in Funktion tretende Ge werbegericht eine neue Vorlage aus Grund der Offerte des Brauereibesitzers Bier, Stralauer- straße 3/6, gemacht. Es sollen in diesem Grundskücke Bureau- räume auf fünf Jahre gemiethet werden, der Miethspreis soll für 966 qm Grundfläche 15 290 M. betragen, im ersten Jahre aber für die zunächst nur erforderlichen 590 qm 9440 M. Zur Be- schaffung von Jnventarienstücken sind 13 000 M. gefordert. Außer dem Gewerbegericht sollen die Bureaux der Gewerbedeputation für Jnnungssachen, Fachschulen und für Kranken«, Jnvalidiläts- und Altersversicherungs-Angelegenheiten in diesen Räumen unter- gebracht werden. Die Vorlage wird ohne Debatte angenommen. Schluß nach 7V« Uhr. Lokales. Gegen die„revolutionären" Dichtungen geht die Polizei mit aller Strenge vor. Dem gleichen Schicksal wie die Dichtung von Scävola:„Bilder aus der französischen Revolution" ist jetzt bekanntlich auch die Dichtung von Witz:„Bilder aus der großen Revolution" verfallen. Der„Verband aller in der Metall- industrie beschäftigten Arbeiter Berlins und Umgegend" hatte feplant, die letztere Dichtung nächsten Eonnabend zur Auf- ührung zu bringen. Am Dienstag aber ging dem Vorstand, zu Händen des Herrn Uhrmachers O. Naelher, K, Fehrbelliner- straße 24, folgendes Schreiben zu: Berlin , 4. Februar S3. Der Polizeipräsident. Journ.-Nr. 182. P. T. HL C. 93, Die für Sonnabend, den 11. d. MtS., in Aussicht genommene Aufführung der episch» dramatischen Dichtung „Bilder auS der großen Revolution" wird hiermit ver- boten. Der Polizei-Präsident. v. Richthofen . Am Sonnabend wurden auch noch die Textbücher im Arbeits- Nachweis des Vereins, in den Zahlstellen und bei mehreren Mitgliedern des Verbandes polizeilich beschlagnahmt. Der Vorstand hat natürlich schleunigst für Ersatz gesorgt, so daß der Wegfall der verbotenen Aufführung im Programm«ine Störung nicht hervorrufen wird. Die Allgemeine Berliner OmuibuS-Aktiengesellschaft hat sich gar wunderbare Geschäftspraktiken zugelegt. Sie sucht ihre Einnahmen durch Mittel zu erhöhen, welche aufhören, schön zu sein. So meldet ein hiesiges Blatt folgenden Fall:„Die Ab- rechnnngen ergaben, daß der Schaffner Nr. 28 der Omnibus- strecke Potsdamer-Brücke— Rosenthaler Thor in einem Monat sieben Mal die geringste Tageseinnahme gehabt hatte. Dem Mann wurde von der Direktion der Gesellschaft eine Rüge zu Theil unter Hinzufüguna der Drohung, er werde eut lassen werden, wenn der Fall sich wiederhole! Das ist doch noch arbeiterfreundlich i Die Angestellten der Gesellschaft haben den anstrengendsten Dienst, der sich denken läßt, ihr Lohn steht bekanntlich hierzu in einem sehr schlechten Verhältniß. Das Höchste ist es aber sicher, daß die Gesellschaft aus Zufälligkeiten, die abzuändern in der Macht keines Menschen steht, ihren Angestellten ein Vergehen konstruirt und dagegen mit Drohungen und Maßregelungen einschreitet. Es ist doch ganz selbst- verständlich, daß eine der Strecken diejenige sein muß, welche die geringste Einnahme ergiebt; aber hieran trägt doch der Schaffner die Schuld keinesfalls. Das liegt doch an Verhältnissen, welche der Schaffner nicht ändern kann, er müßte denn gerade den Anreißer spielen und die Passanten mit Gewalt in seinen Omnibus- Marlerkasten stopfen. Er müßte