Leuten. 5fc er beschäftigt, fanbcn eines TageS fich sechzehn Mann zusammen und lehnten es ab, länger als zehn Stunden zu arbeiten. Ein paar Tage setzten sie das auch durch: um ü Uhr machten sie Feierabend. Die anderen aber lieben sich nötigen, länger zu arbeiten. Einzelne Leute sollen bis abends Vzb und 9 Uhr gearbeitet haben, weil sie fürchteten, andernfalls entlassen zu werden. Einer derjenigen, die nicht länger als 10 Stunden arbeiteten, wurde gefragt— man sagt von Herrn GramenS selber— weShalb die 16 Mann sich weigerten, länger zu arbeiten. Der Arbeiter ant- wartete, we: bei dieser Arbeit nach 10 Stunden noch nicht müde geworden sei, der habe wahrscheinlich nicht fleiszig gearbeitet. Im übrigen scheue er sich vor den dielen Arbeitslosen, die drauszen stehen und vergeblich auf Beschäftigung warten, während hier bis in die Nacht hinein gearbeitet werden solle. Daraus versprach Herr GrainenS— oder war'S einer seiner Antreiber?— er werde dafür sorgen, daß nach Schluß der Arbeit polizeilicher Schutz zur Stelle sei. Also polizeilicher Schutz bor -- Arbeitsuchenden! DaS war sehr.freund- lich' von dem.wohlmeinenden' Herrn Arbeitgeber, aber die Arbeiter lehnten sein Anerbieten dankend ab. Am anderen Bor- mittag ließ dieser Herr alle Arbeiter antreten und erklärte ihnen, wer nicht länger als zehn Stunden arbeiten wolle, der möge sich melden, er solle dann notiert werden und solle abends um 6 Uhr seine Papiere kriegen. Daraufhin meldete sich niemand; denn niemand hatte Lust, sich kurzerhand auf die Straße setzen zu lassen. Einer aber schlug vor. die Arbeiter selber sollten darüber abstimmen, ob länger als zehn Stunden zu arbeiten sei.»Wer für mehr als für zehn Stunden ist, der hebe die Hand hoch I' Es meldete sich niemand..Wer für nur zehn Stunden ist, der hebe die Hand hoch!' Und, stehe, eS meldeten sich alle.„ES herrscht Einstimmigkeit', berichtete der Arbeiter, „keiner will eine längere Arbeitszeit". Aber der Schachtmeister schnauzte:„Sie haben gar nichts abstimmen zu lasten, das werde ich selber besorgen". Er tar'S, und die wieder- holte Abstimmung ergab dasselbe Resultat: wieder wurde einstimmig die zehnstündige Arbeitszeit gefordert. Darauf wurde an den folgenden Tagen allgemein nur zehn Stunden gearbeitet, und keiner kriegte seine Entlastung. Dann kam der Lohntag— da wurden die 16 Mann, die wohl dem Herrn GramenS als die„Rädelsführer" galten, entlassen. Sie fragten nach dem Grund, aber eine Auskunft gab'S nicht. Herr GramenS, der auf seinem Dllillbcrg den Arbeitern eine Arbeits- zeit zumutet, die über die ortsübliche hinausgeht, wird nun wohl bald erklären, mit den Berlinern könne er die Sache nicht machen, er müsse auswärtige Arbeiter haben, die seien.ergibiger". Leicht ist die Arbeit, die da draußen geleistet werden muß, wirklich nicht. Die LoriS, in die der Müll hineingcladen werden muß, sind ihre zwei Meter hoch, da erfordert eS große Anstrengung, sie voll zu kriegen. Wer nicht rasch genug fertig wird, so daß um seinetwillen die Abfahrt des ganzen ZugeS sich verzögert, dem wird gesagt:.Sie sind der letzte; wenn das nicht anders wird, müssen Sie aufhören." Und bei Wieder- holung gibt eS dann tatsächlich die Entlassung. Infolgedessen sucht bei der Arbeit jeder den