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S, Mai©cmafcregeltcn anders geregelt werde. Redner kritisierte entschieden das Abkommen, das in diesem Punkte zwischen Parte,. vorstand und Gewerkschaften getroffen wurde, und erklärte eS für «ine Unmöglichkeit, datz bei etwa vorkommenden Maßregelungen die einzelnen Orte die nötigen Unterstützungssummen aufbringen könnten. Ein Unding sei es auch, daß die Unterstützung erst nach mehr alS zwölf Tage betragender Aussperrung in Kraft treten solle. Der Verband der Stukkateure müffe seine Delegierten beauftragen. auf dem Gewerkschaftskongreß entschieden dafür einzutreten, daß die Unterstützung von den Zentralvorständen der Gewerkschaften und vom Partcivorstand übernommen werde. Der jetzige Zustand bedeute nichts anderes als eine Einengung der Arbeitsruhe am Ü. Mai. Gegen derartige Bestrebungen müsse mit aller Entschieden- «jdt angekämpft werden. Ter Maifeier-Gedanke greife innerhalb der Arbeiterschaft immer mehr um sich, derartige Beschlüsse müßten aber hemmend wirken. Solange an der Maifeier festgehalten werde, könne von der Arbeitsruhe nicht abgegangen werden, sonst habe die Sache überhaupt keinen Zweck. W e n g e l s- Berlin kritisierte das Abkommen zwischen Partei- Vorstand und Gewerkschaften nach einer anderen Richtung. Er will die Frage weniger vom materiellen und mehr vom idealistischen Standpunkt aufgefaßt wissen. Der Kasienstandpunkt dürfe nicht zu sehr maßgebend sein, aber die Gewerkschaften hätten ihre Mit- glieder derart erzogen, daß sie keine Minute mehr feiern wollen. für die es keine Unterstützung gibt. Redoer verwies ferner auf die Frauenbewegung, die sich in den letzten Jahren in der erfreulichsten Weise entwickelt habe. Dabei habe sich die von der Genossin Zetkin herausgegebene Gleichheit" sehr verdient gemacht. Nun sei aber, wie der Genosse Umbreit auf der Generalversammlung des Textilarbeiter- Verbandes verraten habe, beabsichtigt, derGleichheit" auf dem Gewerkschaftskongreß ein anderes Frauenorgan unter dem Titel: Gewerkschaftsblatt für Arbeiterinnen" entgegenzustellen, weil die Leitung derGleichheit" mit der Generalkommission in ihren politischen Anschauungen nicht harmoniere. Es wäre unendlich zu bedauern, wenn es gelänge, auf dem Kongreß diesen Plan durch- zudrücken, denn bei dem projektierten Blatt dürfe man keine solche Leitung erwarten, wie sie bei derGleichheit" mit Freuden kon» statiert werden könne. Die Delegierten seien daher aufzufordern. auf dem Kongreß diesem Plan mit aller Schärfe cntgegenzutretest. Thi elbcrg-Hamburg bemerkte, die kritisierten Beschlüsse hätten nicht den Zweck gehabt, die Arbcitöruhe einzuschränken, son- dern seien durch die Rücksicht auf die Lage des WirtschaftSmarktcS diktiert. Unter den gegebenen Umständen seien sie als notwendig zu betrachten. Selbstverständlich müsse immer wieder erneut an die Prüfung der Verhältnisse herangetreten werden. Der Vertreter der Generalkommission Kube-Berlin erklärte, daß die Gencraltommission sich bisher mit dem Projekt der Heraus- gäbe einer neuen Frauenzeitung noch nicht befaßt habe. Wenn Umbreit derartige Mitteilungen gemacht habe, so habe er sich nicht auf Beschlüsse der Generalkommission gestützt, sondern auf Gespräche mit einzelnen Personen, und geglaubt, annehmen zu dürfen, daß die Sack« auf