mattnS. Auf Grund der auf diesem Wege erpreßiea«uSsagenwurden im Jahre 1907 in den Ostseeprovinzen zum Tode der-urteilt S50 Personen und zur Zwangsarbeit mehrals 400 Personen.DaS geschilderte Bild wäre unvollständig, wenn nicht noch dieErgebnisse der„regulären" Tätigkeit der Administration angeführtwären. Vom 1./14. Januar 1906 wurden von.gewöhnlichen'Kriegsgerichten zum Tode verurteilt mehr als sechs-hundert Personen, und zur Zwangsarbeit etwa1500 Personen. Während desselben Zeitraums wurden vonden lettischen Bauern wegen verschiedener Verbrechen, die im Bereichdes Bezirks von unbekannten Personen begangen wurden, mehr als100 000 Rubel an Strafen ausgezahlt. Die administrativen AuS-Weisungen stiegen endlich während dieser Zeit ins Unendliche undführten in verschiedenen Orten zu einem fühlbaren Mangel anArbeitskräften. So wurde in Gustavsberg(Kreis Riga) mehr alsdie Hälfte der erwachsenen männlichen Bevölkerung ohne Angabedes Grundes ausgewiesen.—_Unverantwortliche Großfürsten.Petersburg, 9. Juni. In der heutigen Sitzung verhandelte dieDuma den Etat des KriegSministeriums. Der Referent Gutschkow(Oktobrist) wies unter anderem darauf hin, das Kriegsministeriumhabe den richtigen Weg für Reforme» eingeschlagen, doch gehe esdiesen Weg langsam. Der Grund der herrscheuden Disharmoniewäre unter anderem der Umstand, dah mehrere dank ihrer Herkunftunverantwortliche Großfür st en Chefs verschiedenerZweige des Militärressorts seien. Die äußerste Rechte legte Wider-spruch gegen weitere Reden ein, die Mitglieder deS Kaiserhauses berühren. Hierauf wird die Sitzung geschlossen.Ein Erzbischof getötet.TifliS, 10. Juni. Der Exarch von Grusien, ErzbischofNikon, ist heute auf der Treppe des Synodalgebäudes durchmehrere Revolverschüsse getötet worden. Der ihn begleitendeKlosterbruder wurde schwer verwundet. Die Mörder entkamen.finnlancl.Das bedrohte Finnland.HelfingforS, 10. Juni. Hier herrscht wegen der angekündigten Einschränkung der Autonomie Finnlands großeErregung. Der Senat ist entschlossen, äußerstenWider st and zu leisten, so daß wahrscheinlich eine Auf-lösung desLandtages und selb st herrliche Ein-f ü h r u n g eines neuen Wahlgesetzes erfolgen wird.JVIarohho.Mulay Hafid in FeS.Nachrichten aus dem Innern zufolge ist Mulay Hafidam Sonnabend mit großem Pomp in Fes eingezogen. Erwill ein bis zwei Wochen in Fes bleiben und hat die Absicht,sodann mit einer großen Truppenmacht sich gegen Tanger zuwenden.Amerika.DaS republikanische Wahlprogramm.London, 10. Juni. Die Hauptpunkte der republi-kanischen Platform, die nächsten Dienstag in Chicagoangenommen werden soll, sind folgende: Tarifrevision,Währungsreform, Vermehrung der Flotte, Erhaltung derLandmacht, Förderung des Handels, Unterstützung der Post-danipserlinien und Regelung des Korporationswesens.Eue der parte!*Der Berkauf sozialdemokratischer Zeitungen war bisher bei denbadischen Bahnhofbuchhandlungen nicht zugelassen.Aus eine Anfrage des Genossen Dr. Frank in der badischen Kammererklärte am Sonnabend Minister Marschall, daß die Regierungbisher keine Veranlassung hatte, ein Verbot des Verkaufs sozial-demokratischer Zeitungen zu erlassen.Preußens Regierung und seine sonstigen Reaktionäre werden sichvoll sittlicher Entrüstung schütteln.Genosse Bollmar erkrankt. Genosse Vollmar, der seit längererZeit schon leidend ist. der aber trotzdem nach Kräften sich an derLandtagsarbeit beteiligt hatte, ist, wie der.Münchener Post" ausSoiensaß gemeldet