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die Famillenunterstatzung daZ Kranlheitsgeld in Zeiten der Erwerbslosigkeit oder die Wöchnerinnenunterstützung, die Auf- nähme iu das Genesungsheim oder den Sommerurlaub versagen müssen, dann haben wir es wohl tausendmal hören müssen:Sie sind ja ein schöner Arbeitervertreterl Erst haben wir Sie gewählt und jetzt machen Sie es so. Wir werden aber einmal in demDresdener Anzeiger" oder denDresdener Nachrichten" Sie in das richtige Licht setzen."(Heiterkeit.) Ich habe mich oft gefragt, warum ich mir das sagen lassen muß. Möge man doch die Verantwortung auf Verwaltungsbeamte abwälzen, die sich noch nicht einmal mit den Leuten in ihrer Sprache verständigen können. Dann würde sich eine große Menge von Unzufriedenheit bei den Ver- sicherten ansammeln und der Sozialdemokratie zugute kommen. Dann brauchte auch die sozialdemokratische Presse bei der Kritik der Unzulänglichkeit der Kasseneinrichtungen keine Rücksicht mehr zu nehmen. Wenn wir erst wieder nur das fünfte Rad am Wagen sind, können wir uns auch mehr der Kritik als dem praktischen Aus- bau zuwenden. Keine Rosen ohne Dornen, aber der Vorsitzende einer Krankenkasse hat als Arbeitervertreter Dornen in reichlichem Maße zu tragen.(Lebhafte Zustimmung.) Blumenthal- Burg bei Magdeburg: In unserem kleinen Orte bestehen 10 Hülfska/sen. Wir sind gern mit ihrer Beseitigung ein- verstanden, wenn nur auch die Jnnungs- und Betriebskrankenkassen verschwinden. Denn die einheitliche Krankenversicherung hat große Borteile für die Versicherten. Nur eins darf nicht vergesien werden: ausreichend für die alten Mitglieder der freien Hülfskassen zu sorgen. Pfeiffcr-Jena verliest im Namen der Delegierten der Betriebs- krankeukasse der Karl Zeiß-Werke eine Erklärung, daß sie das Bedürfnis nach einer weitgehenden Zentralisation der Kranken Versicherung anerkennen, aber angesichts der außerordentlich hohen Leistungen ihrer Betriebskrankenkasie nicht in der Lage seien, für eine gänzliche Beseitigung der Betriebslrankenkassen einzutreten. Hetzschold-Berlin teilt mit, daß am gestrigen Abend im Tagungs lokale des Kongresses die zweite Jnnungskrankenkasse für das Ber  - liner Bäckereigewerbe genehmigt worden ist.(HörtI hörtl und Syterkeit.) Trotz des Widerspruches des Gesellenausschusses, der ewerbedeputation des Berliner   Magistrats und der Berliner   Ortskrankenkasse der Bäcker habe der Oberpräsident ihre Einrichtung mit dem Hinzufügen genehmigt, daß eine Lrtskrankenkasse schon mit hundert Mitgliedern bestehen könne. (Lachen.) Das sei die Weisheit der Regierenden! Schon trage sich die Fleischerinnung mit dem gleichen Gedanken. In Sachsen   seien früher nie Jnnungskrankenkassen genehmigt worden. Jetzt geschehe es. Die Ortskrankenkassen sollten soweit ge schwähit werden, daß sie dann getrost unter die Herrschaft von Bureaukraten gestellt werden könnten. Der Ruf des Kongresses müsse sein: Für Zentralisation! Gegen Zersplitterung! Für die Sicherung der Rechte aller Arbeit- nehmer I(Lebhafter Beifall.) Eichstädt- Weimar  (Arbeitgebervertreter): Mancher hielt den Kongreß für verfrüht. Aber die Selb   st Verwaltung kann nicht früh genug verteidigt werden.