anderen zu über- bieten, um nur ja nicht der letzte zu sein. Auch als angenehm kann man diese Arbeit nicht bezeichnen. DaS Verrottetete Müll ist wahrlich nicht appetitlich, unh Scharen von Ungeziefer steigen aus ihm auf. Wafchgelegcnheit keimt man übrigens' auf diesem Müllbcrg nicht. Auf ihm müsten die Arbeiter m i t schmutzigen Händen ihr Brot verzehren, und schmutzstarrend müssen sie abends den Heimweg antreten. Geklagt wird auch über den Ton, in dem die Antreiber mit den Arbeitern Verkehren. Ein alter sechzigjähriger Mann, der fleißig arbeitete, soll aus geringfügigem Anlaß angeschrien worden sein:»Sie plter Hund, ich schmeiße Sie sofort r a u s I" Ferner wird nach wie bor darüber geklagt, daß für die Lohnzahlung nicht bre Grundsätze befolgt werden, nach denen die Stadt Berlin ini Winter die Schneescbipper entlohnt. Bei.NotstaudSarbeiten" ist eS wirklich ein starkes Stück, daß man ni'cht Tag für Tag den Lohn sofort auszahlt. Eine schwere Gasexplosion hat sich in der vergangenen Nacht auf dem Grundstück Hasenheide 69 ereignet. Dort befindet sich aus dem Hofe der Backraum der Konditorei von Polähne. In der letzten Nacht waren die Bäckergesellen bei der Arbeit, alL plötzlich eine heftige Explosion erfolgte. Die Geloalt der Explosion war eine so starke, daß die schwere Eichentür bollständig zertrümmert wurde. Den 52 Jahre alte Werkmeister August Seerampf aus der Bopp- stratze 3 wurde durch den Luftdruck zur Seite geschleudert und auf den Erdboden niedergeworfen. Durch Stichflammen, die ihn am Kopf und im Gesicht trafen, wurden ihm ganz erheblicte Brandwunden beigefügt, so daß er nach dem Krankenhaus am Urban ge- bracht werden mußte. Die auderen Leute kamen mit dem Schrecken davon. Die Eiistehungsursache der Explosion ist darauf zurückzu- führen, daß aus dem Gasbehälter unbemerkt Gase herausströmten, diese kamen mit dem Feuer des Backofens in Berührung und ent- zündeten sich dadurch TodeSsturz beim Fcnstcrputzen. Bei einem verhängnisvollen Unglücksfall hat gestern abend ein junges Mädchen den Tod ge- funden. Im vierten Stockwerke des HauseS Großgörschenstraße 88 war das bei dem Kaufmann G. bedienstet gewesene, 18zährige Haus- rnädchen Antonie Kanteck mit dem Reinigen der Fensterscheiben und Gardinen beschäftigt. Das junge Mädchen war, um bester an die Gardinen gelangen zu können, auf eine Leiter geklettert. Bei einer heftigen Bewegung kam diese ins Schwanken und die St. stürzte mitsamt der Leiter aus dem Fenster hinaus. Mit zerschmetterten Gliedern blieb die Unglückliche auf dem Hofe liegein Sie hatte bei dem Aufschlagen auf den asphaltierten Boden so schwer« innere und äußere Verletzungen erlitten, daß sie auf dem Transport nach dem Krankenhause starb. Der Storch im Straßenbahnwagen. Während einer Fahrt im Straßenbahnwagen hat gestern abend die Ehefrau St. aus der Birkenstraße 23 einem Knaben das Leben geschonkt. Frau St. war durch die Jnvalidcnstraße gefahren und in der Nähe des Stettincr Bahnhofes wurde sie plötzlich voin Storch überrascht. Mutter und Kind wurden nach dem Kcantonhause Moabit gebracht. AuS der Unglückschrsnik. Ein tödlicher Unglücksfall hat fich gestern mittag in der Jerufalcmer Stratze zugetragen. Der 48 Jahre alte Steindruckereibcfitzer Otto