16. Die Stadtverordneten der Stadt Velbert(Rheinland) beschlossen auf Antrag des sozialdemokratischen Wahlvereins,den Zensus für die Wahlberechtigung zum Gemeinderatvon 960 auf 600 M. herabzusetzen. Gegen den Antragsträubten sich mit aller Macht die freisinnigen Stadtverordneten,mährend die Zentrumsfraltion des Stadtparlaments mitunseren Genossen stimmte.21. Nachdem in Dortmund die nationalliberalePartei eine Arbeiterkandidatur abgelehnt hat(siehe unterm 2. April),spricht der Kreisvorstand der evangelischen Arbeitervereine zu Dort-mund-Hörde in einer Resolution sein Bedauern darüber aus, das;die Nationalliberalen vor der Aufstellung der Kandidaten wederden Bor st and des rheinisch-westfälischen Ver-bandes noch den Kreisvorstand der evangelischenArbeiterverein« Dortmund-Hörde gefragt haben, ob dieevangelischen Arbeitervereine e.nen Kandidatin zu präsentiere»hatten— um so mehr, als die evangelischen Arbeitervereine nachden zwischen ihnen und der nationalliberalen Partei gepflogenenVerhandlungen bei der letzten R e i ch S t a g s w a h leine solche Anfrage hätten erwarten dürfen.Daraus geht hervor, dast die evangelischen Arbeiter bei derletzten Reichstagswahl den Nationalliberalen in Dortmund Wahl-Hilfe geleistet haben und daß jetzt die Nationalliberalen die aus-bedungene Gegenleistung, den Arbeiterkandidaten, versagen.Der Kreisvorstand der evangelischen Arbeitervereine erklärtnun, geeignete Arbeiterkandidaten nachweisenzu können.19. Der antisemitische hessische Landtagsabgeordnete OttoHirsche! wurde kürzlich von der Strafkammer in Gießen wegenUnterschlagung in sechs Fällen zu einer Gefängnisstrafe von fünfWochen verurteilt. Hirsche! hat sich dieser Unterschlagungen alsDirektor der landwirtschaftlichen Genossenschaft in Friedberg in Ober-Hessen schuldig gemacht. Der nationalliberale Reichstagsabgeordneteund hessische Kammerpräsident, Geheimer Rat Haas, sagte als Zeugeaus, dem Direktor Hirsche! hätten alle kaufmännischenKenntnisse, die für das Genossenschaftswesen unbedingt nötigHus der Partei.Sri der Mauer der Föderierte«.Paris. 24. Mai.(Eig. Ber.)Nach der Behauptung der radikalen Regierungspresse waren beiden Gemeinderatswahlen auch diefranzösischenSozialisten„niedergeritten" worden. Die heutige Manifestation auf demPöre Lachaise hat bewiesen, daß dem Pariser Proletariat nicht imgeringsten danach zumute ist. In den letzten Jahren war die Kund-gebung an der„Mauer" ein wenig ermattet. Man sah oft ebenso-viel Polizisten wie Demonstranten— von beiden immerhin einigeTausend. Aber diesmal waren wohl 30000 Männerund Frauen der Aufforderung der Seine-Föderation gc-folgt. Sämtliche Parteisektionen waren vertreten undman konnte erkennen, daß die Fühlung zwischen derOrganisation und der Masse weit besser geworden ist. Es wardurchaus die g e e i n i g t e s o z i a l i st i s ch e Partei, die— mitdem Recht der wahren Testamentsvollstreckerin der Kommune— derManifestation ihren Stempel aufprägte. Und so leuchtete dennstolze Begeisterung aus den Zügen der Genossen, als sie den end-losen Heerbann überblickten, der mit den entfalteten roten Partei-sahnen die Friedhosswege hinanstieg. Die alten Kampflieder, vorallem natürlich die„Internationale", ertönten immer wieder