(Sehr wahr!) Ich stehe seit 15 Jahren an der Spitze unserer Ortskrankenkasse und nehme genau denjelben Standpunkt ein wie Dr. Mayer. Es ist mir auch gelungen, die Arbeitgeber in Weimar   an der Verwaltung der Krankenkasse zu interessieren. Wir erkennen es hoch an, daß die Arbeiter trotz ihrer Ueberzahl einen Arbeitgeber zum Vor sitzenden wählen. Sie wissen eben, daß wir auch ein gutes Herz für die kranken Arbeiter haben.(Sehr wahr!) Die Großindustriellen haben gar keine Ahnung von der Arbeit, die wir im kleinen in den Ortskrankenkasfen leisten. Wir haben es gar nicht nötig, überstimmt zu werden; denn wir haben ein Herz für unsere Arbeiter und stimmen stets mit ihnen überein. Politische Angelegen- Helten kommen nie in Frage, deshalb haben wir auch noch nie Differenzen gehabt. Alle Arbeitgeber Thüringens  ohne eine einzige Ausnahme teilen meinen Stand- p u n k t und sind bereit, mit den Versicherten stets Hand in Hand zu arbeiten.(Lebhafter Beifall.) Kreß-Kiel berichtet von den Kämpfen der dortigen Krankenkassen mit den Aufsichtsbehörden, die ihnen verbieten wollten, die Ver- bandstage zu besuchen, und von den Mißständen in der Betriebs- krankenkasse der kaiserl. Werft. Arbeiter, die sich der Interessen der Versicherten energisch annähmen, würden von dem Gewerbeassessor v. Fink als sozialdemokratischeWühler einfach ent- lassen. Klem-Hagen: Ich bin seit 25 Jahren Arbeitgebervertreter und Vorsitzender unserer Ortskrankenkasse und habe volles Verständnis für den Wert der Selbstverwaltung. Bei dem Zusammenschluß der Krankenkassen sehe ich nur eine Schwierigkeit: Wie soll der Ausgleich geschaffen werden zwischen den Kassen mit vollem Reservefonds und denen, die noch keinen Pfennig angesammelt haben? Das ist eine Schwierigkeit. Krause-Kiel erklärt sich alS Vertreter einer freien Hülfskasse damit einverstanden, daß die freien Hülfskassen immer mehr ver- schwinden. Werner-Detmold(Arbeitgeber): In der Verteidigung ber Selb- ständigkeit der Krankenkassen sind wir alle einig. Nur sollten die Krankenkassen verpflichtet werden, auch die selbständigen kleinen Handwerker uird Kaufleute aufzunehmen. Ihnen können wir die Wohltaten der Versicherung nicht weigern. Der Redner regt weiter die Schaffung einer gemeinsamen Auskunftsstelle für das deutsche Krankenkassenwesen an und wünscht klarere Bestimmungen über die Zahnpflege. Allert- Berlin  : Ms   langjähriges Vorstandsmitglied erst emer Ortskrankenkasse und dann der Betriebskrankenkasie der A. E.-G. kann ich die Leistungen wohl vergleichen. Unsere A. E.-G.-Kasse leistet mehr, leistet Vortreffliches. Gleichwohl bin ich ein g r u n d s ä tz- licher Gegner der Betriebskrankenkassen, weil in solchen Betrieben Arbeiter über 40 Jahren nicht ein- gestellt werden und die einzustellenden Arbeiter ärztlich voruntersucht werden. Bei diesem gesunden Arbeiterpersonal ist es natürlich leicht, hohe Unterstützungen zu ge- währen.(Hört I hört I) Rechtsanwalt Brinkuiaun- Hamburg(Arbeitgebervertreter) be- dauert die Einflußlosigkeit der Jnteressenvertreter bei den unteren Verwaltungsbehörden. Die Forderung einer Ausdehnung der Unfallversicherung auf alle Fälle des gewöhnlichen Lebens hält er für zu weitgehend. Gerade wegen ihrer zahlreichen Heinde sollten die Krankenkassen sich hüten, praktisch undurchführbare For- derungen aufzustellen, die berechtigten upd leidenschaftlichen Widerstand finden würden. Notwendig sei allerdings die Erweiterung des Begriffs des GewerbeunfallS auf die chronischen Gewerbekrankheiten. Die Selbstverwaltung der Krankenkassen sei in Hamburg   besser geschützt, weil es glücklicherweise freiheitlicher sei als Preußen.