Ms Beispiel wie man eS machen miisse. führt die„Kölnische Zeitung ' die Volksunterhaltungsabende an, die der Fabrikant Zahn in Viersen (Rheinland ) seit mehreren Jahren veranstaltet. DaS Programm zerfalle in einen ästhetischen Teil musikalischer und deklamatorischer Art, nnd in einen belehrender Teil mit Behandlung praktischer gemeinnütziger Fragen; die Karten würden durch Meister «nd bekanntere Arbeiter unter der Jnduftriebevölkerung berteilt. Durch eine solche Verbindung ästhetischer und praktischer Dar- bietungen, so meint das rheinische Blatt, könnten auch in anderen Jndustrieberzirken Erfolge erzielt werden, wenn„die Veranstalter von vornherein selbstlos darauf verzichten, durch Aufklärung beein slussen zu wollen und wenn die Abende, besonders die Borträge, so angelegt werden, dah der Arbeiter das Gefühl hat:„Hier bin ich nicht als politischer Wähler, sondern als Mensch gemeint.' Mit anderen Worten: die bürgerlichen Parteien sollen den „Kampf um den Arbeiter' so führen, daß der Arbeiter nicht merkt daß er das Kampfobjekt ist. Denn selbstverständlich bemühen fich die Herren Fabrikanten und die Politiker der„staatserhaltenden Parteien um den Arbeiter nicht um dessen schöner Augen willen; gehen sie nicht aus den Arbeiterfang im ausgesprochenen Dienste einer bestinimten Partei, dann zielen ihre Bemühungen doch mindestens daraus hin, den Arbeiter von der Sozialdemokratie fern- zuhalten. Nur fragt sich, ob das, was in einem ultramontanen Fabrikstädtchen, wo die Sozialdemokratie ohnehin noch kaum in Betracht kommt, möglich ist, sich auch für größere Orte empfiehlt. wo die Sozialdemokratie den bürgerlichen Parteien ebenbürtig oder überlegen ist. Det Arbeiter von heute ist doch nicht mehr so geartet. daß er sich durch VolksunterhaltungSabende, auch wenn sie noch so schlau angelegt sind, von der Erkenntnis seiner Klassenlage ab- halten ließe._ englische Kolonlalverlegenheiteo. Die letzten Kämpfe gegenIdie MohmandS find nur das Vorspiel für Schlimmeres gewesen. Heute gewinnt in London die Ueber- zeugung immer mehr Raum, daß es sich um nichts weniger handelt � als um einen Krieg mit Afghani st an, wenn auch dieser Krieg nicht gerade formell erklärt werden wird. Man wußte schon lange, daß der Emir von Afghanistan fich durch den englisch -russischen Vertrag beunruhigt fühlte. War doch darin über sein Land ohne seine Zustimmung verfügt und Afghanistan als zur britischen Einflußsphäre gehörend von Rußland anerkannt worden. Das Einvernehmen zwischen Rußland und England konnte dem Emir um so weniger willkommen fein, als die Feindseligkeit der beiden Großmächte bisher seinen sichersten Schutz gebildet hatte. Nun hat zwar der Vertrag die Auf- rechterhaltung des status quo in Afghanistan den Engländern zur Pflicht gemacht, andererseits aber Rußland verpflichtet, nur durch Vermittelung Englands mit dem Emir zu unterhandeln. Damit war die auswärtige Politik des EmirS völlig unter Englands Kontrolle gestellt und der Emir mußte für seine Un- abhängigkeit auch in anderen Beziehungen besorgt werden. So ist eS begreiflich, daß er nicht nur nichts dazu tat, die kriegerischen Stämme an der indischen Grenze von Aufständen zurückzuhalten, sondem diese vielmehr heimlich, aber wirkungsvoll unterstützte. ES sind die Mullahs, die Priester Afghanistans , die den heiligen Krieg gegen die Engländer predigen, und wohlbewaffnete afghanische