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Valien Sie eigentlich damals irgendwelches Vermögens Angell.: Nein. Ich wurde von meiner Grostmutter unterstützt. Vors.: Wieviel haben Sie ungefähr erhalten? Angckl.: In Isa­bellengrün habe ich etwa KOOO bis 8000 M. Bargeld erhalten. Vors.: Hatte Ihre Frau Vermögen? Angekl.: Sie behauptete immer, Geld zu haben, hat mich darüber aber nie aufgeklärt! Vors.: Haben Sie denn nie danach gefragt, woher nun eigentlich das Geld kam, das für den Haushalt verwendet wurde? Angckl.: Nein. Meine Frau hat mir nur gesagt, daß sie von ihrem Onkel, dem General v. Korff, große Zuwendungen erhalte. Vors.: Haben Sie denn einmal gesehen, daß Ihre Frau von dem Onkel Geld erhalten hat? Es muß Ihnen doch aufgefallen sein, daß immer Geld vorhanden war, obwohl Sie damals keinen Verdienst hatten? Angekl.: Gesehen habe ich nicht, daß sie Geld bekommen hatte, aber meine Frau hatte eben immer Geld. Die ganzen Finanz- Verhältnisse, wenn ich mich so ausdrücken darf, hat meine Frau besorgt. Vors. Sie mieteten nun die Wohnung in der Kaiser- Allee. Wieviel Miete bezahlten Sie denn dort? Angekl.: Das weiß ich nicht genau. Es war eine Fünfzimmerwohnung, die, wie ich glaube, lOOO oder 1500 M. gekostet hat. Vors.: Woher bekamen Sie denn eigentlich Geldmittel in der Zeit, als Sie ohne Stellung waren? Angckl.: Wenn ich Geld brauchte, ließ ich mir von meiner Frau etwas geben. Vors.: Ich habe immer noch keine Erklärung dafür, daß Sie sich gar kein Kopfzerbrechen darüber gemacht haben sollten, woher das Geld eigentlich kommt. Jeder Mann hat doch ein ge- wisseS Interesse daran, zu erfahren, woher das Geld zur Erhaltung des Hausstandes kommt. Angekl.: Mit den Geldangelegenheiten habe ich mich so gut wie gar nicht beschäftigt. Meine Großmutter hat mich ebenfalls wiederholt unterstützt, nachdem ich um Geld an sie geschrieben hatte. Aus weitere Fragen des Vorsitzenden erklärt der Angeklagte: Von der Pariser Straße an habe seine Frau ein Pensionat und auch eine Schnciderakademie für Tamenkleidcr gehabt. Von dort seien sie nach dem Alc�anderufer 2 gezogen. Seine Frau, die stets drei bis vier Pensionäre hatte, habe diese Wohnung für 3000 M. ge­mietet. Unter den Pensionären, die in der Pension gewohnt, nennt der Angeklagte eine Reihe von Namen, darunter auch den des Reichs- grasen Arz zu Warzegg. Präs.: Von dem Alcxanderufer sind sie dann nach der Ltviserallee 222 gezogen. Was haben Sic dort an Miete bezahlt? Angekl.: Der Preis war noch höher. Präs.: Das war nun gerade zu der Zeit, wo Sie in Bentschen eine Stellung annehmen wollten? Angekl.: Ja. Präs.: Das ist doch aber merkwürdig. Sie wollen nach Bentschen in eine bescheidene Stellung gehen und mieten eine sehr teuere Wohnung. Angekl.: Meine Frau wollt«, ehe die Stellung in Bentschen nicht ganz fest gemacht worden wäre, nicht aus Berlin weggehen. Präs.: Um den teueren Umzug gu ersparen, mieten Sic eine sehr teuere Wohnung?! Angekl. schweigt. Präs.: Machen Sie uns doch nichts vor, An- geklagter! Es ist doch wohl besser für Sie. wenn Sie uns die reine Wahrheit sagen! Angekl.: Ich sage alles, wie eS ist und mache gar keine Winkelzüge. Präs.: Ja, woher dachten Sie denn, daß Ihre Frau all das Geld beschaffte, lvas sie hatte bczw. brauchte? Angekl.: Meine Frau hatte mit dem Grafen Arz zn Warzegg ein Heiratsprojekt vor und hoffte, daß