unddazwischen das rasch populär gewordene Lied des ChansonniersMontshus:„Gloire au Dix-Scptierne"(Heil dem siebzehntenRegiment), das die Soldaten von Narbonne preist, die nicht aufdas Boll schießen wollten. Hochrufe ertönten auf die alteKommune und aus die neue....Am Wege zur„Mauer", einige hundert Schritte von ihr, steht'das schlichte Grabdenkmal Potticrs. des Dichters der„Jnter-nationale", das heute.gleichfalls enthüllt worden ist. Auf der Grab-platte liegt, aus granewk Marmor(chmeißm, eist aufgeschlagenesBuch, das auf einer Seite die Widmung trägt:„Dem DichterEugene Pottier, Mitglied der Kommune 1816—1871—1887—seine Freunde und Bewunderer", auf der anderen die Titel dersechs bekanntesten Gedichte Pottiers. Das Denkmal der gefallenenKommunarden besteht in einer mächtigen schwarzen Marmorplatte,die in die„Mauer" eingelassen ist und in Goldbuchstaben die Worteträgt:«Den Toten der Kommune, 21.— 26. Mai 1871".Der Gipfel des FriedhofsbergeS, der sich von der blutgetränktenMauer hinanzieht, ist noch nicht„verbaut" und bietet so die Mög-lichkeit zur Massenversammlung. Der Anblick war gleichennaßenüberwältigend, ob man von der Mauer empor oder von der Höhehinab auf das riesige Amphitheater sah.Sektionsweise marschierten die Manifestanten an der Mauervorüber. Zahlreiche Kränze wurden dort befestigt, darunter auchder des deutschen Leseklubs. In einer kurzen Rede fewrte dortV a i l l a n t als Sprecher der Seineföderation die Kommune undihre fortlebenden Ideale. Außer ihm sprach noch der greiseDr. S u s i n i, ein Freund B l a n g u i s.Aus der Höhe sprachen eine Anzahl anderer alter Kommune-kämpfer, wie Dr. Goupil, Allemane— dieser als Delegierterder sozialistischen Fraktion, Elie May, ferner Renan del imNamen des Parteivorstandes u. a. Ein stürmischer Zwischenfallwurde durch den Einfall der„Unabhängigen" provoziert, auch einenSprecher vorzuschicken. Gegen diesen, den Gemeinderat Faillet,demonstrierte die Menge recht heftig, in verständlicher Empörungüber die Leute, die das kämpfende Proletariat preisgegeben haben,aber vom Ruhm seiner Toten mitzehren möchten.Sonst ist die machtvolle Kundgebung ruhig verlaufen. Vor denFriedhosstoren sahen die Polizeikommissäre sorgsam darauf, daß dieroten Fahnen rechtzeitig eingerollt wurden. Schade, daß man nichtden Sozialismus selbst von Polizei wegen einrollen kann.Genosse Lcßner zu L o n d o n, der verdiente Parteiveteran undehemaliges Mitglied des Generalrats der Internationale, der schonin den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Marx undEngels für die sozialistische Idee focht und mit ihnen das englischeExil aufsuchen mußte, ist, wie wir anS einer Londoner Mitteilungder«Schwäb. Tagwacht" mit tiefem Bedauern ersehen, von einemschweren Unglück betroffen worden. Zu seiner seit längerer Zeitsehr geschwächten Gesundheit hat sich ein Augenleiden gesellt, dasden vollständigen Verlust seines Augenlichts zur Folgehatte, so daß der bedauernswerte Genosse weder lesen noch schreibenkann. Mit unS werden alle deutschen Genossen fühlen, wenn wirwünschen, daß es der Kunst der Aerzte gelingen niöge, dem greisenKämpfer für seinen Lebensabend das Augenlicht wiederzugeben.sZollreilicstes, Oerichtiicbcs ufw.Strafkonto der