Verwaltung � den S chutz der landwirtschaftlichen Interessen mit in erster Linie auf ihre Fahne geschrieben habe." Viel geredet wurde auch von der hygienischen und geistigen '..Fürsorge" für die künftigen Kanalarbeiter. Wie beim ersten Kanal- bau sollen die Arbeiter wieder in B a r a ck e n, die daS Reich in eigene Regie nimmt, untergebracht werden, und zwar sollen Arbeiter ohne Familie gezwungen werden, in solchen Massenquartieren, die Baracke auf 120 Mann gerechnet, zu kampieren, während für die Handwerker, für die man bessere(!) Baracken herstellen will, ein solcher Zwang nicht bestehen soll. Auch die Privatquartiere, soweit sie zulässig, sollen unter ständige polizeimäßige Ueberwachung gestellt werden- Besonders bemüht aber war man um die„S eel sorge" der Kanalarbeiter und beratschlagte angelegentlichst, ob diese auch in den Kirchen der Umgegend genügend wahrgenommen werden könne. Sintemalen nun der schleswig-holsteinische Nicdersachse in seiner kühlen Gemüts- beschaffenheit sich wenig um das Jenseits kümmert, und Kirchen nur ganz vereinzelt in den Dörfern der Provinz anzutreffen sind, nahm man in Aussicht, an den Baracken selber Anbauten für solche Zwecke herzustellen. Die Guttempler und Temperenzler befürworteten für die Kantinen da? absolute Verbot von Alkohol, auch von Bier, während ihnen entgegnet wurde, daß bei der schweren Arbeit die Anregung durch leichtere alkoholische Getränke nicht zu entbehren sei. Schließlich wurde beschlossen, den Schnaps fernzuhalten.— Von Arbeiter- ausschüssen versprach man sich, angeblich mit Rücksicht auf die zu erwartende ständige Fluktuation der Arbeiterschaft, wenig und ging mit ein paar Redensarten auch über diesen überaus wichtigen Gegenstand hinweg. Desto mehr zerbrach man sich den Kopf darüber, wo die Arbeiter ihre Ersparnisse unterbringen sollten und traf auch nach dieser Richtung allerhand Fürsorge. Mit.leb- haftesten Danlesworten" an die gegenseitige Adresse ging man dann auseinander. Die Arbeiterorganisationen werden sich darüber zu trösten wissen. daß sie zu diesem Konventikel nicht hinzugezogen worden, aber sie sind durch das Gerede wenigstens darauf aufmerksam gemacht worden,«velcha Aufgabe ihrer»vartet. Auch ihre Arbeit beginnt. wenn der erste Spatenstich am Erweiterungsbau des Kanals getan wird, und die organisierten Arbeiter werden dafür sorgen, daß auch die künftigen Reichsarbeiter am Nord- Ostsee- Kanal nicht nur als Objekt, sondern als Subjekt, als mitbestimmendes Subjekt der Sozial- Politik sich bemerkbar machen. Im Reichstage ist von der Regierung als selbstverständlich er- klärt, daß an dem Bau des„nationalen", durch deutsches Geld ge- bauten Kanals deutsche Arbeiter beschäftigt werden und daß die Lohnbedingungen Musterbedingungen sein sollten. DaS Gegenteil dürste nach den Beratungen jetzt geplant sein. Im msrMzniichev Cabyrlnth. PariS , 15. Mai. (Eig. Ber.) Soeben berichten Extraausgaben der Abendblätter von dem neuen Kampf an der algerischen Grenze. Natürlich spricht die offizielle Meldung von einem„Sieg", aber auch sie kann nicht verhehlen, daß dieses Gefecht zu den opferreichsten der ganzen marokkanischen Operation gehört. 