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»In linkslibekalen Zeitungen und Wahlversammlungen wird jetzt mit Vorliebe der Gedanke einer eventuellen Erhöhung der königlichen Zivilliste den Lesern und Wählern als Schreckgespenst vor Augen gestellt und die Forderung vertreten, nur solche Kan- didatcn zu wählen, die gegen solche Erhöhung stimmen würden. Demgegenüber sei folgendes festgestellt: Als im Reichstage im Frühjahr unverbindlich seitens der Regierung die Frage an- geschnitten wurde, wie der Reichstag sich zu einer Reichsapanage für den Kaiser stellen würde, wurde auf feiten der Nationalliberalen und der Freisinnigen nur ein geringer Widerspruch gegen einen solchen Plan erhoben, während die übrigen Parteien Bedenken äutzerten und einem solchen Plane erst nähertreten wollten, wenn die Finanz- reformfrage glücklich und ausreichend gelöst würde. Die Libe- ralen meinten, es verstohe wohl nicht gegen libe- rale Grundsätze, wenn sie vom Reiche verlangten, für den Kaiser des Reiches finanzielle Verpflichtungen einzugehen, es sei sogar unbillig, die ganze Last einem einzigen Bundesstaate sPreusten) aufzubürden. Sie erblickten in einer Reichsapanage sogar eine wünschenswerte Festigung des Reichs- gedankens. Vorgeschlagen wurde damals von liberaler Seite, die preußische Apanage nicht zu erhöhen, dagegen eine Repräsentationszulage von SMillionen Mark dem Kaiser vom Reiche aus zu gewähren, von der Preußen ohnehin einen großen Teil tragen müsse, da diese Zulage durch Matrikularbeiträge oder eine ähnliche Beisteuerart aufgebracht werden müsse." Immer auf eigenen Profit bedacht. AIS die Polen -Enteignungsvorlage im preußischen Abgeordneten- Hause zur Beratung stand, traten eine Reihe Großgrundbesitzer aus dem Osten pathetisch für die Vorlage ein unter Berufung auf das Interesse des preußischen Vaterlandes. Wie eS um diese Begründung ihres Verhaltens bestellt ist, zeigt ein von den»Posener Nachrichten" veröffentlichtes Schreiben der AnsiedelungSkommisfion, in welchem die in der Presse erschienene Mitteilung zurückgewiesen wird, daß in Westprenßen Bestrebungen im Gange seien, die neue Anfiedelungskommisfion dafür zu benutzen, neueFideikommisse zu schaffen. Dagegen liegen der AnsiedelungSkommission allerdings zahlreiche Anträge auf Regulierung größerer Güter nach Maßgabe des Gesetzes vom 20. März 1S08, zur Regelung der Schuldverhältnis'se der Besitzer und die Umwand- lung der Güter in Rentengüter im Interesse und zur Sicherung des deutschen Besitz st andeS vor, zu welchen die AnsiedelungSkommission Stellung nehmen wird, sobald die LuSführungSbestimmungen zu dem Gesetz erlassen worden find. Der eigene Profit war also auch in diesem Falle wieder das »vaterländische" Motiv der Agrarkonservativen. Wie gewöhnlich haben fie den eigenen Nutzen mit dem deS teuren Vaterlandes ver- wechselt._ Dasfreiheitliche" Vereinsgesetz. Einen niedlichen Reinfall hat sich dieser Tage der Leiter tiner wationalliberalen Landtagswählerversammlung in Kreuznach zugezogen. In seiner Eröffnungsansprache sagte der Vorsitzende, Dr. Kühler, nach dem Bericht deS national. liberalen»Oeffentlichen Anzeigers für den KreiS Kreuznach " wörtlich: »Wenn das neue VercinSgesetz, unter dem wir heute zum ersten. mal tagen, freiheitlich gestaltet wurde, so ist das mit ein wesentliches Verdienst unserer Partei. Ent- sprechend seinen Bestimmungen richte ich an etwa