Miliztruppen haben die Blockhäuser vor Landi-Khotal im Khaibarpaß überfallen. Seit diesem lleberfall besteht, wie ein Londoner Blatt meint, ein inoffiziellerKrieg mit Afghanistan . Alles Gerede, daß der Emir oder der Ober« befehlshaber der Truppen Sirdar Nasr-Ullah-Chan ein Verbot an die Afghanen erlassen hätte, Feindseligkeiten zu unternehmen, ist vollkommen falsch. Kein derartiges Verbot ist ergangen. EZ ist bekannt, daß afghanische Beamte verschiedener Grade den Mullahs bei der Organisation des Einfalls in das unter englischer Kontrolle stehende Gebiet hülfreiche Hand geleistet haben. Ueber die kriegerischen Operationen meldet das„Reutersche Bureau" aus Simla, 3. Mai: Eine Streitmacht von 13 OOO bis 20 000 Afghanen überschritt Freitagnacht in zwei Abteilungen die afghanische Grenze. Die größere und zugleich bester bewaffnete marschierte auf Landi- Khotal, die andere unter dem Befehl von Sufisahib nach dem oberen Bazartal. Den Sonnabend über konnte man den Feind deutlich westlich von Landi-Khotal sehen. Sonnabendnacht unter- nahm er einen Hauptangriff auf da? Blockhaus von Michni Kandach und mochte bis S Uhr morgens verzweifelte Anstrengungen, es einzunehmen. Dies gelang ihm aber nicht und die Garnison erlitt nur geringe Verluste. In der vergangenen Nacht bemühte sich der Feind ständig, die Karawanserei einzunehmen, das heftige Feuer aus dem Blockhaus vereitelte jedoch auch hier seinen Versuch. Jetzt haben sich die Afghanen nach Süden zurückgezogen. Inzwischen haben die Häuptlinge der Zakkakhels, die jüngst Unruhen hervorriefen, dem Oberst Nooskeppel, dem Offizier der Khaibar-Negion, ihre Dienste angeboten. In Landi- Khotal wird berichtet, daß fich keine Afridis mit Sufisahib vereinigt haben. General Willcocks hat mit der dritten Brigade, mit acht Kanonen und einer Schwadron Kavallerie heute Landi-Khotal erreicht. Auf den Hügeln sieht man wenige Feinde, wenige Schüsse werden abgefeuert. An der Mohmand-Grenze ist alles ruhig.( Trotz strenger Depeschenzensur werden umfangreiche Truppen- bewegungen in Nordindien bekannt, deren Bestimmungsorder geheim gehalten wird. Der Krieg kann den Engländern um so größere Verlegenheiten bereiten, al« dieStimmung der einheimischen Bevölke- r u n g in Indien selbst große Unzufriedenheit erkennen läßt. In Murzaffarpur wurde vor kurzem ein Bombenattentat verübt, dem zwei Engländerinnen zum Opfer fielen. Die Bomben waren aber für den englischen Richter Kingsford bestimmt. Im Zusammen- hang mit dem Attentat wurde in Kalkutta eine Verschwörung von Eingeborenen entdeckt, die mißliebige Regierungsbeamte gewaltsam beseitigen wollten. Die Polizei entdeckte bei einer Durch- suchung in zwei Häusern ein Waffen- und Bombenlager. Die Polizei glaubt, daß eS fich um eine weitverzweigte terroristische Organisation handle. MS ob eS an diesen Hiobsposten nicht genug wäre kommen aber auch auS dem afrikanischen Kolonialgebiet ungünstige Nachrichten. Im englischen Süden ist ein neuer Aufftand ausgebrochen. AuS Kairo wird telegraphiert: Der stellvertretende Inspektor der Blaue Nil -Provinz Scott Moncrieff ist von einem Schelk, der sich selbst zum Propheten ausgerufen hatte, ermordet worden. Der Scheik hatte etwa ISO alte Derwische um sich gesammelt und in der Nacht zun, Sonn- abend die unter dem Befehl deS Distriktskommandeurs Dickinson- Bet stehenden Truppen angegriffen, die zur Wiederherstellung der Ruhe eingetroffen waren. Eme Ueberrumpelung deS Lagers wurde abgeschlagen, 8S Derwische wurden dabei getötet. Auf englischer . Seite fielen zwei eingeborene Offiziere, der Major Logan und der Kommandeur Dickinson-Bei wurden verwundet. Es hat den Anschein, als ob wieder einmal England feine Kolonialpolitik schwere Sorgen bereiten und große Opfer auferlegen würbe.