dem Kongreß zur Entscheidung kommen werde. Wenn ein solcher Antrag kommen soll, so setze das eine vor herige Durchberatung und Beschlußfassung durch die General kommission voraus, was nicht gcfchehen sei. Es sei nicht zu bc- fürchten, daß der Kongreß sich ernstlich mit dieser Frage befasse, andererseits müsse aber auch gesagt werden, daß der Standpunkt nicht richtig sei, es dürfe kein anderes Frauenblatt mehr geschaffen werden. Derartige Gründungen seien keine Konkurrenz- Unternehmungen, sondern nur eine notwendige Ergänzung des schon Bestehenden. Wenn die Frauenbewegung in der bisherigen EntWickelung fortfahre, so könne allerdings der Fall eintreten, daß die Frage der Gründung eines neuen Blattes aufgeworfen werde. Zur Frage der Maifeier übergehend, bemerkte Redner, Sitten feld und W engelS seien in einem sehr wichtigen Punkte weit auseinander gegangen. Jener beschwere sich, daß die Unterstützung nicht schon vom ersten Tage einer Aussperrung an in Kraft trete, während Wenzels der Ansicht sei, man solle die Sache nicht so sehr von der Unterstützungsfrage abhängig machen. Man sehe also schon hier, daß die Anschauungen sehr differieren. Wenn man die ganze Frage erledigen könnt«, ohne auf eine Unter- stützung zurückgreifen zu müssen, so wäre es bedeutend besser. Wäre die Vereinbarung mit dem Parteivorstand anders aus- gefallen, so wäre sie von der anderen Seite angefochten worden. Als Parteivorstand und Generalkommission miteinander vsr- handelten, erklärten beide Körperschaften, daß sie die Mittel zur Unterstützung nicht zur Verfügung haben. Bei einem solchen Zu- stand ist es verständlich, daß zuerst die Frage erwogen wurde: woher nehmen wir die Mittel? Und so kam man schließlich dazu, daß die Maifeier lokal geregelt werden solle, je nach Lage der Verhältnisse. Er glaube, daß, wie nun einmal die Dinge liegen, dies die aller- beste Lösung gewesen sei. Es könne doch niemandem daran liegen, daß infolge der Maifeier sich Dinge entwickeln, wodurch nicht nur die Allgemeinheit geschädigt wird, sondern auch der Gedanke der Maifeier Einbuße erleide. Wir haben geglaubt, wenn die Sache auf solche Weise gemacht werde, dann werde den örtlichen und zeit- lichen Bedürfnissen mehr Rechnung getragen, und das werde dem Maigcdanken mehr nützen, als eS bisher geschehen ist. Die Be- schlüsse gelten doch nicht für alle Zukunft; stellt sich heraus, daß es anders gemacht ivcrden kann, so läßt sich wieder darüber reden. Wenn die Gewerkschaften die Kosten für größere Maiaussperrungen übernehmen müßten, so würde das den wirtschaftlichen Kamps fchädigen, die Gewerkschaften könnten dazu gebracht werden, daß sie ihren eigentlichen Zweck nicht mehr zu erfüllen vermöchten. Das gleiche gilt für den Parteivorstand. Es handle sich für beide Körperschaften um einen neuen Zweck, für den keine Mittel vor- gesehen find, sie müßten daher auch anderweitig aufgebracht oder den örtlichen Organisationen überlassen'werden. Redner ist über- zeugt, daß bei gutem Willen in jedem einzelnen Ort auf Grund dieser Vorschläge die Maifeier entsprechend geregelt werden könne. Es sei doch kein erhebender Zustand, daß in großen Orten eine Gewerkschaft feiert, die andere nicht, daß bei der einen für Be- schlüsse über die Arbeitsruhe eine Vierfünftel- oder Zweidrittel- Mehrheit nötig