ihnen dann ferner mit Gewalt die Jahrgeldgroschen abnehmen, nur damit er bei der Abrechnung der Gesellschaft recht viel Geld abliesern kann. Denn sonst droht ihm die Entlassung! Die Angestellten werden durch solche Drohungen veranlaßt, die reine Räubertheorie in Anwendung zu bringen: Geld oder Leben. Wir möchten wirklich wissen, welches Direktionslicht diesen wunderbaren Plan ausgeheckt hat, er ist so genial, daß schon etwas dazu gehört, um ihn zu Tage zu sördern. Wird diese Praxis auch anderweit in Anwendung gebracht, dann kann's i» Berlin ganz gemüthlich werden! Zu bedauern sind in erster Linie die armen Angestellten, die für die Direktion der Omnibus-Aktien-Gcsellschast nur noch den Zweck von Geldablieferungs-Maschinen haben. Die Maschinen, welche genügend Geld von sich geben, dürfen weiter in Betrieb gesetzt werden, diejenigen aber, welche nicht genug Groschen ent- leeren, werden ausrangirt und ins alte Eisen geworfen. Dabei müssen die menschlichen Maschinen von 6 Uhr früh bis Nachts l/zl2 Uhr in Thätigkeit sein, sonst erfolgt das Ausrangiren ohne weiteres. Es muß ein erhebendes Gefühl sein, wenn der An- gestellte weiß, daß seine Thätigkeit von dem Untenrehmer in so humaner Weise anerkannt wird. Zu dem Thema:„Der Unternehmer Verhalten gegenüber ihren Angestellten in flauer Ge- s ch ä f t s z e i t", macht uns der Buchbinder Georg Krage, Köpenickerstraße 3Id, folgende Mittheilung, für deren Richtigkeit er sich verbürgt. In der„Berliner Satiniranstalt" von Franz Grimm, Marlgrafenstraße 15, war es bis vor kurzem Sitte, daß für ein Zuspätkommen keine Strafgelder erhoben wurden.„Das Geschäft ging"— wie man zu sagen pflegt. Als die„gute Zeit" vorüber war, wurden mit einem Male, vorerst für die Arbeiterinnen, derartige Strafen eingeführt. Ganz Willkür- lieh wurden diese vom Chef festgesetzt. Für ein ein- maliges Späterkommen wurde den Mädchen einfach ein Abzug vom Lohne im Betrage von fünfzig Pfennigen angekündigt und, passirte es zum zweiten Mal in der Woche, gar von 1 Mark. Solche Abzüge wurden beim geringsten Zuspät- kommen gemacht und handelte es sich nur um drei Minuten. Vor mehreren Tagen kündigte nun der Herr Chef den Buchbindern an, daß es ihnen fortan ebenso gehen würde. Ter Genosse K r a g e. welcher in der Anstalt beschäftigt war, machte ihm darauf Vorhaltungen über das Ungerechte seiner tandlnngsweise. Mehrere Arbeiterinnen waren dabei zugegen. m selben Abend noch, es war der letzte Montag, wurde Krage mit der Begründung entlassen, daß man sich mit ihm nicht herumstreiten wolle und daß er„die Leute" aufwiegele. So wird's gemacht von den Stützen des Reiches der sozial-politischen Reformen. Herr Eugen Richter ist in die unangenehme Lage ver- seht, eine Umarbeitung seiner„Zukunfsbilder" vornehmen zu müssen. Bekanntlich läßt Herr Richter in der erwähnten Schrift den sozialdemokratischen Reichskanzler dadurch zu Falle kommen, daß dieser sich weigert, die Stiefel zu putzen und es durch einen anderen besorgen läßt. Nun hat aber ein Herr Hansel in Gießen beim Reichs-Patentamt ein Patent auf eine Stiefelwichs- Maschine eingereicht, von der er rühmt, daß sie allen an sie ge- stellten Anforderungen im vollsten Maße entspreche. Damit ist also die Ursache, die nach Herrn Richter den