da etwas Erkleckliches für sie herausschauen würde. Präs.: Sie gingen nun in den letzten Junitagen nach Stephanowo. Ihre Frau blieb hier. Angekl.: Ja. wir besuchten »ins manchmal gegenseitig. Präs.: Wie oft hat Sie denn Ihre rau in Stephanowo besucht? Angekl.: Zwei- bis dreimal. räs.: Nun kam das Manöver 1S07 in der Nähe von Stephanowo. Ihre Ehefrau war zu jener Zeit gerade dort. Angekl.: Ich hatte sie gebeten, zu kommen; es kamen Offiziere zur Einquartierung and ich wußte nicht, wie ich sie beköstigen, sollte. Präs.: Unter den Offizieren befand sich auch der Leutnant v. Schmidt-Phiselbeck? Angekl.: Er war Ouarticrnracher und machte Quartier sür sich und drei Offiziere. Präs.: Auf wie lange? Angekl.: Auf drei bis vier Tage. Präs.: Ist Ihnen nicht aufgefallen, daß Leutnant v. Schmidt mit Ihrer Frau in näheren Verkehr trat? Angekl.: Mir ist nichts aufgefallen, ich hatte nicht den geringsten Argwohn. Präs.: Leutnant v. Schmidt ist aber doch nach Beendigung der Einquartierung noch einmal zu Ihnen gekommen. Angekl.: Ja, auf einen Tag. Präs.: Das fiel Ihnen auch nicht auf? Angekl.: Nein, ich hatte ihn lieb gewonnen durch sein nettes, frisches Wesen und weil er sich auch bereit erklärt hatte, eventuell sich einmal zur Erlangung einer passenden Stellung für mich zu venvenden. Er war auch«in passionierter Jäger, und wir waren zur Pirsch gefahren, ohne daß er zum Schuß gekommen wäre, und so dachte ich, er wollte noch einmal fein Glück versuchen. Präs.: Als er dann abzog, ist er dann nicht zusammen mit Ihrer Frau abgefahren? Angekl.: Ja, er fuhr bis Schwiebus mit, das ist mir aber nicht bc- sonders aufgefallen. Präs.: Hat der Leutnant v. Schmidt nicht auch einmal eine Dcdikation an Sie gemacht? Angekl.: Ja, einen vergoldeten Zigarrenbehältcr. Präs.: Nun kommen wir zum Sonnabend, den 28. September. Weshalb entschlossen Sie sich so plötzlich, nach Berlin zu reisen und noch dazu in der Nacht? Angekl.: Der Entschluß kam mir plötzlich. Ich hatte meiner Frau geschrieben, sie sollte doch zu mir herüberkommen, sie hatte eS aber abgelehnt. Präs.: Sie sollen an jenem Tage sehr niedergeschlagen gewesen sein. Angekl.: Ich lebte da in einem einsamen Forftl>ause, ohne jede mir zusagende Gesellschaft und da war ich öfter mißgestimmt. Kurz vorher hatte mir außerdem Frau v. Klitzing gekündigt. Ich hatte mich zur Reise ohne jede Absicht und ohne jeden Hintergedanken entschlossen. Präs.: Sie fuhren 3.16 Uhr nachts ab und trafen um 6.25 Uhr auf Bahnhof Zoologischer Garten ein. Gegen 6.35 Uhr waren Sie schon in Ihrer Wohnung in der Kaiserallee. Was ist da nun geschehen? Angekl.: Auf mein Klingeln wurde mir von einem jungen Mädchen, das mich nicht kannte, geöffnet. Sie verweigerte mir den Einlaß und meinte: Tai könnte ein jeder sagen, daß ich der Ober- förster LewandowSki sei. Sie gab aber schließlich ibren Widerstand auf und ließ mich hinein, während sie selbst sich zurückzog. Ich klopfte an das Schlafzimmer meiner Frau, dessen Tür dicht neben dem Korridoreingang liegt. Die Tür war verschlossen, was mir zunächst nicht auffiel. Da nicht geöffnet wurde, klopfte ich mehrere Male. Da sagte mein« Frau: Sie käme gleich! Ich mußte aber lange warten. Dann traf ich mit meiner Frau in dem genannten kleinen Salon zusammen, sie war nur mit dem Nachthemd bekleidet. Präs.: Mein Gott, haben Sie denn der Frau gar