anwesende Personen unter achtzehn Jahren die Aufforderung, den Saal zu verlassen...." Aerger hat sich wohl noch nie ein nationalliberalcr Phrasen- drcscher selber geohrfeigt. ,,__ Berlin in Preufien voran! Die preußische Hof» und Rangordnung scheint auch in Berlin Schule zu machen. Zu der zu Pfingsten in Dortmund stattfindenden Lehrerversammlung hat der Magistrat einen Schulinspektor, einen Rektor, einen Lehrer und eine Lehrerin als Delegierte entsandt. An TageSgeldern erhalten die beiden letzteren je L M.; der Rektor aber, denn Ordnung muß sein, 12 M. WaS der Schulinspektor erhält, entzieht sich unserer Kenntnis. Es ist aber wohl anzunehmen, daß er als ganz gewöhnlicher Schulinspcktor?0 M., als Titular- Schulrat oder wohl gar als Rat 4. Klasse, denn diese seltsame Menschenspezies lebt auch in Preußen, 25 80 M. erhält. Der Berliner Lehrerverein zahlt seinen Delegierten täglich 10 M. und fühlt sich deshalb moralisch verpflichtet, den Stadtdclcgicrten, die seiner Organisation angehören, das Fehlende zu ersetzen, damit sie wenigstens nicht schlechter als die VereinSdelcgierten gestellt sind. Vielleicht schneiden die Stadtverordneten dem Magistrat diesen alten Zopf einmal ab.______ Herr Bartling und dieNational-Zeitung". Der nationalliberale Abgeordnete Kommerzienrat Bartling, der jetzige Besitzer der.National-Zeitung", bestätigt in einer Zu- schrift an sein Blatt, daß die.National-Zeitung" mit der.Post" fusioniert werden soll. In der langatmigen Erklärung heißt es: »Daß von der beabsichtigten Fusion der politische Teil der .National-Zeitung" nichl berührt wird, vielmehr nur der nicht- politische Teil Hof- und GesellschaflSnachrichten. Ernennungen, Vermischtes, Lokales, Sport, Handelstcil usw. Daß der politnche Teil dcc.Natwnal-Zeitung" auch in Zukunft, und wie bisher, selbständig von liberalen Redaklenrcn und einem liberalen, selbständigen Ehefredakleur geleitet wird, und daß deren Anstellung genau wie seither von mir allein erfolgt. Daß die.Post" ihre eigenen politischen Redakteure behält und diese und deren Chef- redakteur nicht den geringsten Einfluß auf Hen politischen Teil der National-Zeitung" und deren politische Redakteur« erhält, und daß der Chefredakteur derPost" auch nicht Geschäftsführer der National-Zeitung" wird, als solcher vielmehr ein nationalliberaler Herr bereits vorgesehen ist. Daß ich für das. für die Erhaltung der.National-Zeitung" seither aufgewandte Kapital, soweit dieses nicht durch die Druckerei der Zeitung gedeckt ist letwa ein Drittel). nicht nur keine Zinsen erhalte, sondern mich im Gegenteil bereit er- klärt habe, auch in Zukunft weitere Opser zu bringen, um die. National- Zeitung" der Partei zu erhalten. Daß die Fusion ausschließlich und allein deshalb beabsichtigt ist. weil durch die gemeinsame Herstellung des nicht politischen Teiles an Redaktion«- und Satz. kosten große Summen gespart werden und die Zuschlisse für die .National-Zeitung" dadurch auf ein erträgliches Maß herab- gemindert, wenn nicht überhaupt beseitigt werden können." Herr Bartling sollte selbst Chefredakteur der.National-Ztg." «erden; die nötige Fähigkeit des schriftlichen Ausdrucks besitzt er dazu wie obige Stilprobe beweist. Börsentermingeschliste. In der heutigen Sitzung des Bundesrats wurde den Entwürfen der auf Grund des neuen Börsengesetzes zu erlassenden Bekannt- machuiigni betreffend die Zulassung von Böcsentermingelchäft-n