18 Tote, davon 3 Offiziere und 65 Verwundete mit 7 Offizieren werden schon jetzt zugegeben. Wofür sind diese Opfer gefallen? Bei den Radikalen war es, so lange sie in der Opposition waren, üblich, bei solchen mititärischen Mißerfolgen über die Regierung herzufallen und in der Kammer eine dramatische Leichenfeier zum eigenen Benefiz in Szene zu setzen. Die Sozialisten haben diese Demagogie, der einst Ferrh zum Opfer gefallen ist, nicht nötig. Sie verfolgen eine auf Grundsätze gestützte Politik und ihre Beurteilung des marokkanischen Abenteuers wird nicht einen Augenblick davon beeinflußt, ob das militärische Genie dieses oder jenes Offiziers vom Kriegsminister zu hoch eingeschätzt worden ist. Schließlich ist noch keine europäische Macht davor be- wahrt geblieben, bei überseeischen Feldzügen durch die„Wilden" unangenehme Ueberraschungen zu erfahren. Aber niemand kann den Sozialisten, als den Vertretern der arbeitenden Mafien, die den Hauptteil der Kriegskosten in Geld und Blut zu zahlen haben, die Berechtigung abstreiten, angesichts dieses neuen Blutbades dring- licher die Frage zu wiederholen, was die Regierung in Afrika will. Von dieser Frage könnte der Einwurf nicht ablenken, daß daS letzte Gefecht im algerischen Grenzland geliefert, also der Verteidigung der Kolonie vor Raubzügen der Stämme gegolten habe. Die Ope- rationen im Grenzgebiet stehen in offenem Zusammenhang mit denen um Casablanca, sie sind ein Teil des Krieges, den Frankreich heute gegen Mulay Hafid führt. Dieser Krieg ist eine Tat- fache, die man freilich noch immer nicht offen zugibt, weil man auf daS folgende Warum? keine Antwort wüßte. Welchen Grund hat Frankreich , sich der Anerkennung des wirk- lichen Zustandes, des Sieges Mulay Hafids über seinen Bruder zu widersetzen? Rochefort, der— in Verfolgung sehr unlauterer und verwerflicher Zwecke— in seiner groben Art oft den Nagel auf den Kopf trifft, sagt heute in der„Patrie" ganz richtig, daß die Re- publik heute in Marokko dieselbe Rolle spiele wie das zweite Kaiserreich in Mexiko , als es den Habsburger Maximilian dem Lande aufzudrängen suchte. Daß die alldeutschen Hansnarren jetzt den Mulay Hafid als germanischen Bruder adoptieren und die orientalische Roß- täuscherdiplomatie seiner Abgesandten ernst nehmen, macht die Politik der französischen Regierung nicht plausibler. Herr P i ch o n hat heute die Botschafter Mulay Hafids vor die Tür setzen lassen und sich damit eine unverkennbare Demonstration gegen die deutsche Re- gierung geleistet, die sie wenigstens auf der Hintertreppe augehört hat. Woher diese Treue gegen den„legitimen" Abdul Asis? Wenn Mulay Hafid die Bestimmungen von AlgeciraS einhalten will, warum versteift sich dann die Regierung der Republik , Abdul AstS zu stützen, der sie nicht einhalten kann? Will sie„für ihn" Marokko erobern? Sollen die Kolonialen und die Militaristen ihren Willen haben? Die internationale Situation wird wieder einmal so, daß sie auf allen Seiten die höchste Aufmerksamkeit der ar- bettenden Massen, die Tatbereitschaft dersozia- listischen Internationale fordert. Die Regierung Clemenceau hat das alte radikale Programm des friedlichen Fortschritts ebenso in der äußeren wie in der inneren Politik preisgegeben und segelt mit dem Wind, der jetzt alle kapi- talistischen Staaten in die Richtung der Reaktion und der Beute- macherei im großen Stil treibt. Die heutige deutsche Diplomatie, gleichen Einflüssen ausgesetzt, gibt keine Gewähr dafür, daß sie nicht obendrein durch Einschiebung von Sensationsnummern be- kannter Art wirkliche Gefahren schafft. Die einzige ernste Friedens- bürgschast ist heute die Furcht vorsdem Proletariat. Von dieser Erkenntnis muß sich darum die Politik des Proletariats leiten