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gegen die Nrt der Einführung der MrhälkniSivahl, tvie man sie jetzt beliebt, erhoben haben, bleiben für uns vor wie nach bestehen; wir verlangen, daß dieses System für alle Teile obligatorisch sein soll; Kollege Singer hat damals nichts anderes gesagt, als was wir stets gesagt haben. Wir wünschen die obligatorische Ein- führung der Maßregel, die jetzt nur da gefordert wird, wo sie gc- eignet scheint, der Sozialdemokratie irgendwie den Boden abzu- graben. Das hält uns aber im vorliegenden Falle nicht ab, auch für Berlin die Einführung zu befürworten. Die Sozialdemokratie wird sich auch unter diesem Wahlverfahren zu behaupten wissen und Fortschnite machen, wie sie es ja gestern auch unter dem Landtagswahlrecht bewiesen hat. Stadtv. Goldschmidt: Es freut mich aufrichtig, daß die Sozial- demokratie in dieser Frage einen Rückzug antritt.(Oho! bei den Sozialdemokraten.) Denn was Singer zur Verteidigung seiner Auffassung gegen die Einführung der Verhältniswahl hier vor- getragen hat, steht im Protokoll und kann nicht ausgelöscht werden. Dann hat Herr Pfannkuch noch hingewiesen auf die gestrige Wahl. Bei der Gewerbegerichtswahl ist die Wahl glücklicherweise geheim. Hätten wir gestern geheime Wahl gehabt, so hätten wir gestern auch nicht den Terrorismus der Sozialdemokratie gehabt(Großer Lärm), dann brauchten sich unsere Geschäftsleute nicht so terrorisieren zu lassen. (Vorsteher: Ich muß dringend um Ruhe bitten und ersuche den Redner, sich an die Sache zu halten!> Der Vorredner hat mich indirekt zum Gegenstande eines Angriffes gemacht.(Bor - sicher: Ich habe davon nichts gehört und bitte dringend, bald zur Sache zu kommen.) Zur Sache selbst ist, da die Versammlung einig ist, nichts mehr zu sagen. Stadtv. Pfannkuch: Ich habe nur zu betonen, daß wir einen Rückzug nicht angetreten haben. Die Sache war heute erst spruch» reif, und wir haben uns heute entschlossen. Wenn Singer damals meinte, was wir auch betonen, daß wir aus eigener Initiative nicht vorzugehen brauchten, um da, wo die Mehrheitswahlen noch bestehen, sie abzuschaffen, weil wir den Vorteil davon haben, nun wir brauchen uns doch nicht selber abzuschlachten.(Hört! hört!) Wir stehen auf dem Standpunkt, daß das Proportionalwahlsystem bei allen Wahlen gelten soll und ebenso die geheime Wahl; weiter aber auch das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht ein- geführt werden müßte; und wenn gestern die Wähler darüber zu Gericht gesessen hätten, dann hätten Sie noch ganz anders ab- geschnitten! Stadtv. Goldschmidt: Ich verdenke es dem Kollegen Pfannkuch wirklich nickch, wenn er den Rückzug seiner Fraktion jetzt zu be- schönigen sucht. Von einer Abscklachtung konnte natürlich keine Rede sein, aber wir haben gewünscht, daß auch der Teil der Berliner Arbeiter, der nicht sozialistisch ist, zur Geltung kommen soll. Sie haben das damals zu verhindern gesucht. Stadtv. Pfannkuch: Folgerichtig müßten doch in denjenigen Gemeinden, wo die Freisinnige Volkspartei die Mehrheit hat, von dieser Seite die gleichen Anträge ausgehen. Bisher haben wir von dergleichen Anträgen noch nichts gemerkt.