung für ein sowohl— als auch liest— und damit sich vor ihren Lesern als engelreine Unschuld hinstellen und vergessen machen will, daß sie WurmS Erklärung gegen die Schauniweinsteuer in eine für diese um-- zitiert hat. Obwohl wir es für hoffnungslos halten, wünschen wu ihr doch gute Besserung._ Freiherr v. Gamp gratuliert! / Eine für die Blockfreundschaft zwischen Konservativen und Freisinnigen bezeichnende Szene spielt« sich am Dienstag kurz vor der Wiedereröffnung des Reichstages im Sitzungssaal ab, die ver- dient mit einigen Strichen festgehalten zu werden: In der ersten Reihe der Sitze für die Froisinnigen stehen, im ernsten Gespräch begriffen, Pachnicke und Schräder. Mit elastischem Schritt nähert sich ibnen der bekannte frcikonservative Parteiführer Freiherr von Gamp, jovial streckt er Herrn Schräder die Rechte hin und mit freudig erregter Stimme sagt er:„Ich gratuliere zu Ihrer Reinigung. Das war doch wieder einmal eine angenehme Nach- ticht." Dem alten Herrn Schräder schien dieser Glückwunsch zu der Barth-Gerlachschen Absplitterung wider den Strich zu gehen, denn er verzog das Gesicht, als ob er aus Versehen Essig ge- trunken hätte und stammelte, ein wenig verlegen, etwas von gütiger Nachfrage und dergleichen. Anders Herr Pachnicke. Mit freudigem Gesicht sprang er auf, umschloß die ihm ein wenig nonchalant hinaehaltenc freiherrliche Hand mit beiden Händen und redete, unbekümmert um die in der Nähe stehenden sozial-» demokratischen Abgeordneten, auf den freikonservativen Block- bruder ein, ihm die unbedingte Blocktreue der gereinigten Linken versichernd. Und der alte Herr Schräder sah dabei und verzog das Gesicht._ Bon dem Hochverräter. Heute hat vor dem Ehrengericht der hiesigen Anwalts- kammer der Hauptverhandlungstermin erster Instanz in der Tisziplitmrsache gegen den Genossen Liebknecht statt- gefunden. Die Verhandlung endete, wie nicht anders zu er- warten, mit der Freisprechung unseres Genossen. Fortsetzung folgt in Leipzig ! Fischbeck-Deutsch . Herr Fischbeck macht sich jetzt das Vergnügen, Berlin zu reprä- sentieren. Natürlich ist die Repräsentation danach. Zwischen diversen Eß- und Fahrgelegenheiten wird ein Viehhof oder ein Irrenhaus gezeigt. Bestenfalls Potemlinsche Dörfer. In diesen Tagen soll den Reichstagsabgeordneten das Irren» haus Buch und seine Umgegend gezeigt werden. In dem Einladungsschreiben, das hierzu geziemend einladet und von Herrn Fischbeck gezeichnet wird, findet sich folgende anmutige Stilblüte: ..Sodann Fahrt mit der städttscheu Feldbahn durch den Bucber, der Bcvöllerung geöffueicu Wald nach den in der Aplierung begriffenen im Großbetriebe selbst bewirtschafteten Rieselfelder» d e S im Bau begriffenen Gutes Hobrechtsfelde ." Wir empfehlen Herrn Fischbeck, den Schriftsatz der nächsten Ein- ladung in B u ch selbst entwerfen zu lassen. Einen Unterschied wird man nicht merken.—_ Das Ende eines ReichsverbandsschwindelS. Mitte November v. I. ging durch die bürgerliche Presse eine der„Korrespondenz des Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie" entnommene Notiz, nach der ein„mehrfach vorbestrafter Sozial- demokrat" in SchackenSlcben bei Magdeburg einem reichs- treuen Arbeit« nach kurzem Wortwechsel sieben Messerstiche in den Kopf versetzt haben sollte, so daß der schwer Verletzte ärztlicher Hülfe übergeben werden mußte. Der Sozialdemokrat war dem nichtsozialdemokratischen Arbeiter„spinnefeindlich gesinnt", hieß eS in der Notiz, weil er dem reichstreuen Arbeiterverein beigetreten war. Die Parteipresse stellte