lassen. � Hiid dem QQahlkampf. Die konservativen Wahlrechtsgegner und ihre ultramontanen Helfer. Das Zentrum sucht bekanntlich, getreu seiner reaktio- nären Gesinnung, bei der bevorstehenden Landtagswahl in Preußen seinen Ruhm darin, die Partei der entschiedensten Wahlrechtsgegner, die Konservative» zu stärken. Als von sozialdemokratischer Seite darauf hingewiesen wurde, daß niemand, der die Konservativen unterstütze, Anspruch darauf machen könne, als Freund der preußischen Wahlrechtsreform angesehen zu werden, da kam die ultramontane Presse mit dem Einwurf, daß die Wahlreform bei den bevorstehenden Landtagswahlen keine Rolle spiele, daß es sich hierbei um andere,„wichtigere" Dinge, zum Beispiel die christliche Volksschule, handele. Selbswerständlich weiß das Zentrum ganz genau, daß jede Stärkung der Konservativen eine Verzögerung der preußischen Wahlrechtsreform und darüber hinaus auch eine Gefährdung des Reichstags- Wahlrechtes bedeutet. Zu diesem Ergebnis kommt näm- lich auch die„Kölnische Volkszeitung" in einem Artikel ihrer Sonntagsausgabe, worin sie nachweist, daß sich die Anzeichen des Sturmes auf das Reichstagswahlrecht mehren. Fürst Bülow habe durch seine Erklärungen vom 10. Januar im preußischen Abgeordnetcnhause und vom 26. März im Reichstage die Signale dafür gegeben und die Wahlrechtsfeinde aus ihrem Bau herausgelockt. Das Zentrumsblatt weist hin auf einen Artikel der„ K r e u z- Z e i t u n g". worin es heißt, daß die„innerpolitische Konstellation augenblicklich nötigt, sich mit dem vorhandenen Reichstagswahlrecht abzufinden". dann aber erklärt wird, daß„die Rechte mit der jetzigen Akzeptierung des Reichstagswahlrechts die äußerste Grenze ihres politischen Entgegenkommens erreicht hat, und zwar nur unter der Voraussetzung, daß das Landtagswahlrecht eine genügend st arke Brandmauer gegen die Gefahren bietet, die das R eich sta gs w ahlrecht in sich trägt". Hierzu bemerkt nun das rheinische Zentrums- blatt: „Mit großer Offenheit wird hier zugegeben, daß man das Reichstagswahlrecht nur so lange erträgt, als man eS nicht ändern kann, und noch schärfer wird betont, daß mit der Aende- rung des preußischen Wahlrechts eine Be- schneidung des ReichStagswahlrechtS Hand in Hand gehen müsse. Daß eine solche KampfeSansage unmittelbar vor den Landtagswahlen erfolgt, daß sie auch auf die lendenlahme Zusage deS Fürsten Bülow noch für nötig befunden wird, beweist nur, welch grimmige Gegner des Reichstagswahlrechts die Konservativen sind. Aber sie sind auch schlaue Politiker; denn jetzt muß der„liberale" Reichskanzler den Schild über sie halten. Man mute uns doch nicht zu, daß wir glauben sollen, daß dieses Vorgehen nur ein zufälliges und un- cabsichtigtes sei; nein, es steckt System dahinter. Man will das Reichstagswahlrecht unterminieren und so verächtlich machen, um es im gegebenen Moment leichter be- seitigen zu können; wer ein Anhänger desselben ist, muß sich daherjetztschon zurWehr setzen." Die„Kölnische Volkszeitung" will nun zwar nicht be- haupten, daß an eine Aenderung des Reichstagswahlrechts in der gegenwärtigen Gesetzgebungsperiode gegangen werde, es komme alles auf den gegebenen Moment an, für den man Vorbereitungen zu treffen suche. „Das deutsche Volk— so schließt das Blatt— soll des bestehenden Wahlrechts überdrüssig gemacht werden; wie der Freisinn schon in der preußischen Wahlrechts- frage mürbe gemacht worden ist, so soll es auch beim Reichstags- Wahlrecht