sozialdemokratischen Zukunfts-Reichskanzler in seiner Stellung stürzt, beseitigt, und so bleibt Herrn Richter wirklich nichts übrig, als eine andere Ursache für dessen Sturz aussindig zu machen. Es ist an- zunehmen, daß bei der Weite des Gesichtskreises des Herrn Richter und bei seiner reichen Phantasie es ihm leicht fallen wird, die entstehende Lücke« seiner Beweisführung wieder aus- zufüllen. Ungilnftige wirthschaftkiche Verhältuisse werden jetzt auch im Verwaltungsbericht des Berliner Magistrates über den städtischen Zentral-Vieh- und Schlachthof, wie bereits in einer ganzen Reihe von Berichten über andere Zweig« der städtischen Verwaltung, zugestanden.„Das Vermaltungsjahr 1891/92", be- ginnt der Bericht,„ist nach keiner Richtung hin ein günstiges zu nennen. Dieses Urtheil bezieht sich mehr auf die wirthschaftlichen Verhältnisse, von deren Ungunst die kleinen Einbußen des Handels und die Verminderung der Ueberschüsse des Zentralviehhofes nur Symptome sind." Es wird zugegeben, daß die Symptome „einen abnormen Zustand beweisen"; daß„das Kaufbedürfniß so schwankend war, daß Händler wie Landwirthe stets Gefahr lieken, ihr Produkt entweder ohne Gewinn, bezw. mit Vorsicht verkaufen oder von einem Markt zum andern überfüttern zu müssen"; daß„die Einschränkung gewerblicher Thätigkeit wegen Uebersüllung der Lager und die sinkende Kaufkraft der gewerblich arbeitenden Bevölkerung die Nachfrage nach dem für die letztere immer noch zu theueren Fleisch erheblich gemindert hatte". Weiter unten wird die Frage aufgeworfen,„wo denn überhaupt in den letzten Jahren der Handel im Deutschen Reiche, der gewerbliche Verkehr Fortschritte gemacht oder auch nur keinen Rückgang erfahren hat 1" Schließlich wird noch einmal ausdrücklich betont, daß, wenn der Markt häufig nicht geräumt werde, ausschließlich die„schlechten gewerb- lichen Zeiten mit fallender Kaufkraft der Konsumenten" daran Schuld seien.— Aus diesen Ausführungen und aus den ziemlich gleich lautenden in den anderen, schon früher von uns in der Nothstandsfrage zitirten Verwaltungsberichten des Berliner Magistrats ergiebt sich, daß dieser darüber, ob ein Nothstand in Berlin herrscht, und wie groß er ist, sehr wohl unterrichtet sein muß. Warum zieht er denn dann aber nicht die praktischen Konseauenzen aus dieser Kenntniß? Der Grund davon ist in der Stadtverordneten-Versammlung von„freisinnigeu" Rednern wiederholt angegeben worden: Der Magistrat müßte andernfalls mit dem bisher von ihm befolgten„freisinnigen" Prinzip der Verwaltung brechen, und das darf er nicht, wenn er nicht dem Sozialismus Konzessionen machen will. In diesem Geständniß liegt eine nicht üble Kritik dieses„freisinnigen" BerwaltuugS- prinzips. In Schmargendorf gab es am Donnerstag vor acht Tagen große Aufregung. Die Einwohnerschaft des ganzen Ortes war auf den Beinen, um Zeuge zu sein des gewaltigen Ereignisses. Vier Gendarmen entledigten sich nämlich mit aller Sorgsalt der ihnen zu Theil gewordenen Aufgabe: bei elf in Schmargendorf wohnenden Genossen eine gründliche Haussuchung vorzunehmen. Von Haus zu Haus marschirten die behelmten Hüter des Gesetzes, ohne freilich„günstige" Resultate zu erzielen. Es verfielen der Konfiskalion einige Exemplare des„Sozialdemokrat", einige