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ltr. 106. 25. Zllhrgavs. z. KÄU des JotuiW Kerlim KcksblÄ. Wllmch. 6. Mai 1908. erhebllligen über die Arbeitszeit In der ßinnenfcbiffabrt. Der Beirat für Arbeiterstatistik ergänzte in seiner Sitzung dom 28., 29. und 39. April die Erhebungen über die Arbeitszeit in der Binnenschiffahrt durch Vernehmung von Auskunftspersonen. Die bisherigen Vernehmungen, die vor einiger Zeit erfolgten, ließen noch einige Lücken offen. Deshalb hielt der Beirat noch eine Ergänzung für notwendig. Hinzugezogen waren zunächst Per- sonen aus der Schiffahrt im Weser- und Weichselgebiet, da hierüber bisher Erhebungen nicht stattgefunden hatten. Die Arbeitszeit in der Personenschiffahrt au, der Weser   wechselt nach Angaben der Auskunftspersonen zwischen 19 bis 15 Stunden täglich. Die Heizer können sich nach vierstündigem Dienst ablösen. In der Schleppschiffahrt wird im Sommer solange gefahren, als es Tag ist, Beginn der Fahrt morgens 3 oder 4 Uhr. Die Bemannung ist so bemessen, daß Ablösungen der Mannschaft möglich sind. Es kommt nach den Angaben eines Angestellten in der Schleppschiffahrt vor, daß die Mannschaft nur 2 bis 3 Stunden Nachtruhe hat. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei den Schiffern auf den Schleppkähnen. An Sonntagen wird die Fahrt nicht unterbrochen, die Besatzung der Schiffe hat nur die wenigen freien Sonntage, wenn das Schiff im Hafen liegt und durch die Sonntagsruhe nicht geladen oder gelöscht werden fann. Auf der Unterweser   wird bei hellen Nächten im Sommer auch nachts gefahren, die Mann- schaft hat dann Arbeitszeiten bis zu 39 Stunden hintereinander. Auf der Weichsel   kommen in der Personenschiffahrt 14stündige Dienstzeiten vor. Im Winter werden die Angestellten, wenn die Schiffahrt ruht, mit Reparaturarbeiten be schäftigt bei regelmäßiger 19stündiger Arbeitszeit. Von der Schleppschiffahrt berichtet ein Maschinist, daß, wenn es auch selten vorkommt, zwei Tage und die Nacht hintereinander gefahren würde, ohne daß eine Nachtruhe für ihn möglich sei, er könne nur einige Stunden auf der Bank im Maschinenraum schlafen, wenn er von dem Heizer für diese Zeit vertreten wird. Im Winter habe er im Vorjahre drei freie Sonntage gehabt, im Sommer keinen. Der Eigentümer eines Schleppdampfers gibt an, daß auch bei ihm Arbeitszeiten über 24 Stunden vorkommen, gewöhnlich wird im Sommer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefahren. Ein anderer Maschinist berichtet, daß in der Schleppschiffahrt im Sommer 4 bis 6 Stunden Nachtruhe zu verzeichnen sind. Ueber die Schiffahrt auf der Oder wurden neue Fest- stellungen gegenüber den bisherigen nicht gemacht. In der Per sonenschiffahrt kommt in der Regel eine Nachtruhe von 9 bis 8 Stunden heraus. Ein Matrose berichtet, daß er im Vor- jähre einen Tag frei gehabt habe. Auf die Frage, ob er denn eine andere Regelung der Arbeitszeit wünsche, entgegnet er, daß er mindestens alle drei Wochen einen freien Tag beanspruchen möchte. Die Kohlenkähne von Kosel nach Berlin   setzen ihre Fahrt auch des Nachts fort, von den drei Mann Besatzung erfolgt eine Ablösung auf einige Stunden. Die Rhein   schiffahrt verzeichnet für den Personenver kehr geregeltere Verhältnisse als in der Schleppschiffahrt. Die Köln-Düsseldorfer Rheinschiffahrt-Gesellschaft gewährt ihren Am gestellten nach acht Tagen einen freien Tag, desgleichen ist jeder achte Sonntag ftei. Diese freien Tage gehen aber nach Aussage der Angestellten viel verloren, da oft Vertretungen nötig sind. In der Güterschiffahrt wrd auf der Fahrt von Rotterdam   nach Mann- heim im