geschehen. Darauf zielt die systematische Arbeit hin, wenn sie auch heute noch in Abrede gestellt wird. Wir lassen uns nicht täuschen: die Gefahren für das Reichstags« Wahlrecht sind da;daS darf man keinen Augenblick außer acht lassen." Also die Gefahren für das Reichstags- Wahlrecht sind da— erklärt die„Kölnische Volks- zeitung", wer ein Anhänger des Reichstags- Wahlrechts ist, muß sich daher jetzt schon zur Wehr setzen. Diesen Rat befolgt das Zentrum da- durch, daß es sich nach Kräften bemüht, die Konservativen zu stärken! Der Einfluß der Konservativen, auch in der Reichs- Politik, liegt in ihrer herrschenden Stellung in Preußen; wer diese Stellung der Konservativen stärkt, der schiebt nicht nur die preußische Wahlrechtsreform hinaus, sondern gefährdet auch den Bestand des Reichstagswahlrechts! Man darf dem rheinischen Zentrumsblatte für die Kenn- zeichnung der Konservativen und ihrer. Stellung zum Wahl- recht dankbar sein; es kennzeichnet damit auch diejenige Partei, die ihren Ehrgeiz darein setzt, die konservativen Wahl- rechtsgegner zu st ä r k c n: das Zentrum! Aus dem rheinisch-westfälischen Jndustriebezirk. Auch im Westen Preußens schlägt die LandtagSwahlbewegung diesmal höhere Wogen als früher. Abgesehen von ein paar Wahl- kreisen war früher von Wahlkampsen in dem rheinisch-west- fälischen Jndustriebezirk überhaupt nichts zu verspüren. Ziemlich ungestört herrschten in einem Teile der Wahlkreise die National- liberalen, in dem anderen Teile daS Z e n t r u m. Die Wahl- beteiligung unserer Partei hatte, abgesehen vielleicht von El ber- feld-Barmen. das Bild nicht geändert. DaS Zentrum, das augenblicklich nicht genug von einer früheren Tatenlosigkeit der Sozialdemokratie bei den Landtagswahlen zu schreiben weiß, um seine eigene Tatenlosigkeit in der Wahl- rechtsfrage zu verruschen, hat sich bisher selbst gar nicht an der Wahl in einer Anzahl Kreisen beteiligt, w denen er gewiß Bedeutung besitzt. So überließ das Zentrum die wichtigen Kreise Essen- Mülheim (Ruhr), DuiSburg-Oberhausen ohne Schwert- streich den Nationalliberalen. Der Wahlrechtskampf unserer Partei hat nun diesmal das Zentnim gezwungen, in diesen Kreisen ernsthaft in den Wahlkampf.'einzutreten. Und da selbstverständlich auch unsere Genossen sich eifrig rühren, so blieb den National- liberalen nichts übrig, als sich beizeiten in Verteidigungsstellung zu werfen. Die Nationalliberalen stellen sich pikiert, weil die Christlichsozialen deS JndustriebezirkS Wahlenthaltun'g beschlossen haben. Jndefien ist diesem Beschluß nicht die Bedeutung beizumessen, wie die Stöckerjünger es tun. Diese Leutchen nähren sich kümmerlich von ihrem eigenen Geschrei. Selbständig in die Wahlbewegung einzutreten konnten sie mindestens in den Ruhr- bezirkwahlkreiscn nicht wage»; sie würden schurählich Fiasko gemacht haben, denn numerisch spielen sie unter den dortigen Wählermassen gar keine Rolle, und Mut ist ja auch nicht ihre starke Seite, wenn sie die Kapital! st en gegen sich haben! Ein wenig anders steht es mit den Christlichsozialen in Elb er- feld-Barmen, dem„protestantischen Rom ". Hier verfügen sie über eine nicht unbedeutende Anhängerschaft und können Einfluß auf die Wahl ausüben. Hier ist eS denn auch wegen, des Wahl- vlthgltungSbkschluffeS zu ein» offene» Rebellion in d» Stockerparkei gekommen. Zunächst erklärke der Elberfelder Christlich' soziale Verein, sich dem Beschluß nicht fügen und für die freikonservativcn Kandidaten