tzollmann, Forststraße 7 in Erkner wohnhaft, hatte nach seiner in der Sckalitzer Straße 27 belegenen Stoiiidruckcrci fahren wollen. In der Nähe des Dönhoffplatzes wollte er auf einen in der Fahrt bc- kindlichen OiunibuS hinaufspringen, wobei er einein entgegen- kommenden Straßenbahnwagen ausweichen mußte. Er geriet da- durch an einen nebenher fahrenden Omnibus heran, wurde um- gerissen und die Räder des schweren Omnibusses gingen ihm über die Brust und beide Arme hinweg. Der Brustkasten wurde dem Verunglückten vollständig eingedrückt, so daß der Tod fast auf der Stelle eintrat. Die Leiche wurde nach dem Schauhause gebracht.— Ein schrecklicher Unfall ereignete sich gestern in der Müllerstraße. Das Töchterchen Ella des StraßenoahnführerS Brest. Müller- stratze 59, l'tte mit anderen Kindern auf der Straße gespielt. Jin Eifer de. üpiels beachtete die Kleine nicht das Herannahen des Str"''bahnwagens Nr. 1784 der Linie 26. Sie rannte blindlings.'gen den Waggon, wurde niedergerissen und unter dem Vor. derpcv.sn eingeklemmt. Uck das Kind zu befreien, mußte man den vorderen Teil des Waggons emporheben. Man eilte dann mit der Kloinen nach dem Paul-Gerhard-Sttft, wo die Aerzte aber nur nech den Tod feststellen konnten. Die Leiche wurde durch die Polizei be- schlagnahmt.— Von verhängnisvollen Folgen sollte für den 56 Jahre alten Arbeiter Paul Mobitz ein Fehltritt auf der Treppe sein. M. war gestern nachmittag im Begriff gewesen, zu einer in der Hertzbergstraße 15-16, im dritten Stockwerk belegenen Wohnung hinaufzusteigen. Er tat auf der letzten Stufe einen Fehltritt, stürzte ab und blieb bewußtlos unten liegen. Auf dem Transport nach dem städtischen Krankenhause starb der Verunglückte an den Folgen schwerer innerer Verletzungen, die er sich bei dem Sturz zu- gezogen hatte.— Ein betrübender Vorfall ereignete sich gestern nachmittag Vi3 Uhr am Heckmann-Ufer. Dort war der 7ihjährige Sohn des Görlitzer Ufer 28 wohnhaften Grünkramhändlers Zelle mit Ballspielen beschäftigt. Hierbei geriet der Ball in unmittel» bare Nähe des Kanalufers. Als der Knabe demselben nachrannte, um ihn zurückzuhalten, fiel er ins Wasser und ertrank nach einigen Minuten noch ehe eine Rettung möglich war. Nach etwa fünf Minuten wurde das Kind von Schiffern aus dem Wasser gezogen. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Ein« neue Brandstiftung wurde am Freitagabend in der Schützen- straße 44/45 ganz nahe der Hauptfeuerwache in der Lindenstraße entdeckt. Brandstifter hatte dort auf dem ausgedehnten Dachboden eine Menge Papier zusammengetragen und dann angezündet. Der Brand hatte aber sofort einen solchen enormen Qualm entwickelt, daß der Brand sofort bemerkt wurde. Der 17. Zug war schnell zur Stelle und eS gelang, die Flammen bald zu löschen. Die Boden- verschlage und Bodenräume waren, wie die Nachsuchungen ergaben, mit einer solchen Menge von Kisten und Kasten, B renn m a ter i a li en usw. angefüllt, die auch zum Teil ganz in der Nähe des Brandherdes lagerten. Wäre die Feuerwehr auch nur einige Minuten später gekommen, dann war der mächtige Dach- stuhl wohl nicht mehr zu retten gewesen. Von dem Täter fehlt jede Spur. Berliner Adreßbuch. Der zweite Nachtrag zum Jahrgang 1908 ist soeben erschienen und gelangt