(Zurufe: Na! Na I) Immerhin sei sie auch dort noch nicht so ausgebaut, wie es wünschenswert, wäre. Der Redner protestiert zum Schluß gegen die Unterstellung, als ob es sich bei diesem Kongreß um eine sozialdemokratische Veranstaltung handle. Auch in den Krankenkassen säßen die Arbeitgeber mit vielen Sozialdemokraten zusammen, aber alle wollten ohne Unterschied der Partei die Selbstverwaltung und das Interesse der Versicherten fördern.(Lebhafter Beifall.) Scharf-Berlin   tritt für die Beseitigung der Jnnungs- und Betriebskrankenlassen ein und weist Zeitungsangriffe auf den Kongreß zurück. Bcckcr-Gleiwitz  : Alle, die für das Interesse der Versicherten eintreten, können die Leitsätze ohne weiteres annehmen. Die Aus- dehnung der Unfallversicherung auf alle Erwerbstätigen geht freilich zu weit. Man soll nicht Leute mit einem Einkommen von 15 000 M. zipangsversichern wollen. Das Recht auf Inspektion der Betriebe müssen die Krankenkassen fordern. Die Gewerbeinspektion ist ganz unzureichend, namentlich im rückständigen Ober- schlesien. Die Gewerbeinspektoren werden durch Potemkinsche Dörfer getäuscht. Die Krankenkassenvertreter werden die wirklichen Zustände in den Betrieben zu sehen bekommen. Bensch- Striegau  (Arbeitgeber): Die Auffichtsbehörden wollten nreine Delegierung zu diesem Kongreß auf Kosten der Kasse ursprüng- lich nicht zulassen, und fast wäre ich nicht in die Lage gekommen, hier auch ein Wort zugunsten der Selbstverwaltung zu sagen. Wenn gesagt wird, die Sozialdemokraten beherrschen die Krankenkassen, so ist das ein- fach unwahr. In den zurückgebliebenen Gegenden gilt nur jeder, der praktisch für den Fortschritt der Krankenversicherung tätig ist, als Sozialdemokrat.(Sehr wahr! und Heiterkeit.) Unser Ren dant bekommt pro Tag 1 Mark Gehalt.(Zuruf: Fürstliche Be zahlung!) Ist das auch sozialdemokratische Mißwirtschaft? DerKern der ganzen Angriffe gegen die Selbstverwaltung ist der Wunsch, Militäranwärter in die� Kassenstellungen zu bringen. Unter uns 321 Arbeitgebern hier auf dem Kongresse ist kein Gegner der Selbstverwaltung. Mit den Arbeitern aus allen Gauen kämpfen wir für Selbstverwaltung und Zentralisation.(Lebhafter Beifall.) Horn-Berlin  (Kassenveamter) tritt für eine möglichst große Erweiterung des Kreises der Versicherten ein. Die Kassenbeamten seien jetzt weder gegen Krankheit noch gegen Unfall versichert. Die Betriebskrankenkassen seien sehr minderwertig, auch die der A. E.-G. Kranke Arbeiter würden einfach entlassen und ganz leicht verletzte ins Krankenhaus geschickt.(Allert-Berlin ruft: Unwahr!) Linsenmeyer-Mülhausen i. E. hält die Zeit zur Beseitigung aller Betriebskrankenkassen noch nicht für gekommen. Die Betriebskrankeu lassen seien in ihren Leistungen vielfach vorbildlich gewesen. Man solle nur keine Neugründungen zulassen. