Einzelbild herunterladen
 
oljne Fleiß und Anlagen nur ersesien ist. mehr gelten als ernste Berufsart und gesunder Menschenverstand." . Die Freisinnigen haben sich mit dieser zutreffenden Schilderung der Konservativen und Nationalliberalen selbst ausgezeichnet charakterisiert. Denn:Sage mir. mit Wem Du umgehst, und ich will Dir sagen, wer Du bist." Wer vermag an des Freisinns Wahlrechtsfreundschaft, an seine Gegnerschaft gegen den agrarischen Brotwucher, an seine Begeisterung für eine freie Volksschule zu glauben, wenn er am 3. Juni allerorten mit konservativen Junkern und nationalliberalen Schlotbaronen zusammengeht I Wie soll man die Warnung des freisinnigen Flugblatts. ja nicht für Konservative oder Nationalliberale zu stimmen, ernst nehmen, wenn vor den Toren Berlins  , in Niederbarnim  , die freisinnige Leitung dix Parole ausgegeben hat, schon bei den Wahlmännerwahlen direkt für die Konservativen zustimmen!_ Gegen die Barnimer Schmach. Eine Protest Versammlung freisinniger Wähler, die von der demokratischen Vereinigung einberufen worden war und in der Herr v. Gerlach referierte, nahm folgende Resolution an: Die am 23. Mai in Pankow   tagende, von entschieden liberaler Seite einberufene öffentliche Volksversammlung erklärt das Kompro- miß der Freisinnigen Volkspartei mit den Konservativen für einen Verrat am Liberalismus. Sie fordert alle ehrlichen Liberalen auf. um leinen Preis ihre Stimme für die Kompromißkandidaten abzugeben. Da die Parteileitung der Freisinnigen Volkspartei   das Kompromiß gebilligt hat, so ist ein weiteres Verbleiben in dieser Partei unmöglich. Entschieden liberale Organisationen sind an ihrer Stelle in? Leben zu rufen." Die Demokratische Vereinigung   geht, wie wir demBerliner Tageblatt" entnehmen, jetzt in Niederbarnim   mit der Gründung von Ortsvereinen vor._ Akademische Fürsorge. Der Rektor der Berliner   Universität ist ängstlich bemüht, die Berliner   Freie Studentenschaft   vorVerirrungen" zu bewahren. Die«Berliner Freistudentischen Blätter", die seit Deginn dieses Jahres erscheinen und studentische Fragen zur Sprache bringen, «vurden vom Rektor der Universität ohne Angabe von Gründen inner- halb des UniversitätSgrundstllckS künftighin verboten. Das gleiche Schicksal hatte schon zu Beginn des Semesters eine Broschüre Zur Einführung ins akademische Leben", die jungen Studenten bei Eintritt in die cmt»o academica in allen schwierigen Fragen ein Wegweiser sein sollte. Ferner wurde nicht gestattet ebenfalls ohne Angabe von Gründen zwei Vorträge, deren Themen lauteten: Ueber die materialistischen und individualistischen Hoffnungen der Arbeiter» klaffe" undUeber das Verhältnis von Politik und Literatur m Frankreich   ix, IS. Jahrhundert", am schwarzen Brett bekannt zu geben._ Christliche  Hetzer". Wer die erste Zeit der christlichen Gewerkschaftsbewegung mit- gemacht hat. der erinnert sich, mit welcher Beflissenheit die stammen Gewerkschaftler sich dadurch in ein vorteilhaftes Licht zu setzen suchten, daß sie sich als die Bescheidenen anpriesen. Die Sozial- demokraten waren dieHetzer", die es nur darauf anlegten, die Arbeiter unzufrieden zu machen, die Christlichen   dagegen waren darauf bedacht, die Gegensätze auszugleichen und den Arbeiter in den Stand zu setzen, daß er sich zufrieden fühle. So hörte man die christlichen Organisatoren ihr Unternehmen anpreisen. Nun hat sich wie so manches andere bei den Christlichen  , auch ihre An- schauung über den ert der Zufriedenheit geändert. Sie haben