in Anteilen von Bergwerks- und Fabrikunternehinungen' und betreffend den börsenmäßigen Zeithandel in Getreide und Mehl alt der Produktenbörse in Berlin die Zustimmung erteilt. Der Feldzug gegen denHochverräter". Es bestätigt sich, daß der Generalstaatsanwalt zu Berlin gegen das freisprechende Urteil, das das Ehrengericht der An- w a l t s k a m m e r für die Mark Brandenburg im Verfahren wider den Genossen Dr. Karl Liebknecht gefällt hat, Berufung an den Ehrengerichtshof der deutschen Anwaltschaft in Leipzig eingelegt hat. Bei dieser Gelegenheit wollen wir bemerken, daß die VerHand- lung der ersten Instanz nicht öffentlich war und daß der auch von uns am 1. April veröffentlichte Bericht die Vorgänge zum Teil unrichtig dargestellt hat. Vor allem sind die Ausführungen des Genossen Liebknecht selbst und die Urteilsgründe durchaus unrichtig wiedergegeben._ Die Schuppcnkette vor Gericht. 8. u. H. Greifswald, 27. Mai. Der seltene Fall, daß eine Dame wegen Beleidigung durch die Presse auf der Anklagebank Platz nehmen mußte, ereignete sich vor der hiesigen Strafkammer. Es handelte sich um die bekannte Schnppenkette, die der frühere Leutnant und jetzige Universitätsprofessor v. Wcnckstcrn bei Gelegenheit der Einweihung des Hardenberg-Denkmals auf dem Dönhoffplatze in Berlin angelegt hatte. Wie erinnerlich hatte Professor v. W e n ck- stern, welcher die Festrede bei der Einweihung hielt, zur Per- wunderung weiter Kreise Offiziersuniform angelegt und erschien mit Helm, die Schnppenkette unterm Kinn. Der Vorgang wurde in der Presse vielfach glossiert und auch in dem in Greifswald und Swinemünde erscheinenden liberalenTage- blatt für Vorpommern" wurde eine Darstellung des Falles veröffentlicht, die demBerliner Tageblatt" entnommen war. Hieran war eine kurze Betrachtung geknüpft, in der es hieß, daß sich ja auch in den Stand der Universitätsprofessoren leider einige Streber eingeschlichen hätten. Hierdurch fühlte sich Herr v. Wenckstern beleidigt und stellte gegen Iran Hedwig Koch geb. Becker, die in Vertretung ihres Mannes, des Dr. A. Koch-Hesse, das genannte Blatt redigierte, Strafantrag wegen Beleidigung und übler Nachrede. In der Verhandlung bestritt die Prehsünderin. die vom Fach nicht Schriftstellerin, sondern bildende Künstlerin ist, mit Entschiedenheit, daß mit dem WorteStreber" der. Professor v. Wenckstern getroffen werden sollte. Professor v. Wenckstern sei zu der Zeit, als der Artikel erschien, bereits nach Breslau versetzt gewesen und habe deshalb gar kein Interesse für ihn vorgelegen. Durch ihren Verteidiger, Rechtsanwalt Starz, ließ die An- geklagte dem Gericht den Wahrheitsbeweis anbieten, daß, falls das Gericht annehmen würde, der AusdruckStreber" sei auf Herrn v. Wenckstern gemünzt, sie beweisen wolle, daß Professor v. Wenck- stern ein Streber sei. Als Zeugen hierfür benannte sie den Reichs- tagsabgeordneten Dr. D o h r n. Dieser werde bekunden, daß Pro- fessor v. Wenckstern seine Stellung wegen Ueberschuldung als Es«»ß sich durchführe» lassen, daß, wen» nicht ein ganz besonderer Arbeitrrmangel besteht, auch die sozial- demokratisch organisierten Bauarbeiter über deren Zu- geHörigkeit zu dem Hamburger Verbände sich leicht Ermitte- lungeu anstellen lassen als Saisonarbeiter in den Staatssorstbetrieben nicht beschästigt werden. (Abg. v. Aruim-Znsedom(kons.) am 13. 2. 