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird angenommen. Das Schlußwort erhält Gustav Bauer  : Er erklärt sich mit den Abänderungsanträgen des Dr. Mayer einverstanden. Der Vermögensunterschied der einzelnen Ortskrankenkassen könne aber bei der Zusammenlegung eine große Rolle nicht spielen, von so kleinen Gesichtspunkten dürfe man in einer so großen Frage nicht ausgehen. Das Proportional Wahlsystem könne jetzt noch nicht eingeführt werden. In zwei Ent- scheidungen in Düsseldorf   und Frankfurt   a. M. habe das Ober verwaliungsgericht es für unzulässig erklärt. Selbstverständlich hätten die Referenten nicht beabsichtigt, alle Erwerbstätigen in die Krankenversicherung einzu beziehen. Eine gewisse Grenze, etwa 5000 M. sei selbstverständlich. Damit würde auch den Forderungen des Mittelstandes genügt. Das Recht auf Ueberwachung der Betriebe sei außerordentlich wichtig. ES würde natürlich nur unter Mit- Wirkung der vorgesetzten Behörde, etwa des Reichsversicherungsamtes, ausgeübt werden. Darauf verzichten könnten die Kraukenkassen nicht, weil Vorbeugen oft wichtiger sei als Heilen. Unter Unfällen des gewöhnlichen Lebens verstehe die Rechtsprechung Un fälle innerhalb des Betriebsbannes. Und so sei auch der Ausdruck der Leitsätze gemeint. Jetzt seien Arbeiter, die durch einen Sonnenstich oder Insektenstich im Betriebe verletzt ivürden, meist nicht in der Lage, eine Rente zu erwirken. Dem müsse durch eine Aenderung des Unfallversicherungsgesetzes abgeholfen werden Zum Betriebsbanne gehörten auch der Weg von und zur Arbeit. Vielleicht lasse sich für die Forderung später noch ein präziser Aus druck finden. Die Angriffe gegen den Kongreß, die von vielen großen bürgerlichen Zeitungen gebracht worden seien, rührten von dem Verbände r h e i nr s ch- w est f ä l is ch e r Betriebskranken- lassen her.(Lebhaftes Hört I hört I) Es stecken also dahinter die Großindustriellen und der Zentralverband deutscher   Industrieller. Wir haben ja in der Debatte gehört, daß jemand, der ernsthaft für die Versicherten strebt, sofort als Sozialdemokrat denunziert wird. Genau so geht es ja den G e w e r k- schaften, mögen sie nun christlich oder H irf ch-D u n ck e r sch sein. Der Sozialdemokratie kann das nur angenehm sein, denn das heißt ja die Arbeiter mit der Nase daraus stoßen, daß man nur von ihr positive Leistungen für die Arbeiter erwarten kann. In der Verteidigung der Selbstverwaltung der Krankenkassen sind wir alle einig gewesen, Arbeiter und Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die politische und religiöse Anschauung. In dieser Beziehung hat uns der Verlauf des Kongresses durchaus befriedigt. Die Regierung könnte es gar nicht rechtfertigen, wenn sie trotzdem die Selbstverwaltung antasten wollte. Der leitende Staatsmann hat wiederholt die deutsche Arbeiterschaft als die intelligenteste der Welt bezeichnet. Darf man ihr da noch ihr bißchen Recht nehmen, das sie bisher in den Vcrsicherungsinstituten hatte, die doch zu ihrem Wohle geschaffen sein sollen. Die ganze moderne EntWickelung der Kulturvölker ist eine Entwickelung zur Selb st- Verwaltung und Demokratie. Selbst in Asien   ringt sich die Konstitution durch. Aber in Deutschland   suchen die maßgebenden Kreise die Arbeiter noch möglichst niederzuhalten. Gegen eine solche rückschrittliche Tendenz muß der Kongreß ein einheitliches Veto einlegen. Wenn es gelingt, die Millionen Versicherten über die reaktionären Anschläge aufzuklären, werden wir auch die Kraft haben, sie abzuwehren.(Stürmischer. mehrfach wiederholter Beifall.) Auch der zweite Referent Albert K o h n betont in seinem Schluß- Worte die Wichtigkeit des Rechtes zur Ueberwachung der Betriebe. Zum Schutze der Selbstverwaltung müsse nian die Versicherten in ganz Deutschland   aufrütteln und eine niachtvolle Bewegung durch das ganze Reich entfalten. Die Regierung dürfe keinen Zweifel darüber haben, daß alle Versicherten und alle sozialpolitisch ge- schulten Arbeitgeber einer Beeinträchtigung der Selbst- Verwaltung den zähe st en Wider st and entgegen- setzen würden. Der Kongreß dürfe nur eine Losung kennen: Erhaltung und Ausbau der Selb st Verwaltung der Krankenkassen.