nichts weiter gesagt; man läßt doch seine Frau nicht so im bloßen Hemd herum- tanzen! Angckl.: Sie machte mir starke Vorwürfe, daß ich sie so unangemeldet überfiele und erklärte mir. daß sie sich dieses der- bitten müsse. Da ist mir die Lust vergangen, mit ihr in da» Schlafzimmer zu gehen. Präs.: Dann ging Ihre �rau nach Ihrer Behauptung wieder in das Antleidezimmcr und verschloß die Tür? Angekl.: Ich fing dann an, Verdacht zu schöpfen und war fürchterlich aufgeregt. Ich klopfte an die Tür. T« kam eS mir so vor. als ob drinnen geflüstert würde. Ich verlangte nochmals. daß geöffnet werden sollte und wollte wissen, wer da sei. Ich schlug in meiner Erregung die nicht durchsichtbare Scheibe ein, sowohl von der Schlafzimmer- als auch von der Ankleidezimmertür. Präs.: ES waren die links sitzenden Scheiben? Sic sind ein Linkshänder? Angell.: Ja. Präs.: Wir groß waren die Löcher, die Sie in die Scheiben schlugen? Angekl.: Etwa zwei Fäuste groß. Auf weitere Fragen des Präsidenten erklärt der Angeklagte, daß er zwar durch das Loch in der Scheibe habe durchsehen können, er l>abe aber nichts erkennen können, da es ganz dunkel gewesen. Er habe das brennendste Verlangen gehabt, zu wissen, wer da wäre. Er habe sich in einer unbeschreiblichen Aufregung befunden. Präs.: Was haben Sic getan, um der. Mann herauszuzwrngcn? Angekl.: Ich habe gedroht, durch die Tür zu schießen. Dieses Hin und Her dauerte ein« ganze Zeit und ich regte mich immer mehr auf. Präs.: Sie konnten, doch aber durch das Loch in der Tür- Meibe greifen und den Riegel öffnen. Angell.: Daran habe ich wohl nicht gedacht. Ich hatte mich auch beim Einschlag?» der Scheibe an der Hand verletzt. Meine Frau kam dann in den kleinen Salon und suchte mich zu beruhigen. Präs.: Schließlich schössen Sie nun durch die Tür des Ankleidezimmers vom Korridor aus, wo Sie Posta gefaßt hatten. Was geschah nun weiter? Angckl.: Von innen rief jemand: Herr Oberförster, ich habe einen Streifschuß bekommen. Nach kurzer Zeit kam daun Herr v. Schmidt heraus. Präs.: Was hakren Sie sür einen Gedanken, als Sie losschössen? Angekl.: Ich wollte nur einen Schreckschuß abgegeben, damit derjenige, der drinnen war, sich melden sollte. Meine Aufregung lvar unerträglich. Präs.: Sie sind leidlicher Pistolenschütze? Angekl.: Ja. Vors.' Sie haben es sich also in dem fraglichen Augenblick auch nicht einmal klar gemacht, daß die Möglichkeit vorhanden war. daß Sie auch in der Weise, wie Sie geschossen haben, einen Menschen treffen konnten? Angckl.: Da­ran habe ich nicht im entferntesten gedacht, daß ich jemand treffen könnte. Vors.: Die Browningpistole trugen Sie, wie festgestellt ist, ja fast ständig bei sich, und zwar in der Gesäßtasche. Nach dem Schuß verging wohl noch eine ganze Zeit, ehe sich Herr von Schmidt , neidete. Schließlich kam er aus dem sogenannten kleinen Salon heraus. Sie standen wohl noch mit der Pistole in der Hand ar� dem Flur und bewachten die drei Eingänge? Angekl.: Darüber kann ich Bestimmtes nicht mehr sagen» Vors.: In dem kleinen «alon bekamen Sie von Schmidt wohl zuerst zu Gesicht. Angckl.: Jawohl. Ich habe ihn sofort erkannt. Vors.: Wie war von Schmidt denn bekleidet? Angekl.: So weit ich mich noch erinnere, hatte Schmidt nur das Hemd und eine weiße Tennis-«der Unterhose en. Ein blaues Jackett trug er über den Arm gelegt. Vors.: Als Sie Herrn