wird, am ersten Tag seiner Ankunft dort, amvergangenen Sonnabend, wieder schlimmer erkrankt. Er hat hohesFieber mit starten Schmerzen in Brust und Rücken. Nach Ansicht---- um einen Jnfluenzaanfall. Genossenächsten Wochen leider nicht aktions-es sichfür dieder Aerzte handeltVollmar wird dahersähig sein.Nach einem TelegrammLungenentzündung festgestellt.PoKzefllck»««,(ijmcfitllcbcs uk«.Die vorsichtige Polizei. Am Sonnabend abend hatten sich inHalle a. S. am Kirchtor zahlreiche Parteigenossen eingefunden,um den Genossen Thiele vom„V o l k s b l a t t" bei seiner Ent-lassung aus dem Gefängnis zu begrüßen, lieber die Erfahrungen,die sie dabei mit der Polizei machen mußten, berichtet das.Volks-blatt":.... Obwohl bie_ Straße dorr zu den verkehrsstillsten ge-hört und die berühmte»öffentliche Ordnung" nicht im geringstendurch die ruhig Wartenden gestört werden konnte, wurde telephonischPolizei herbeigerufen, die dann auch schnellstens, zum Teil im Lauf-schritt, an der bedrohten Stelle erschien unter Leitung des Polizei-kommissarS Goldmann. Zuletzt mögen dreißig oder nochmehr Polizisten dagewesen sein. Herr Goldmann begnügtesich� nun nicht etwa damit, daß er den Fahrdamm und denFußweg für den Verkehr stei hielt, im übrigen aber dieWartenden gewähren ließ, sondern er forderte alle Dastehenden aufihrer Wege zu gehen. Wer diesem Befehle nicht sofort nachkam, demwurde die Sistierung angekündigt. Manche der Polizisten nahmensich ihrer Aufgabe mit einem Eifer an, als sei der preußische Staataufs alleräußerste gefährdet. Herr Goldmann wollte sogar derFrau unseres Kollegan Thiele das Warten verbieten. Damit hatteer allerdings kein Glück.... Das ging fast eine Stunde so fort,bis endlich nach'/z7 Uhr statt um 6 Uhr die Entlassung Thieleserfolgte.... Wenige Minuten nach der Enrlassung war die.Ruhe und Ordnung" wieder vollständig hergestellt, und im Volkspark wurde die Wiederkehr in gemütlicher Runde gefeiert...."Strafkonto der Presse. Wegen Beleidigung eines Fabrikantenwurde Genosse Gewehr von der.Freien Presse" zuElberfeld zu 20 M. Geldstrafe, der Genosse Wille. Bericht-erstatter der„Freien Presse" in Velbert, zu 100 M. Geldstrafe ver-urteilt._Soziales.Das Elend der böhmischen Glasschleifer. Im letzten Heft deS„Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" illustriert FriedrichGaertner die Lage der Glasarbeiter in der böhmischen Schleifer-industrie. Das Rohglas, das in den über ganz Böhmen zerstreutenGlashütten erzeugt wird, erfährt seine Raffinierung durch eineVerlagsindustrie. Die Verleger sind Händler; sie kaufen das Rohglas, lassen es durch die Hausindustrie veredeln und besorgen denweitern Vertrieb. Von etwa 90 Verlegern sind zirka 3800 Arbeiterabhängig. Man unterscheidet gewöhnliche„Schleifer" und höher qualifi-zierte„Kugler". Besonders die Arbeitsbedingungen der Schleifersind die denkbar ungünstigsten. Der Schleifer befindet sichmit dem Oberkörper in heißer, mit den Füßen in kalter Luft, derRaum ist mit Glasstaub wie mit Nebeln erfüllt. Dementsprechendsind die Sterblichkeitszahlen groß. Auch in den Familien der Glas-schleifer sind die Gesundheitsverhältnisse sehr schlecht. Während dieMortalität vor dem vollendeten zweiten Lebensjahre bei den Kindernder andern Arbeiterkategorien 43 Proz. ist, steigt sie bei denSchleifern auf 53 Proz. Von 100 Schwangerschaften führen bei denGlasarbeitern nur 58 Proz. zu Kindern, die das dritte Lebensjahrerreichen. Höher als in andern Berufen ist auch die Mortalitätim vorgeschritteneren Alter. Die Geißel der Glasarbeiter ist dieTuberkulose. Es entfiel auf die Tuberkulose von 100 Sterbe-fällen:Männer FrauenSchleifer...... 