erfahren«Äffen, dast das Unternehmertum ihre Organi- sationen, als diese sich der Arbeiterintereffen annahmen, nicht anders einschätzte und behandelte als die Sozialdemokraten, daß sie als Störenfriede", alsHetzer", als Erreger der Unzufriedenheit unter den Arbeitern bestachtet wurden und heute find die Christlichen  so weit, daß sie das Lob der Unzufriedenheit singen und die Zufriedenheit als menschenunwürdig und kulturfeindlich ver- urteilen. Im Verbandsblatte der christlichen Textilarbeiter wendet sich ein Artikel gegen den Vorwurf von Unternehmerseite, daß die christliche Gewerkschaftsbewegung die Arbeiter unzufrieden mache. Nicht al» ob dieser Vorwurf für unberechtigt erklärt würde! im Gegenteil, es heißt da:Die Arbeiter waren zustieden, sie murrten nicht laut über zu niedrige Löhne, über unwürdige Behandlung, das Wort Gleichberechtigung war ihnen stemd.... Und heute ist cS ganz, ganz anders. Die Arbeiter wollen mitessen am Tische des Lebens, ivährend sie sich früher mit den Brosamen begnügt haben. Aus dem wünsch- und bedürfnislosen Arbeiter ist einer geworden.der Ansprüche stellt, der mit dem Alten nicht mehr zufrieden ist... S o k a m die Unzufriedenheit mit dem Einzug der Gewerk- s ch a f t e n." Aber, so meint das Blatt weiter, die christlichen Gewerkschaften dürften sich den Vorwurf, in diesem Sinne Friedensstörer zu sein, ruhig gefallen lassen, denn:Inder Weckung dieser Unzu- frieden heit liegt die kulturfördernde Tätigkeit Gewerkschaften: lver unzufrieden Gewerkschaftsgegner, der bringt mit den Nachweis von der Erkenntnis In seinen Bedürfniffen zeigt sich die große unüberbrückbare Kluft, die den Menschen vom Tier stennt, in der Höhe seiner geistigen und materiellen Bedürfnisse zeigt sich der Mensch in seinem Werte... Mit der Weckung der Unzufrieden- heit will die Gewerkschaft den Sinn des Arbeiters auf schönere und edlere Bedürfnisse richten. Der Arbeiter soll sich erfreuen können an Musik. Malerei. Poesie usw.: er soll das Gute achten und lieben. das Unedle verachten lernen... So verrichten die christlichen Ge- werkschaften eine Arbeit für Kultur und Zivilisation, eine große nationale Arbeit. Mögenunsere Gegner darum reden von Unzufriedenheit, wir kümmern uns nicht darum."_ Loyale  " Auslegung des Reichs-Bereinsgesetzes. In dem zilm LandtagSwahlkreise Wandsbek- Stormarn ge- hörenden Orte Hoisdorf   sollte am letzten Sonntag eine Wähler- Versammlung unter freiem Himmel stattfinden. Der Polizei- gewaltige für diesen Bezirk, Amtsvorsteher Schroeder in Lütjensee  , hat an den Einberufer der Versammlung dieses ebenso kurze wie .inhaltreiche" Schreiben gerichtet: Bem. zurück. Wählerversammlungen dürfen unter freiem Himmel nicht stattfinden. Daher keine Genehmigung. Der Amtsborsteher. Schroeder." Wenn schon'schleSwig-holsteinischeAmtSvorstehcr den§7 des Reichs- VcreinSgesetzes soauslegen"(dieses Gesetz dürfte wohl inzwischen cucch dem Amtsvorsteher velannt geworden sein), wie mag da in Ostelbien aussehen?_ Freisinnige Toleranz. ImBerliner Tageblatt" vom 2-l. Mai d. I. befindet sich folgende Anzeige: der christlichen ist in, Sinne der seiner Unzustiedenheit seiner Menschenwürde. Zweiter Redakteur gesucht. Zum t. Okt. wird bei steifinniger Tageszeitung einer mittleren Provinzialstadt Ost- deutschlandS die Redakteurstelle für Provinzielles und Lokales frei. Tüchtige Journalisten(ev. Kons.) mit akad. Bildung, welche aus dauernde Stellung reflektieren, wollen ihre Bewerbung mit Lebens- lauf. Gehaltsansprüchen, Stilproben, Zeugnisabschriften