(Stadtv. Goldschmidt: Was Sie nicht sehen wollen, sehen Sie nicht.) Hierauf wird die Vorlage einstimmig angenommen. Die Grundstücke Lütticher Straße 67/68, P e t t e n- koferstraße 20-24 und Zelle st raße l2/13 sollen zu Ge- meindeschulzwecken erworben werden. Es ist die Errichtung je einer Gemeindcdoppelschule geplant; der Kaufpreis soll je 66, 64 und b3 M. pro Quadratmeter betragen. Stadtv. Borgmann beantragt Ausschußberatung, da eS sich um Grundstücke von sehr ungleicher Größe handele und deshalb Nachprüfung nötig sei. Nach einer Erwiderung des Stadtrats Buchow wird der Antrag auf Ausschußberatung abgelehnt. Die Borlagen gelangen zur Annahme. Schluß Uhr.,_- 690 Soldatenmißhandlangen! Ein Soldaten-MassenmißhandlungSprozeß von einem Umfange, wie er seit dem fünf �sahre zurückliegenden Fall Breitenbach die deutschen Militärgerichte nicht mehr beschäftigt hat, spielte sich am Donnerstag vor dem Kriegsgericht der 1. G a r d e d i v i s i o n ab. Den Vorsitz in den Verhandlungen führt Major v. Sch ellin g, als Verhandlungsleiter fungiert Kriegsgerichtsrat Dr. Matsch ke. Die richterlichen Beisitzer sind Hauptmann v. H o f f m a n n, Ober- leutnant Ritter und Edler v. L e ch und Gcrichtsassessor Jag er. Die Anklage vertritt KriegSgerichtsrat Dr. U l l m a n n. Auf der Anklagebank haben nicht weniger als acht Angeklagte Platz genommen. Der Hauptübeltäter ist der Unteroffizier Walter Thamm von der ersten reitenden Batterie des 1. Garde-Feld- artillerieregiments. Er wird durch Rechtsanwalt Ulrich und dem Hauptmann v. d. Knesebeck verteidigt. Die übrigen Angeklagten sind: der Unteroffizier Friedrich Schulze, die Kanoniere Allvin Schäfer, Gustav R a u p a ch. Joh. F l e s ch, Alfred Z o p i ch, sowie die Sergeanten Gustav Hahn und Hermann Friedrich, sämtlick von der ersten reitenden Batterie des 1. Garde- Feldartillerieregiments. Ihre Verteidigung liegt in den Händen der Rechtsanwälte H o f f m a n n und Seile, des Grafen v. R o e d e r n, des Leutnants v. Puttkamer und des Leutnants v. F a s s o w. Unter den 33 Zeugen, die anwesend sind, befinden sich 27 Kanoniere von demselben Trllppenteil, ferner Hauptmann v. Kries, Leutnant v. Luchwald und zwei Wachtmeister. Der Hauptangeklagte Unter- offizier Thamm befindet sich seit dem 6. Mai in Untersuchungshast. Er ist in Berlin geboren und 1904 beim Militär eingetreten. Nach beendeter Personalienaufnahme der Angeklagten, die zum Teil schon vorbestraft sind, wird durch den Vertreter der Anklage die Anklage- Verfügung verlesen. Sie umfaßt nicht weniger als acht acht Seiten. Dem Angeklagten Thamm wird darin em großes Sündenkonto zur Last gelegt. Nicht weniger als 600 Fälle von Mißhandlungen und vorschriftswidriger Be« Handlung von Untergebenen werden ihm vorgeworfen. Es sind in den Anklagen Mindest zahlen angenommen worden. Außer- dem soll er in vielen Fällen Untergebene zu strafbaren Hand- lungen veranlaßt haben. Durch Mißbrauch der Dienst- gewalt hat er Untergebene, alte Leute, zu Mißhandlungen jüngerer Mannschaften bestimmt.Wenn Ihr Euch beschwert, dann gibt's noch mehr Keilet" Mit diesen Worten versuchte er die Leute von Beschwerdeführungen abzuhalten. Der Selbstmord des Kanoniers Knobbe, über den wir vor einigen Monaten berichteten, ist n i ch t a u f Schwermut wie es damals