Sommer auch des Nachts durchgefahren. Ein Heizer be- richtet, daß er eine Ruhe von 6 bis 7 Stunden habe, aber diese Ruhepause nur in zwei mal drei Stunden erhalte. Der Kapitän eines Güterdampfcrs berichtet, daß er des Nachts nicht fahre, die Besatzung eine sechsstündige Nachtruhe habe. Von der E l b s ch i f f a h r t berichtet ein Kapitän, daß auf der Fahrt von Magdeburg   bis Dresden   79 Stunden ohne Ruhe- pause gefahren wird. Die Heizer können auf diesen Schlepp- dampfcrn sich ablösen, der Maschinist nicht; er hat nur die Mög- lichkeit, auf der Bank im Maschinenraum ein wenig zu ruhen. Als der Vorsitzende des Beirats fragt, ob er, der Kapitän, nicht eine Unterbrechung der langen Arbeitszeit wünsche, wurde die Antwort erteilt: Eine Aendcrung sei weder zu wünschen noch nötig, Beschwerden haben sich bei der 7 9 st ü n d i g e n Arbeits- zeit nie ergeben. Auf eine weitere Anftage wurde festgestellt, daß der Mann ISmal im Jahre die 79stündige Arbeitszeit durch- gemacht hatte. In der Kettenschiffahrt wurden im Sommer bis zu 29 Stunden Arbeitszeit angegeben. Von Hamburg   wurden eine Anzahl Ewerführer ver- nommen und vom Hafcninspektor eine eingehende Darstellung der Hafcnbctriebsverhältnisse gegeben. Die Ewerführer schilderten, daß es vorkommt, daß sie 39 Stunden im Dienst seien. Früher kamen solche Arbeitszeiten oft vor, im letzten Jahre ist dieser Uebelstand sehr zurückgegangen. Eine Aenderung in diesen Verhältnissen wird als sehr schwierig, fast unmöglich bezeichnet. Nach der Aussperrung der Hafenarbeiter sei eine Besserung insofern zu spüren, als durch diesen Kampf die Nachtarbeit der Hafenarbeiter nicht mehr so oft eintritt als früher. Die Ewerführer, die mit ihren Booten die Ware an die Seeschiffe bringen oder von dort abholen, sind abhängig von der Arbeitszeit der Hafenarbeiter. Die Hafenarbeiter seien insofern günstiger daran, als sie seit der Aussperrung bei der Nachtarbeit von einer anderen Kolonne abgelöst werden. Diese Ablösung lasse sich aber bei den Ewerführern schwer durchführen, da diese für die Ladung verantwortlich sind und die Ablösung wegen der oft weiten Entfernung.große Schwierigkeiten biete. Von einigen Auskunfts- Personen wurde möglichste Einschränkung der Nacht- und Sonn- tagsarbeit gefordert, damit ergebe sich dann für die Ewerführer von selbst eine geregeltere Arbeitszeit. Zu erwähnen ist ferner, daß in der Schiffahrt die Arbeits- Unterbrechung im Winter sehr ungleich ist, in der Personen- schiffahrt sind auf allen Stromgebieten die Pausen größer als in der Güterschiffahrt. Die Besatzung wird in der Regel auch im Winter auf der Werft zu Rcparaturarbeiten herangezogen oder zur Hälfte entlohnt und in die Heimat entlassen, wieder andere Gesellschaften entlassen einen Teil der Mannschaft vollständig. Auf Anfrage wurde festgestellt, daß oft die Leute während des ganzen Sommers nicht zu ihren Familien kommen, andere in Unterbrechungen von Wochen und Monaten. Von sozialpolitischer Erkenntnis war bittcrwcnig bei den Aus- kunftspersonen zu merken; auf die Frage, ob si� eine Aenderung der Verhältnisse wünschen, antworteten die meisten: sie seien zu- frieden! Nennte Genernlnersammlung des Nerbandes deutscher Tertilarbeiter. Leipzig  , 4. Mai 1908. 