unter I. W. 6634 der Expedition dieses Blattes einsenden. Ob dieses Inserat aufgegeben worden ist, mn den A n t i- semiten das Eintreten für den freisinnigen Landtags- landidaten zu erleichtern?! Ein Protest Kruppscher Arbeiter. In einer vom Metallarbeiterband einberufenen Versannnlung, die am Sonnabend in Essen-West tagte, gelangte folgende Resolutton zur Annahme: Die am 23. Mai in Effen-West im Lokale des Herrn Spangenberg tagende und von über 2000 Arbeitern der Krupp­schen Fabrik besuchte Versammlung protestiert ganz entschieden gegen die Beleidigungen der Kruppschen Arbeiter durch den konservativen Reichstagsabgeordneten v. Dirksen, indem derselbe die Kruppschen Arbeiter mit Spitzbuben vergleicht. Sie erblicken in seinen Ausführungen einen Versuch, den wirklichen Tat- bestand zu verwischen, um so die Firma Krupp   mit ihren sogenannten WohlsahrtSeinrichwngen ins Recht und die Arbeiter ins Unrecht zu versetzen. Die Anwesenden erklären, daß die Aus- führungen des Kollegen Severing im deutschen   Reichstage und in der heutigen Versammlung durchaus der Wahrheit entsprechen. Sie fordern die sozialdemokratische Reichstagsfraktion auf, nicht eher zu ruhen, bis dieses schreiende Unrecht, durch das Tausende von Arbeitern um ihre eingezahlten Gelder kommen, beseitigt ist. Sie erblicken ferner in den Wohlfahrtseinrichtungcn keine Wohlfahrt für die Arbeiter, sondern für die Firma selbst, wozu die Arbeiter noch zuzahlen müssen."_ Ein interessanter Prozeß, über den indessen wenig in die Oefsentlichkeit gelangt, wurde vor kurzem in Heiligcnstadt der- handelt. Dort wurde der frühere stuck, tkeol. Jos. Fuhlrott wegen Betruges in sieben Fällen und wegen versuchten Betruges in sechs Fällen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, während sein Mitangeklagter Vater und seine gleichfalls Mitangeklagte Schwester wegen Beihilfe neun bezw. 3 Wochen Gefängnis er- hielten. Jos. Fuhlrott studierte im Mainzer   Priesterseminar auf Kosten seiner Tante, weil sein Vater, ein Weichensteller 1. Klasse, die Kosten des Studiums nicht bezahlen konnte. Wegen einer Liebschaft mußte er das Priesterseminar verlassen, belegte dann auf inehrere Universitäten Jura, zog aber wiederholt seinen langen Rock an, um bei katholischen Geistlichen anzuklopfen und unter dem Vorgeben, er studiere Theologie, Darlehen und Geschenke zu erschwindeln Hierbei unterstützte ihn sein Vater und seine Schwester. Als demTheologen" der Boden in Süddeutschland  zu heiß wurde, verduftete er plötzlich und tauchte im März als Zentrumsredakteur amBocholter Volksfreund" in Bocholt   auf. Hier sollte seine Wirksamkeit als eifriger Kämpfer für Re- ligion, Ordnung und Sitte nicht lange dauern. Am 13. April nahm er noch an einer in Dorsten   stattgefundenen Vertrauens- männer-Versammlung der Westfälischen Zentrumspartei teil. Dann war er plötzlich verschollen die Polizei hatte sich seiner in aller Stille angenommen, hielt ihn eine Zeitlang in Bocholt   in Untersuchungshaft und schickte ihn dann nach Heiligen- stadt, wo ihn nun sein Schicksal ereilte. Die Zentrumspresse hat sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, über diesen Fall aus- geschwiegen. Die Bocholter   Bevölkerung weiß z. B. auch heute noch nicht, daß einer der hiesigen Redakteure der Parteifür Wahrheit, Freiheit und Recht" wegen Betruges zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Nebenbei bemerkt hatte Fuhlrott die Absicht, von hier aus seine Tätigkeit als stuck, theol. usw. in Münster   fortzusetzen und zu diesem Zwecke wöchentlich einmal nach Münster   zu fahren, vermutlich um dort auch einige Pfarrer und Prälaten zu schröpstv. Daraus ist nun nichts geworden, die Säule ist geborsten.