Presse. Das Schöffengericht Sonnebergverurteilte drn Genossen v. Lojewski vom„ThüringerVolksfreund" zu Sonneberg wegen angeblicher Beleidigungdes Kaufmanns Schmidt in Neufang zu drei Wochen Ge-s ä n g n i s. Dieser Herr hatte den Genossen Reißhaus nachgesagt,daß er bei Abstimmungen im Reichstage jedesmal die Latrine auf-gesucht, überhaupt so gut wie nichts im Reichstage geleistet habe. Daswar im„Thüringer Volksfreund" glossiert worden.Dasselbe Gericht erklärte dem Genossen Wendemusthvom„Thüringer Volksfreund" der Beleidigung einesFabrikanten schuldig und diktierte ihm fünfzig Mark Geld-st r a f e zu.Genosse Kleefoot von ber„Pfalz. Post" in Ludwigs-Hafen wurde vom Pirmasenser Schöffengericht wegen Beleidigungdes Geschäftsführers des dortigen liberalen Medizinalvereins„Krankenhilfe", Zundel, des jungliberalen Agitators Müller und desRedakteurs Baisch von der„Pirmas. Zeitung" zu 30 M. Geld-strafe und den Kosten verurteilt. Der inkriminierte Artikel hattedie unsaubere Agitationsmanier der Pirmalenier Junaliberalenseien, gefehlt. Trotzdem man das vorher wußte, hatte manHirsche! mit einem fixen Jahresgehalt von 4000 Mark nebstSpesen angestellt.22. Der Parteitag der Freisinnigen Vereinigung zuFra nkfurt a. M. lehnt es ab, die Zustimmung seiner Ab-geordneten zum Sprachenparagraphen des Vereinsgesetzes zu miß-billigen. Infolgedessen treten Barth, v. Ger lach. Breit-scheid und noch eine kleine Anzahl aus der FreisinnigenVereinigung aus.22. Die konservative.Kreuzzeitung" schreibt:„Sollte im Block eines TageS die Rücksicht auf die Stimmen derArbcitcrmnssen den Ausschlag geben, dann würden die Konservativenihm den Rücken kehren müssen."22. Die liberale„Posener Ztg." schreibt:„Freilich ist esein schönes Ideal, daß das allgemeine, gleiche Wahlrechtzugleich das beste, das dem Lande dienlichste ist.... Aber leiderist Preußen für dieses Ideal noch nicht reif... Hätten wir„gerecht" eingeteilte Wahlkreise, so hätten wir ein Ueber-wiegen der Sozialdemokratie... Nein, mit dem Reichstagswahl-recht komme man uns nicht! Es ist nur scheinbar gut, weil es inder Wahlk>reiSeinteilung ein Gegengewicht gegenfeine Mängel besitzt."22. Auf dem Parteitage derFreisinnigenVereinigungwird die Resolution Mommsen betreffend die Reichsfinanzen zurück-gezogen und durch eine Resolution ersetzt, die„in e r st e rLinie" die ausreichende Heranziehung der leistungsfähigen Klassenfordert.23. Für die Provinz Westfalen ist ein Wahlkompromiß zwischender Freisinnigen Volkspartei und der Nationalliberalen Partei ge-schlössen worden.23. Den evangelischen Arbeitervereinen zu Dortmund er-widert, auf ihr Verlangen nach Arbeiterkandidaturen zum preußischenLandtag, die nationalliberale„Dortmunder Zeitung": Dieevangelischen Arbeitervereine seien gar nicht politisch, mithinauch nicht in der Lage, offiziell von einer bestimmten Partei dieAufstellung von bestimmten Kandidaten zu verlangen. Durch Er-gekennzeichnet und war durch die verlogene Behauptung MüllerSveranlaßt worden, unser Genosse Keidel- Pirmasens beziehe alsVorstand deS Medizinalverbandes 2000 M. Gehalt. Die Unwahrheitdieser Behauptung wurde bei diesem Anlaß gerichtlich festgestellt.Hus Industrie und fjandeLEin interessanter Geschäftsbericht.Der