1. Berhandlungstag. Der Vorsitzende Hübsch   eröffnet die Generalversammlung mit einem Rückblick auf die Kämpfe, die gerade in Sachsen   mit den Scharfmachern in der Textilindustrie stattgefunden haben. Hier­auf erfolgen die üblichen Wahlen. Laut Präsenzliste sind 179 Delegierte einschließlich des Vor- standes und der Gauleiter erschienen, um aufs neue die Waffen und die damit verbundene Schlagfertigkeit des Verbandes zu prüfen. Aus Oesterreich   ist der Genosse H a n u s ch, Sekretär der Union   der Textilarbeiter, erschienen, der dem Verbandstag die Grüße der Kollegen überbringt und erklärt, daß die deutsche Or- ganisation ihnen als Muster diene, daß auch dort die wirtschaftlichen Verhältnisse mit Allgewalt zur Zentralisation gedrängt haben, wo- durch die Bewegung vorteilhaft gefördert sei. Die General kommission der Gewerkschaften Deutschlands   hat den Genossen U m b r e i t als Vertreter entsandt. Nachdem in warmen Worten des verstorbenen Kollegen Treue- Berlin, der lange Jahre als Kassierer des Verbandes tätig war, gedacht ist und die Delegierten sich von ihren Plätzen erhoben, erhält der Vorsitzende Hübsch   das Wort zu dem gedruckt vorliegenden Geschäftsbericht. Die Geschäftsperiode ist für die EntWickelung des Verbandes äußerst günstig gewesen. Der Verband hat bis heute 12 Gaubezirke eingerichtet, in denen die Agitation von besoldeten Gauleitern ge fördert wird. Außerdem sind zurzeit in den Ortsvcrwaltungen 97 Geschäftsführer angestellt. Auch der Hauptvorstand hat in der verflossenen Geschäftsperiode um 3 Personen verstärkt werden müssen, unter denen sich eine Kollegin befindet. Der Mitglieder� bestand ist von 77 898 auf 129 449 angewachsen; die Zahl ist somit um 38 932 gestiegen. In Prozenten berechnet beträgt die Zunahme der männlichen Mitglieder 54 Proz., die der weiblichen aber 79,2 Prozent. Eine gewaltige EntWickelung und erhebliche Fort- schritte hat der Verband demnach in der letzten Geschäfts- Periode, trotz der großen Fluktuation, unter der er zu leiden hatte, gemacht. In 89 Orten konnten Verbindunzen angeknüpft, respektive Zahlstellen gegründet werden. 27 Zahlstellen sind eingegangen, und andere haben sich mit größeren vereinigt, um die Anstellung von Geschäftsführern zu ermöglichen und dadurch die Agitation zu fördern. Dieselbe war in allen Gauen gleich leb- Haft, nur daß den jeweiligen Verhältnissen Rechnung getragen wurde insofern, als in einzelnen Gauen sich die öffentlichen Ver- sammlungen, in anderen wieder Sitzungen. Besprechungen und Fabrikversammlungen als praktisch für die Gewinnung neuer Mit- glieder erwiesen. Der Gau Sachsen   hat sich während dieser Zeit vornehmlich gut entwickelt und hat die größte Mitgliederzunahme zu verzeichnen. Dagegen ist der Gau Thüringen   arg im Rückstand geblieben; dies ist in Anbetracht der zahlreichen Textilarbeiter- bevölkerung daselbst recht bedauerlich. Eine Hausagitation über das ganze Verbreitungsgebiet des Verbandes veranlaßte der Vorstand im November 1997. Zur Ver- Wendung kam eine für diesen Zweck ausgestattete Nummer der Gleichheit" in einer Auflagenhöhe von 279 999. Es war dabei auf die Gewinnung von Arbeiterinnen für die Organisation ab- gesehen, zu gleicher Zeit aber auch auf die Gewinnung von Abonnenten für dieGleichheit". Der Vorstand ging dabei von der Erwägung aus, daß die Arbeiterinnenbewegunz einer besonderen Stärkung bedürfe, wenn die Organisation in diesen Kreisen schneller Fortschritte machen soll als bisher. Der Verlag derGleichheit" und ihre Redaktion unterstützten diesen Plan. Leider waren die Kollegen nicht in allen Orten auf dem Posten, sonst wäre das Re- sultat entschieden zufriedenstellender ausgefallen. Im März wurde ein weiterer Versuch mit demTextilarbeiter" gemacht, der in 153 999 Exemplaren zur Verteilung gelangte. Das Protokoll der Jutekonferenz in Braunschweig   wurde als Agitationsbroschüre in deutscher, tschechischer, polnischer und italie- nischer Sprache herausgegeben. Ferner