hieß, zurückzuführen. Der Unglückliche ist vielmehr durch die Mißhandlungen des Thamm und der übrigen Angeklagten in be» Tod getrieben worden. Den übrigen Angeklagten werden Mißhandlungen Unter- aebencr bis zu 40 Füllen, schwere gemeinschaftliche Körperverletzungen, Bedrohungen von Untergebenen, Unterlassungen der nötigen Auf- ficht usw. vorgeworfen. Den Antrag des Vertreter» der Anklage auf Ausschluß der Oeffcntlichleit lehnt das Gericht a b. es behält sich jedoch vor, bei gewissen Zeugenvernehmungen die Oeffentlichkeit auszuschließen. Es wird zunächst Unteroffizier Thamm vernommen. Er gibt im großen und ganzen zu, die Leute geschlagen und miß« handelt zu haben. Er entschuldigt sich mit großer Erregtheit. Viele Untergebene wurden 1907 bis 1908 wöchentlich oft geschlagen. Ueber de» Fall Knobbe wird der Angeklagte eingehender vernommen. Knobbe ist am häufigsten von Thamm und aus dessen Geheiß von älteren Leuten mißhandelt worden. Aus Furcht vor weiteren Mißhandlunge» stürzte er sich am 11. April aus der» Fenster der Kaserne in der Ratheiwwcr Straße. Knobbe war 14 Tage vor der Ausübung seines VerzweiflungS- schriltss imLazarett gewesen und kaum war er wieder nach der Kasetne zurückgekehet, so unternahm er den Selbstmord. Gleich nach der Einlieferung im Lazarett starb der Bedau-rnSiverle. I m wesentlichen gibt Thamm auch die übrigen An- klagen, die ihm zur Last gelegt werden, zu. Er bestreitet aber, die Mannschaften durch alle möglichen Beschäf» tigungen am Abendbrot gehindert zu haben. Der Angeklagte schildert Knobbe als einen schwerfälligen und geistes- schwachen Soldaten. Es wird ihm jedoch vorgehalten, daß Knobbe ein geistig geweckter und i in Unterricht st r e b s a m e r Soldat war. und erst als die Mißhandlungen begannen, ließen die geistigen Fähigkeiten bei dem Kanonier nach. Dem Unteroffizier Schulze werden mindestens 40 Fälle von Mißhandlungen Untergebener zum Teil beim Dienst zur Last gelegt. Auch Kuobbe soll von Schulze geschlagen worden sein. Der Angeklagte bestreitet alles und gibt nur zu, Knobbe nialangefaßt" zu haben. Die anderen Straftaten bestreitet er gleichfalls. Der dritte An- gellagte, Sergeant Hahn, hat es nach der Anklage durch Unter- lassen von Meldungen strafbarer Handlungen von Unter« gebenen es handelt sich auch hier um Mißhandlungen an der notwendigen Aufsicht fehlen lassen. Ebenso werden ihm Miß- Handlungen Untergebener vorgeworfen. Auch er bestreitet fast alles. Er will nicht gesehen haben, daß Untergebene geschlagen wurden. Sergeant Friedrich soll ebenfalls in fortgesetzter Handlung durch Unterlassung von Meldungen den Mißhandlungen Vorschub geleistet haben. Dem Kanonier Raupach entgegnete der Angeklagte, als sich N. beschweren wollte: Tüchtig mußt Du Keile haben, cS schadet gar nichts, wenn Du tüchtige Keile kriegst!" Der Kanonier Schäfer hat Knobbe auch mißhandelt. K. hatte einmal vergessen, den Schmutzeimer herunter zu tragen. Thamm beauftragte nun drei andere Kanoniere, darunter Schäfer, den Eimer herunter zu tragen, um dadurch die Wut der Leute gegen Knobbe anzufachen. Im Stall wurde Knobbe auch einmal von drei Kanonieren mit der Fahrpcitsche mißhandelt. Durch die Aeußerung des Thamm: Wenn die Hunde nichts machen, dann haut sie doch!" hätten sich die Kanoniere gewissermaßen dazu berechtigt gefühlt, die jüngeren Leute zu mißhandeln. Knobbe schrie bei den Mißhandlungen häufig laut auf, doch wollen die Vorgesetzten niemals etwas davon gehört h a b e n I Die vier angeklagten Kanoniere sind eigentlich mehr als Opfer des Unteroffiziers Thamm zu betrachten.