— Bus dem Mablkampf. Blockbrüderliche Einigkeit. „Wir find konservativ i" Diese Antwort erhielt der Wahlausschuß der freisinnigen und der nationalliberalen Partei für den Landtagswahlkreis Teltow- Beeskow-Storkow von der Redaktion des„Teltower Kreisblattes', als er fich wegen Nichtaufnahme eines Inserats beschwerte. In dem verweigerten Inserat sollten, wie die„Nattonal- Zeitung" mitteilt, die gemeinsamen liberalen Kandidaten. ein Oberstabsarzt a. D. nnd ein Amtsgerichtsrat a. D., empfohlen werden.— Darob natürlich große Entrüstung im liberalen Lager Die liberale Presse verweigert zwar in der Regel die Aufnahme sozialdemokratischer Versammlungsinserate, was die liberalen Mannesseelen auch stets als vollkommen berechtigt angesehen haben- Jetzt freilich, wo s i e einmal der leidende Teil sind, schreien sie. Die Sache entbehrt aber deshalb nicht des HumorS, weil eS Block b rüder sind, die sich so behandeln, und weil dos gefinnungs stramme Kreisblatt nicht etwa im finstersten Winkel OstelbienS er- fcheint, sondern vor den Toren Berlins l Der Liberalismus eitt rüstet sich, aber nach der Pfeife der Konserbatwen und ihres obersten Führers Bülow tanzt er doch! Freisinn gegen Nationalliberale. Der Wahlkreis Görlitz war bisher im Landtag durch zwei Nationalliberale und einen Konservattven vertreten. Dem Freisinn hat eS offenbar geschmerzt, daß er gerade in Görlitz , das eine der höchsten Zierden des Freisinns, Herr Dr. M u g d a n, im Reichstage vertritt, völlig ausgeschaltet ist. Deshalb boten die Frei finnigen den Nattonalliberalen ein Kompromiß an, nachdem ihnen der seither konservative Sitz überlassen werden sollte. Vermuttich wollten sie auf diese Art den Konservativen gleich ihren Dank ab statten dafür, daß sie bei den Hottentottenwahlen zugunsten des Herrn Dr. Mugdan auf die Aufftellung eines eigenen Kandidaten verzichtet hatten. Dieses brünstige Liebeswerben fand aber bei den National- liberalen kein Gehör, diese wollen die Waffenbrüderschaft mit den Konservativen nicht aufgeben. Der Freisinn hat sich daher auf seine eigene„Kraft" besonnen und stellte drei freisinnige Kandidaten auf, die selbstverständlich durchfallen werden. So bettelt der Freisinn bei fast allen Parteien um Mandate, wirft man ihn bei diesem Begehren die Treppe hinab, dann wird er stolz und wahrt seine—„Prinzipien". Freisinnige als Schutztruppeu der Konservativen. Mit hoher Befriedigung meldet die„Vossische Zeitung". dah im Kreise Niederbarnim , dessen zwei konservative Mandate durch die Sozialdemokraten bedroht sind, Berhaud laugen zwischen Kanservative» und Freisinnigen eingeleitet sind, um eine« sozialdemokrattscheu Sieg zu verhindern I Man darf mit Sicherheit damit rechnen, daß dieses freisinnig-konservative Bündnis zustande kommt. Der„wahlrechtsbegeistert e' Freisinn schanzt denn auch dort den Wahlrechtsfeind- l i ch e n Konservativen Mandate zu, nur um zu verhüten, daß ein grundsätzlicher Anhänger des freien Wahlrechts, ein Sozial- demokrat in den Landtag gewählt wird I An diesem Falle zeigt ich wieder einmal die unglaubliche Unverfrorenheit des Freisinns, die Sozialdemokratte der Förderung der Reaktion zu zeihen, weil es das Proletariat ablehnt, Frei- 'innige ohne jede Bedingung und Gegenleistung in den Landtag zu wählen.