v. S. sahen, hat er da zu Ihnen etwas gesagt? Angekl.: Er wollte mir etwas sagen, ich rief ihm aber sofort zu:Auf die Knie, nur aus den Kniec» haben Sie mir etwas zn sagen. Vors.: Sie sollen darauf noch gesagt haben, Schmidt solle so, wie er stehe und gehe, Ihre Wohnung verlassen. Angekl.: Jawohl, das stimmt. Vors.: Sie sollen aber ferner noch gesagt haben: Wenn ich ge- wüßt hätte, daß Sie es sind, Herr von Schmidt, dann hätte ich nicht geschossen. Angekl.: Das ist möglich, daß ich so etwas gesagt habe. Vors.: Diese Erklärung ist doch aber höchst eigentümlich. Sie müssen doch demnach damit' schon vorher gerechnet haben, daß Sie jemand im Zimmer treffen würden. Ihre jetzige Erklärung und Ihre damalige Aeußerung lassen sich doch schwer miteinander ver- einigen. Haben Sie sich wirklich nicht gesagt: Wenn da einer stehen sollte, so schießt du ihn eben nieder? Angckl.: Nein, etwas derartiges habe ich bestimmt nicht gedacht. Ich habe nur deshalb den Schuß abgegeben, um festzustellen, ob überhaupt jemand und wer da war. Vors.: Als dann Fräulein Supply hinzukam, sollen Sie nochmals zu von Schmidt gesagt haben: Verlassen Sie, so wie Sie sind, meine Wohnung. Herr von Schmidt bat die Supply, sie möchte doch erlauben, daß er sich in ihrem Zimmer auf das Bett legen könne, da er sich infolge der Verletzung sehr schwach fühle. Angekl.: Das weiß ich nicht mehr. Ich sah nur noch, wie Schmidt mit Fräulein Supply nach hinten ging. Vors.: Nach kurzer Zeit soll die Supply aber schon wieder gekommen sein und Ihnen gesagt haben, daß Herr von Schmidt anscheinend schwer verletzt sei und sie deshalb einen Arzt holen wolle-- Angekl.(einfallend): und dabei soll ich gesagt haben: Der Kerl soll meinetwegen vemite«, ein Arzt wird nicht geholt. Ich kann nur sagen, daß ich dies nicht schlecht oder böswillig gcn�eint habe. Ich sagte mir damals, daß Schmidt von dem Streifschuß, von dem er selbst immer nur ge- sprochcn hat, nicht sterben würde. Vors.: Sie sollen sich übrigens verhältnismäßig schnell wieder mit Ihrer Frau ausgesöhnt haben? Es wird behauptet, daß Sie schon am Nachmittage desselben Tages am Fenster auf dem Schoß Ihrer Frau gesessen haben sollen, oder umgekehrt sie auf Ihrem Schöße. Angekl.: Das muß ich ganz entschieden in Abrede stellen. Im Gegenteil, ich habe mit meiner Frau noch sehr heftige Auseinandersetzungen gehabt. Später bin ich zusammengebrochen und habe mich auf ihrem Schöße ausgeweint. Vors.: Sie sollen auch am Nachmittage noch zu der Frau Kurzinski gesagt l)aben: Wenn ich gewußt hätte, daß es von Schmidt war, hätte ich überhaupt nicht geschossen. Erklären Sie mir doch diese auffällige Aeußerung? Angekl.: Ich kann nur sagen, daß ich damit meinte, wenn ich jjewußt hätte, daß ich jemand treffen würde, so hätte ich überhaupt mcht geschossen. Vors.: Sie finden also, wie es den Anschein hat, überhaupt leine ausreichende Erklärung dafür. Auf Befragen des StaatSanw.-Rats Uhle gibt Angeklagter zu. daß ihm seine Frau von Berlin aus nach Stefanowo zweimal größere Geldbeträge zur Unterstützung geschickt hat und daß auch sehr häufig der Gerichtsvollzieher bei ihm aus- und eingegangen ist. StaatSanw.: Wenn Sic, wie Sie sagen, nur einen Schreck- schuß abzugeben beabsichtigt hatten, ohne dabei jemand tresfcn zu wollen, weshalb haben Sie nicht nach der Decke geschossen? Es war dies doch das Nächstliegcndste. Angekl.: Ich habe seiner- zeit gar nicht hieran gedacht, da ich zu aufgeregt war. Staatsanw.