- Es wird sodann in die Beweisaufnahme eingetreten. Als erster Zeuge ivird Kanonier Ncudcnberger aufgerufen. Unter­offizier Schulze habe K. häufig geschlagen. Es könne in der Woche drei- bis viermal vorgelommcn sein. ES würden also bedeutend mehr Fälle in Betracht komme, als die Anklage meint. Knobbe habe oft ge- äußert, wenn er wegen der Mißhandlungen gefragt wurde, es ginge ihm alles zum einen Ohr herein und zum andern heraus. In der ersten Zeit sei Knobbe nicht so gleichgültig gewesen, erst später sei das dem Zeugen aufgefallen. Auch N. ist wiederholt miß- handelt worden. Wenn Knobbe durch den Stall ging, so bekam er oft Schläge von den alten Leuten. Wenn der Sergeant Hahn in der Nähe war, so sahen sich die alten Leute etwas vor. da Hahn»lehr zu den Rekruten hielt. Kanonier Gleißberg sagt auS, daß Knobbe von Schäfer mit Faustriemen mißhandelt wurde. Ol e i ß b e r g ist von Thamm wiederholt ge- schlagen worden. Wenn er nicht schnell genug lief, versetzte ihm Thamm Schläge auf den Kopf. Auch von alten Leuten ist G. als Rekrut mißhandelt worden. Sergeant Hahn müsse ge- sehen haben, wie Rekruten von alten Leuten geschlagen wurden. Auch bei Sergeant Friedrich sei dies der Fall. Auf die Frage des Verhandlungsführers, warum er sich wegen der ihm widerfahrenen Mißhandlungen nicht beschwert habe, antwortet der Zeuge: AuS Angst, daß rS«och mehr gibt!" G. ist fast täglich von den alten Leuten zu allen Tageszeiten mißhandelt worden. Kanonier Klewitz bekundet, daß Unteroffizier Thamm einmal äußerte:Die Rekruten müssenBe- wegung" haben!" K. ist glei chfalls von Th. m i ß h a n d e l t worden. Er hat auch gesehen, daß Th. andere Kameraden, darunter Knobbe, geschlagen hat. Kanonier Kr a w c z y ck erzählt, daß die Rekruten, darunter auch er selbst, vor der Geschützeinteilung häufig mißhandelt worden sind. Krawczyck hat im Pferde- stall beobachtet, wie die alten Leute Schöps und Raupach mit der F a h r p e i t s ch e auf Knobbe eingeschlagen haben, wobei K. laut aufschrie. Die Vernehmung der Kanoniere wird dadurch sehr hingezogen, weil die Mannschaften zum Teil nicht richtig mit der Wahrheit heraus wollen. Immer von neuem muß der BerhandlungSlciter die Leute dazu ermahnen, doch nicht mit der Wahrheit hinter dem Berge zu halten und jede Scheu dem angeklagten Vorgesetzten gegenüber fallen zu lassen. Schriftsetzer Zippert bekundet, daß sein Sohn. der bei demselben Truppenteil steht, anfangs gern Soldat ge- wesen sei. Später erzählte er, daß die alten Mannschaften viel Mißhandlungen begingen und daß auch er geschlagen werde. Der Vater beruhigte ihn und suchte Thamm auf. Er fragte ihn, ob er mit seinem Sohn zufrieden sei, worauf Thamm erwiderte: Jawohl. Eines Tages machte ihm sein Sohn ein sehr niedergedrücktes Wesen und auf Befragen des geängstigten VaterS erwiderte der junge Soldat, er werde ständig von feinem Vorgesetzten geschlagen. Der