07.) # ES ist eine unerträgliche Tyrannei, daß die ge- bildete nnd besitzende Klasse der Mehrzahl her Besitzlosen preisgegeben werden soll. ES ist ein üo�ragsicher Zu- stand des die gesetzgch�. Gewalt ihrem, Schwerpunkt nach in die Hände gegeben werden soll, welche nicht geelgnet sind, das Wohl des Vaterlandes zn fördern. (Der konservative Führer Stahl zur Rechtfertigung des Verfasiungsbruches.) aktiver Offizier hätte aufgeben müssen und dann radikale politische Anschauungen vertreten habe. Hierdurch habe er die Unterstützung deS Herrn Dr. D o h r n gefunden, der ihm die Mittel zum akademischen Studium gegeben und dessen Empfehlung er seine wettere Karriere verdanke. Als v. Wenckstern durch eigenes Verschulden die Professur in Japan plötzlich verlor undDr. DohrnseineUnterstützung versagte, habe Herr v. W. seine politische Haltung geändert, um hierdurch die--Untcrstützung des preußischen K u l t u �m i n i st e r S zu gewinnen. Dieser Befürwor- tung. nicht seiner wisse.» schaftlichen Leistung ver- danke Herr v. Wenckstern seine Professur in Preußen. Er habe also seine heutige Position weniger durch feine wissenschaftlichen Leistungen, als durch gewandtes An schmiegen an die Wünsche und Ansichten der Kreise, von denen er Förderung seiner Interessen erwartete, erlangt. Der Gerichtshof lehnte diesen Be- weiSantrag als unerheblich ab. Nach Ablehnung dieses Beweisantrages zeigte die angeklagte Redokteurin keinerlei Interesse mehr für die Verhandlung. Da- gegen bekundete sie um so größeres Interesse für die ihr gegen- uberstehenden Persönlichkeiten, Staatsanwalt und Richter. Und da sie, wie gesagt, bildende Künstlerin ist, so nahm sie einen Zeichen- stift zur Hand und skizzierte die Gesichter dieser Persönlichkeiten. Ter StaatSanivalt und die Gerichtsherren zeigten indes kein Verständnis für die Skizzen. Sie hielten ein derartiges Gebaren vielmehr für eine grobe Ungebühr und verhängten über die staatS- gefährliche Sünderin zunächst eine Ordnungsstrafe von 30 M. Im übrigen wurde der unter Anklage stehende Artikel als beleidigend aiigesehen und die Angeklagte zu 50 M. Geldstrafe verurteilt. Staatsanwalt und Gerichtshof sind danach vjel empfind. l icher gewesen als Herr v. Wenckstern. der bekanntlich im 2. Berliner ReichStagSwahlkreis anno 1S03 kandidierte. Denn daß Herr v. Wenckstern mit der Schuppenkette nicht darauf drang, den angebotenen Wahrheitsbeweis seinerseits zu entkräften, ist doch sehr seltsam! Die Wahlrcchtsfrage im ReichSlande stand in der Sitzung des LandeSausfchüfscs am Mittwoch wieder zur Besprechung. Das Rentncrparlament, daS sich kaum zur Hälfte versammelt hatte, machte mit dieser wichtigen Angelegenheit aber nicht viel Feder. lesen». Für die Wünsche des Volkes und seine Rechte ist im reiche- ländischenMusterparlament" nicht viel Sinn zu finden. So ging man über die Petitionen des sozialdemokratischen KreisvereinS Mülhausen und der sozialdemo- kratischcn Partei Elsaß-LothringenS einfach zur Tagesordnung über angeblich wegen deswenig angemessenen Tones" der Petitionen und weil sich der LandcöauSschuß zu diesem Gegenstand wiederholt zustimmend geäußert habe. Also nicht einmal zu einer Etinnepung der Regierung konnten sich die Volksvertreter" aufschwingen. Selbst die Liberalen traten für den Ucbergang zur Tagesordnung ein. Wenn der liberale Ab» OWdMe H. Wb Ii MKI'W SUk BeWuigMg djefc# Wnpp, schwänzigen Verhaltens bekönte, daß ick den Petitiocken ein