von morgen ab zur Ausgabe. Der- selbe enthält alle seit Erscheinen der Hauptausgabe angemeldeten WohnungSveränderungen, Geschäftseröffnungen und Geschäftsver- legungen, Zuzüge, Berichtigungen usw. Außer dem vollständigen Inhalt de» ersten Nachtrages sind insbesondere die Ergebnisse des April-Umzuges und die jetzt schon feststehenden, im Laufe des Jahres stattfindenden Wohnungs- und sonstigen Veränderungen eingehend berücksichtigt. Auch dieser zweite Nachtrag wird allen Abnehmern d«S diesjährigen Adreßbuches in der Haupt-Expedition deS„Berliner Lokal-Anzeiger", gW, Zimmerstraße 37-41, und in dessen sämtlichen Filial-Expeditionen bis Ende Mai d. I. unentgeltlich verabfolgt. DaS Apollo- Theater brachte am Freitagabend eine einaktige Operette:„DiesllßenGrisetten" von Julius Wilhelm zum erstenmal in Berlin zur Aufführung. Der Stoff ist dem Künstler- leben entlehnt. In einem armseligen Dachstübchen auf dem Moni- martte in Paris hausen die Künstler einträchtiglich beisammen, ein Dichter, ein Maler und ein Musiker. Joder ist stolz auf seine Kunst, aber der Dalles ist ständiger Gast. Während der Dichter und der Musiker so ouiT eS geht sich durchschlagen und im Verein mit ihren Liebsten den Humor nicht sinken lassen, ist der Maler an ein Gelübde gebunden, nach welchem er Keuschheit üben will und soll im Hinblick auf die von einer alten Tante gegebene Unterstützung. Eine reiche Marqnise und Lebedame will den sonder- baren Kauz begünstigen, und eS hält uicht schwer, daß der junge Maler Gelübde Gelübde sein läßt und sich in sein erstes Abenteuer stürzt. Leben bekommt die kleine Operette durch eine hübsche Musik, die Herr H. Reinhard dazu geschrieben hat. und der auch neben der guten Darstellung der Erfolg des Abends zu danken ist. Von den Darstellern verdienen Herr Bachmann und Valeska Krause in erster Reih« genannt zu werden; beide wurden wirksam ergänzt durch den unverwüstlichen Martin Ketwer in seiner Rolle als Musiker und die Damen Boje und Wiedel« als lustige Grifetten. Der VariötSteil enthält einige gute Nummern, von denen das akrobatische Osta-Trio und der Humorist Bretschneid » besonders hervorgehoben feien. Die studentischen llnterrichtSkursr für Arbeiter und Arbeitertmien wollen besonders älteren Arbeitern zu einer gründlichen Ausbildung in den elementaren Unterrichtsfächern Rechnen, Deutsch , Geometrie, Naturwissenschast und Schönschreiben Gelegen- heit bieten. Unterrichtsbeittag pro Semester 50 Pf. Die Kurse finden statt im Gebäude des Zentral-ArbeitSnachwetfes Rückerstr. 9, in der 69. Gemeindeschule GipSstr. 23». in der Friedrich-Werderfchen Oberrealschule, Niederwallstr. 12 und in der VII. Realschule. Mariannenstr. 47. Letzter Anmeldetermin am DienStag, den 5, Mai, abends 8— g>/, Uhr, Rückerstr. 9 Part.(Kantine des Zentral- Arbeitsnachweises). Lei der Maifeier im Marienvad wurde ein Damenschirm ge« funden; derselbe ,st abzuholen bei Fritsch, Dronthelmerstr. 