Geschäftsbericht des Steinkohlenbergwerks„Graf Bismarck"enthält folgende Angaben:Der Kohlenabsatz blieb in 1907 mit 1 423 450 Tonnen um326 250 Tonnen gegen die Beteiligungsziffer beim Kohlenshndikat,die sich wie in 1906 auf 1 754 700 Tonnen stellte, zurück. Im Vor-jähre hatte der Kohlenabsatz 1 464 835 Tonnen betragen. Was dieZahlungen an das Kohlensyndikat angeht, so betrug die Umlage desSyndikats im Betriebsjahre 7 Proz. gegen 6�/z Proz. in den erstendrei Monaten, 6 Proz. im zweiten und dritten Vierteljahr und7 Proz. im letzten Vierteljahr 1906. Der Beitrag der Gewerkschaftzum Kohlensyndikat bezifferte sich demnach in 1907 auf 1182 159 M.gegen 1007 218 M. in 1906 oder auf 0,83 M. pro Tonne gegen0,69 M. Abzüglich dieses Beitrages stellte sich der Ueberschuß ausdem Kohlenbetrieb auf 5 917 034 M.(5 761 891).Also, obwohl der Kohlenabsatz um 36 435 Tonnen zurückgingund die Abgabe an das Syndikat um 74 941 M. stieg, hob sichder Ueberschuß noch um 155 193 M. Und trotzdem wird immer nochbehauptet, Lohnsteigerungen hätten die Preiserhöhungen notwendiggemacht und diese bleiben hinter jenen noch zurück.Preispolitik der gemischte» Werke. Während die inländischenWerke für deutsche Platkneu 104 M. bezahlen mußten, ist dieselbeWare in letzter Zeit auf Glasgow oder Liverpool zu 80 M. undbilliger abgegeben worden. Stabeisen ist zu 97,50 auf den Marktgebracht worden, die reinen Werke aber müssen für Halbzeug bis94 M. zahlen. Da kann von rentabler Produktion natürlich keineRede fein. In der„Rh. Westf. Ztg." wird das Schreiben des Be-sitzers eines kleinen Werkes veröffentlicht, in dem der Schreiber mit-teilt, daß er einen Versuch mit ausländischen Halbzeug gemacht hatund gut dabei gefahren ist. Er schreibt u. a.:„Die Preisfrage stelltsich entschieden"zugunsten des ausländischem Materials(in diesemFalle aus Belgien). Ich nehme an, daßßder Händler.�von welchem ichdas Material bezogen habe, einen gleichen Aufschlag auf die Hütten«preise beansprucht wie die Vertreter des Stahlwerksverbandes aufdie Verbandsprcise, dann stellen sich die Halbzeugpreise frei Stationim Jndustriebezirk, bei 25 M. für die Tonne Fracht und Zoll: beiFlußeisen-Halbzeug um zirka 20 Proz. niedriger, bei härteren Stahl-knüppeln um zirka 25 Proz. niedriger als heutige Verbandspreise,auf letztere bezogen I"Bodcnwncher. DaS Rittergut Raudten-Burglehn, mit 403 HektarFlächeninhalt und einem Grundsteuerreinertrag von 4650 M., ist für375 000 M. verkauft worden. Vor 45 Jahren betrug der Erwerbs-preis, bei einem gleichen Neinertrage, nur 135 000 M. Der Wert-zuwackiS stellt sich mithin auf 240000 M. oder durchschnittlich5444 M. pro Jahr.Ein Verband der deutschen Papiergrossiste». Nach einem BerichteanS Leipzig sind Bestrebungen im Gange, einen Verband der Papier-großhäudler ins Leben zu rufen. Eine Zusammenkunft der Interessentenist für die nächste Zeit in Berlin vorgesehen.Güterverkehr auf den Wasserstraßen. In der Periode von 1875bis 1905 ist der Güterverkehr auf den deutschen Binnenwasserstraßenvon 2900 Millionen Tonnenkilometer auf 15 000 Millionen Tonnen-kiloiueter gestiegen. Bei unveränderter Länge der Wasserstraßen istder Anteil dieser an dem Gesamtgiitcrverkehr Deutschlands von 21auf 25 Prozent gestiegen, dagegen