sei, während anderwärts wieder durch einfach« Versammlungsbeschlüsse darüber entschieden wird usw. Wenn am Orte mehr im Sinne der Vereinbarung zwischen Parteivorstand und G.'neraliommission gewirkt würde, so würde das ein einheil licheres Bild der Maifeier ergeben und auch ihrem Ansehen nütz. licher sein. Damit ist die Tagesordnung vollständig erledigt. Der Vor. sitzende Odenthal bemerkt, es obliege nun noch dem Verbandstage die Pflicht, einen Akt der Pietät zu üben gegen die bei dem Ein- stürz der Görlitzer Musikhalle im Dienste des Kapitals ums Leben gekommenen Kollegen. Die Delegierten erheben sich zu Ehren der Toten von den Sitzen. Darauf resümiert Odenthal die Ergebnisse der Tagung. Der VerbandStag habe sich diesmal auf einer Höhe bewegt, wie sie seit langer Zeit nicht mehr zu verzeichnen gewesen fei. Er habe produktive Arbeit geleistet, in allererster Linie die Unterlagen ge- schaffen für die weitere EntWickelung der Organisation. Es sei über Fragen entschieden worden, von denen bei der Reise nach Nürnberg niemand glaubte, daß die Entscheidung so ausfallen würde, wie eS geschehen sei. Er sei überzeugt, daß die Gegner der Arbeitslosenunterstützung und der Beitragserhöhung nunmehr trvtzalledem nach ihrer Rückkehr in ihre Filialen die eifrigsten Be- fürworter werden. Wenn das geschehe, so sei kein Mitgliederverlust zu befürchten, vielmehr zu hoffen, daß der Verband bei seiner nächsten Tagung konstatieren kann, daß nicht 3S Proz. der Stukka­teure, sondern noch mehr der Organisation angehören. Nachdem er noch den Nürnberger Kollegen den Dank für die Aufnahme aus- gesprochen, schloß der Vorsitzende mit einem Hoch auf die gewerk- schaftliche Md dje sozialdemokratische Bewegung den VerbandStag. ll. Schmiede-Derblnidstag. Dresden . 25. Mai. Die Diskussion über die gcwerkschaftlichje Taktik wird fortgesetzt. Apenborn-Hagen bemängelt das Referat des Vorstandes über diesen wichtigen Punkt. Es habe darin gänzlich an belebenden Momenten gefehlt. Die AgitationSweise müsse für die Zukunft mit Rückficht auf den Metallarbcitcrverband eine andere werden. Seegert- Hamburg spricht ebenfalls über anzuwendende Mittel im Kampfe mit dem Metallarbeiterverband und wünscht mehr Rührigkeit des Zentralvorstandes. Somcreier- Berlin : Nach Ablehnung der Verschmelzung wird eine Situation platzgreifcn, die zu beachten ist. Redner be- leuchtet die Verhältnisse im Kleingewerbe, wo die Meister noch am rückständigsten sind. K a u l f u ß- Magdeburg hätte ein eingehendes Referat darüber gewünscht, was man zu tun gedenke, um der EntWickelung der gelben Gewerkschaften ein Halt zu bieten. Das gelbe Fieber schadet nicht nur den kleinen, sondern auch den großen Organisationen. Darauf nahm L a n g e- Hamburg das Schlußwort. Er wies die Angriffe zurück, die gegen ihn wegen des Referats erhoben worden find. Zum Schluß sprach er noch über Tarifabschlüsse und Lohnbewegungen. Es wurden schließlich zwei Resolutionen an- genommen, worin genaue Aufstellungen über Lohnbewegungen in den einzelnen Zahlstellen und eine genaue Statistik darüber ge fordert wird. Es folgt der Bericht von de» internationalen Kongressen. Hierüber referiert B a s n e r- Berlin. Er warf in großen Zügen einen Rückblick auf die Verhandlungen und hob die Not- wcndigkeit der Beschickung dieser Kongresse