—_ Wie Zentrumsbauer« reden. Mit viel lebhafterem Eifer und viel größerer Entschiedenheit als die katholischen Arbeiter machen die Zentrums dauern für die bevorstehenden Landtags- wählen mobil. Die ultramontanen Bauern wissen, was sie wollen und sie tragen kein Bedenken, ihre Wünsche so ver- nehmlich und entschieden wie möglich zum Ausdruck zu bringen. Die„Rheinische Volksstimme" ist voll von Arttkeln und Einsendungen, worin die Zentrumsbauern auf Berück- 'ichtigung der agrarischen Interessen bei der Aufstellung von Kandidaten und der Zusammensetzung der ahlkomitees dringen. So heißt es in einer Zuschrift !zes Blattes aus Schleiden : „Morgen ist für unseren Kreis Aufftellung des Kreiskomitees. Man ist überall gespannt, ob man da etwa auch wagen wird, dieselben Manöver aufzuführen, wie im vorigen Jahre. Das können wir den Herren aber heute schon sagen: auch wenn sie wieder mit allen Liste» arbeiten und auch wenn es ihnen gelänge, den Bauern ihr Recht zu nehmen und uns ein Komitee zusammen zu suchen, in dem die Bauern wieder„nix te seggen' haben, wir E i f e l e r machen die Geschichte nicht mehr mit. Die wohlbekannten Herren, welche glauben, nach den„dummen Bauern" brauchte man nicht zu fragen. werden sich gewaltig täuschen. Wenn der Bogen zu straff gespannt wird, bricht er. Bis jetzt hat man das immer noch so gemacht, aber jetzt heißts: Schlußl Wir sind ebenso gut Menschen, wie andere, wenn eS uns auch nicht so gut geht wie anderen. Wir werden den Kandidaten bestimmen, den w i r haben wollen, aber nicht den, der uns von einem Klüngel angetragen wird. Wir wolle» nicht länger mehr der ganzen Provinz zum Gespötte dienen." Und in einem Arttkel des zevtrumsagrartschen Blattes über Landtagskandidaturen wird der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß in der Zentrumspartei die bisher oft genug unberücksichttgt gebliebenen Wünsche der Bauern nicht länger mehr ignoriert werden dürfen. Das sei keine Gefühlspolittk, sondern eine Erwägung praktischer Art. Denn: „Unternimmt das Zentrum einen Schritt, der geeignet ist, in weiteren Kreisen Unzufriedenheit zu erregen, dann sieht man bereits die Schatten der Männer, die darauf warten, solche Unklugheit in ihrem Interesse , u nützen. Den Bauem kann eS gleich sein, ob ihnen auS dem oder jenem Grunde ihr Recht wird: die Hauptsache ist. daß eS ihnen wiid. AuS diesen Erwägungen heraus wurde wohl auch der Gedanke geboren, das Versprechen einer entsprechenden Berücksichtigung der nur allzu begründeten Wünsche der Bauern nach angemenener Vertretung durch ihnen nahe stehende und mit ihnen fühlende Männer einzulösen." Mit anderen Worten: die christlichen Bauern pfeifen aufs Zentrum, wenn dieses nicht in ihrem Jntcreffe tätig ist. Mit dem„Schatten der Männer", die auf den Abfall der ultramontanen Bauern vom Zentrum lauern, ist der Bund der Landwirte und die Deutsche Ver- e j n t g u n g der Nationalkatholiken gemeint.