Vater sagte nun, er wolle selbst Beschwerde führen, worauf der Sohn antwortete:Vater, laß' es lieber sein, es geht mir sonst noch viel schlechter!" Der Zeuge ging jedoch trotzdem zum Wachtmeister und erstattete Meldung. Eines der Hauptopfer des Unteroffiziers Thomm ist der. Kanonier Zippert, der Sohn des Vorzeugen. Er bekundet, daß er fast täglich von Thamm geschlagen worden ist. Hauptsächlich wurde er mit Fau st schlügen ins Gesicht und am Körper traktiert. Auck von den allen Leuten wurde der Zeuge fortwährend geschlagen. Als die Leute nach dem verhörenden Hauptmann zur Vernehmung gerufen wurden, sagte Thamm zu Zippert, er solle bekunden, daß Knobbe ein große? Schwein gewesen sei. Falls er vor Gericht aussagen müsse, so solle er nicht angeben, daß er von ihm, dem Angeklagten geschlagen, sondernnur gestoßen" worden sei. Einer der Hauptbelastungszeugen gegen den Unteroffizier Thamm, der Kanonier Gebauer, liegt gegen- wärtig im Garnisonlazarett krank danieder. Der Gerichtshof wird sich noch darüber schlüssig werden, ob er eine Gerichtssitzung am Krankenlager des Kanonier« abhalten wird. Der Kanonier Müller bekundet zunächst, daß er von Thamm mehreremal geschlagen worden sei. Auf Vorhaltungen gibt er zu, daß er fast täglich von Thamm mißhandelt worden sei. F a u st st ö ß e gegen die Brust. Fußtritte, Hiebe mit der Zaum kette und andere schwere Mißhandlungen mußte M. über sich ergehen lassen. Am Rücken hatte er zahlreiche blaue Flecke..Da kommt der Hund, der soll was holenl" Diese Worte deS Thamm waren gewöhnlich daS Signal für die alten Leute, um die Rekruten Spießruten laufen zu lasse»»".' Dem Müller hat Thamm einmal das Ohr blutig ge» zogen. Auch mit dem Stiefel hat Th. den Zeugen geschlagen. Nachdem sich Knobbe das Leben genommen und die Sache für Thamm schlecht stand, forderte er seine Untergebenen zum Teil aus, günstig für ihn auszusagen Z Kanonier Stockfisch will anfangs auch nur ein paarmal von Thamm mißhandelt worden sein, er gibt dann aber auch zn, daß dies fast täglich ge- schehen sei. Schläge in? Genick. Hiebe mit der Fahrerpeitsche und Fußtritte ins Gesäß, die sehr schmerzhaft w«ren. hatte der Zeuge zll erdulden. Auch von den alten Leuten wurde Stockfisch fort» während gepeinigt. Der Zeuge Kanonier Horn gibt an. daß er ebenso wie seine Kameraden fast täglich von Thamm geschlagen worden ist. Die Mißhandlungen der alten Leute gegenüber den Rekruten seien häufig auf Veranlassung des Unteroffiziers Thamm er- folgt. Immer von neuem muß der Verhandlungsleiter die Kanoniere zum Reden bewegen. Heraus, heraus mit der Sprache! Diese auffordernden Worte deS Verhondlungslciters kann man fast bei jeder Zeugenvernehmung im Verhandlungssaal hören! Ueber die Vernehmung deS Kanoniers Gebauer, der, wie wir bereits erwähnten, im Lazarett liegt und der nach Ansicht des Militärarztes im Bett vernommen werden kann, entspann sich eine längere Debatte. Das Gericht beschloß dann. Gebauer im Lazarett zu vernehmen, da ans die Vernehmung dieses Zeugen nicht verzichtet werden kann. Um 4'/« Uhr begibt sich der Gerichtshof nach dem Lazarett in der Sckiarnhorststraße. Durch die NichtVernehmung der Hälfte der geladenen Zeugen war das Gericht in der Lage, die Verhandlungen