wurden 2 Broschüren, von denen eine den Kampf der Crimmitschauer   Kollegen um den Zehn stundentag, undSoziale Gegensätze", die die Lage der Augsburger Textilarbeiterschafi schilderten, zur Agitation verwendet. Besonders reich an wirtschaftlichen Kämpfen waren die Jahre 1999 und 1997 infolge des Fortschrittes der Organisation und der günstigen Geschäftsperiode: es konnte dadurch in vielen- Fällen zum Angriff übergegangen werden. Sehr zahlreich sind auch die Lohn- bewegungen, welche ohne Streik beendet werden konnten, und sind gerade durch diese Bewegungen oft wesentliche Erfolge erzielt worden. Gewöhnlich gelang es in den Orten, die Bewegung ohne Streik günstig für die Arbeiter zu beenden, wo die Organisation recht kräftig war. Ein besonderes Gewicht wurde bei den Lohn- bewegungen auf die Verkürzung der Arbeitszeit gelegt. Die Be- wegungen erstreckten sich auf alle Gaue und Industriezweige des Reiches. Es fanden in der Geschäftsperiode 92 Angriffsstreiks, an denen L3451 Arbeiter beteiligt waren, statt; Abwehrstreiks 37 mit 3991 Beteiligten: Aussperrungen waren 8 mit 25187 Arbeitern zu verzeichnen. Außerdem machten sich 393 Lohnbewegungen ohne Streik zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und 22 zur Ab­wehr von Arbeitsverschlechterungen notwendig. Es wurden durch diese Bewegungen Verkürzung der Arbeitszeit für 99 997 Kollegen, im Durchschnitt SV* Stunden pro Woche und eine Lohnerhöhung von 1,18 M. erreicht. Das Jahr 1999 war den Bewegungen be- deutend günstiger als wie 1997, wo die einsetzende Krisis sich schon sehr bemerkbar machte. Längere Ausführungen macht der Vorstand über die vor gekommenen Streiks, und besonders die unglücklich verlaufene Stoff weberbe wegutiy in Krefeld   wird recht ausführlich behandelt. Redner gibt der Meinung Ausdruck, daß solche Vorkommnisse von Disziplin- losigkeit sich nicht wiederholen dürfen, und daß es Zeit ist. mit Krakeelern, die durch ihr Vorgehen den Verband und�ein Ansehen schwer schädigen, ein ernstes Wort zu reden. Besonders das ver- breitete Flugbatt sollte dazu dienen, den dortigen Gauleiter, der allen wegen seines umsichtigen Vorgehens bekannt ist, in Mißkredit zu bringen. Die Krefelder   Zahlstelle hat nun außer der ordnungsmäßigen Delegation noch 2 Kollegen als Gäste entsandt; als solcher ist der besoldete Geschäftsführer v. d. Berg und F l i e t e n als Wort- führer der Opposition anwesend. Die Generalversammlung hat darüber zu entscheiden, ob diese Kollegen in Sachen der Krefelder  Angelegenheit das Wort haben sollen. Zum Kassenbericht erhält Z e h m s- Berlin das Wort. Die Hauptkasse hatte mit Kasscnbestand 1999 eine Einnahme von 2 239 429,45 M., dem stellt sich eine Ausgabe von 1 797 793,28 M. gegenüber. Von den Haupt- ausgaben seien folgende erwähnt: Für Streiks und Aussperrungen leistete die Verbandskasse in den Jahren 1906 und 1997 eine Ge- samtausgabe von 953 994,36 M.; für Fachblätter, die den Mitglie- dern geliefert wurden, 163 921,32 M.; für Streikunterstützung an andere Berufe des In- und Auslandes 19 399 M.; für Kranken- Unterstützung sind 289 732,49 M. verausgabt. Zur Gemaßregelten- Unterstützung war die Summe von 145 907,97 M. notwendig, sür Gewährung von Rechtsschutz 13 922,29 M., und für Umzugsunter- stützung 7241,25 Di.. Die Agitation erforderte die Summe von 5 248,29 M.; die Zuschüsse an die Ortsverwaltungen betrugen 117 859,79 M. Außerdem wurde dem Ungarischen   Textilvcrband ein Agitationszuschuß von 1999 M. gewährt, und an den internatio- nalen Streikfonds 5 899 M. abgeführt. Diese Summen geben einen kräftigen Beweis, daß der Deutfche