hervor. Hierzu lag ein Antrag Bremerhaven vor, den internationalen Metallarbeiterkongreß für die Zukunft nicht mehr zu beschicken; er wurde glatt abgelehnt. Der Punkt: Der nächste Gewerkschaftskongreß fand schnelle Erledigung. Den Bericht der Beschwerdekommission erstattete Päch Chemnitz. ES lagen einige Beschwerden vor, die ohne wesentliche Debatten erledigt wurden. Eine ausgedehnte Debatte entspann sich noch einmal bei Wahlen und Festsetzung der Gehälter. In der zum Teil scharfen Debatte wurde von einigen Rednern betont, daß eS notwendig sei, eine Aenderung im Vorstand ein- treten zu lassen. Es sei nicht alles getan worden, was im Interesse der Organisation notwendig gewesen wäre. Bei der darauffolgenden Wahl wurden wiedergewählt Lange- Hamburg als 1. Vorsitzender, Kamps- Hamburg als 2. Vorsitzender und Schreiber- Hamburg als 1. Kassierer. Wiechmann- Hamburg wurde als 2. Kassierer neugewählt. Ferner wurden wiedergewählt: S ch m i d t» Hamburg als Redakteur, B eh n k e- Hamburg als Geschäftsführer der Preß. kommission und B a S n e r- Berlin als Geschäftsführer des Aus- fchusscS. Es folgt die Festsetzung der Gehälter. Hierzu liegt folgender Antrag der Statutenberatungskommission vor: Das AnfangSgchalt der im Zcntralvorstand angestellten Beamten, einschließlich des Redakteurs, beträgt 2000 M., mit jährlicher Steigerung um SV M. bis zu einem Höchstgehalt von 2 4 00 M. Dasjenige der Gauleiter 1 90 0 M., mit einer Steigerung von 50 Mt. jährlich, bis zu einem Höchstgehalt von 2 30 0 M." Päch- Chemnitz schlägt vor. die Gauleiter den Vorstands- Mitgliedern im Gehalt gleichzustellen. Es wurde jedoch dem Antrage der Statutcnberatungskommission gemäß beschlossen. Ueber die Anstellungsbedingungen für Lokalbeamte entspann sich eine lebhaste Debatte. Sie wurden schließlich in der borge- schlagenen Form angenommen. Die sonstigen Verbandsangelegenheiten wurden schnell erledigt, da nichts Wesentliches vorlag. Es wurde beschlossen, den im Sommer tagenden VerbandStag deS Dänischen Schmiede und Mafchinenarbeiter-VerbandeS zu beschicken. Dazu wurde Lange- Hamburg bestimmt. Damit waren die Verhandlungen beendet. Hansen- Kopenhagen(Vertreter des Dänischen Schmiede- und Mafchinenarbeiter-VerbandeS) dankte für die ihm zuteil ge- wordene Gastfreundschaft und Kameradschaftlichkeit und freut sich, auch einen deutschen Vertreter auf dem dänischen VerbandStag begrüßen zu können. La n g e- Hamburg wirft einen Rückblick auf die Verhand- lungen und hofft, daß alle gefaßten Beschlüsse zum Segen der Organisation gereichen mögen. Ferner sprach er den Dresdener Kollegen für ihre Gastfreundschaft und für das, was sie den Kollegen geboten haben, den Dank aus. G u r e l- Dresden freut sich über die Dankesworte. Alle Bc- schlüsse mögen uns zu fernerer Arbeit anspornen, dann wird auch der Erfolg nicht ausbleiben. Wir können mit dem Bewußtsein unS trennen, ein gutes Stück Arbeit geleistet zu haben. Mit einem dreimaligen Hoch auf die Organisation wurde der VerbandStag geschlossen. dem Ausnahmezustände in Blut zu ersticken vuchstäblich und im Kerker zu ermorden. Aber wie Sie haben wir die Schrecken de? Ausnahmegesetzes überwunden und dringen immer weiter vor. (Beifall.) K r a t k y- Prag bespricht die Kämpfe und Erfolge der böhmischen Holzarbeiter, die ini Vorjahre in Prag trotz 34wöchent- licher Aussperrung die nelmslllndige Arbeitszeit errungen hätten. Auch im Kampfe mit den gelben Organisationen hätten sie schöne Erfolge, und bald werde hoffentlich der letzte deutsche Unternehmer sich den letzten Streikbrecher aus Böhmen geholt haben.