sozialdemokratische Liederbücher und ein„Pfaffenspiegel", — weiter wurde nichts Verdächtiges gefunden. Wie ver- lautet, war der Anlaß zu Hausdurchsuchungen ein ver- dächliges Lied, welches ein paar Tage zuvor bei einer kleinen Feier von einem Genossen gesungen worden war. Das Lied ist auch in weiteren Kreisen bekannt, es handelt von der Schlechtigkeit des bösen„Bürgermeisters Tschech". Die Polizei befand sich im Jrrthum, als sie annahm, daß man in Schmargen« dorf im Besitz von gedruckten Exemplaren dieses Liedes sei: der Text erbt sich von Mund zu Mund fort, und das kann die Polizei doch nicht hindern. Ob das Gedichtlein etwas Staatsgesährtiches entbält, brauchen wir nicht näher zu untersuchen, es wird aber viele Leute geben, die es für ein mehr denn harmloses Produkt der Jahrmarktspoesie halten. Bis heute haben die gehaussuchlen Genoffen noch nicht erfahren, ob sich an die Beschlagnahm« der Schnfteu noch ein weiteres Versahren knüpfen wird. Bnuernfäugern in die Hände gefallen ist vorgestern Nachmittag der Scdneider Karl M. aus Klein- Wittenberg , der hier in der Oranienburgerüraße wohnende Verwandte besucht hatte und mit dem um 4� Uhr vom Anhalter Bahnhofe ab- gehenden Zuge nach Hause zurückzukehren beabsichtigte. Die Eisenbahn wartet aber nicht, und als M. ankam, war der Zug eben dahingebraust. Während daS Schneiderlein einen Augenblick unschlüssig dastand, trat ein Fremder mit der Frage an ihn heran, ob er nach Wittenberg fahren wolle und fügte hinzu, daß er den Zug gleichfalls verpaßt habe und den nächsten abwarten müsse. Beide ließen sich nun auf eine Bank des Bahnsteiges nieder, und der Unbekannte hatte im Laufe des Gespräches bald ersehen, daß M. nicht ohne Mittel nach Berlin gekommen sei, ja, der redselige Provinziale lieb sich sogar die genaue Angabe seines Kassenbestandes entlocken. Jetzt dauerte es nicht lange, bis dem Fremden das Warten auf dem Bahnhofe langweilig wurde, sodaß er eine Streife durch die schöne Reichshauptstadt vor- schlug. Der bereitwillige Schneider wurde nun den Ausgang nach der Möckernstrabe hinabgeführt, man wanderte selbander durch die Königgrätzerstraße und kehrte, um eine Berliner Weiße zu probiren, in das Hcdemannstraße 2 belegene Kellerlokal von Diede ein. M. wurde sofort in das Billardzimmer geführt, wo nur noch ein Gast anwesend war. Der Fremde griff hier, wie unbeabsichtigt, nach einer Zeitung, und fand„zu feiner Ueber- raschung" ein Spiel Karten darin.„Haben gewiß Kinder hier liegen lassen; denn es ist kein gdnzes Spiel," meinte er treu- herzig,„ich werde Ihnen aber ein Kunststück zeigen." Er legte drei verdeckte Karten aus den Tisch und fragte den Schneider: „Was ist hier drunter?" Die Lösung gab er dahin, daß die Tischplatte darunter sei. Hierdurch wurde der andere Gast angezogen, der die rothen Karten aussucht« und ein Kümmelblürtchen veranstaltete, dem der Schneider anfangs zusah. Sein Begleiter hatte im Umsehen zweimal anscheinend je ein Zwanzigmarkstück verloren, und sagte nun zu M.: „Setzen Sie doch auch einmal". Ter Schneider setzte einen Thaler nach dem andern, die verloren gingen. Als aber sein Freund auch das dritte Goldstück mit der größten Ruhe ver- schwinden sab, wurde er stutzig und wollte sein Geld wieser haben. Nun wurde aber auch fem Bekannter unwillig, erklärte, daß sie in dem Lokal nicht länger bleiben könnten und führte ih» wieder hinaus. Unterwegs gab er seinem Aerger über die ver- lorenen 60 Mark Ausdruck und verschwand, um sich von An- gehörigen das Reisegeld nach Willenberg zu holen. Als der Schneider nun endlich merkte, daß er verschleppt worden war. eilte er in den 5tcller zurück, fand aber den zweiten Bogel auch ausgeflogen.