ist der Anteil der Eisenbahnen,obwohl deren Länge um 100 Prozent zugenommen hat, von 79 auf75 Prozent gesunken._Soziale9«Vom Arbeitsnachweis der Schmiedeinnung.Der Vorstand der hiesigen Schmiedeinnung scheint sich durchausnicht gewöhnen zu können, dem Gescllenausschutz der Innung diediesem zukommenden Rechte zu gewähren. Man scheint der Ansichtzu sein, daß die Vertreter der Gesellen einfach nach der Pfeifedes Jnnungsvorstandes zu tanzen haben. So ist seit längerer Zeitein Streit um den Arbeitsnachweis bezw. um die Arbeitsnachweis-ordnung der Innung zwischen Vorstand und Gesellenausschuß ent-brannt. Die Arbeitsnachweisordnung war zunächst von der Innungeigenmächtig erlassen worden, ohne den Gescllenausschutz darüberzu hören; sie konnte deshalb von der Gewerbedeputation des Ma»gistrats als zu Recht bestehend nicht anerkannt und mutzte demGesellenausschuß vorgelegt werden. Dieser verweigerte seine Zu-stimmung, weil u. a. eine Zeitbestimmung darüber, wann die Aus-gäbe der Adressen an arbeitsuchende Gesellen zu ersolgen hat, in derArbeitsnachweisordnung nicht enthalten war, und ferner die Be-Nutzung des Arbeitsnachweises auch NichtMitgliedern der Innunggestattet werden sollte.Die Gewerbedeputation stellte sich in Erledigung dieser Streit»frage auf feiten des GesellenauSschusseS. Der Innung wurde auf.gegeben, die Zeit der Adressenausgabe in der Arbeitsnachweis-ordnung genau anzugeben und nur Mitgliedern der Innung Ge-scllen zuzuschicken.Hierauf beschloß die Innung, die Adressenausgabe von 8 bis12 Uhr vormittags und von 6 bis 9 Uhr abends im Herbergslokalvon dem Herbergswirt erfolgen und den Arbeitsnachweis auch anden Sonntagen funktionieren zu lassen. Zu diesen Bestimmungenvertpeiaerte der EelellenausÄuk seine ZuMimuna. Die Ab-fiillung eines solchen Verlangen? würde die nationalliberale Partei„ihren liberalen Standpunkt verlassen und die Gefühle Anders-gläubiger verletzen".27. Der Breslauer Freisinn hat es abgelehnt, von dendortigen drei Landtagsmandaten eines an die Sozialdemokratie ab-zutreten und dafür die beiden anderen Mandate für sich zu nehmen.Genau so war die Situation 1903. Damals gehörten von den1541 Wahlmännern den Konservativen und dem Zentrum 750, demFreisinn 560 und der Sozialdemokratie 220 an. Der Freisinn hattees in der Hand, der Reaktion den Sieg vorzuenthalten, wenn erunseren Genossen ein Mandat überlassen hätte. Statt dessen muteteman unseren Parteigenossen zu. ohne jede Gegenleistung für dieKandidaten_ des Freisinns einzutreten! Mit Recht lehnten unsereGenossen dieses unverfrorene Ansinnen ab, und Breslau entsandteeinen Zentrümler und zwei Konservative in denLandtag. Diesmal wird die Situation ohne Zweifel ähnlich!27. Der Ausschuß des Gesamtverbandes der christlichenGewerkschaften hat eine Resolution zum Fall Behrensangenommen. Darin ist der Ausschuß zu der Ueberzeugung gelangt.