Textilarbeiterverband in jeder Hinsicht seinen Mitgliedern Schutz und Rückenstärke zu geben ver- mochte. Der Kassierer gibt verschiedene Anregungen, wie der Verband vor Ausnutzung durch unverschämte Mitglieder, die den Verband als milchende Kuh betrachten, geschützt werden kann und die den Auszahlern von Unterstützungssummcn zur Beachtung empfohlen werden. Den AuSschußbericht gibt Vetterlein- Gera  . Danach hat der Ausschuß 8 Sitzungen allein und 4 gemeinschaftliche mit dem Vorstand abgehalten. Die Beratungsgegenstände waren zumeist Differenzen, die der Vorstand wegen nicht bewilligter Streiks oder Zahlung von Unterstützungs- summen mit den einzelnen Zahlstellen hatte. Soziales. Eine famose Illustration zur kommunalenSelbstverwaltung" liefert ein Verwaltungsstreitverfahren, bei dem es sich um eine Disziplinarordnungsstrafe handelte. Der Ort Pestlin im preußischen Kreise Stuhm   hatte eine Zeitlang keinen Gemeinde- Vorsteher. Die Genieindevertretung wollte bald gern einen wählen. Als nun der Gemeindeschöffe und stellvertretende Gemeinde- Vorsteher Radtke auf dem Bureau des Kreisausschusses zu tun hatte, kam die Sprache� auf die Wahl eines neuen Gemeindevorstehers. Der Landrat erklärte, er wünsche noch keine Gemeindevorsteher- wähl; es sei ja Radtke bekannt, daß fast alle Besitzer von Pestlin als Gemeindevorsteher nicht bestätigt worden seien. Vielleicht würde den Pestlinern der kommissarische Amtsvorsteher gefallen. Wenn der das Gemeindebiirgerrecht erst erworben hätte, könnte er vielleicht gewählt werden. Der Landrat ließ Radtke auch noch eine schriftliche Verfügung zugehen, von der Neuwahl eines Genieindevorstchers zunächst Abstand zu nehmen und den Gemeinde- Vertretern zu antworten, wie er, der Landrat, die Angelegenheit mündlich erörtert habe. Als das Schriftstück eintraf, war schon auf Verlangen der Gemeindevcrtreter eine Sitzung der Gemeinde- Vertretung anberaumt mit der Tagesordnung: Wahl eines Gemeinde- Vorstehers. Radtke trug in der Sitzung den mündlichen und fchrift- licheu Wunsch des Landrats vor. Die Gemeindevertretung bestand aber darauf, die Wahl vorzunehmen. Das geschah denn auch, und Radtke selber wurde e i n st i m m i g zum Gemeindevorsteher von Pestlin gewählt. Die Aufsichtsbehörde versagte dein Gewählten die Bestätigung. Außerdem wurde er in eine Disziplinar-Ordnungs st rafe von neun Mark genonimen. Grund: Er habe sich gegen die ihm ob- liegenden Dienstpflichten vergangen, indem er trotz miind- lichen und' schriftlichen Verbots des LandrateS   die Wahl herbeigeführt habe. R. erhob wegen der Strafe die Beschwerde. Der Regier im gSpräsident in Marienwerder ver­warf jedoch die Beschwerde als unbegründet. Was diese Behörde als maßgebend für ihren Bescheid anführte, war noch wunderbarer als die Gründe der Strafverfügung. Im Kreise Stuhm  , so hieß es, sei die geltende Verwaltungspraxis, daß die Wahlen der Gemeindebeamten von der Aufsichtsbehörde bestimmt würden. Da- gegen habe R. verstoßen, indem er als stellvertretender Gemeinde- Vorsteher die Wahl auf die Tagesordnung gesetzt habe und sich nicht einmal durch das ausdrückliche Verlangen des Landrates bewegen habe lassen, die Vornahme der Wahl zu verhindern. Radtke klagte dann gegen den Regierungspräsidenten und betonte, ihm sei von einer derartigen Verwaltungspraxis im Kreise Stuhm   nichts bekannt. Mit Recht machte er geltend, daß eine solche Praxis auch gesetzwidrig sein würde, weil sie mit den Be- stiimnungen der Landgemeindeordnung in Widerspruch stände. Da- nach sei es Sache der Gemeindevertretung, den Gemeindevorsteher zu wählen, und der Gemeindevorsteher