— Der Scb lepper ist klein und untersetzt, hat einen Schnurrbart, ein starkes, rothes Gesicht und trng ein schwarzes Tuch um den Hals. Der Komplice war groß, blaß und bartlos, trug lange Stiefel und einen Stock mit laugen Schößen und hatte an der Stirn einen spärlichen Haarwuchs. Immer noch kein Nothstand! Gänzlich verhungert wurde gester». Abends gegen sieben Uhr, der obdachlose, sechzig Jahre alte Schuhmacher Wilhelm Hein nahe am Görlitzer Bahnhofe ausgesunden und nach der Charitee gebracht. Er starb aber be- reits unterwegs an Entkräftung.— Oh glückseliges Zeitalter sozialer Reformen. Opfer der Arbeit. Abgestürzt von einem Gerüste, das Bendlerstr. 29 aufgestellt war, ist vorgestern Nachmittag der Maurer August Schrumpf. Er erlitt«inen Bruch beider Beine. Der Verein„Freie Volksbühne" veranstaltet am Sonn- tag den 12. Februar, Nachmittags 2�2 Uhr für seine neu- gegründete 4. Abtheilung die erste Vorstellung. Zur Aufführung gelaugt zum 4. Male im Nationallheater„Andere Zeiten", Schau- spiel in 4 Akten von Paul Bader . Die Hauptrollen liegen in den Händen des Herrn Molenar und des Fräulein Detschy vom Lessingtheater und' der Herren Stiel und Wcsselsky vom Nattonal- Theater. Wir werde« nm die Veröffentlichung deZ folgenden schiedsgerichtlichen Erkenntnisses ersucht: In der Streitsache zwischen Ahrens und König hat das einberufene Schiedsgericht folgende Auffassung gewonnen. Festgestellt ist, daß von feiten König's Gerüchte über Ahrens kolportirt worden sind, die nicht aus ergner Wahrnehmung beruhten,«der geeignet waren, den Ahrens in privater, sowie in politischer Beziehung zu kom- promitttren. Die eingehende Zeugenvernehmung konnte für diese Gerüchte den Wahrheitsbewels nicht erbringen. Gründe für Verbreitung dieser Gerüchte konnten nur in der gegenseitigen persönlichen Stellung von König und Ahrens gefunden werden; dieselbe ist keine solche, wie sie unter Genossen und zur Förde- rung der Arbeiterbewegung wünsche» swerth wäre. Das Schieds- gericht. Tx'e Sammelliste Nr.»6S zur Unterstützung der gemäß« regelten Pferdebahnschaffner ist verloren gegangen. Es wwd er- sucht, dieselbe«»zuhalten und bei Paul Liere, Gräseftraß« 40, abzuliefem. Pokizeibericht. Am». d. M. vormittags zersprang in der Schultheiß-Brauerei , Lichterfelderstr. 11,«in etwa 30 Zentner schweres Schwungrad beim Betriebe. Durch die umher- geschleuderten Eisentheile wurde ein Theil des Maschinenhauses zerstört und der an der Maschine beschäftigt gewesene Arbeiter Lehmann am Kopfe und an den Füßen so bedeutend verletzt, daß seine Uebersührung nach dem Krankenhause am Urban erforder- lich wurde.— Nachmittags versuchte eine Frau in ihrer Wohnung, in der Brunnenstraße, sich mittels Karbolsäure zu vergiften. Sie wurde noch lebend nach der Charitee gebracht.