agitieren zu wollen. Darauf erließ die Zenttalleitung der Partei, wie auch ihre Wuppertaler Leitung einen Illach wonach die Christlichsozialen den Wahlenthaltungsbeschluß hochzu- halten und sich an die Kundgebung des bedeutungslosen Elberfeldcr Verein? nicht zu kehren hätten. Die Folge davon war, daß IS meist führende Mitglieder der Barmer Stöckerlinge einen geharnischten Aufruf gegen die„unpatriotische" Haltung'.ihrer Parteileitung(Behrens,. wie wird Ihnen?) losließen und zugleich ihren Austritt aus der Partei erklärten. Sicher wird die Mehrzahl der Christlichsozialen diesem Aufruf folgen und für die f r e i! o n s e r v a t i v e n Kandidaten, unter denen sich auch der Sieger bei den Hottentotten- wählen, der Reichstagsabgeordnete Linz befindet, stimmen, obwohl diese sich rund und nett für die Beibehaltung der Dreiklaffcnschmach in der bisherigen Gestalt erklärt haben! Ob in Elberfeld -Barmen die Freikonservativcn oder die der- einigten Liberalen siegen werden, ist nicht vorauszusehen. Früher war der Kreis stets in konservativ-nationalliberalem Besitz; die Wahl- beteiligung unserer Genossen hatte aber zur Folge, daß schon 1S03 das konservativ-nationalliberale Kartell aufgelöst wurde und an seine Stelle das nationalliberal-freisinnige.trat, das denn auch„siegte". Nun verlangen die Konservativen ihr Mandat zurück, während die Liberalen meinen, zum Dank für ihre treue Hilfe bei der letzten ReichStagswahl sollten die Konservativen angesichts dcs „dräuenden Feindes von links' doch auf eigene Kandidaten ver- zichten. Das fällt denen aber natürlich gar nicht ein. So ist für den nötigen Wahlhumor gesorgt. politische Clederlickt. Berlin , den 18. Mai 1908, Die„loyale" Ausführung des Bereinsgesetzes. Es mehren sich die Fälle, daß Polizeibehörden und Land- rate bei der Bestimmung der Zeitungen, die als Publikations- organe für solche Versammlungsanzeigen dienen sollen, die die Anzeige bei der Polizei unnötig machen. lediglich die amtlichen oder einige andere ihnen besonders genehme Organe herausgreifen und große politische Tagesblättcr ihres Bezirks, vor allem aber die sozialdemokratischen Zeitungen auf den Index setzen. So hat die Amtshauptmannschaft Leipzig — die Behörde für die Umgebung Leipzigs — die„Leipziger Volkszeitung " auSgeschloffen, die in der Amtshauptmami- schaft— wozu die Stadt Leipzig nicht gehört— rund 12 560 Abonnenten hat I Dagegen ist die amtliche«Leipziger Zeitung", die in einer Gesamt-Auflage von einigen Hundert Exemplaren erscheint, zum Publikationsorgan bestimmt worden! Aus Hannover wird uns zum selbigen Thema geschrieben: Der Polizeipräsident für Hannover -Linden, der frühere Kanalrebell v. Berg, damals Landrat des Kreises Gifhorn , hat bestimmt, daß die Anzeige an die Polizei ersetzt wird durch Bekanntmachung im„Hannoverschen Courier" oder im „Hannoverschen Tageblatt". Für die Stadt Linden ist das letztere Blatt und die unter Ausschluß der Oeffentlichleit erscheinende „Lindener Zeitung' bestimmt. Der„Volks Wille' mit seinen 29 060 Abonnenten und ein sogenanntes unparteiisches Organ. der„Anzeiger" mit einer angeblichen Auflage von 100 000 Exem- plaren existieren für den Polizeipräsidenten nicht. Der Minister sagt, eS sind„mindestens" zwei Zeitungen zu bestimmen. Für den Hannoverschen Polizeigewaltigen bedeutet daS so viel, als.nur" zwei Zeitungen. Noch schöner macht's der Landrat Dr. Wicht im Landkreise B r o m b e r g. Von dort wird uns berichtet: Der Landrat hat au der Bekanntmachung in einer Zeitung nicht genug, er verlangt, daß die Bekanntmachung in folgenden drei Zeitungen veröffentlicht werden muß: 1. im„Bromberger Kreisblatt"(ein vom Landratsantt herausgegebenen Blatt, das wöchentlich zweimal erschemt), 2. in der „Ostdeutschen Presse' in Bromberg . 