-~- franhmcb. Die Einkommensteuer. Paris  , 25. Mai.  (Privat-Depesche desvorwärt»'.) Die Kammer hat heute den wichtigen Z 2 deS Artikels 18 des Einkommensteuergesetzes angenommen. Der Ansturm der Oppo- sttion richtete sich namentlich gegen die Bestimmung, die auch das Einkommen auS dem Besitz der StaatSrente der Besteuerung unter- wirst, besonders R i b o t versuchte daS Privilegium der Steuerfreiheit der Staatsrentner zu schützen. Nachdem der Finanzminister Cail- loux die Vorlage nochmals verteidigt hatte, erklärte ClSmenceau die Solidarität des Kabinetts mit dein Finanzminister. Er wolle die Gleichheit aller Bürger vor dem Steuergesetz. Die Regierung müsse wie-in Mann zusammenhalten, um den vier auf ihrem Programm stehenden Reformen zum Siege zu verhelfen. Darauf nahm die Kammer mit 347 gegen 170 Stimmen den ß 2 des Artikels 13 an, durch bei« die Renten, Obligationen und die übrigen vom französischen   Staate ausgegebenen Wertpapiere mit einer Steuer belegt werden._ Pius, der Freigebige. Paris  , 21. Mai.  (Eig. Ber.) Die französischen   Gesetzgeber haben bekanntlich die katholischen Geistlichen die Unnachgiebigkeit deS Papstes nicht entgelten lassen wollen. Nachdem alle ihre Kon- Zessionen, um die Organisation des Gottesdienstes auf verein?» gesetzlicher Basis zu sichern, vergeblich geblieben waren, versuchten sie wenigstens, die alten Priester vor dem Hunger zu schützen und beschlossen, den Priestervercinen, die sich auf Grund des Gesetzes über die freien Hilfskassen bilden sollten, einen Teil des alten Kirchenguts abzutreten. Die Katholiken nahmen dieses Angebot gerne an und sie erwirkten sogar noch einen Zusatz, wonach auch die Meßstiftungen den Hilfsdereinen zugewiesen werden sollten, wodurch der Wille der Stifter hätte zur Erfüllung gelangen können, wogegen man dem Staat und den Gemeinden, denen anderenfalls diese Fonds anheimfielen, das Messelesen nicht zu» muten konnte. Der Papst hat nun dieser von den französischen   Katholiken selbst, die Bischöfe mit einbegriffen, befürworteten Regelung die Genehmigung versagt. Es könnten, heißt eS in seinem Brief an die französischen   Kardinäle,Verirrte" und Exkommunizierte in den Hilfsvereinen Aufnahme finden, und gar, wenn diesen der hierarchischen Kontrolle entzogenen Vereinigungen die Ausführung der Meßsttstungen zugewiesen werden würde, könnten daraus schreckliche Gefahren" entstehen. Das wahre Motiv der Entscheidung, von dem bielleicht der von der jesuitischen Clique geschobeneheilige Vater" selbst keine Ahnung hat, ist die Furcht der Ultramöntanen vor den in Frank- reich nie ganz unterdrückten gallikanischen Tendenzen. Je mehr die Geistlichen unter die von Rom   geschwungene Hungerpeitsche gebracht werden, desto geringer ist die Gefahr individueller und kolleltiver Unabhängigkeitsbestrebungen und desto rascher kann daS Ziel erreicht werden, die ganze französische Kirche in die Hände des Ordens zu brmgen und dadurch zu einem vollkommenen p o l i- tischen Werkzeug zu machen. Bezeichnend ist. daß der ehr- liche Demokrat Abbe L e m i r e, der nach Rom   gereist war, um die Bewilligung der Hilfskassen zu erwirken, gar nicht bis zum Papst kam. Die Entscheidung des Papstes entzieht der Geistlichkeit etliche Mllionen. Pius setzt sich über diesehr zweifelhaften materiellen