noch am späten Abend zu Ende zu führen. Das Urteil lautet wie folgt: Der Angeklagte Thamm ist der fortgesetzten Mißhandlung von Untergebenen, der fortgesetzten vorschrifts- widrigen Behandlung und des fortgesetzten Mißbrauchs der Dienst- gewalt gegen Untergebene, der Verleitung Untergebener zu straf- baren Handlungen usw. schuldig und wird zu einem Jahre drei Monaten Gefängnis und Degradation verurteilt. Der Angeklagte Schulze ist der fortgesetzten Mißhandlung Untergebener schuldig und wird zu drei Monaten und einem Tage (yefängnis verurteilt. Der Angeklagte Hahn ist der fortgesetzten schuldhaftcn Versäumnis der ihm obliegenden Aufsicht Untergebener schuldig und wird zu drei Wochen Mittelarrest, der Angeklagte Friedrich wegen der gleichen Delikte zu vier Wochen Mittel- nrrest verurteilt. Die Kanoniere Schäfer und R a u p a ch werden wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu je zwei Monaten und einer Woche, die Kanoniere F e l s ch und Z o p i e l zu je 14 Tagen Gefängnis verurteilt. Das Gericht ist aus folgenden wesentlichen Gründen zu den Verurteilungen gelangt: Nach der Beweisaufnahme konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß die dem Angeklagten Thamm vor» geworfenen Fälle der Mißhandlung nachgewiesen worden sind. ES kamen sogar noch mehr Fälle heraus! Auch die anderen in der Anklage verzeichneten Straftaten sind dem Angeklagten Thamm sowie den anderen sieben Angeklagten durcy die Beweisaufnahme nachgewiesen worden. Bei der Strafzumessung ist das Gericht von der Erwägung ausgegangen, daß einem ein- zelnen der Angeklagten die Schuld an dem Selbstmord des Kanoniers Knobbe nicht beizumessen ist. Das Gericht ist vielmehr der An- ficht, daß Knobbe in der Hauptsache durch die allgemeinen Mißhandlungen und durch unerhörte Behandlung in den Tod getrlrbrn ist. Wie Gesamtheit der Mißhandlungen hat ihn dazu bestimmt, sich daS Leben zu nehmen. Ein jeder der Angeklagten hat somit einen Teil Schuld daran zu tragen und sein Gewissen damit zu belasten. Es war ferner zu berücksichtigen, daß die Mißhandlungen der beiden Hauptangeklagtcn und der alten Leute systematisch betrieben wurden und daß gegen derartige Auswüchse beim Militär mit aller Strenge vorgegangen werden muß. Soziales. Die Gefahren de» FuhrwrrkSbctrlcbcS. Nach dein soeben erschienenen Bericht der Fuhrwerks-Berufs- genosienschaft pro 1907 erhöhte sich die Zahl der versicherten Be- triebe um 1004 und betrug am Schlüsse deS JahreS 1907: 32 235. Davon entfielen auf die Gruppeleichtes Fuhrwerk" 10270 Betriebe, aufschweres Fuhrwerk" 20 965 Betriebe, die zusammen 106 830 Arbeiter beschäftigten, so daß auf jeden Bctrreb durchschnittlich 3,31 Arbeiter kamen. Die BernfSgenossenschaft hat jetzt neun Aufsichtsbeamten, die teils von den eiiizelnen Sektionen, teils vom Genosseuschaftsvorstand besoldet werden. Berichtet wird, daß die sieben von den Sektionen angestellten Aufsichlsbeamten mir 1451 Betriebe im Vorjahre be- sichtigt hatten, wovon:829 Betriebe in Ordnung befunden. 