habe die Pflicht, die Beschlüsse der Gemeindevertretung auszuführen. Nur das habe er getan. Da die Gemeindevertretung die Vornahme der Wahl einstimmig be- schlössen hatte, so habe er die Wahl vornehnicn lassen. Trotz Kenntnisnahme des landrätlichen Schreibens habe die Gemeinde- Vertretung nicht Abstand nehmen wollen. Das Oberverwaltungsgericht wieS die Klage R.'S gleichwohl ab. Von der Stuhmer Verwaltungspraxis sprach es indessen nicht. Es sagte: Der Landrat habe dem Kläger mündlich und schriftlich den Auftrag gegeben, die Gemeindevorsteher- wähl aufzuschieben und der Kläger habe diesen Auftrag angenommen. Trotzdem habe er die Wahl vollziehen lassen. Und dabei habe er seinen Pflichten insofern gröblich zuwider gehandelt, als er dem Landrat sofort oder doch noch rechtzeitig hätte mitteilen müssen, daß der den Auftrag nicht zur Ausführung bringen könne und wolle. Das habe er nicht getan und so die Pflicht nicht erfüllt, die ihm als Unter- g e b e n e n zukam._ Haftpflicht des Arbeitgebers für Unterlassung der Verwendung von Klebemarken. Die Frage, ob und aus welchem Grunde der Arbeitgeber, der zu kleben unterlassen hat, schadenersatzpflichtig ist, wird verschieden- artig entschieden. Für die Bejahung der Haftpflicht spricht sich ein in den letztenAmtlichen Mitteilungen der LandesversicherungS- anstalt Berlin  " veröffentlichtes Erkenntnis des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Oktober 1997 mit folgender Begründung aus: Ein Schadenersatz läßt sich allerdings weder auf Z 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches stützen, der allgemeine Haftung für ährlässige Vermögensbeschädigung nicht kennt, noch aus K 823 Absatz 2 daselbst(Verletzung eines Schutzgesetzes) herleiten, weil es sich bei dem hier vorliegenden Verstoße gegen das Jnvalidenversicherungsgesetz nicht um ein Schutzgesetz, sondern um eine öffentlich rechtliche Bestimmung handelt. Dagegen reichen die von dem Kläger behaupteten Tatsachen aus, um die Haftbarkeit des Beklagten aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten als begründet erscheinen zu lassen. Ebenso wie es möglich ist, daß der Arbeit- geber sich dem Arbeiter gegenüber zu bestimmten Leistungen aus- micklich verpflichtet, so können auch besondere Umstände zu der An- nähme berechtigen, daß bei dem Arbeitsvertrag es der unaus- gesprochene Wille der Vertragschließenden ist, der Arbeitgeber solle mit dem Abschluß des Arbeitsvertrages zugleich die Fürsorge für die Markenverwendung übernehmen. Wenn innerhalb eines gewissen Kreises die Verkehrssitte sich so gestaltet, daß der Arbeit- geber regelmäßig nicht bloß die für gemachte Lohnabzüge angeschafften Marken verwendet, sondern darüber hinaus die Bersicherungspflicht der von ihnen beschäftigten Personen übernimmt und die Anschaffung von Quittungskarten veranlaßt, so können durch dieses Verhalten des Arbeitgebers die einzelnen Arbeiter zu der Meinung veranlaßt werden, daß der Arbeitgeber, was er bei den Mitarbeitern als selbstverständlich tut, auch ihnen gegenüber selbst- verständlich übernehmen werde. Es muß alsdann gemäߧ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches der Arbeitgeber gegenüber dem sich auf den Brauch verlassenden Arbeiter seine Leistung als Arbeitgeber so bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eS erfordern. Daß die Arbeiter sich auf den Arbeitgeber in dieser Richtung, wie dem Arbeitgeber bekannt ist, verlassen, ist insbesondere bei den größeren Betrieben, wo der erwähnte Brauch sich eingebürgert hat, häufig der Fall."_ Wasserstands Nachrichten »)+ bedeutet Wuchs, Fall, Unterpegel.