75,0 Proz. 38,8 Proz.Kugler....... 29,16„ 17,16,Fremde Berufe.... 22,6, 20,5,Das Einkommen ist besonders bei den Schleifern gering-fügig. Ein ständig besänftigter Arbeiter, daS heißt ein Arbeiter inbesonders glücklichen Verhältnissen, pflegt 8— 16 Kronen gleich 6,80bis 13,60 M. in der Woche zu verdienen. Die Lebensmittelpreisesind dabei im Glasschleifbezirk Böhmens höher als selbst in Wien.Abhilfe gegen diese Mißstände könnte nur ein allgemeines um-fassendes Heimarbeitergesetz schaffen.Sexverksckaftlicbes.Straßenpolizciverordnung gegen Boykottzettelverteiler.Das ist das neueste im Polizeikampf gegen die organisierteArbeiterschaft. Genosse Förster verteilte am 27. Oktober 1907 aufder Ohlauer Chaussee bei Breslau Flugzettel, die die Aufforderungenthielten, ein Lokal in Tfchansch zu meiden, weil der Wirt seinenSaal zu Versammlungen nicht hergebe. Zwei polittsche Gegnerwaren darüber erbost und beschwerten sich beim Gendarm. Sieerklärten sich belässigt zu fühlen. Der Gendarm forderte nunFörster auf, sich zu entfernen und das Verteilender Zettel auf der Chaussee zu unterlassen.F. ging langsam weiter, gab aber doch von Zeit zu Zeit Boykott-zettel an Passanten ab. Er wurde angeklagt und in zweiter Instanzvom Landgericht Breslau wegen Uebertrewng der Regierungs«Polizeiverordnung vom 26. Juni 1900 zu einer Geldstrafe ver-urteilt, weil er trotz des Befehls des Gendarmen, der zur Erhaltungder Leichtigkeit, Bequemlichkeit und Sicherheit des Verkehrs er-gangen sei, das Berteilen der Boykottzettel auf deröffentlichen Straße sChaussee) nicht eingestellthabe. Die Verordnung verlangt, daß unbedingt Folge zuleisten sei solchen Anordnungen der Sicherheitsbeamten, diezur Erhaltung der Ruhe, Ordnung. Sicherheit, Leichtigkeitund Bequemlichkeit des Verkehrs auf öffentlichen Wegen. Straßen,Plätzen usw. ergehen. Das Landgericht erachtete die Verordnung füranwendbar, nachdem eS das Borliegen groben Unfuges(§ 366 Nr. 11des Strafgesetzbuches) und ein u n entgeltliches Verteilen im Sinnedes§ 10 des preußischen PreßgesetzeZ verneint hatte.(F. hattevom„Auftraggeber" 50 Pf. Entgelt erhalten.) Das Kammer-g e r i ch t verwarf die Revision deS Angeklagten mit einem Hinweisauf seine bekannte Praxis in bezug auf Streikposten. DieAllmacht des Schutzmanns und Gendarmen, welcher behauptet,er handele.zur Erhaltung der Sicherheit oder Bequemlichkeit desVerkehrs", erscheint also in neuer Variation im schönsten Glänze.Auch damit werden wir uns abfinden.BerUn und klmgegend.Amtsblatt-Weisheit.Im.Wilhelmshavener Tageblatt"(3. Juni) liest man unterder Stichmarke.Wohltäter" folgendes:Wie die unlängst veröffentlichten Feststellungen ergebenhaben, hat der Streik im Baugewerbe Groß-BerlinS im vorigenJahre die gewaltige Summe von 20 Millionen Mark gekostet,das heißt, soviel ist während der Zeit an Löhnen für die Ar-beiter weniger gezahlt worden. Allein der Maurerstreik hat eineLohneinbuße von fast 3 Millionen Mark gebracht. Das ist einkläglicher Mißerfolg des mit großem Tamtam ins Werk gesetztenStreiks. So sieht also die„Wohltat der höheren Löhne" aus,welche die als Führer wirkenden sozialdemokratischen„Volks-beglücker" erzwingen wollten. Armes, verblendetes Volk,� dasnoch immer töricht genug ist. dieser Sorte von„Wohltätern" ge»dankenloS zu folgen! Wieviel