622 dagegen bemängelt wurden"... Wie mag es erst in den übrigen 31000 nicht besichtigten Betrieben aus- sehen? Erst das ReichS-VersichcrungSamt mußte dem Ge« nosienschaftsvorstande mitteilen, daßes besonderen Wert auf die Anbringung der festen Kutschersitze<Z 8 der abgeänderten Unfall- vcrhütungsvorschriften) lege und daß sich die AiiSleguiig dieser Be- stimmung nicht nach örtlichen Verhältnissen richten dürfe, vielmehr ein fester Kutschersitz überall da gefordert werden müsse, wenn die Bauart und die Benutzung deS WagenS einen solchen zulassen". Wird man nicht auch da verschiedeneBauarten der Wagen" vor- schützen töimeil? DaS Einfachste von der Welt findet bei den Unternehmern Widerspruch, weil eS einige Pfennige Geld kostet. Von Berlin speziell wird berichtet, daß die technischen AnfsichtZbeamten den Unternehmern nachgespürt habe»,bei welchen Umlagcbeiträge selbst im Wege der Zwangsvollstreckung nicht zu erlangen waren. Solche Unternehmer bleibe» nicht allein diese Beiträge, sondern in erster Linie auch ben Arbeitslohn schuldig". Ganze 130 Tage sollen die beiden Beamten dieser schweren Arbeit gewidmet haben und sei das Resultat zufriedenstellend, die Berufs- genosseiischaft sei bor manchem Nachteil bewahrt worden". Der Durchschnittslohn eines Versicherten betrug im Jahre 1907 ganze 835,42 M, In der Sektion L i e g n i tz wird der geringste Lohn bezahlt: 480 M. p r o I a h r, der höchste Lohn im Bezirk Leipzig mit 1030 M. Hmicjerlöhne, deren Niedrig­keit empörend ist, zumal daneben die Arbetter das Risiko der Arbeit tragen. Es gelangten im Jahre 1907 allein 8233 Un- fälle zur Anmeldung gegen 7723 im Jahre 1906. Der Bericht erklärt diese Steigerung damit, daß diefestgestellte wirtschaftliche Hochkonjunktur, welche an die Leistungsfähigkeit der Be- triebe(lies Arbeiter) erhöhte Anforderungen stellte, zur Folge hatte, daß auch die Zahl der Unfälle nicht unwei entlich gestiegen ist". Sehr richtig. Tausende von Krüppel bedecken da? Feld der Arbeit und müssen mit den Arbeitslosen hungern. Entschädigt wurden aber von den 8283 gemeldete» Unfällen nur 2362(gegen 2220 im Vorjahre), da allein 5172 Unfälle vor Ablauf der 13. Unfallwoche auf Kosten der Krankenkassen geheilt wurden.... Dazu sind ja auch die Krankenkassen gut genug. Für die verletzten innerhalb der ersten 13 Wochen de? Unfalls hatte die sparsame Berufsgenossenschaft sehr wenig übrig. Nur in 38 Fällen fand man ein Eingreisen nötig. Und die Folgen der entschädigten Unfälle? Der Bericht bemerkt trocken hierzu: MS Folge dieser Unfälle war zu verzeichnen: Tod............ in 297(251) Fällen Dauernde völlige ErlverbSunfähigkeit 6(8), Teilweise Erwerbsunfähigkeit... 244(368)# Vorübergehende Erwerbsunfähigkeit 2015(1503), Man beachte diese Zahlen. Der BerufSgenossenschast werden die TodeSziffern selbst unheimlich, denn der Bericht meint:.Jnwie- weit die Verinehrung der Todesfälle, für welche das abgelaufene Jahr eine bisher noch nicht erreichte Zahl aufweisen, etwa als Begleiterscheinungen der wirtschaftlichen Verhältnisse aufzufassen oder anderen Ursachen zuzuschreiben sein wird, ist zurzeit Gegenstand an- geordneter sorgsältiger Erhebunzen." Redcnsarlen, denn mit den sorgfältigen Erhebungen" ist cS gewöhnlich nicht weit her und die Unternehmer werden sich hüten, aus der Schule zu fchlvatzen. Die Verufsgenossenschaft hatte am Schlüsse des Geschäftsjahres an 140V3 Personen Rente zu zahlen und zwar an 10134 Verletzte,