damals sofort fest, daß einmal der Borfall stark übertrieben war. zum anderen aber der Gegen- satz zwischen Sozialdemokratie und„Reichstreuen" nichts mit dem ganzen Streit zu tun hatte. Der„Sozialdemokrat"— sein Name ist Appel— wurde dartsi vom Schöffengericht in Neuhaldms- leben wegen Körperverletzung und Hausfriedensbruch zu sechs Monaten und einem Tage Gefängnis verurteilt. Die gegen dieses Urteil vom Staatsanwalt sowohl wie vom An- geklagten eingelegte Berufung wurde dieser Tage vom Landgericht Magdeburg verworfen. Vom Staatsanwalt wurde angeführt, daß der Angeklagte bei sein« Vernehmung in NeuhaldenSleben wiederholt erklärt habe, er sei selber reichstreu und habe deshalb keine Veranlaffung gehabt, seinem Widersacher wegen seiner Zugehörigleit zum reichStteuen Arbeiterverein feindlich ge- sinnt zu sein. Der Angeklagte bestritt in der BerufungS - Verhandlung zwar, diese Aeußerung getan zu haben, er- klärte aber, daß er keinem Vereine irgendwelcher Rich- tungangehöre. Ueber die Ursache deS Streites konnte nichts Bestimmtes fe st ge st ellt werden. Was also damals vom Reichsverband als ärgst« sozialdemokratischer TerroriSmuS ausgemünzt wurde, das entpuppt sich schließlich als eine rohe Keilerei, wie sie sich öfters ereignet.— Tie Sozialpolitik des Blocks. In einer der letzten Nummern des„Berliner Tageblatt" schreibt der freisinnige Abgeordnete P o t t h o f f über die Sozialpolitik des Blocks: „Eine Resolution, die auch mit in die Versenkung ver- schwunden ist, verdient wieder ans Licht gezogen zu werden, weil sie die bedeutsamste ist, die überhaupt zum Punkte„Sozialpolitik" gestellt wurde. Ich meine die Resolution Nr. 544: Albrecht und Genossen. Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der alle Arbeits- und Dien st Verhältnisse, durch welche sich jemand verpflichtet, einen Teil seiner geistigen od« körperlichen Arbeitskraft für die häusliche Gemeinschaft, ein wirtschaftliches oder ein gewerbliches Unternehmen eines anderen gegen Lohn zu verwenden, durch reichsgesetzliche Vor- schriften einheitlich regelt, die insbesondere 1. die Zeit, die Dauer und die Art der Arbeit so regeln, wie es die Erhaltung der Gesundheit, die Gebote der Sittlich- keit, die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeiter und ihr An- spruch auf gesetzliche Gleichberechtigung fordern, 2. die Kraulen-, Unfall-, JnvaliditätS-, Alters-, Arbeitslosen«. Relikten- und Mutterschaftsversicherung ausbauen. Man ver steht nicht, wie bei ein« richtigen Würdigung dieser Antrag abgelehnt werden konnte. Denn da die Etats- resolutionen im allgemeinen nicht konkrete Forderungen, sondern allgemeine Wünsche, Richtlinien für die Sozial- Politik enthalten, so hätte eigentlich dieser Antrag einstimmig angenommen werden müssen. Denn er formuliert das Endziel, auf das unsere soziale Gesetz- gebung hinstreben mutz und auf das auch die Anregungen der Parteien hinstreben, soweit sie überhaupt nicht Demonstrationen zum Stimmenfang, sondern Politik sind." Was Herrn Potthoff in Erstaunen setzt, dafür hat der konservative Landtagsabgeordnete M e r t i n kürzlich in der Hauptversammlung des Wahlvereins der konservativen Parteien für den Wahlkreis Frankfurt -Lebus eine hin- längliche Erklärung gegeben. Er sagte: „Der Block ist im großen und ganzen aus einem Notkind ein ausgewachsenes Produkt geworden. ES kommt niemandem mehr zugute als den Konservativen." Der Redner hob alsdann hervor, der Block werde in der Sozialpolitik rückläufig wirken: „Ein Erfolg der Blockpolitik wird sein, daß jetzt in ruhiger Weise Sozialpolitik getrieben wird und falsche Einrichtungen revidiert werden können." Der Block habe zur Folge gehabt, daß jetzt die Sozialpolstil „vernünftigere Wege" einschlagen wird. „Die Blockpolitik nützt also den Konservativen. und wird sie kaum zwingen, einen ihr« tvesentlichen Grund- iätze aufzugeben." �i« Blockpolitik ist nicht nur eine Polittk der Volks- entrechtung, fondern auch eine Politik gegen jede ernsthafte soziale Reform!