Not und Elend in den Familienwäre verhütet worden, wenn der unselige Streik unterbliebenwäre! Wieviel empfindliche Verluste haben die Geschäftsleutedadurch erlitten, daß die Millionen an Löhnen nicht gezahlt,also auch nicht umgesetzt wurden! Zu den materiellen Schädi-gungen kommt die große sittliche Gefahr hinzu. Man bcde.nke,was eS bedeuten will, daß ein an tägliche Arbeit gewöhnterMann plötzlich monatelang tatenlos feiern muß. Wie leichtkommt er mit dem Strafgesetz und dem Staatsanwalt in Bc-der„Franks. Ztg.' haben die Aerzte_____________ Hoffentlich gelingt es der Heilkunst.den Kranken in Bälde wieder herzustellen.Der Kongreß der polnische» Sozialdemokratie Oesterreichs ist am7. Juni zu Krakau zusammengetreten. Er ist von 123 Delegiertenbeschickt. Als Vertreter der deutschen Sozialdemokratie Oesterreichsist Abgeordneter W i n a r s k y, als Vertreter der tschechischen Sozial-demokratie Abgeordneter Dr. Winter, als Vertreter der ruthenischenSozialdemokratie Abgeordneter W i t y k sowie Genosse Dr. N o w a-k o w s k y j erschienen; außerdem Vertreter beider Fraktionen derpolnischen sozialistischen Partei in Rußland und der polnisch-littauischenSozialdemokratie.Der Kongreß wurde vom Genossen M i s i o l e k eröffnet, woraufzu Vorsitzenden die Genossen Diamand, Hudec und Regergewühlt wurden.Sodann überbrachte Abgeordneter W i t y k die Grüße derruthenischen Sozialdemokratie. Er erinnert an die von wahrhaftinternationaler Gesinnung erfüllte Rede DaSzhnSkiS in der galizischenDebatte und spricht die Hoffnung aus, daß daS brüderliche Ein-vernehmen zwischen polnischer und ruthenischer Sozialdemokratie auchin Zukunft fortdauern werde.Abgeordneter W i n a r s k y begrüßte den Kongreß namens derdeutschen Sozialdemokratie Oesterreichs. Zahlreiche Bande verbindendas deutsche und polnische Proletariat Oesterreichs. Die Unterdrückerdes galizischen Volkes sind die Stützen der österreichischen Reaktion.Alle Schandtaten, die in Galizien begangen wurden, konnten bisherdie Bourgeoisparteien noch nicht dazu veranlassen, endlich gegen dieMörder aufzutreten. Nur das Proletariat Österreichs ist sich seinerPflicht bewußt, seinen unterdrückten Brüdern in ihrem schwerenKampfe zu helfen.Abg. Dr. Winter drückte die herzlichsten Gefühle dertschechischen Sozialdemokratie für die polnische Bruderpartei auS.Dann erstattete Dr. B o b r o w s t i den Bericht über die Tätig-keit der Partei.Der aufgelöste Kongreß der bosnischen Sozialdemokratie. Ueberdie Auflösung des Kongresses wurde der„Wiener Arbeiterzeitung'aus Sarajewo vom 7. Juni telegraphiert: Der Kongreß der bos»nischen Gewerkschaften wurde heute nach anderthalbstündiger Daueraufgelöst. Als ein Genosse eine Resolution beantragte, in der gegendie Abschiebung der auswärtigen Delegierten protestiert wurde,sprang der Regierungsvertreter v. Lindes auf imd erklärte denKongreß für ausgelöst. 20 Polizisten zu Fuß und 10 Berittene mar-schierten vor dem Arbeiterl, eim auf und drohten zu schießen, wennder Kongreß nicht auseinandergehe. Der ReglerungskommissarBrodnik, bei dem daS Präsidium Beschwerde führte, lobte noch denbrutalen Schergenstreich seines Untergebenen._______________________________________vcrcmtwTBcdakt.: Georg Tavidsohn, Berlin. Jnferatcuteik verantw.:Th. Glocke, Berlin. Druck u,Berlag:BorwärtsBuchdr.u,VxrlägKanstalt PsulSingerölCo�BerlinSiV. Hierzu 3 Beilagen«.UoterhaltungSbl.' rührung. Wer er muß feiern— der Parkelführer haiS verfügt!Es ist