Vorteile" heldenmütig hinweg: Lob sie betteln gehn« wenn sie hungrig sind? Aber auch e r ist zu Opfern bereit. In seinem Brief gibt er nicht nur bekannt, daß er zum Ersatz der preisgegebenen Messen allmonatlich selbst eine lesen werde, damit die Seelen der Toten nicht zu Schaden kämen, sondern er teilt auch mit, daß er' schon einen Betrag hinterlegt habe, der zum Lesen von zwei- tausend Messen bestimmt sei. Zweitausend das sieht auf den ersten Blick sehr imponierend aus. Nur ist der Artikel sehr billig zu haben. Wie derFigaro", das Hauptorgan der ge- mäßigten Klerikalen, in einer von Demutphrasen triefenden, aber auch mit Bosheiten gespickten Betrachtung bemerkt um drei» bis viertausend Frank. Englanä. England, Frankreich   und Nußland. London  , 23. Ma« Die Annäherung zwischen England und Frankreich  , die vor vier Jahren von Dclcasse und Landsdowne herbeigeführt wurde. hat logischerweise eine britisch-russische   Entente zur Folge gehabt. Delcasse ist gegangen, aber der Delcasseismus ist geblieben, da seine Politik den Ansichten und Interessen der herrschenden Klassen Frankreichs   entspricht. Und im Geiste dieser Politik hau- delten die französischen   Diplomaten, die die britisch-russische   Entente förderten und vermittelten. Es ist vielfach ihren Bemühungen zu verdanken, daß auf dem britisch-französischen Frieden in Afrika  der britisch-russische   Ausgleich über Mittelasien   folgte. Um die diplomatischen Instrumente durch volkstümliche Sym- pathien und persönliche Beziehungen zu vermehren, veranstalteten England und Frankreich   die französisch-britische Aus- st e l I u n g in Shcpherds Bush(West-London  ), die am 14. d. M. eröffnet wurde und wohl geeignet ist, die beiden westeuropäischen Länder wirtschaftlich und geistig enger aneinander zu schließen. Auf der Ausstellung sind nicht nur englische und französische Er- zeugnisse vertreten, sondern auch von deren Kolonien. An die modernen Gebäude Australiens   und Kanadas   reihen sich algerisch- tunesische Pavillons im maurischen Stile, an indische Tempel«no- Hammedanische Moscheen, an britische   Maschinen und Kriegsschiff- modelle hervorragende kunstgewerbliche Erzeugnisse von Paris  . Am 25. d. M. trifft auch der Präsident der fran» zösischen Republik in London   ein, um zusammen mit dem König von England die Ausstellung zu besuchen. Gleichzeitig ist die Zusammenkunft des englischen Königs mit dem Zaren bekanntgegeben worden. Vor sechs Jahren trafen dort der deutsche Kaiser und der Zar zusammen und gaben damals daS Signal vom atlantischen und pazifischen Admiral. Die Ankündigung der Königsreise hat in London   im all- gemeinen befriedigt. Sie war nach dem britisch-russifchen Ab- kommen vom 31. August 1967 unvermeidlich geworden. Für Eng- land war sowohl das Abkommen mit Frankreich   wie mit Rußland  von großem weltpolitischem Nutzen. Die Briten   fühlen sich nun- mehr sowohl in Aegypten   wie in Indien   sicher und können ihre Auf- merksamkeit ungeteilt der Aufrechterhaltung ihrer atlantischen Ad. miralität widmen. Frankreich   zieht großen wirtschaftlichen Nutzen aus der Entente, während die zarische Regierung auf den eng- lischen Geldmarkt, spekuliert. Die Engländer würden infolge ihrer liberalen Ueberlieferungen viel zufriedener mit der Königsrcisc sein, wenn der Zar jetzt das Oberhaupt eines parlamentarisch regierten Rußlands   wäre, aber man beruft sich entweder auf die Unwichtigkeit von Verfassungsfragen bei Abschätzung von inter  » nationalen Beziehungen, wie