—_ Eine neue Posidampfervorlage. Dem Reichstag ist ein Gesetz- entwurf zugegangen, der den Reichskanzler ermäckstigt, die Reichs- fubvention für den Norddeutschen Lloyd um 500, 000 M. zu er- höhen, wofür der Lloyd sich verpflichtet, eine vierwöchentliche Ver- lnndung zwischen Ostasien (Japan ) mit Australien und Deutsch- Neu-Guinca einzurichten. Die einzelnen Verpflichtungen, die der Nordd. Lloyd zu über- nehmen hat, sind folgende: 1. Beibehaltung eines vierwöchentlichen Dienstes zwischen Sydnet) und Japan unt« jeweiligem Anlaufen von Simpsonhafen im BiSmarckarchipel, Friedrich-Wrlhelm-Hafen in Kaiser-Wilhelm- Land und Uap in den Westkarolinen, 2. Wieveraufnahoic der Linie Neu-Guinea— Singapore mit achtwüchentlichem Verkehr von Singapore aus, wobei außer Batavia, Samarang , Soerabaja, Mekassas, Amboina und Rauda , die Häfen Rumleo, Berlinhafen. Friedrich-Wilhelm-Hafen, Erima-StephanS- ort und Finfchhafen. 3. Ein« regelmäßige dreimonatliche Küstenschiffahrt von Simpsonhafen nach den Regierungsstationen und den übrigen wichtigen Plätze» im Bismarck-Arckzipel. Die VertragSdauer soll sich bis zum l. Oktober 1S14 erstrecken. Arbeitslosigkeit. Das Stattstische Amt der Stadt Köln veröffentlicht soeben seine Ermittelungen üb« den Arbeitsmarkt im Monat März. Es berichtet, daß die BeschäftigungSverhältnisie weit ungünstiger als zur gleichen Zeit deS vorigen Jahres waren. Der Bestand der Krankenkaffenmitglieder stieg in Köln gegen den Monat Februar nur um 1171 oder 1.10 Proz. Er betrug am 1. April III 824. In den beiden vorigen Jahren war die Steigerung 3234 und 1041 od« 3.02 und 1.85 Proz. gewesen. In den beiden vorigen Jahren kamen auf 1000 Einwohner am 1. April 24S.S und 246,7 arbeitsfähige Kasienmitglieder, am 1. April dieses JahreS ab« waren«S nur 233,7. Die OrtSlrankenkaffe der Bauhandwerker hatte gegen den 1. April des vorigen JahreS einen Mitgliederverlust von 1730 männlichen Personen, die OrtSlasse für daS stehende Gewerbe einen solchen von 377, die OrtSlasse für Fabrikbetriebe einen solchen von 229, die OrtSkranlenkassen der Vororte Nippe», Ehren- feld und Lindenthal Verluste von 338, 335 und 297. Bei einem Teil der genannten Kasten war trotz deS starken Rückgangs der männlichen Mitglieder ein erheblicher Zu- wachs an fw eiblichen Mitgliedern zu verzeichnen. Bei der Allgemeinen Arbeitsnachweisanstalt der Stadt Köln ging die Zahl der offenen Stellen im März gegen den Bonnonat von 2344 auf 1317. also um 1027 zurück. Die Arbeitsnachfrage ver- minderte sich zur gleichen Zeit von 6266 auf 4931, also um 1335. Die Zahl der Stellenvermittelungen ging von 2273 auf 1225, also um 1043 zurück. Preußische Volksschule. Nicht nur OstelbienS Gefilde verkünden durch ihre Schulpaläste den Ruhm des Knlturstaotes Preußen; der industrielle Westen macht ihnen erfolgreiche Konkurrenz. Mit der rapiden Bevölkenings- Vermehrung halten weder die Neuanftellungen von Lehrpersonen noch die Schulneubauten gleichen Schritt. Die einzelnen Klaffen der Volksicknlen sind überfüllt, 70 bis 80 Schüler entfallen auf eine Lehrperson. Die