(Stürmischer Beifall.) Es folgt die Abstimmung. Punkt 1 der Leitsätze von Bauer wird nach den Anträgen von Dr. Mayer folgendermaßen gefaßt: .Wenn auch die Zusammenlegung aller Zweige der Versicherung nach wie vor erstrebenswert ist, so ist doch vor allem eine organische Verbindung der Versicherungszweige dringlich". Im übrigen werden die Bestimmungen über Organisation, Verwaltung und Wahl- verfahren unverändert gutgeheißen. In Punkt 4:Erweiterung des Kreises der Versicherten" wird zu der ForderungAusdehnung aller jweige der Arbeiterversicherung auf alle erwerbstätigen Personen" inzugesetzt:mit einem Einkommen bis zu 5000 M.". Im letzten Punkte der Resolution: Ausbau der Leistungen und Befugnisse wird bei der Unfallversicherung die Fassung der Vorlage auftecht erhalten gegen- über einem Antrage Mayer, die Entschädigung zu gewähren bei jedem Unfall, der unmittelbar oder mittelbar mit dem Betriebe zusammen- hängt. Für die Streitigkeiten wird auf Antrag Mayer zu der Forde- rungEinheitlichkeit des Rechtswegs für die gesamte Arbeiter- Versicherung"(Schiedsgerichte, Reichsversicherungsamt) hinzugesetzt: Gewährung der Rechtshülfe für alle Träger der Arbeiterverficherungs- gesetzgebung". In der Gesamtabstimmung werden die Leitsätze der beiden Refe- renteu unter lebhaftem Beifall mit allen gegen4 Stimmen angenommen. Einstimmig gelangt zur Annahme eine Resolution Giebel: Der Kongreß der deutschen   Krankenkassen richtet an die gesetzgebenden Körperschaften in Sonderheit an die Regierung als eine unabweisbare Forderung der Versicherten das Ersuche». bereits zu den vorbcratenen Arbeiten für die Reform der Arbeiter- Versicherung bezw. des Krankenversicherungsgesetzes Vertreter der Krankenkassen hinzuziehen. Besonders sachdien« lich und notwendig wird es sein, die Kassenvertreter schon vor dem Abschluß der Regierungsvorlage zur gutachtlichen Acuherung und zur Begründung der Forderungen der Versicherten heran- zuziehen." Mit sehr großer Mehrheit wird auch eine Resolution Henning angenommen: Der Kongreß protestiert gegen die Bestrebungen, besondere Kasseneinrichtungen für die Pensions-, Witwen- und Waisen- Versicherung der Privatbeamten zu schaffen und ersucht das Reichsamt des Innern, den Bundesrat und den Reichstag  , diesen Bestrebungen nicht Folge zu leisten. Der Kongreß fordert die Herbeiführung einer erhöhten Fürsorge für die gesamte lohnarbeitende Bevölkerung und sieht den besten Weg dazu in der Erweiterung und den Ausbau des JnvalidenvcrsicherungSgesetzeS auf den ganzen Kreis der Arbeiter und Angestellten gemeinsam. Die maßgebenden Instanzen bittet der Kongreß, in diesem Sinne eine weitergehende Zersplitterung der Verstcherungseinrichtungen zu verhindern." Auf Antrag Runde(Hamburg  ) nimmt der Kongreß ferner eine Protestresolution gegen die Verdächtigungen der bürgerlichen Presse an, als trage er einen parteipolitisch sozialdemokratischen Charakter. Die Resolution hat folgenden Wortlaut: Der Kongreß verwahrt sich mit aller Entschiedenheit gegen die systematisch aufge st eilte unwahre Behauptung, als sei er eine parteipolitische