doch eine geradezu himmelschreiende innere Qual füreinen ehrlichen Mann, der sich und die Seinen anständig ernährenwill, wenn er nicht arbeiten darf, sondern auf Kommandohungern muß. Es heißt einfach:„Bist du nicht willig, so brauchich Gewalt! Parierst du nicht, fo fliegst du!"Es ist nur notwendig zu konstatieren, daß die Arbeitsruhedurch eine Aussperrung erzwungen worden ist, um die Kritik andie richtige Adresse, an die der Unternehmer, zu richten. DerSchlaumeier, der die obige Weisheit verzapfte, scheint der Ansichtzu sein, wenn nicht ausgesperrt worden wäre, dann hätten wireine günstigere Baukonjunktur gehabt, es sei dann so viel gebautworden, daß kein Lohnausfall zu verzeichnen sein würde. Stimmtdas Rcchcnexempcl des Amtsblattredakteurs, dann hat das Unter-nehmertum ein ungeheures volkswirtschaftliches Verbrechen be-gangen. Wir sind gespannt darauf, wie die Aussperrwütigen gegenden Vorwurf sich verteidigen werden.Oeutfcbes Reich.Eine Konferenz für den Gau IX des LederarbritcrverbandeS fandzu Pfingsten in Offenbach a. M. statt. Anwesend sind 18 Delegierte auS17 Orten, 3 Mitglieder des Gauvorstandes, Knappe- Berlin fürden Zentralvorstand und Gauleiter Küntsch als Vorsitzender. DerGeschäftsbericht erstreckt sich von 1904 bis 1908. Im Gausind 15 000 Lederarbeiter tätig, von denen aber nur gegen 800organisiert sind. Die Agitation ist im Gau sehr schwierig, die Fluktuationim Verbände und in den Lederfabriken ungemein groß. Von 1809Neuaufnahmen in der Berichtszeit sind nur 330 Mitglieder ge-blieben.Die stärksten Hindernisse für die Ausbreitung der Organisationsind sozialer Natur. In Worms dominiert der bekannteLederkönig Freiherr von Heyl. Von 4000 dort be-schäfsigten Arbeiter« sind keine 1000 organisiert.„Wohlfahrtseinrichtungen" nach Stummschem Muster, schlimmster Terrorismusund ärgste Gesinnungsriecherei haben ein Schmarotzertumgroßgezogen. Außerdem hält eine gute„Verbindung" mit den Be-Hörden die Arbeiter von der Organisation ab.— Vor den Torender Heylschen Fabrik wurden Flugblätter verteilt. Plötzlich erschienein telephonisch herbeigerufener Schutzmann auf dem Plan, dereinen der Flugblattverbreiter festnahm. Ein altes Gesetz von 1850wurde ausgegraben, um den Mann in Strafe nehmen zu können.(Worms liegt im„liberalen" Hessen!)— Einmal brachte die„Mainzer Volkszeitung" einen Artikel über Mißstände bei Heyl.Anstatt die Mißstände abzuschaffen, fahndete die Fabrikleimngeiftigst nach den Urhebern der Notiz. Vier„Verdächtige" wurdenzur Hofarbeit kommandiert, wo sie von den Kollegen als„Sünder"angesehen wurden.Im Taunus und in Jndustrieorten ländlicher Bezirke find dieLederarbeiter vielfach kleine Besitzer, die den Lohn als Neben-einnähme betrachten. Die Unternehmer benutzen das, indem sie ihreProduktton im Winter, wo sie billige Arbeitskräfte(für 15 Pf. dieStunde!) haben können, ausdehnen und im Sommer einschränken.Dann sind diese Firmen auch in der Lage, infolge ihrer Wirtschaft-lichen Uebermacht die Behörden in ihrem Sinne zu beeinflussen, sodaß das Menschenmöglichste geleistet wird, um die Hausagitatton,Versammlungen und Besprechungen zu hintertreiben. So war daSBild im ganzen trüb, welches die Delegierten in den Berichtenüber die Lage in ihrem Berufe und den Stand der Organisationboten.Angeregt wurde die Anstellung eines Ortsbeamten fürWorms, um Einfluß auf den Heylschen Betrieb zu gewinneu; außer-dem soll der Gau in mehrere engbegrenzte Bezirke geteilt werdenund eine demnächst