-Rat Uhle: Ich habe jetzt einen Antrag zu stellen. ES ist erforderlich, daß zur Beurteilung der Sache auch das ganze eheliche Leben des Angeklagten näher erörtert werden muß. Es werden hierbei wohl Dinge zur Sprache kommen, die nicht geeignet sind, in der Ocffcntlichkcit verhandelt zu werden. Ich stelle deshalb de:« Antrag auf Ausschluß der Oeffentlichkeit. Das Gericht beschließt die Oeffentlichkeit auszuschließen. Der Ausschluß der Oeffentlichkeit bleibt bis zum Schluß der gestrigen Sitzung aufrecht erhalten. Es wurden mehrere männliche und weibliche Zeugen vernommen, welche über das eheliche Leben des Angeklagten und seiner Ehefrau und über manche pikant« Vor- kommnisse in der Wohnung der letzteren Aufschluß geben sollten. Dieser Teil der BeiveiSführung soll den Geschworenen eine Grund- läge zur Beurteilung bieten, ob der Angeklagte von dem seiner Frau nachgesagten Treiben auf erotischem Gebiete unterrichtet ge- Wesen sein dürfte, ob er dasselbe gebilligt und seinen Nutzen davon gezogen hat und inwieweit seiner Erklärung Glauben zu schenken ist, daß er an dem kritischen Morgen ohne jeden Hintergedanken nach Berlin gereist und ganzzufällig" den Leutnant von Schmidt in dem Schlafzimmer seiner Ehefrau überrascht habe. Die Ver- Handlung wurde in später Nachmittagsstunde auf Dienstag vertagt. Tie Oeffentlichkeit soll auch an diesem Tage ausgeschlossen bleiben. Em der Partei. Die LandtagLkandidatur in Altona -Ottensen . Die Genossen des 8. schleswig-holsteinischen LandtagSwahlkreiseS hatten die Kandidatur dem Genossen Leo Arons übertragen. Leider ist der Gesundheitszustand des Genossen, der schon bei An- nähme der Kandidatur etwas leidend war. ein derartig schlechter geworden, daß der Arzt ihm nur dann Heilung versprechen konnte. wenn er einen längeren Aufenthalt im Süden nimmt und sich vollständig der Ruhe hingibt. Unter diesen Umständen war Genosse AronS genötigt, die Kandidatur niederzulegen. Die dortigen Ge- nossen haben nunmehr den Genossen Emanuel Wurm mit der Kandidatur betraut._ Gemeindewahlsirg. Einen schönen Erfolg errangen unsere Genossen bei den Wahlen zur Gemeindevertretung in O b e r st e i n a. d. Nahe. Alle fünf sozialdemokratischen Kandidaten wurden trotz der AuS. spcrrungsdrohungen der dortigen Unternehmer mit großer Majorität gewählt. Sollen Arbeitergeschworene von der Parteikasse unterstützt werden? In Bayern kommt es jetzt öfters vor, daß Arbeiter als Schössen oder als Geschworene herangezogen werden. Auf dem Gautag der Sozialdemokratie Nordbayerns lvurde nun ein Antrag eingebracht, es möchten Parteigenossen in diesem Fall ihren Lohnverlust von der Parteikasse ersetzt bekommen, so lange der Staat an Schöffen und Geschworene eine Entschädigung nicht be- zahle. Genosse Rechtsanwalt Dr. Süßheim trat dem Antrag aus prinzipiellen und taktischen Gründen entgegen. Würde man den An« lrag zum Beschluß erheben, so könnte eS leicht sein, daß von solchen Schöffen oder Geschworene» gesagt- wird, sie seien von der Sozialdemo- kratie bezahlte oder ausgehaltene Richter und die Staatsanwaltschaft würde jeweils bei Bildung der Geschworciienbank von ihrem Ab- lehnungsrecht stets Gebrauch machen. Die Konferenz lehnte denn auch den Antrag ab. AuS den Organisatiouen. In Augsburg