— Auf dem Eise des Landwehrkanals, gegenüber dem Grundstücke Görlitzer Ufer 12, brach ein zehnjähriger Knabe ein, wurde jedoch noch lebend aus dem Wasser gezogen und nach einiger Zeit vom Arzte zum Bewußtsein zurückgebracht.— An der Ecke der Chaussee- und Kesselstraße fiel Abends eine Frau infolge eines Fehltritts zur Erde und brach den Unterschenkel.— Im Lause des Tages fanden zwei kleine Brände stau. Gevittlks-�ZeikUttg. I« Zustande völliger Bewußtlosigkeit. Vor der Straf- kammer zu Köln hatte sich am Dienstag der Kriminalkommissar Hermann Sperling wegen Hausfriedensbruchs und Sach- befchädigung. sowie wegen der Beschuldigung zu verantworten, in der Nacht zum 9. August v. I. die Eheleute Bach, sowie deren Töchterchen mit einem Besenstil gemißhandelt zuhaben, den Ehemann Bach auch mittels einer das Leben gefährdenden Be- Handlung. Nach Aussage Sperlings hatte er am 3. August mit einem Weimvirth 6—3 Flaschen Wein getrunken. Auf dem Nach- Hausewege seien ihm zwei Mädchen begegnet, die ihm verdächtig vorkamen, weil die eine aufgelöstes Haar trug. Er sei ihnen in das Haus Kyffhäuserstt. 59 bis in die Wohnung gefolgt, hier sei er beschimpft, angegriffen und mißhandelt worden, so daß er sich des weiteren Vorgangs nicht mehr erinnern könne. — Die beiden verfolgten Mädchen, die wegen Sitten- polizei-Kontravenlion bestraft sind, sagten der„Köln . Ztg." zufolge übereinstimmend auS. Die Aelter« sagte aus: Wir befanden uns gegen 6 Uhr Morgens auf dem Wege zur elterlichen Wohnung. In der Jahnstraße verfolgte uns ein Mann, der schwankte und offenbar betrunken war, seine Kleider waren beschmutzt. Er faßte die jüngere Schwester bei den aaren, wir wollten das nicht leiden und stellten ihn zur Rede. er Mann verfolgte uns in das Haus und in unsere Wohnung, hier hat er die Aeltere angegriffen und bei den Haaren gerissen. Der Vater des Mädchens, Ermertz, eilte mit«wem Besenstiele zur Hilfe herbei und schlug damtt auf den Beamten ein, so daß der dicke Besenstiel entzwei brach. Ermertz giebt auch die Möglichkeit zu, daß er den Kommissar mit dem Besenstiel über den Kopf geschlagen habe.— Den weiteren Borgang schilderte der Zeuge Zimmermann Hohmann: Die beiden Ermertz. Vater und Sohn, drängten den Mann auf den Flur, der ältere schlug mit einem Besenstiel auf ihn ein, der Mann schlug mit dem Stocke, er ist dann die Treppe hinuntergestoßen worden, kam zu Fall und kollerte die Treppe hinunter. Als Polizeibeamter hat sich der Angeklagte erst später zu erkennen gegeben. Der in dem- selben Hause wohnende Bäckermeister Bach trat, als er den Spektakel hörte, auf den Flur, hob den an der Treppe liegenden Angeklagten auf und brachte ihn bis vor die Tstür. Bald daraus kam Sperling mit vier Wächtern zurück, griff Bach an und faßte ihn bei den Haaren. Bach wollte ihn beruhigen und sagte, er solle nach oben gehen, er hätte ihm doch nichts gethan; Sperling konnte aber nicht viel antworten, da er wie unzurechnungsfähig war, in dem Laden Teller und Gläser zer- schlug, wofür er später 200 Mark Entschädigung gezahlt hat. Frau Bach bekundete: Ich wurde durch großen Lärm geweckt, der Angeklagte lag an der Treppe, er jagte zu meinem Manne: Du hast mir den Schädel eingeschlagen, weiche von mir! Mein Mann brachte ihn zur Thür hinaus. Bald nachher kam er mit vier Wächtern zurück, mein Mann