4. Zu rekognoszieren. Am 29. April d. I. ist in Rixdorf im Schiff- fahrtskanal die Leiche eines unbekannten Mannes gelandet. Der Tote ist 1.62 bis 1,66 Meter groß, hat dunkles Haar, kleine Glatze, kleinen dunklen Schnurrbart. Das rechte Bein ist 15 Zentimeter kürzer als das linke nnd im Kniegelenk steif, er trägt am rechten Ringfinger Siegelring und war bekleidet mit grauschwarzem Cheviot. Jackett und Weste, schwarzer Kcrmmgarnhose. Halbstiefel mit Spangen, schwarzen Frauenstrümpfen und blauweiß gestreiftem Hemd und hatte Taschentuch gezeichnet A. H. oder A. R. bei sich. Etwaige Mitteilungen werden in jedem Polizeirevier oder im Polizeipräsidium, Zimmer 332 II entgegengenommen, eventuell wird um Nachricht zur Tagebuchnumincr 2938 IV 47. 08 ersucht. Gesperrt ist die St. Wolfgangstraße von der Burgstraße bis zur Heiligegeiststraße(einschließlich des Kreuzdamin-S an letzterer Straße) behufs Asphaltierung vom 4. Mai ad.— Di- Köpenicker Straße von der Manteuffelstraße bis zur Eiscnbahnstraße wird behufs Asphaltierung vom 4. Mai ab bis auf weiteres für Fuhrwerke und Nester gesperrt. Arbciter-Samariter Kolonne. Neber den Beginn des Kursus in der 1., 3-, 4. und 5. Abteilung in dieser Woche" ersuchen wir das Inserat in der heutigen Nummer zu beachten. Am Montag beginnt die 1. Abteilung, am Donnerstag die 3.. 4. nnd 5. Abteilung, jedes- mal S Uhr abends. Zahlreiches Erscheinen ist erwünscht. Vorort- ftodmedtLK. Wie eine arme Frau ohne ärztliche Hülfe blieb. Die Beschaffung ärztlicher Hülfe ist in Landgemeinden sehr erschwert. Selbst in geringer Entfernung von Berlin hat man in den Vororten, wenigstens in kleineren, manchmal die zeit. raubcndsten Schwierigkeiten zu überwinden, che eS gelingt, von irgendwoher einen Arzt herbeizuholen. In der Kolonie R ö n t g e n t a l, die an der Vorortstrccke der Stcttiner Bahn vor dem Dorf Zepernick liegt, ist kürzlich ein ganz besonders schlimmer Fall vorgekommen. Er hat dort großes Aufsehen erregt und wird viel besprochen. In Röntgental wohnt im Hause Humboldistr. 4 ein Arbeiter Papra, der bei Erdarbeiten auf dem benachbarten Rieselgut Buch beschäftigt wird. Als seine Frau ihrer Entbin» dung entgegensah und heftige Blutungen sich einstellten. holte er aus dem Dorf Buch die Hebamme herbei. Sie kam, aber sie konnte ihm nur raten, einen Arzt zu konsultieren. P. begab sich zu dem nächsten ihm bekannten Arzt, zn Dr. Reuter, dem Srzk- lichen Leiter der Heimstätte Buch. Diesem Herrn mußte auch P. bekannt sein, denn P. selber sowie ein Kind von ihm war früher mal bei Reuter in Behandlung gewesen. Dr. Reuter ant- wartete dem P., er solle sich an den Arzt wenden, der die Frau sonst behandelt habe. Das war ein Dr. Schröder, der in dem von Röntgental sehr viel weiter entfernten Bernau wohnt. Dieser Herr hatte, nebenbei bemerkt, für eine frühere Behandlung der Frau noch Geld von P. zu bekommen. P. fuhr nach Bernau , aber Dr. Schröder schien ihm wenig Neigung zu haben, die Frau wiederum zu behandeln. Da der Zustand gerade jetzt sich etwas besserte, so wurde zunächst noch nichts weiter zur Beschaffung ärzt- licher Hülfe getan. Bald aber trat wieder eine Verschlimmerung ein. Einmal, als die Frau die Knie zum Gebet senkte, um den Beistand des Gottes zu erflehen, an den sie glaubte, entfielen ihr große Mengen Blut. Wieder lief der Mann zu Dr. Reuter, aber der erklärte jetzt, P. sollte die Frau nach Berlin in die Eharitt bringen. P. wollte das nicht, und so blieb die Frau zunächst immer noch ohne Arzt. Am anderen Tage mußte P. in später Abendstunde aufs neue die