ist die Mitglieder- zahl des sozialdemokratischen Vereins so groß geworden, daß eine Versammlung den Vorstand beauftragte, sich mit der Anstellung eines Parteisekretärs zu beschäftigen. Bon einem schweren Mißgeschick betroffen wurde gestern Genosse WaberSki in Hamburg . Er wollte in Altona einen Freund besuchen, stürzte von der Treppe und erlitt dabei einen Schädelbruch, so daß er ins Altonaer Krankenhaus übergeführt werden mußte. WaberSki ist seit längerer Zeit als Redakteur am HamburgerEcho" tätig und hat als dessen früherer Verantwortlicher mehrere längere Freiheits- strafen erlitten. Hoffentlich erholt sich Genosse WaberSki recht bald von dem schweren Unfall. Behandlung sozialdemokratischer Prehsünder. Genosse Marckwald, der, wie bekannt, wegen angeblicher Majestätsbeleidigung zu der enorm hohen Strafe von 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist, hatte gleich nach Ab- Weisung seiner Revision durch das Reichsgericht einen Antrag an die Staatsanwaltschaft gerichtet, ihn seine Strafe in Königs- berg verbüßen zu lassen. Gleichzeitig ersuchte er um die nach den geltenden Vorschriften möglichen Vergünstigungen wie Selbst- beschäftigung usw. Die Strafe in Königsberg zu verbüßen, hat der Oberstaatsanwalt abgelehnt. Marckwald muß vielmehr zur Strafverbüßung ins Allensteiner Gefängnis. Auf die sonstigen Wünsche hat die Staatsanwaltschaft gar keine Antwort erteilt. Auf die Vergünstigung der Selbstbeschäftigung hat Genosse Marckwald auf Grund des 8 16 des Strafgesetzbuches Anspruch Natürlich wird Marckwald durch eine Beschwerde beim Justiz- minister über die Verfügung des Königsbergcr Oberstaatsanwalts zu erreichen versuchen, daß ihm wenigstens dieselbe Behandlung bei der Strafverbüßung zuteil wird, wie sie mancherhochgeborene" Sittlichkeitsverbrecher genießt. polizciUchcs, Omchtlichco ulw. Wegen angeblicher Beleidigung der WilHelmS-Havener Polizei wurde der Verantwortliche desHamburger Echo" zu 10 0 M. Geld st rase verurteilt. DasNorddeutsche Bolksblatt" in Bant hatte seinerzeit in derselben Sache 1000 M. Geldstrafe erhalten; an den Bericht über die Gerichtsverhandlung hatte das Hamburger Echo" einige Bemerkungen geknüpft, die das strafbare Delikt enthalten sollen. Strafkonto der Presse. Genosse P c tz o l d als verantwortlicher Redakteur der Erfurter Tribüne" wurde wegen Beleidigung des Redakteurs und Verlegers des BlattesHenne" in Ilmenau vom dortigen Schöffengericht zu 50 M. Geldstrafe verurteilt. Der tlägerische Anwalt hatte eineganz exemplarische" Freiheitsstrafe beantragt. Die Verhandlung"selbst führte zu einer schweren moralischen Niederlage des Klägers. Wegen Beleidigung eines Pastors wurde vor einiger Zeit Ge- nosse Leopoldt, Redakteur am HalleschenVolksblatt", vom dortigen Schöffengericht zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Das Landgericht hat in der Berufung die Strafe auf einen Monat herabgesetzt. Der Verleger des HallefchcnVolksblatteS", Ge- nosse Groß, wurde von der Beleidigung des Gendarmen Parl aus Lockwitz von der Strafkammer des Landgerichts in Halle frei- gesprochen._ Sozialee« UusallvcrhütungSvorschriften find für die Katze. Wegen fahrlässiger Tötung infolge eines Bauunfalles hatte sich am Donnerstag der Schachtmeister Oskar Polzin vor der zweiten Strafkammer des Land- acrichtS III zu verantworten. Auf dem Gelände der