drin- gender Wunsch der Bevölkerung zum Ausdruck komme, so ist das nichts als die bekannte liberale Schaumschlägerei. Der lothringer Abgeordnete D i t s ch erklärte sogar, entgegen dem Programm der lothringer Gruppe, daß, solange man sich in Elsatz-Lothringen in einem Provisorium befinde und das Zweikammersystem noch nicht habe, man sich gegen das allgemeine, geheime, gleiche, direkte Wahlrecht aussprechen müsse. Bis dahin könne im Landes- ausschnß nur das konservative Element vor- herrschen. Die Zahl der Ncbnngsmannschaften des preußischen Heeres im Sommer und Herbst 1908 wird betragen 37 164 Unteroffiziere und 284 869 Gefreite und Gemeine, insgesamt 322 033 Mann. Dwse Zahl bedeutet die Mannschaftssumme von 214 Regimentern. Bon dieser Zahl sind 264 000 Landwehrleute, 58 000 Reservisten; es üben also in jedem Jahre 176 Landwehrregimenter(der Zahl der Landwehrleute nach) und 38 Reservistenregimenter. Aus diesen Zahlen kann man sich einen Begriff machen, welche Ersatzheere Deutschland im Kriegsfalle aufstellen kann, wenn es noch auf die älteren Reservistenjahrgänge zurückgreift, die im 4. bis 7. Jahre ihres Reservistenverhältnisses nicht üben. Trotzdem ist die Mann- schaftsstärke des deutschen Heeres gewissen Leuten noch immer nicht hoch genug. Das Ucbungsgeld und Reisegeld beläuft sich pro Jahr auf 2M> Millionen Mark. Von ehemaligen Einjährigen(Nicht- offiziersaspiranten) üben jährlich 13 850. Oeftermeb. Fünf Bauern erschossen! In Czernichow, in Galizien , haben Dienstag Gendarmen auf Bauern geschossen, fünf, darunter eine Frau und ein zwölfjähriges Kind, getötet und 15 Personen ver­wundet. Die Gendarmen hatten eine Frau und deren Sohn wegen unberechtigten FischenS verhaftet. Bei den Bauern, die behaupteten, in jenem Fluß zu fischen berechtigt zu sein, entstand große Erregung. Es sollen Steine gegen die Gendarmen gc- schleudert worden sein; diese haben dann sofort, ohne vorhergehende Warnung, auf die Menge drei Salven abgegeben. Der Vorfall hat im Parlament große Erregung hervorgerufen. Der euthenische Sozialdemokrat W i t y k verlangte eine sofortige strenge Untersuchung und die Bestrafung der Mörder. Der Minister sagte die Untersuchung zu. Das Abgeordnetenhaus wird sich mit dem Vorfall noch eingehend beschäftigen. Bei dem heute stattgefundenen Leichenbegängnis der Opfer ereignete sich ein Zwischenfall. Als ein Offizier der Kavallerie die Truppen zum Gebet kommandierte, rief jemand:Fliehen wir, man will auf unS schießen!" In dem furchtbaren Gedränge. das hierdurch entstand, erlitten 60 Personen leichte Ver- letzungcn._ Eine klerikale Denunziation. Innsbruck , 29. Mai. Gegen Professor Wahrmund wurde bei der hiesigen Staatsanwaltschaft die strafrechtliche Ver- folgung wegen Herabwürdigung der Lehren und Einrichtungen der katholischen Kirche , begangen durch die Veröffentlichung seiner bekannten Broschüre, beantragt. Ungarn . Die Wahlrcsorm. Budapest , 27. Mai. Abgeordnetenhaus. Minister deS Innern Graf Andrassy erklärt auf die Interpellation Mezöfis (Sozialist), er übernehme die bindende Verpflichtung, daß er den Gesetzentwurf wegen der W a h Ir e f o r m be» Beginn der Herbstsession einreichen werde.,, Belgien . tr- Der Wahlsieg der belgischen Arbeiterpartei. Brüssel , 2«. Mai.