sollte verhaftet werden; ich habe gefleht: mein Mann hat doch nichts gethan: ich hatte den Angeklagten am Rock und zog ihn zurück, da fiel ich hin, die Nachtwächter traten und schlugen mich; ein Nachtwächter hat meinen Mann die Treppe hinuntergestoßen. Ich legte mich wieder zu meinem Söhnchen ins Bett, da kam Sperling in das Zimmer. er muß wider die Thür gefallen sein, und schlug onch mit einem Stück Besenstiel; auch mein Söhnchen schlug er, mein Arm war schwarz und blau. Ich flüchtete in den Laden, der Angeklagte verfolgte mich und schlug mich weiter; dabei schrie er mich immer an: Wie heißt Du, wo wohnst Du? Ich stieß ihn mit meiner letzten Krack zurück, daß er hinfiel, dann eilte ich auf die Straße und schrie um Hilfe. Mehrere Zeugen, die von der Straße aus den Vorfall mit ansahen, bekuiweten, daß ihnen der Angeklagte wie geistesgestört vorgekommen sei; er habe sich öfter an den Kopf gegriffen. Der Angeklagte hob hervor, daß er vor dem Vorfalle sehr angestrengt dienstlich thätig gewesen sei, von einer gefährlichen Hochstaplerbande habe er kurz vorher acht Mann festgenommen, zwei Verbrechern, die zu der Bande gehörten, sei er auf der Spur gewesen, an dem Tage selbst habe er dienstlich eine Reise gemacht. Professor Pelmann, Direktor der Irrenanstalt in Bonn , gab sein Gutachten dahin ab, daß nicht eigentliche Trunkenheit allein den Zustand des Angeklagten her- vorgerufen habe; es sei hinzugekommen die körperliche und geistige Ueberanstrengung, die schlaflose Nacht. Die Schläge mit dem Besenstiel, die Sperling über den Kops erhalten, hätten ihm dann den letzten Rest von Besinnung geraubt. Es unterliege nicht dem geringsten Zweifel, daß der Angeklagte die Straf- thaten im Zustande völliger Bevußllosigkeit verübt habe, wodurch die freie Willeiisdestimmung ausgeschlossen gewesen sei. Polizei- Phystkus Eanilätsrath Dr. Vanfelow schloß sich völlig diesem Gutachten an. Der Staatsanwalt meinte, objektiv sei die Anklage nach allen Seiten hin bewiesen, allein es habe sich nicht der geringste Anhaltspunkt ergeben, daß der Angeklagte auch nur einen Rest von Besinnung gehabt habe. Dem Antrage des Staatsanwalts gemäß erkannte das Gericht auf Freisprechung. Etwas weiteres diesem Prozeßbcricht hinzuzufügen, erübrigt sich wohl. Die Fälle, daß, wenn Polizeibeamte die Anklage- dank zieren, die wunderbarsten Urtheile gefällt werden, sind in Deutschland so zahlreich, daß uns der Ausgang auch dieses Prozesses nicht wundert. Die Freunde der Verschärfung des Strafgesetzes spotten gerne über das„Antrinken mildernder Um- stände"; wir empfehlen diesen Herren für die Zukunft, auch den Kriminalkommissar Sperling und seine Praxis, sich für die Ge- richtsstube bis zur„völligen Bewußtlosigkeit" anzusaufen, nicht zu vergessen. Ein Polizeibeamter, der durch„geistige und körper- liche" Ueberanstrengung so total herunter ist, daß er 6 bis 8 Flaschen Wein aussäust und dabei die Nacht durch bis Morgens 6 Uhr im Wirthshaus sitzen bleibt, dann in Zuhälterart Mädchen aus der Straß« anfällt und sie big in ihre Wohnung verfolgt; von dort dann, durchgeprügelt und herausgeschmissen, im„Zustande völliger Be« wußttojigkett" aus die wach« stürzt, sich vi« Wächter holt uud
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