— Christlichsoziale für Scharfmacher! Die„Arbeit', das Organ der christlichsozialen Partei des rheinisch-westfälischen JndustriebezirkS, hat vor einiger Zeit mitgeteilt, daß der Vorstand strengste Wahlenthaltung beschloffen habe. Als Grund wurde die Nichtbeachtung der Christlich - sozialen bei der Aufstellung der Kandidaten angegeben. Herr Behrens, christlichsozialer Agitator und Sekretär de? Gewerkvereins der christliche« Bergleute, hat sich aber vor einiger Zeit für Unterstützung großindustrieller Kandk» baten ausgesprochen. Und die Verpflichtungen, die Herr Behrens eingegangen ist, scheinen st a r l genug zu sein, um die V e- schlüsse eines Vorstandes über den Haufen zu werfen! Die.Rhein.-Westf. Ztg." berichtet aus Mülheim : „Die Vertrauensmänner der christlichsozialen Partei des Wahlkreises Mülheim(Ruhr)- Ruhrort sprachen sich in einer Versammlung, die gestern hier stattfand, einstimmig für die Landtagskandidatur des Kommerzienrats Küchen aus." Küchen ist der Erkorene der scharfmacherischen Nationallibrralen! politilcbe CUbcrRcbt. Berlin , den 4. Mai 1908. Ostmarkenzulage und Teuerungszulage. Unter den Vorlagen, mit denen sich heute der Reichstag zu befassen hatte, standen zwei in einem für unsere politischen Verhältnisse recht interessantem Gegensatz zu einander. Die Teuerungs zutage für alle Beamte ist ein dürftiges und verspätetes Zugeständnis, das der Reichtstag der Regierung durch jährlich wiederholtes Drängen abgerungen hat. Anstatt einer notwendigen Gehaltsaufbesserung eine einmalige Teuerungszulage, nachdem die künstliche Steigerung der Lebensmittel durch unsere Schutzzollpolitik gerade den kleineren Beamten ihre Notlage um so fühlbarer gemacht hatte. Wie langsam arbeitete da der Regierungsapparat und welch spar- liches Ergebnis fördert er zutage! Mit welch ungewöhnlicher Fixigkeit fungierte aber der nämliche Apparat, als es galt, eine wirtschaftlich nicht be- dingte, aber zur Belohnung der„Gesinnungstüchtigkeit" bc- stimmte Zulage für die Handhabung der Antipolenpolittk zu erwirken. Vor wenigen Tagen beschloß die Blockmehrheit des Reichstages in einer Resolution eine unwiderruftiche Zulage für Reichsbeamte in den Ostmarken zu fordern. Postwendend war die Vorlage da. Heute konnte sie in erster Lesung beraten werden. Trotzdem die Vorlage dem Sinne der Reichstags- resolutton keineswegs entspricht, da sie die Zulage nur auf e i n Jahr unwiderruflich macht, dann aber jeder- zeit es den Behönden überläßt, die Weitergewährung von dem„Wohlverhalten" der Beamten abhängig zu machen, sprachen die Blockparteien ihre Zustimmung aus. Sie beschränkten sich auch ihrer neuen Praxis gemäß wieder auf wenige Worte. Ausführlicher wurde da- egen diese blamable Maßregel durch Gröber für das jentrum, Brejski für die Polen und den Genossen iedebour für die Sozialdemokratte bekämpft. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die beiden ministeriellen Vertreter der Vorlage, der Staats- sekretär des Schatzes S y d o w und der Staatssekretär der Post Kraetke zwar feierlich bestritten, daß die Ostmarken- zutage als Korrupttonsfonds dienen solle, aber sich völlig a u s s ch w i e g e n aus die Frage Ledebours, ob ein Beanlter, der tn freundschaftlichen Verkehr mit Polen treten würde, etwa noch würdig für die Ostmarkenzulage erachtet werden würde. Die Frage war um so mehr angebracht, da ein Beamter, der mit Sozialdemokraten in freundschaftlichen Verkehr tritt, sich in Preußen bekanntlich jedes obrigkeitlichen Vertrauens unwürdig macht. Keine Antwort ist in diesem Falle auch eine Antwort, und zwar eine sehr deutliche. Außerdem kam auch