(Beifall.) Leipart dankt den ausländischen Gästen und hebt den praktischen Wert der internationalen Solidarität der Arbeiter hervor. Er teilt sodann die Begrüßungsschreiben der Holzarbeiter- organisationen von Frankreich , Belgien , der Schweiz , Italien , Ungar» und Dänemark mit. Hierauf konstituiert sich der Kongreß endgültig. Ein Antrag Berlin und Spandau , auf die Tagesordnung die Stellungnahme zum General st reik zu setzen, wird nicht genügend unterstützt.(Beifall.) Zur Erledigung der laufenden Arbeiten wird eine Reihe von Kommissionen gewählt. Die Revisionskommission bilden Rob. Schmidt- Berlin als Vorsitzender des Ausschusses, Maß-Berlin, Meinminger- München, Werner- Frankfurt und Brechling-Dresdcn. Dit Beschwerdekommission wird gebildet aus Reihe-Berlin , feider-Liegnitz , Derbe-Haimover, Ahlemeyer-Bremen, Dammer-Ham- nrg, Sorg-Nürnberg und Hubcr- München . In die Statuten- kommission werden gewählt: Gericke-Leipzig , Leibold-DreSden , Raitz- München, Schmidt- Köln, Leopold- Berlin, Scholz- Breslau, Neuman- Hamburg , Schreck- Bielefeld, Gorgaß- Magdeburg. Der Statutenlommission werden alle genügend unterstützten Anträge überwiesen. Vorsitzender Leipart teilt mit, daß der Stettmer Polizei- Präsident sich nach längeren Verhandlungen bereit erklärt hat, die polizeiliche Ueberwachung zurückzuziehe«. Hieraus trat die Mittagspause ein._ 6end)t9-Zcltung. Hoch das allgemeine Wahlrecht! Genosse Abcndroth erhielt einen Strafbefehl wegen angeblich auf dem Friedhof der Märzgefallenen begangenen»groben Unfugs". In dem Strafbefehl wird ihm vorgeworfen, daß er sich am 22. März an einer Wahlrechtsdemonstration beteiligt, ferner an die Demonstranten die Worte gerichtet habe:Genossen, wir wollen der internationalen Sozialdemokratie und auf das gleiche Wahl- recht ein Hoch ausbringen", schließlich dem den Verkehr regelnden Polizeioffizier auf ein wiederholt ergangenes Verbot geantwortet habe:ich binge das Hoch doch aus, Sie können mir gar nichts", so daßdie Autorität deS Aufsichtsbeamten gefährdet wurde". Wegen dieser Taten war dem Genossen Abendroth eine Strafe von sage und schreibe vier Wochen Haft zugedacht. Selbstverständlich nahm der Genosse die Strafe nicht ruhig hin. Er legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein. In der münd- lichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte ergab sich am Sonnabend folgender Sachverhalt: Abendroth bestritt, ein Hoch ausgebracht zu haben. Er erklärte, er habe nur in der Unter- Haltung mit anderen Friedhofsbesuchern geäußert: Nieder mit der Dreiklassenschmach, hoch baS allgemeine Wahlrecht. Dem Leutnant habe er nur geantwortet, ihm brauche niemand den Mund zu ver- bieten, er wisse allein, was er zu tun und zu lassen habe. Polizeileutnant Arndt schilderte den kolossalen Andrang der Friedhofsbesucher: etwa 8000 Personen hätten noch am 22. März den Kirchhof besucht, und die Besucher hätten eine mehrere hundert Meter lange Kette gebildet. Auf dem Kirchhofe sei ein Hoch aus- gebracht worden, doch mußte der Zeuge auf Befragen des Ver­teidiger» Dr. Kurt Rosenfeld zugeben, daß er nicht genau wisse, ob die» der Angeklagte getan habe. Infolgedessen beschloß da» Gericht, nicht etwa den Angeklagten reizufprechen, sondern weitere Ermittelungen anzustellen. Vielleicht melden sich nun auch Zeugen, die die Darstellung des Genossen Abendroth bestätigen können, sll. Gtlitrlllversmmlvng des dtvtfchell Kolznrbeittrverbandes. Stettin . 