„daß der Abgeordnete Behrens bei seiner Abstimmung zum Vereins-gesetz die ehrliche Absicht verfolgte, der gesamten Gewerkschafts-bewegung zu nutzen... Der Ausschuß kann deshalb in der Haltungdes Abg. Behrens eine prinzipielle Zustimmung zum§ 7(12) nichterblicken... Zwar mißbilligt der Ausschuß die„taktische Haltung"des Abg. Behrens, aber er sieht in diesem Einzelvorkommnis keinenGrund, dem Kollegen Behrens das Vertraue» zu entziehen".30. Die Schuhfabrik von Krause zu Berlin am Weinbergs-weg 2 wird aus Anlaß eines Streiks vom Hirsch-DunckerschenGewcrkverciu mit Streikbrechern versorgt, und zwar durch Inserat inder angeblich demokratischen Berliner„Volkszeitung'.Taten der Polizei.21. Der sozialdemokratische Frauenwahlvereinzu Berlin wird von dem neuen Polizeipräsidenten Stuben-rauch verboten, während ein liberaler politischer Frauenvereinbestehen bleiben darf.lchnung wurde damit motiviert, daß eine täglich zweistündigeAdressenausgabe, etwa von 3 bis 5 Uhr nachmittags, vollauf genüge,da es sich in Zeiten des besten Geschäftsganges höchstens um20 Stellenvermittelungen täglich handele. Man könne den arbeits-losen Gesellen nicht zumuten, zugunsten deS HerbergSwirteS vor-und nachmittags dessen Kneipe zu besuchen. Die Arbeitsvermitte-lung an den Sonntagen sei überhaupt zu verwerfemDie Arbeitsnachweisordnung enthielt serner die famose Be-stimmung, daß Gesellen, denen Arbeit nachgewiesen worden sei,wenn sie in die ihnen nachgewiesene Stelle nicht eintreten, auf6 Tage von der Benutzung des JnnungSarbeitsnachweises aus-geschlossen werden sollen.— Für Meister, die einen ihnen zu-geschickten Gesellen nicht einstellen, bestand eine solche Straf-bestimmung nicht.— Selbstverständlich gab der Gesellenausschutzauch der festgesetzten Strafbestimmung seine Zustimmung nicht.Jetzt wandte sich der Vorstand der Innung abermals an dieGewerbedeputation des Magistrats mit dem Antrage, ihrerseitsdie vom Gesellenausschutz verweigerte Zustimmung zu den strittigenBestimmungen der Ärbeitsnachweisordnung zu ergänzen, d. h. sichdamit einverstanden zu erklären, daß die vom Gesellenausschutzangefochtenen Bestimmungen ohne dessen Zustimmung in Krafttreten sollen.Die Gewerbedeputation hat in ihrer letzten Sitzung beschlossen,den Antrag des Jnnungsvorstandes abzulehnen. Die Straf-bestimmung für die Gesellen— eventuell auch eine solche für dieMeister—, ebenso die Arbeitsvermittelung an den Sonntagenwurden für überflüssig und die zweistündig« tägliche Adressen-ausgab« an den Wochentagen für durchaus genügend erachtet.Zur Lage ber Saliuenarbeiter.Die beiden badischen Salinen zu Dürrheim und Rappenauerfahren eine Kritik durch die Schilderung der Arbeiterverhält-nisse, wie sie recht behutsam in einer Petition ihrer Arbeiter andie Kammer ausgesprochen ist. Die Tagelöhne beginnen mit 2,50Mark und erreichten bisher ehre Höhe von 3,33 M. in wenigensechs Fällen; etwaige bessere Entlohnungen dieser im Handwerkausgebildeten Leute sind außerordentliche Seltenheiten. Im Win-ter geschehen trotz der gleichen Produktionsmengen und»Zeitennoch Abzüge. Die Akkordarbeit herrscht in den Siedhäusern, inwelchen das Ausziehen des Salzes aus den kochenden Pfannen vonden nur mit einer Hose bekleideten Arbeitern� unter fortwährendtriefendem Schweiße vorgenommen wird. Dann geschieht dosTragen des Salzes aus der Trockenbahn nach den Magazinen mit-tcls der sogenannten Kötzen(auf dem Rücken befestigte Tragkörbe),die eine Last von 170 bis 200 Pfund aufnehmen. Den Arbeiternist es versagt, die Leistung ihrer Akkordarbeit selber festzustellenoder die Grundlage der behördlichen