(Eig. Ver.) Die offiziellen Ziffern lassen das Bild des sozialistischen Wahl- siegeS noch in schärferen Zügen hervortreten. Die Liberalen versuchen zwar ihre in MonS , Gent , Charleroi und Tournai erlitteneu Schlappen ästhetisch zu verdecken, indem sie die Siege der Sozialdemokraten gemütlich in einenSieg der antiklerikalen Opposition" umwandeln.... Nur daß eben der»Sieg der Demo- kratie", mit dem ein Teil der liberalen Presse etwas zweideutig das Resultat übertitelt, ausschließlich auf daS Konto der Sozia» l i st e n geht, die keinen einzigen Sitz verloren und fünf neue getvonnen haben, während die Liberalen ihrem Ver« lust von vier Mandaten nur das den Klerikalen in Tongres - Maeseyck abgenommene entgegenzusetzen haben. Dagegen ist noch festzuhalten, daß der Stimmenzuwachs in den großen Industrie- zentren von der Partei aus eigenen Kräften errungen wurde. Während die Liberalen in den Wahlkreisen, wo sie allein kämpften, nur 16 000 Stimmen als Gewinn zu buchen haben, ver» zeichnen die Sozialisten einen Zuwachs von 36000 Stimmen aus eigener Kraft und haben 273000 Stimmen auf sich ver­einigt. Politisch betrachtet, löst sich der sozialistische Wahlsieg allerdings in einen Sieg der gesamten Opposition aus, indem er die RegierungSn»ajorität wieder um eine Staffel tiefer die Vorstufe zum endgültigen Fall gerückt, sie parlamentarisch und moralisch geschwächt hat. Aber aus den entscheidenden Zügen der Wahlen erhellt, daß die schliehliche Niederwerfung der Regierungsmajorität in die Hände der Arbeiterpartei gelegt ist. Dieses politische Situationsbtld wird auch durch daS Häufchen ehrlicher Liberaler nicht geändert, die im Gegensatz zu den cnragiertcn Kolonialpolitikern und sozialreaktionären Elementen der Linken, eine demokratischere Politik verfolgen. Der leere Kampf gegen d e u K l e r i k a I i S m u S, bei dem man nach links Kulturkamps- Phrasen bereit hält, nach rechts aber arbeiterfeindliche Politik und Kolonialgeschäfte macht, um schließlich den Millionenforderungen Leopolds seinen Segen zu geben: diese u n- demokratische Politik hat dem Liberalismus mit Fug und Recht nur verlorene Posten eingetragen. Bezeichnend ist, daß die liberale annexionistische Presse ebenso wie die klerikale die.antikoloniale Hetze" der Sozialisten für die Mißerfolge ihrer Freunde verantwort- lich macht. In der Kolonialpolitik verstehen sie sich nämlich beide, Liberale und Klerikale.... WaS die Kartellpolitik betrifft, die ja bei Sozialisten und Liberalen viele Verfechter hat, so hat sie jedenfalls mehr Furcht bei den Klerikalen erzeugt, als den beiden Parteien Nutzen gebracht. Ziffernmäßig stellt sich der Erfolg der Kartellpolitik(die übrigens aus Anlaß der demnächst stattfindenden Provtnzialwahlen zu einem großen Prinzlpienstreit zwischen den Brüsseler Liberalen geführt hat) in einem Geiviun von 20 400 Stimmen dar. Von den 5 neue» sozialistischen Mandaten sind zwei auf Grund von Kartellvereinbarungen errungen: daS von Ath-Tournai, wo der bekannte Anwalt und sozialistische Parteischriftsteller Royer ge- wählt ist und das von Huh-Warenne, wo Genosse W o u t e rS. ein Kenner der Agrarverhältniffe. den klerikalen Schreihals Terwangne ersetzen wird. Der* neue Genter'Abgeordnete L a m p e» s. der neben Anseele gewählt, ist Arbeiter in einer Pianofortcfqbrik und ein bekannter Kfinipfer deSDoornit". Die ScnatSwahlen haben keine besonderen Verschiebungen ge« bracht. Die Klerikalen steigen von 62 auf 63 Mitglieder, die Liberalen von 41 aus 42. Die Sozialisten habe» drei SenatSuiandate ein«