25. Mai. Die VII. Generalversammlung des deutschen Holzarbeiter Verbandes trat heute in dem großen Saale des Stettiner Tiergarten zusammen. Verbandsvorsttzendcr Leipart» Stuttgart eröffnete den Kongreß, indem er zunächst die traurige Pflicht erfüllte, den im Laufe deS Vorjahres verstorbenen führenden Genossen Karl Kloß und A u g u st Bohne, dem Vorsitzenden und dem Hauptkassterer des Verbandes, sowie dem früheren RcichStagSabgeordneten Meist Worte dankbaren Gedenkens nachzurufen.' Die eigentlichen Beratungen begannen am Montagvormittag. Der VerbandStag ist polizeilich überwacht. Vor- sitzender Leipart teill mit. daß gegen diese gesetzlich unzulässige Maßregel ber den vorgesetzten Behörden Beschwerde erhoben sei. Leipart begrüßt sodann die ausländischen Gäste. W a l e p- Rotterdam feiert die Ueberwindung der anarchistischen Quertreibereien in den niederländischen Fachorganifationen und verspricht, daß die Holländer sich auch für weitere gewerkschaftliche Arbeit die großen deutschen Verbände zum Muster nehmen würden. W i d eg re n- Stockholm: Der Sprachenunterschied bildet für die Proletarier kein Hindernis, sich international zu verständigen. Wir sind eine kleine Organisation, aber unsere 14 000 Mitglieder sind 60 Proz. aller schwedischen Holzarbeiter. Wir sind bemüht, von Deutschland zu lernen. Nachdem wir 1907 die Meiseunterstützung eingeführt haben, werden wir jetzt auch die Arbeitslosenunterstützung zu organisieren versuchen. Denn auch wir leiden schwer unter dem Fluche der Arbeitslosigkeit. Richter» Wien : Wir in Oesterreich leben in einem Lande der Reaktion. Zusammengeheiratet. zllsammeiigeerbt. ziisammengestohlen ist miser Land, das nicht weniger als acht Nationen faßt. Da nimmt noch mancher Arbeiter dengroßen ideellen Kampf um die Nationalität" bitter ernst und vergißr ganz, daß ihm auch der nationale" Ausbeuter die Haut über die Ohren zieht. Gleichwohl find wir vorwärts gekommen und haben die Mitgliederzahl unseres Verbandes in den letzten fünf Jahren verachtfacht.(Bravo !) Jetzt, wo wir nach große« Schwierigkeiten und unter großen Opfern die politische Gleichberechtigung erkämpft haben, hoffen wir, auch in der Dachorganisation bald ein würdiges Glied in der internationalen rbeiterbewegung zu werden. Auch wir standen einst unter einem Ausnahmegesetz, wie Sie unter dem Sozialistengesetz. Auch bei uns suchte man die moderne Arbeiterbewegung unter Die Unfehlbarkeit de» Polizeigriffes wurde gestern von einem Gericht angezweifelt. Gewöhnlich gilt ie ja den Gerichten als über allem Zweifel erhaben, aber mitunter ind die Abirrungen der vorbeigreifenden Polizeifaust denn doch zu offensichtlich. Am 18. Mär, nachmittags, nach Schluß der De- »loustrationsversammlungen, batte in der Umgebung deS Gewerk- chaftShaufeS ein Schutzmann sich aus den Passanten einen Maurer Hermann Müller herauSgelangt, von dem er bemerkt zu haben