zum Beispiel dieMorning Post". oder auf das Vorhandensein der Duma, die doch wie dieTimeS" andeutet den Anfang besserer Zustände bedeute. Eine AuS- nähme Hilden  , wiederVorivärts" schon h.cxM�t Jjat. JiieDaily NewS", das Organ der Radikalen/ dSS«Iikiimfinhfljiif'feine Miß­billigung über die Reife ausspricht. Nur die Jnrperialifttn werden, meint dieses Blatt, dieses Ereignis mit Freude begrüßen. Denn ihnen ist äußere Politik nur ein Kampf um Macht und Einfluß. nur eine verwickelte Intrige, um Bundesgenossen zu erhalten und andere Mächte zu isolieren:Von diesem Standpunkte ist ihnen der Besuch des Königs eines liberalen Englands beim Selbstherrscher eines reaktionären Rußlands   ebenso natürlich, wie den deutschen  Imperialisten der Besuch des Kaiser  « beim Sultan   unmittelbar nach den armenischen Metzeleien. Wir aber betrachten den Besuch als eine Tat der Untreue gegenüber den demokratischen Ueber- lieferungen. Wir kritisierten da? britisch  -russische   Abkommen und sagten, daß ein so einseitiger Vertrag nur erklärlich sei. tvenn das Auswärtige Amt das Ziel Hab«, durch asiatische Konzesstonen die Unterstützung Rußlands   in europäischen   Angelegenheiten zu er- halten. Die Staatsvisite bestätigt unsere Deutung. Das Ab- kommen war noch keine Entente, aber es bahnte den Weg zu einer intimen und allgemeinen Freundschaft. Die Visite ist das äußere Zeichen der Freundschaft." Die Arbeiterpartei aber wird gegen das Bündnis mit dem blutigen Zaren noch nachdrücklicher protestieren. Der Arbeiter- abgeordnete Gen. O'Grady hat folgende Interpellation an» gemeldet:«Angesichts der Tatsache, daß man von einer wirk. lichen Volksvertretung in Rußland   nicht reden kann, und daß 17 Mitglieder der ersten Duma, einschließlich ihres Präsidenten, ins Gefängnis geschickt wurden für Vergehen, die in unserem Lande zu den gewöhnlichen Begebenheiten des parlamen­tarischen Lebens gehören, frage ich im Namen der Arbeiter» Partei an: Wird die Regierung Schritte tun, um Staatsvisiten nach Rußland   zu entmutigen?" Die Interpellation wird wahr- scheinlich am Montag beantwortet werden. Die Presse veröffentlicht heute eine Resolution des Wahl- vereinS der Jndependent Labour Party von East Ham(London  -Ost). die sich gegen die KönigSreise mit folgenden Worten wendet: DaS englische Volk sowie alle zivilisierten Völker haben stets die Regierung bei Zaren als eine Infamie betrachtet. Wir behaupten, daß der König nicht die Gefühle des Landes in dieser Aegelegenheit vertritt; wenn er schon den Zaren besuchen will, soll er es privat tun. Wir fordern unsere Vertreter im Parlamente auf, jede finanzielle Aufwendung, die zu diesem Zwecke beantragt wird, etttschUden abzulehnen." Dämmarh. Eine Wahlreform. Kopenhagen  , 23. Mai. Im Folkething kündigte' Minister- Präsident Christensen an. daß be« Beginn der nächsten Session ein Gesetzentwurf eingebracht werden würde betreffend die A e n d e- rung der Wahlkreise, durch die die Zahl der Folkethings- Mitglieder von 114 auf 165 erhöht werden soll. Die Parlaments- session wurde darauf geschlossen. Rußland Gerichtsmorde. Petersburg, 24. Mai. DaS Militärgericht hat heute die Verhandlung in der Angelegenheit der elf Mitglieder der ampfesorganisation der Sozialrevolutionäre abgeschlossen, die eine Reihe terroristischer Akte, wie die Ermordung des Militärprokurators Pawlow, des Chefs der Hauptgefängnis- Verwaltung Maksimowski und des Chefs des Wiborger GesängmsseS Obersten Iwanow ausgeführt und eine Reihe anderer, aber ver-