Berechnung zu kontrollieren!Es ist unmöglich, die Salzproduktion der einzelnen Pfannen oderder einzelnen Akkordpartie auch nur annähernd festzusetzen; manbedient sich deS KohlenverbrauchS als Maßstab der Berechnung.Monate dauert eS zuweilen, bis beim Abgang bezw. bei der Ber-Packung des gelagerten Salzes den Arbeitern ihr Verdienst aus-bezahlt wird, dessen Berechnung der Obersieder(Magazinier) be-züglich der Produktionsmenge und-Güte feststellt, ohne daß drnArbeitern eine Mitwirkung oder Kontrolle gewährt ist. In denseit kurzer Zeit bestehenden Arbciterausschüssen wird es denSalinenleuten unmöglich gemacht, die auf eine Verbesserung ihrerVerhältnisse gerichteten Anträge zu stellen. Darum erbitten siesich von den Landständen ein geordnetes Lohnshstem, einen im Alterzu beziehenden„Ehrensold für treue Arbeit", ein Initiativrechtin den Ausschüssen und den unter Fortgewährung des Lohnes mitden Dienstjahren steigenden Erholungsurlaub.Wie kommt eS. daß solche Arbeitcrverhältnisse in einem Staats-betriebe des„liberalen" Landes noch bestehen? Weil die Arbeiterbisher nicht organisiert, also zur Geltendmachung ihrer Ansprüchenicht ermutigt waren. In den beiden letzten Jahren traten dieSalinisten nahezu vollständig dem Badischen Eisenbahnrrvcr-band bei.Versammlungsräume für GutSarveiter.'„Die Erkenntnis nimmt zu, daß die tiefen Wurzeln der Land-flucht in den Bedürfnissen des Gemüts- und Geisteslebens mit-begründet sind, die durch die wachsende Kultur des deutschen Volkesunmerklich auch in dem Landvolk geweckt sind, aber vielfach nochnicht die geeigneten Befriedigungsmittel gefunden haben."Dies schreibt die„Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft", welchein der Beschaffung von Versammlungsräumen für die Landarbeitereines der Mittel sieht, dieselben ans Land zu fesseln. Es werdenauch einige Fälle mitgeteilt, wo Gutsbesitzer schon Versammlungs-räume gebaut oder eingerichtet haben. Ein„Gutsbesitzer aus Ost-Preußen" schreibt, daß er bereits vor fünf Jahren ein„Gemeinde-Haus" errichtet, in welchem sich außer Küche, Kleiderablage undsonstigen Nebenräumen ein heizbarer Saal von 50 Quadratmeterbefindet.„Das Haus kostet genau gerechnet 1350 M.; ich möchte esjetzt ungern missen, ich habe doch bemerkt, daß es den Leuten sehrangenehm ist, und finde, daß die Kosten reichlich durch die Annehm-lichkeit aufgewogen werden." Eine„Begüterung in Hinter-pommern" hat eine Scheune zu einem Versammlungsraum her-gerichtet. Die Scheune ist gedielt und mit elektrischem Licht ver-sehen.— Ein„schlesischer Besitzer" schreibt, er hätte jeden Sonn-abend seine sämtlichen Arbeiter ins Verwalterhaus geladen und sieals seine Gaste bewirtet.— Auf einem Gute in der Neumark hatder Besitzer mit einem Kostenaufwand von 3500 M. ein Versamm-lungshaus gebaut, welches außer den Nebenräumen einen Saalvon 100 Quadratmetern enthält.Man kann es freudig begrüßen, wenn die Gutsbesitzer Sälebauen. Unseren Genossen in der Provinz wird die Agitation sehrerschwert, weil sie keine Säle bekommen. Wenn nun für die Land-arbeiter Versammlungsräume gebaut werden, müssen sie diese aberauch frei benutzen können. Sollte dies nicht der Fall sein, so wirdauch dielLK. Mittel die Arbeiten nickt auk dem Lande