noch die Maß- und Gewichts- ordnung in zweiter Lesung zur Erledigung, unter Ab- lehnung sämtlicher sozialdemokratischer Verbesserungsanträge. die durch die Genossen Stolle nnd Sachse vertreten wurden. Hauptsächlich handelte_£.s sich da um die im Jnter- esse der Bergarbeiter gestellte Forderung, daß Förderwagen und Fördergefäße, soweit sie im Bergwerksbetriebe zur Er- Mittelung des Arbeitslohnes dienen, ebenfalls der Eichung bedürfen. Die Sozialdemokratie blieb bei der Abstimmung über diesen Antrag völlig allein. Bei Festsetzung der Tagesordnung für den Dienstag wurde noch ein Antrag des Genossen Hoch angenommen, im Interesse der Handlungsgehülfen auch die zweite Lesung des Gesetzentwurfs betreffs der K o n k u r r e n z k l a u s e l auf die Tagesordnung zu setzem_ Der Kaiser «nd der Fall Eulenburg. Die„B. Z. am Mittag' hat von zuverlässiger Seite folgende Mitteilung erhalten: Dem Kaiser ist über den München « Prozeß und seine Folgen täglich ausführlich Besicht erstattet worden. Der Kaiser hat sich seiner Umgebung gegenüber in sehr deutlichen Ausdrücken dahin ausgesprochen, daß die Justiz dem Fürsten Eulen- bürg gegenüber keinerlei Rücksicht nehmen dürfe, und eS ging aus diesen Seußerungen hervor, daß der Kaiser den Fürsten Eulenburg als des Verbrechens des Meineides schon überführt ansieht und dies um so schwerer empfindet, als er sich in seinem fteundschaftlichen Vertrauen zu diesem Manne auf das gröbste getäuscht sehe. Unser Gewährs- mann glaubt zu wissen, daß von Korfu auS die Weisung erteilt worden ist, den Fürsten Eulenburg justizgemäß nicht anders zu behandeln wie einen andere» Sterblichen. Wir können kaum annehmen, daß die Mitteilung richtig ist. Denn wenn der Kaiser taffächlich die Weisung esieilt hätte, Fürst Phili solle justizmäßig nicht anders behandelt werden wie gewöhn- liche Sterbliche, so hätte er damit ohne weiteres eingestanden, daß er der Ansicht ist, die Justiz urteile keineswegs immer ohne Ansehen der Person, sondern ziehe die soziale Stellung des Verbrechers mit in Betracht. Hatte der Kaiser diese Ansicht nicht, setzte er vielmehr in die preußische Justiz das Vertrauen, sie werde in allen Fällen, ohne Rücksicht auf Stand und Reichtum, nach dem Gesetz urteilen, dann war die Weisung überflüssig.— Rückschrittliche Sozialp olittk. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen in. Fabriken ist durch § 137 der Gewerbeordnung für die Zeit von 8l/3 Uhr abends bis o'/z Uhr morgens und am Sonnabend und an Vorabenden der Festtage, nicht nach 51/» Uhr nachmittags gestattet. Die Beschäftigung von Arbeitesinnen über 16 Jahre darf nach demselben Paragraphen die Dauer von 11 Stunden täglich, an dm Vorabenden der Sonn- und Festtage zehn Stunden nicht überschreiten.§ 139a der Gewerbeordnung ermächttgt aber den Bundesrat zu Ausnahmen. Solche Ausnahmen sind durch die bundesratlichen Be- nmmungen über die Beschäfttgung von Arbeitesinnen in Konservenfabriken unter dem 11. März 1898 für die Zeit bis zum 30. April 1908 zugelassen. Trotz dieser reichlich langen Uebergangszeit und trotzdem die Arbeitszeit für Fabrik- arbsiterinnen auf zehn Sttmdcn herabgesetzt werden soll, hat etzt der Bundesrat durch eine int gestrigen„Reichs-Anzeiger" veröffentlichte Bekanntmachung vom 1. Mai diese Ausnahme Vorschriften zu ungunstm der Arbeiterinnen bis zum 30. April
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