Zahlen der mit Beendigung des Schuljahres zu- und abgehenden Schüler beleuchten kratz das Schulelend im rheinifch-weftfälischen Industriegebiet. So meldet ein Zentrums- blatt aus Saarn, einem eingemeindeten Lorort von Mülheim- Ruhr , daß in dea einzelnen schon laugst überfüllten Schulen die Zahl der neueintretenden Schüler die der abgehenden um 74 bis 197 Proz. übertreffe. Dabei hatte man in diesem Vorort wegen der erfolgten Stillegung der Zeche„Selbel" einen allge- meinen Rückgang der Schiilerzahl erwartet. Auch über den baulichen Zustand der dortigen Schulen führt das Blatt heftige Klage. Der Zustand der dortigen evangelischen Schule sei besorgniserregend, in den letzten Tagen sei in einem Klassenzimm«— glücklicherweise zur Nachtzeit— die Decke eingestürzt, das gesamte Holz- iverk sei vom Schwamm durchseucht lind der Auf- enthalt für Lehrer und Schüler gesundheitsgefährlich. Nur mangelhaft könne das Tageslicht in die Schul- räume eindringen, von dem Zustand der Aborte wolle das Blatt lieber schweigen. Andere Schulen sind so überfüllt, daß sogar eine Klasse in der früheren Scheune auf dem Hofe einer Wirtschaft unter- gebracht ist. Die Kinder fürchten in diesem Fall gar die sonst so ersehnte Versetzung, um nicht in den„Ferkel-lSchweme-)Stall zu kommen. DaS find preußische VolkSschulzustände im industriellen Westen.— Die Bordellkafse der Lübecker Polizei. Die sogenannte S-Kaste ist nunmehr in eine Krankenkasse der Sittenpolizei umgewandelt worden. Die Bürgerschaft stimmte am Montag einem entsprechenden SenatSantrage zu. Be« kanntlich sind die Einnahmen der S-Kaste auf ungefetz« lichem Wege erhoben worden? das gab unseren Genossen Veranlassung zu einer scharfen Kritik und zur Stellung deS Antrages, die 28 000 Mark betragenden L-Kasten-Gelder, die man ihren rechtmäßigen Eigentümern nickt mehr zurücker« statten kann, zur Gründung eines Wöchnerinnen- heimö zu verwenden. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt; die S-Kaste wird also unter veränderter Firma weiter- geführt werden. Allerdings hat man sich dazu bereit finden lasten, diese Kaste alljährlich einer Revision durch die RechnungS- behörde zu unterziehen; früh« fehlte überhaupt jegliche Konttolle. Unsere Genosten benutzten auch die Gelegenheit, die ganze selt- same Kastengebarung deS Polizeiamtes, wie sie durch den Prozeß gegen den Beamten Fischer aufgedeckt worden ist, an den Pranger zu stellen. ES wurden bekanntlich keine ordnungsmäßigen TageS- abichlüsse gemacht, große Geldsummen lagen in einfachen Pult« schieblade» herum, eS wurden sog. Schiebungen gemacht, die Revisionen waren äußerst mangelhaft und dergleichen mehr. Vom SenaiSlische mußte zugegeben werden, daß Mängel im System bestanden hätten; dieselben seien jedoch nunmehr abgestellt. Ein Mitglied der Bürger- schaft, der als Geschworener im Fischer-Prozeß mitgewirkt hatte, er- kläne, seiner Auffassung nach hätte eS nicht schlimmer auf der Polizeikaste zugehen können, als es tatsächlich geschehen sei; diesen Eindruck habe er auS den Gerichtsverhandlungen gewonnen. Dieser Meinung wird, trotz der Erklärungen der Regierungsvertreter, die Mehrheit der Einwohner Lübecks fein. Wenn jetzt wirtlich eine Besserung eintreten sollte, so ist das den Sozialdemokraten in aller- erster Linie zu danken, die eifrig bemüht waren, die Eiterbeule aus- zubrennen.