3. im„Bromberger Tageblatt". Unter dem alten Vereinsgesetz hat Landrat Dr. Abicht zur Ver- folgung der modernen Arbeiterbewegung kein Mittel unversucht gelassen, und daß er so auch weiter zu arbeiten gedentt unter dem neuen Vereinsgesetz, beweist er durch seine Belanntmachuug ausS beste. Der Landrat des Landkreises Harburg hat in seiner Ver- ordnung das sozialdemokratische Organ, das„Volksblatt für Harburg und Wilhelmsberg" als Publilationsorgan vor- geschlagen! Wie viele solcher und ähnlicher Verordnungen in Preußen Sachsen und anderen mit fürsorglichen und schneidigen Polizei» behörden gesegneten norddeutschen Bundesstaaten noch erscheinen werden, steht noch dahin, denn die gerühmte Pünktlichkeit der Behörden hat in diesem Falle, wo es sich bloß um ein VollSrecht handelt, glänzend versagt. Zahlreiche Städte und Kreise warteten noch am 16. Mai, einen Tag nach Inkrafttreten dcs neuen Ver» cinsgcsetzes. vergeblich auf die entsprechende Bekanntmachung! Die angeführten Verordnungen, wozu die schon von uns bc- sprochenen für Hamburg . Lübeck und Stettin , sowie die für die Berliner Vororte kommen, stellen eine liebliche Illustration zu der schönen Versicherung dar, die der Staatssekretär des Innern. Herr Bethmann-Hollweg , bei der Beratung des Ver- einsgesetzes im Plenum deS Reichstags abgab. Er sagte: es liege insonderheit nicht im Sinne des Entwurfs,„daß etwa lediglich amtliche Publikationsorgane als gc- eignet angesehen werden, und ebenso wenig darf die politische Richtung einer Zeitung dafür maßgebend sein, ob sie als geeignet anerkannt werden wird, eine öffentliche Bekanntmachung anfzu- nehmen, die die Anzeige ersetzen soll". Die Sozialdemokratie hat damals vorausgesagt, daß solche Regierungserklärungen nicht viel wert sind, daß die unteren Organ- sich nach altbeloährter Tradition den Teufel um die wohlwollenden Versicherungen der oberen Stelle kümmern und daß sie erfahrungs- gemäß in ihrer Willkür von den oberen Stellen auch gar nicht gestört werden. Die Blockparteien hat das nicht geniert und der Blockfrcisinn ließ.sich natürlich in seiner Vertrauensseligkeit nicht beirren. Er durfte es ja auch nicht. Nun hat sich prompt die Bestätigung der sozialdemokratischen Voraussagung eingestellt. Die Landräte und Polizeipräsidenten pfeifen auf die von Bethmanri- Hollweg versprochene„loyale" Ausführung dcs Vereinsgesetzes und der Blockfreisinn ist abermals der Blamierte! Das Ende. Schon vor längerer Zeit verlautete, daß die„Nationalztg.", die am 1. April dieses Jahres ihren sechzigsten Geburtstag feierte, wegen progressiver Abonnentcnschwindsucht mit der ebenfalls nickst rentablen, aber durch ein geldlräftiges Konsortium über Wasser gehaltenen„Post" fusioniert werden solle. Die Meldung wurde bestritten; doch heute weiß das„Verl . Tagebl." zu melden, daß nun- mehr die Verbindung beider Blätter tatsächlich beschlossen ist, in, dem eS hinzufügt: „Dem Chefredakteur der„Post" soll für den politischen Teil der„Nationqlzeitung" ein Unterredattenr zugesellt werden, alle übriM ReffpM werden jÜL teibe BjättflE LMewsSN Ikdigixxt.'
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