aufzunehmende Lohnstatitik soll die Unterlagefür die in größeren, Maßstabe einzusetzende Agitation schaffen.Achtung! Brauer. Die Differenzen in den Brauereien zuEisenberg sind beigelegt. Am Sonnabend nachmittag fandenVerhandlungen statt, die mit einem Siege der Arbeiter endeten.Die Forderungen der Brauer wurden sämtlich erfüllt. Die Arbeitist gestern Mittwoch aufgenommen und der Bierboykott wieder auf-gehoben worden._Die 8. Konferenz des Verbandes der Isolierer und SteinholzlegerDeutschlands.Die 8. Konferenz der Isolierer und Steinholzleger Deutsch»lands wurde vom 7. bis 9. Juni im Volkshaus in Dresden abge.halten. Die Konferenz war beschickt, von 16 Zahlstellen durch14 Delegierte. Von der Freien Vereinigung deutscher GeWerk-schaften war der Genosse Juppcnlatz delegiert. 6 Zahlstellenhatten keinen Delegierten entsandt. Nachdem in den beiden erstenSitzungen die geschäftlichen Angelegenheiten'erledigt waren, wurdefolgender Punkt erledigt:„Die Einigungsverhandlungen mit demPartcivorstand, der Generalkommission und den für uns bei derVerschmelzung in Betracht kommenden Gewerkschaften." Nachlängerer Debatte wurde einstimmig beschlossen, bis zum 1. Juliaus der Freien Vereinigung auszutreten. Weiter erklärte sich dieKonferenz im Prinzip mit 11 gegen 5 Stimmen für eine Ver-schmelzung mit dem Zentralverband der Maurer Deutschlands.Die Isolierer und Steinholzleger wollen in diesem Verbände einebesondere Sektion bilden. Sollten jedoch die von der Konferenzaufgestellten Bedingungen nicht akzeptiert werden, dann soll derVerband als selbständige Organisation bestehen bleiben und derGeneralkommission angeschlossen werden. Dieser Beschluß wurdeeinstimmig gefaßt.�et2te JVachncbten und Dcpefcben«Der wortbrüchige Schah wird übermütig.London, 10. Juni.(W. T. B.) Einem Telegramm de»Reuterschen Bureaus aus Teheran zufolge hat der Führer der un-populären tzofpartei, Emir Bahadur, dessen Verbannung verlangtworden war, seine Funktionen bei Hofe am?. Juni wiederaufgenommen! Fünf andere Mitglieder der Hofpartci.welche der Schah zu entlassen versprochen hatte, sind gleichfallsan den Hof zurückgekehrt! Von vierzehn Notabeln,welche sich am 7. Juni abends an den Hof begeben hatten, umdem Schah wegen des Bruchs seines Versprechens ernste Vor»stellungen zu machen, wurden drei verhaftet, unter ihnen Zill esSultan. Am selben Abend wurden die Telegraphenlinien durchEmir Bahadurs Mannschaften durchschnitten, die auch auf dieArbeiter feuerten, welche die Linien wiederherstellen wollten. AISder Schah davon hörte, mißbilligte er dies.— Einer telegraphischenMitteilung vom 8. Juni zufolge wurden die drei Verhafteten No-tabeln weggeführt, wahrscheinlich nach dem Surkhissarpalast, zwölfMeilen von Teheran entfernt. Was die politischen KlubS und daSParlament anlangt, so haben sie noch keine Schritte getan, sondernüberlegen ernstlich, was zu tun sei. Die Stadt war heute völligruhig._Lotterieschwindel.Budapest, 10. Juni.(93. H.) Der Inhaber eine» Bank»geschäfteS, Leopold Bleier. welcher Lose auf Raten verkaufte, die»selben aber niemals lieferte, wurde verhaftet und sein Geschäft ge.schlössen. Seine Betrügereien belaufen sich auf über 200 000Kronen._Windhose.Reichenberg, 10. Juni.(B. H.) Eine Windhose hat in derUmgegend von Semil große Verwüstungen angerichtet. ZahlreicheHäuser wurden abgedeckt, Fabrikschornsteine zum Einsturz gebracht.Die Weberei von Melich wurde völlig zerstört. Zahlreiche Per».sonen wurden verletzt.