Terraingescll- schaftGroß-Bcrlin" in Friedrichsfelde werden seit Anfang Sep- tember vorigen Jahres Erdarbeiten zwecks Anlegung von Straßen ausgeführt. Die abzuschachtenden Bodenmasien werden mittels einer Feldbahn mit Lokomotivbctricb etwa zwei Kilometer weit fortgeschafft. Gegen Abend des 27. September wurde dem Schacht meist er Polzin von dem Vorarbeiter gemeldet, daß an einem Äippwagen des bereits beladenen ArbeitSzngcs eine von den beiden Feftstellvorrichtungen ein sogen. Schlemper fehle. Der Schachtmeister erwiderte:eine Reise geht er noch." Er gab aber dem Bauschmied den Auftrag, den Schlemper anzubringen. Entgegen den Unfallverhütungsvorschriften verblieb auch der Kippwagcn im Bauzug, welcher nach derKippe" abfuhr. Als der Zug leer zurückkam, lvollte der Schmied den Schlemper anbringen, aber er paßte nicht. Und da es inzwischen Feierabend war, wurde der schadhafte Wagen auch wieder beladen. Als der Kasten etwa zur Hälfte voll war, kippte er um. Ein jammervolles Geschrei drang unter dem umgekippten Kasten hervor.. Der Arbeits- burfche Landskron aus Friedrichsfelde lag unter dem Wagen eingeklemmt. Derselbe wollte gerade den Wagen schmieren, als der Wagen»inkippte. Auch hier war gegen die Unfall« verhütungsvorschriften verstoßen worden. Erstens war der Junge erst 15 Jahre alt und durfte deshalb zu derartiger Arbeit nicht verwendet werden: und zweitens sollen die Wagen während des Beladen? nicht geschmiert werden. Der Junge wurde noch lebend hervorgezogen, starb aber bald nach der Ein- lieferung im Krantenhause Friedrichshain . Der angeklagte Schachtmeister verteidigte sich damit, daß es nicht üblich sei, wegen solch kleiner Mängel Fehlen eines SchleinperS einen Wagen gleich auszusetzen. Außerdem hätte er geglaubt, der Schmied würde die kleine Reparatur noch fertig machen. Am anderen Morgen hätte er aber soviel anderes zu tun gehabt, daß er sich um den Wagen nicht mehr kümmern konnte. Auch hätte er dem Jimgen keinen Auftrag gegeben, den Wagen zu schmieren. Derselbe hätte lvohl bisher bei dem Pferde- betrieb die Wagen geschmiert; zum schmiere» bei dem eben ein- gerichteten, viel gefahrvolleren Dampfbetrieb, hätte er aber einen älteren Mann bestimmt. Ein als Zeuge vernommener Arbeiter bekundete auch, daß der Junge nach dem Unfall noch gesagt hätte: .Der Meister hat mir nich: geheißen". Ein als Sachverständiger vernommener Geheimer Regier nngsbaurat der kgl. Eisenbahndirektion wurde zum Verteidiger des Angeklagten. Er meinte, bei solchem Baubetrieb wird eS crfnhrungsgcmnß mit de» Borschristeil nicht immer so genau geiiomnien. Es hätte auch nicht viel auf sich gehabt, daß der Schachtmeister den Wagen, trotz de« Fehlens deS SchleinperS, im ArbeitSzug beließ. Er hatte dem Bauschmied den Auftrag zur Reparatur gegeben, und et hätte sich darauf verlassen können, daß der Schmied den Wagen noch machte. Wenn der Arbeiter, welcher den Wagen belud. den Kasten nicht ungleichmäßig belastet hätte, so wäre er nicht umgekippt. Der Schachtmeister hätte nicht so viel Zeit, jeden Morgen jeden Wage» nachzusehen, ob er auch betriebsfähig ist. Da- zu hätte er wieder noch seine Vorarbeiter, auf die er sich verlassen müßte. Trotzdem nun zwei Zeugen bekundet hatten, daß der Unternehmer erst zwei Tage vor dem Unfall dem Schachtmeister ans» drücklich aufgegeben hatte, jeden schadhaften Wagen sofort au reva-