—_ Ein neues Schreckensurteil in Elsaß-Lothringen . Die Strafkammer Mülhausen t. Elf. verurteilte am Sonnabend nach fünfftündiger Verhandlung den Redakteur und Herausgeber H. Zislin des illustrierten humoristisch- satirischen Wochenblattes „Dur's Elsaß"(daS Blatt«schien im Dialekt) wegen Be- leidigung des Osfizi«korpS des 22. Dragoner-Regiments in Mlll- hausen und der elsässischen Lehrerschaft zu ein« Gesamt- Gefängnis strafe von acht Monaten und ordnete die sofortige Verhaftung deS noch jungen Mannes wegen Fluchtverdachts an. Die durch den Vorwurf des ServiliSmuö und der Kriecherei beleidigten Mitglied« de» KantonallehrervereinS von Dammerkirch an der französischen Grenze hatten in ein« tatsächlich gefaßten und veröffentlichten Resolutton die Forderung der Gehaltserhöhung mit ihren germanisatorischen Leistungen(I) begründet; desgleichen ergab der Wahrheitsbeweis üb« den karikierten Borgang mit fünf Offizieren de» 22. Drayoner-RegimentS, daß diese Herren vor ver- sainineltem Publikum im Zentralhotel zu Mülhausen ihre Hotel- rechnung zerrissen und ohne Bezahlung fortgingen, weil— die Rech- nung französisch ausgestellt ivar. DaS Urteil erregt in weitesten Kreisen Befremden und Verbitterung. Oefteirdd). Die Sprachcnfrage. Wien , 29. April. Nach dem gestrigen Ministerrat verlautete in parlamentarischen Kreisen, daß die deutschen Minister erklärten, sie werden von ihren Parteien abgerufen werden. wenn der derzeitige Leiter des Prager OberlandcsgerichtL Hofrat Rhnefch seine Praxis weiterführe und man die deutschen Bezirks- gerichte zwingen würde, tschechische Klagen anzunehmen und tschechisch zu erledigen._ Der Nachfolger PotockiS. Wien , 28. April. Die morgige„Wiener Zeitung " veröffentlicht die Ernennung des Universitätsprofessors Geheimrats Michael Bobrzynski zum Statthalter und des Gcheimrats Grafen Badeni zum Landmarschall in Galizien. frankreick. Die Maifeier. Pari», 23. April. Die Arbeitersyndikate des D e p a r l e- ments der Seine beschlostcn gestern, die Maifeier durch Arbeitsruhe zu begehen und Meetings zu veranstalten, Italien . Landarbciteraussperrung.„ Mailand , 29. April. Da die Liga der Grund bes itzTr zahlreiche Landarbeiter ausgesperrt hat, so hat sich die Situation bedeutend verschärft. Eine Delegiertenkonferenz der Landarbeiter sprach sich für die Prollamicrung des General- streiks aus. Die Erbitterung ist auf beiden Seiten sehr groß. Portugal . Die Thronrede. Lissabon , 29. April. Die Thronrede, mit welcher der König heute das Parlament eröffnete, gedachte in erster Linie des tragischen Ereignisses, dem König Carlos und der Kronprinz zum Opser fielen. Angekündigt wird die Revision aller Ge- setze aus der Zeit der Diltatur. ferner der Zivilliste dcö Königs. eine Reform der Verfassung und des Wahlgesetzes, sowie verschiedene Projekte zur Verbesserung der ökonomischen und finanziellen Lage des Landes.— England. Tie indischen Kämpfe. London , 28. April. Unterhaus. Lynch(liberal) lenkte die Aufmerksamkeit des Hauses auf die letzte Rede Lord KilchenerS, worin dieser erklärt habe, daß gewichtige Gründe der äußeren und inneren Sicherheit Indiens gegen jede Verringerung der Heeres- ausgaben sprächen. Redner fragte, tvelchcr Art diese äußeren Gründe seien und ob die indische Regierung mit Rücksicht aus die Verteidigung der nordwestlichen Grenze eine Verminderung der Ausgaben als Ergebnis des e n g l l s ch- r n s s i sch c n lieber- «in kam mens crlväge. Der neue UnterstaatSsckretär für Indien , Buchanan, erwiderte. Staatssekretär Morley stehe mit der indischen Regierung über diese wichtige Frage im Schriftwechsel und könne zurzeit noch keine Erklärung abgeben. In Beantwortung
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