Aktion. Es ist eine von den Arbeit- gebent in der Kassenverwaltung rückbaltlos anerkannte Tatsache, daß die Krankenkassen in ihrer modernen Entwickelung lediglich den Interessen der Versicherten dienen, und die Personen ihres Vertrauens ohne Rücksicht auf die Parteislellung wählen. Unter der gemein- samen Leitung der Arbeiter und Arbeitgeber haben sich die Krankenkassen zu einem bedeutungsvollen sozial- politischen Gebilde entwickelt, während überall da. wo eine von sozialpolitischen Gesichtspunkten unberührte bureau- kratische Bcrwalmng besteht, eine ungenügende Für- sorge für die Versicherten zu verzeichnen ist. Die moderne Krankenkassenbewegung ist nach dem Urteil aller Einsichtigen und Vernünftigen auf dem richtigen Wege. Um so nachdrücklicher ist der Versuch zurückzuweisen, Regierung und Gesetzgebung durch wahrheitswidrige Behauptungen in einer ihnen feindlichen Weise zu beeinflussen zu suchen." Die Ortskrankenkasse zu Koburg   legt eine Resolution vor, die im Hinblick auf die erhöhte Krankheitsziffer durch die Steige- rung aller Lebensmittelpreise zum Protest gegen die Zollpolitik auffordert. Der Vorsitzende erklärt jedoch, daß diese Resolution einen politischen Charakter trage und läßt sie zur Besprechung nicht zu. Die Zentrale der Krankenkassen wird damit beauftragt, eine Zusammenstellung der Leistungen der Krankenkassen vorzunehmen, die über das Mindestmaß hinausgehen. Der nächste allgemeine deutsche   Krankenkassenkongreß wird wiederum in Berlin   stattfinden. Den Zeitpunkt seines Zusammen- tretens zu bestimmen, wurde dem Vorstande überlassen. Wahrschein- lich wird er erst nach der Veröffentlichung des endgülsigen RegierungS- entwurfes einberufen werden. Zum Schlüsse hielt Prof. Dr. Born einen Vortrag über Zahn- pflege und Krankenkassen. Er demonstrierte Präparate von Zahn- erkrankungen und betonte besonders den hohen und finanziellen und gesundheitlichen Nutzen einer vorbeugenden Behandlung. Das ist dach«n erhört, hier auf wehrlose Menschea eimufchlagen" Ein Nachspiel zu den ArveitSlosendemon- strationen am Schiffbauerdamm bildete den Gegenstand eines umfangreichen Strafprozesses, der gestern unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors West er mann vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts I   geführt wurde. Wegen Beamten- beleidigun.g und Widerstandes ist der Klempner und jetzige Gewerkschaftssekretär im Metallarbeiter-Verbande, Emil Blumen- thal, angeklagt, welcher von den Rechtsanwälten Dr. Heine- mann und Kurt Rosenfeld   verteidigt wird. Als Vertreter der Anklage fungiert Staatsanwaltschaftsrat Bönning. Zu der Verhandlung sind etwa 30 Zeugen geladen, darunter der in dem kürzlich verhandelten Auftuhrprozeß vielgenannte Polizei- Hauptmann Schmidt, sowie zwei andere Polizeioffiziere. Der Anklage liegen die bekannten Vorgänge zugrunde, die sich m dem Gewerkschaftshause des Metallarbeiter- Verbandes in der Cbaritestr. 