ineinte, daß erPfui, Lumpen!" gerufen habe. Müller wurde daraufhin angeklagt, durch Beteiligung an einemlärmenden De- monstrationSzuge" groben Unfug verübt und durch jenen Ruf die Polizei beleidigt zu haben. Er hatte sich zu verantworten vor den Schöffen des Amtsgerichts Berlin-Mitte(137. Abteilung); als Ver- leidiger stand ibm Rechtsanwalt Dr. Heinemann zur Seite. Der Angeklagte erklärte, er sei unschuldig, und er habe das auch sofort dem Schutzmann gesagt. An jenem Tage sei er auf der Suche nach Arbeit gewesen, dabei sei er in der Michaelkirchstraße in einen Trupp von Personen hineingeraten, die vom Gewerkschaftshause her aus einer eben geschlossenen Versammlung kamen. Tort habe dann plötzlich ein Schutzmann ihn festgenommen. Daß Müller den RufPfui, Lumpen!" nicht ausgestoßen haben könne, wurde vor Gericht bestätigt durch einen Zeugen, der an der Sacke völlig unbeteiligt war, einen Kaufmann Frankel, der in dem Stadtteil geschäftlich zu tun gehabt hatte. Dieser Zeuge bekundete, auch er sei ohne sein Zutun in die Menschenmenge hineingeraten, genau so, wie alle anderen Passanten, die zu dieser Zeit durch die Michael» kirchstratze gingen. Als aus dem jenseitigen Trottoir Rufe laut wurden, habe dort die Polizei einen Mann arretiert, sodann ober sei ein Polizist über den Damm herübcrgelaufen gekommen und habe hier auch Müller arretiert, der zwei Schritte vor dem Zeugen ging. Zeuge hat nicht gehört, daß von Müller ein Ruf ausgestoßen worden wäre; er hätte aber, fügte er hinzu, es hören müssen, wenn Müller überhaupt gerufen hätte. Dem Zeugen Fränkel ist es übrigens nicht leicht gemacht worden, fein Zeugnis dem Arretierten zu sichern. Auf der Straße bot er es sofort an, doch schien der Schutzmann kein Ohr hierfür zu haben. Fr. folgte beiden zum Polizeibureau und wartete unten, bis der Schutzmann wieder herunterkam. Wieder bot er fein Zeugnis an, aber der Schutzmann fragte, für wen er Zeuge fein wolle und ließ ihn stehen. Fr. hat dann selber die nötigen Schritte getan, um dafür zu sorgen. daß Müller, der ihm im übrigen völlig fremd war, vor Gericht nicht ohne Zeugen dastand. Auch der Schutzmann» er heißt Hugo Mesa, mußte selbstverständlich in der Verhandlung seine Aussage machen, er wurde aber erst an zweiter Stelle vernommen und auch erst nach seiner Vernehmung vereidigt. Er behauptete, Müller habe gerufen; da? sei daran zu erkennen gewesen, daß er die Hand gehoben habe. Er selber habe Müller nicht gleich festnehmen können, er habe ihn aber im Auge behalten und ihn zwei Häuser weiter verhaftet. Als der Vorsitzende und schließlich auch der Staatsanwalt dem Zeugen vorhielt, bei so großer Entfernung sei doch' ein Irrtum möglich, entschloß sich der Zeuge, die Bestimmtheit seiner Aussage abzuschwächen. Die Darstellung, die der Angeklagte gab, wurde noch unterstützt durch den Zeugen Maurer Steinert, der neben ihm gegangen war. Auch er erklärte, daß er eS hätte hören müssen, wenn M. gerufen hätte. Nach dieser Beweis- aufnähme mußte der Staatsanwalt die Anklage in beiden Punkten fallen lassen. Anzunehmen fei, daß M. nicht am Zuge teilgenommen habe. Erwiesen sei nicht, daß er gerufen habe; der Schutzmann könne sich geirrt haben. Mithin müsse Freisprechung erfolgen. Das Gericht schloß sich diesen Erwägungen an und erkannte auf Freisprechung-