Hebamme aus Buch herbeirufen. Sie kam sofort nach Röntgental, und nachts um%2 Uhr wurde dann Frau P. von einem Knaben entbunden. Da der Zustand der Wöchnerin die Hinzuziehung eines ArzteS erforderlich machte, so schickte die Heb- amme den Mann noch in der Nacht schleunigst zum nächsten Arzt, der in Frage kam, also wieder zu Dr. Reuter. Papra eilte nach Buch, klingelte vor der Heimstätte den Portier heraus und ließ durch diesen dem Dr. Reuter melden, daß seine Hülfe drin- gend nötig sei. Der Portier benachrichtigte den Herrn Doktor per Telephon. DaS Ergebnis war, daß P. die Antwort kriegte, er solle den Dr. Schröder aus Bernau holen. Inzwischen war in Röntgental die entkräftete Wöchnerin aus einer Ohnmacht in die andere gefallen, so daß die um sie beschäf- tigten Frauen— die Hebamme und einige hülfreiche HauSbewohne- rinnen— Schlimmes befürchteten. Da langte der Mann, abgehetzt und schweißtriefend, in Röntgental an und brachte den nieder- schmetternden Bescheid, daß er sich nach Bernau wenden solle. Ein- Hausbewohnerin lief zur Bahnstation, um durch einen Beamten nach Bernau telephonieren zu lassen, und zu gleichem Zweck klopfte sie im Ort einen Kaufmann heraus. Da aus Bernau zunächst auf den telephonischen Anruf niemand antwortete, so kehrte sie nach der Wchnung zurück, und nun wurde P. selber nach Bernau ge- schickt. Er bestieg sein Rad und fuhr davon. Als er um 5 Uhr morgens, völlig erschöpft, nach Röntgental zurückkehrte, berichtete er, er habe in Bernau drei Aerzte herausgeklingelt, bei zweien fei er abgewiesen worden, der dritte wolle mit dem nächsten Frühzug kommen. P. erzählte, er sei zunächst zu Dr. Schröder gegangen, aber dort sei ihm geantwortet worden, er komme nicht. Dann habe er einen Dr. M i l b r a n d t aufgesucht, der früher mal ihn selber behandelt habe. Der aber habe ihm achselzuckend gesagt, er kenne den P. nicht. Erst ein Dr. Münster- mann, dem er noch unbekannt war, habe sich bereit erklärt, zu kommen. FürS erste Hab« der ihm sofort ein Rezept geschrieben und habe ihn angewiesen, die Arznei schleunigst in Bernau an- fertigen zu lassen. Mit dem Frühzug um 5i6 Uhr traf dann Dr. Münstermann in Röntgental ein. Als er in der Wohnung Papras anlangte, mußte ihm mitgeteilt werden, daß die hülfloS gebliebene Wöchnerin inzwischen ausgelitten hatte. Der Arzt konnte nur noch feststellen, daß soeben der Tod eingetreten war. Als Todesursache soll er angegeben haben: Verblutung. Wir haben hier die Einzelheiten dieser traurigen Affäre ruhig und leidenschaftslos so vorgetragen, wie sie in Röntgental erzählt werden. So hat auch Herr Papra selber, den wir befragt haben, sie uns als zutreffend bezeichnet. Ueber die Aerzte, die erfolglos um Hülfe gebeten wurden, herrscht bei den beteiligten Personen tiefgehende Entrüstung. Unbegreiflich erscheint uns vor allem das Verhalten des Heimstättenarztes Dr. Reuter. Papra konnte füglich erwarten, daß er bei ihm am ehesten aus Hülfe rechnen dürfe. Dem Herrn Dr. Reuter kann es, ebenso wie den Herren Dr. Schröder und Dr. Milbrandt, nicht erspart werden, sich öffentlich darüber zu äußern, warum P. bei ihnen dieerbetene Hülfe nicht gefunden hat. Unseres Erachtens muß die ganze Kolonie Röntgental ein Interesse daran haben, daß die Angelegenheit weiter verfolgt wird. Die Röntgentaler werden sich der Besorgnis nicht erwehren können. daß in Krankheitsfällen jedem von ihnen ähnliches widerfahren kann. Oder will einer glauben, daß Frau P. nur deshalb ohne ärztliche Hülfe habe zugrunde gehen müssen, weil ihr Mann„nur ein Arbeiter' ist?