3 anläßlich der Arbeitslosen- Ansammlungen am Schiffbauerdamm am 21. Januar d. I. ab- gespielt haben sollen. Was liegt der Anklage zugrunde? Der AngeklagteBlumenthal. der schon in dem Aufruhr- Prozeß eidlich vernommen worden ist, gibt etwa folgende Dar- stellung von den Vorgängen, die sich mit seinem damaligen Zeugnis deckt: Am 21. Januar habe er wegen starken ArbeitsandrangeS über Mittag im Bureau gearbeitet; als er gegen 4 Uhr die Tür öffnen wollte, um die auf der Treppe wartenden Leute hineinzulassen, habe er plötzlich unten im Hausflur des Gebäudes Lärm ver- nommen. Als er sich nach der Ursache erkundigen wollte und sich zu diesem Zwecke über das Treppengeländer gebeugt habe, habe er einen Schutzmann mit dem hochgehobenen Säbel in der Faust die Treppe hinaufstürmcn sehen. Dieser habe sich sofort auf einen der Wartenden, einen gewissen T h o m a s ch e ck, gestürzt, ihm gesagt, er solle machen, daß er fortkomme, und nach der ruhigen Erwiderung Thomaschecks, er gehöre hierher, mit dem Säbel auf ihn losgeschlagen. Jeder sei höchst entrüstet gewesen über diese Handlungsweise des Beamten. Er(Blumenthal) habe dem Schutzmann zugerufen: Zie können Sie es wagen, einen wehrlosen Menschen mit dem Säbel zu schlagen? Das ist ja eine unerhörte Unverschämtheit." Der Schutzmann habe ihm darauf geantwortet: .Machen Sie, daß Sie wegkommen, sonst kriegen Sie auch ein?!M Da er eine Treppe tiefer einen Polizeiofsizier habe stehen sehen, den er später als den Polizeihanptmann Schmidt kennen ge- lernt habe, so habe er sich nach unten begeben, um sich über den Schutzmann zu beschweren. Der Polizeihauptmann Schmidt, der in großer Erregung gewesen sei, habe ihn ange- schnauzt:Machen Sie, daß Sie in Ihre Behausung kommen." Energisch habe er betont, er sei hier in seinem Hause, und er sei berechtigt, hier auf Ordnung zu sehen; das Benehmen des Schutz- mannS aber, auf einen wehrlosen Menschen mit der Waffe ein- zuschlagen, sei unerhört. Da habe der Polizeihauptmann zu dem von oben kommenden Schutzmann gesagt: Nehmen Sie den Mann auch fest." Obwohl er sofort mitteilte, daß er in dem Hause angestellt sei, habe ihn der Beamte, zu dem sich bald ein zweiter von unten kommender gesellte, einfach beim Kragen gepackt und ihn die Treppe hinuntertransportiert, wobei er unter Püffen und Stößen hinuntergeschleift worden fei. Auf der Polizeiwache habe man ihn in eine Zelle gesteckt und längere Zeit darin gelassen. Erst nach 28 Stunden habe man ihn wieder herausgeholt und dem Kriminalwachtmeister vor- zeführt. Dieser habe ihm aus einem Schrisistück vorgelesen, daß zer Polizeihauptmann Schmidt angegeben habe, e r Blumcnthal) Hobe auf ihn mit einem Knüppel eingeschlagen! Er habe erst über diese Behauptung lachen müssen, da er nur mit dem Federhalter in der Hand aus seinem Bureau herausgekommen sei, und der Polizeihauptmann doch unmöglich einen Federhalter für einen Knüppel angesehen haben konnte. Nach seiner Vernehmung sei er dann ohne weiteres entlassen worden. vcwciSanfnahme. Der als Zeuge geladene Polizei Hauptmann Schmidt bekundet ölgendeS: Am 21. Januar nachmittag? seien bei dem Tumult am Schiffbauerdamni Schutzleute mit Steinen beworfen und auch beschossen worden. Als er die Nachricht erhalten habe, daß auf dem Karlsplatz Schutzleute von der Menge heftig angegriffen wurden, habe er sich sofort mit mehreren Beamten dorthin begeben. Hier habe ihm der zu Pferde befindliche Polizeileutnant HacciuS, der vor dem Hause Charitsstraße 3 hielt, niitgereilt, daß mehrere der Exzedenten in dieses HauS hineingefliichtet wären. Er bemerkte, daß die Tür von innen zugehallen wurde und habe diese erst durch einen starken Stoß öffnen können. Der Hausflur sei dicht mit Menschen angefüllt gewesen, die sofort die Flucht über den Hof ergriffen hätten. Beim Oeffnen der Tür habe er einen Schlag mit