_ Rixdorf. Die Sitzung der Stadtverordneten am Donnerstag abend wurde eingeleitet durch eine Reihe der nach Weise und Text bekannten Reden. Es galt die Einführung mehrerer Stadträle. Zunächst bandelte es sich um die wiedergewählten Herren Fischer, Leyke, Thiemann, Ziegra und den ncugcwählten Herrn Dr. Vogel, die sämtlich als unbesoldete Mitglieder dcL MagistratSkollegiums vom Ersten Bürgermeister Kaiser begrüßt bezw. vereidet wurden. Dann führte der letztere den zum besoldeten Stadtrat gewählten MagistrmS- asjessor Dr. Mann ans Charlottenburg in sein Amr ein, indem er ihn auf das seiner Tatkraft und Umsicht harrende Armendezernat be- sonders hinwies, das bisher recht stiefmütterlich behandelt worden sei und daher vielfach im Argen liege. Ein interessantes Ein- geständnis des Herrn> Bürgermeisters I Wieweit der neue Dezernent hier Wandel schaffen wird, bleibt abzuwarten. Nach einigen geschäftlichen Mitteilungen de» Vorsteher-Stell- Vertreters, der die Sitzung leitete, kam die erneute Beratung der vielumstrittenen Erweiterung des städtischen OnmibuSbetriebeS an die Reihe. Mit einen, außerordentlichen Aufwand rednerischer Kosten gingen die Sladtvv. Abraham m,d Gröpler dem Magistrat zu Leibe, um die Vorlage zu Falle zu bringen; sie warfen dabei dem letzteren in aller Deutlichkeit vor. daß seine dem Ausschuß vorgelegten und auch jetzt in der neuen Vorlage enthaltenen Ziffern falsche sind. B-sonderS der Erstgenannte ging heftig ins Zeug. Der Magistrat will nämlich den Betrieb dahin ausbauen, daß eine Linie vom Hermannplatz nach dem Bahnhof Bergstraße verkehren soll, an die sich dann die Linie Rathaus— Treptow anschließt� von der einen Linie zur anderen ist Umstcigemöglich- keit borgesehen, so daß man vom Bahnhos soivohl gsz auch vom Hermonnplatz aus durch Wagcnwechsel am Nathans nach Treptow gelangen kann. Dieser Plan gefällt Herrn Abraham gar- nicht, und zwar sind eS„moralische" Bedenken bei ihm, die Rücksicht auf die Einnahmen der privaten Oinnibusgesellichaft gebieten sollen. Die Stadt habe erst die Gesellschaft um Einrichtung ihres B-triebcZ gebeten und wollte dieser nun selbst Konkurrenz machen I Welch eine Moral— im Interesse der Aktionäre der OmnibuS- gesellschaft. Die Rentabilät des städtischen Betriebe«, den man am liebsten wieder beseitigte— wie Herr Gröpler bei der ersten Beratimg gestand—, kümmert die Herren offenbar nicht so arg. Interessant war auch bei dem heißen Be- mühen deS Stadtv. Abraham, die Magisiratszahlcn über die voraus- sichtliche Rentabilität zu erschüttern, daS BekeimtniS, daß der Groß- stadt Rixdorf ein statlstischeö Amt sehr not tut. Ob diese Einsicht vorhält, wird die Zukunft lehren. Bis jetzt hat der Block unter Führung desselben Herrn diesbezügliche Aureguilgen der sozial« demokratischen Stadtverordneten stets verworfen.— Ten Magistrat vertrat der Erste Bürgermeister, indem er die Angriffe
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