iriffen lobenswert. Es ist schade, welches vortreffliche Material hierunausgebildet verbraucht wird.(Lebhafter Beifall.)In der Diskussion betonte der Vertreter des Berliner Polizei-Präsidenten, Regierungsrat Dr. Lindenau, er sei mit demReferenten der Meinung, daß die Autoren der Strafprozeßordnungsich das Verhältnis der Kriminalpolizei zur Staatsanwaltschaftganz anders gedacht hätten, als es tatsächlich geworden sei. Aberer halte mit Hegel das. Bestehende für vernünftig. Die Ermitte-lungstätigkeit sei keine juristische Tätigkeit, ebensowenig wie derStrafvollzug etwas mit der Justiz zu tun habe. Die Justiz lassedem Verbrecher ausgleichende Gerechtigkeit und Sühne zuteil wer-den. Der Strafvollzug und die Ermittelung des Verbrechens seiensoziale Tätigkeiten und müßten im engsten Zusammenhang mit derWohlfahrtspolizei stehen. Vor allem aber könne der erste Angriffgegen das Verbrechen, die Inaugenscheinnahme, nicht den juristischenBehörden übertragen werden. Das Verbrechen sei kein Phänomen,das von vornherein gleich in den Akten stehe. Mit demselben Rechtwie die Ermittelung könne die Staatsanwaltschaft die Feuerwehrzur Verhütung von Brandstiftungen für sich reklamieren. DieStaatsanwaltschaft könne nicht für die Kriminalpolizei einen Tag-und Nachtdienst einrichten, und wie solle Berlin mit seinen dreiOberstaatsanwaltschaften, die sich um die Kompetenz streiten, und mitseinen Sl> Dezernenten bei jeder Staatsanwaltschaft, die 300 Kriminalbeamten unter sich verteilen und ordnungsgemäß verwenden?Bei der Kriminalpolizei sind die Beamten genau so eingeteilt wiedie Verbrecher.(Heiterkeit.) Wir haben Spezialisten für Boden»raub, Geldschrankknacken, Brandstiftungen. Können sie aber einenStaatsanwalt dazu verurteilen, zwei Jahre lang Anklagen wegenKellerraubs zu vertreten? Die Kriminalpolizei könne unmöglichvon der anderen Polizei getrennt werden. Gerade die Jnter-national-Kriminalistische Vereinigung betrachtet die Verbrecher nichtnur als Objekt der Rechtspflege, sondern wolle sie auch betrachtenim Zusammenhang mit den gesamten sozialen Verhältnissen. EineVerschmelzung von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei sei nurmöglich, wenn die Staatsanwaltschaft der Polizeiverwaltung unter-§eordnet sei.(Heiterkeit.) Das sei auch der bestehende vorbildlicheustand in England. Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafvollzugmüssen gemeinsam dem Ministerium des Innern unterstehen.Amtsrichter Dr. Weidlich(Stuttgart): Herr v. Lindenauhat nur von den Berliner Verhältnissen aus geurteilt, die für dasganze übrige Deutschland nicht paßten. Die Staatsanwälte habenheute meistens nichts weiter zu tun. als Material zu sammeln,denn die Polizei sei so schlecht, daß sie sie zu juristischer Tätigkeitgar nicht kommen lasse. Die Forderungen des Herrn v. Lindenauseien die Konsequenzen des preußischen Polizei-geisteS von Gottes Gnaden. Herr Dr. Lindenau habesich sehr zu Unrecht aus das Beispiel Englands berufen. Dort gc-hörten die Wohlfahrseinrichtungen zur Selbstverwaltung und fürdie Wohltätigkeitspslege der preußischen Polizei habe daS deutscheVolk noch nicht sehr gedankt. Daraus sei ihm noch kein Segen er-wachsen. Die deutsche Sicherheitspolizei habe sich zur Maximegemacht, sich um Strafsachen nicht zu kümmern, weil sie nicht Kri-minalpolizei sei. Dadurch gingen immer entscheidende Minutenfür den Angriff gegen das Verbrechen verloren, und die Mordeblieb en in der Regel unentdeckt. Man könne nichtder Regierung die WohlsahrtSpflege und Sicherheitspflege undGott weiß was für Aufgaben zuerteilen. Man solle eine besondereKriminalpolizei schaffen, die nur die Friedensbewahrung zu sichernund Friedensstörungen zu verfolgen habe.In der Abstimmung wurden die Thesen des Referentengegen zwei Stimemn angenommen. Sie haben folgendenWortlaut: l. Tie Vornahme der Ermittelungen, insbesondere dieVernehmung der Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen sollin der Regel durch die Staatsanwaltschaft selbst, bezw. unter ihrerLeitung durch ihre juristischen oder kriminalpolizeilichen Hilfs-arbeiter erfolgen. 2. Die erforderlichen Polizeibeamten sollen derStaatsanwaltschaft mit Disziplinargewalt des Ersten Staatsan-walts in Anlehnung an die Verhältnisse in Baden unterstellt wer-den. 3. Die Exekutivbeamten der Kriminalpolizei sind in der Straf-gesetzgebung, der Kriminaltaktik, der Kriminaltechnik und, soweites ihrer allgemeinen Bildung entspricht, auch in der Kriminal-Psychologie auszubilden.._Derbaudsiag der VorMaualbetter. 1Am Donnerstag diskutierte die Generalversammlung nochmehrere Stunden über die Verschmelzungsfrage und die vom Vor-stände beantragte Finanzreform. Wollmann trat in seinemSchlusswort den Einwendungen der Diskussionsredner entgegenund empfahl den Vorstandsantrag im Interesse deS gewerkschaftlichen Fortschrittes und der finanziellen Kräftigung des Verbandes.— Die Spezialberatung des Antrages wurde einer Kommissionvon 13 Mitgliedern überwiesen.Hierauf hielt der Verbandsredakteur Z i e t s ch ein einstündigesReferat über den bevor st eh enden Gewerkschafts-kongreß. Der Redner besprach die Tagesordnung des Kongresses. Mit der Tätigkeit der Generalkommission könnten die Ge-werkschaften einverstanden sein, aber man werde fragen müssen,warum die Generalkommission nicht eine lebhafte Agitafton gegenden Vereinsgesetzentwurf eingeleitet habe. Eine energische Protest-bewegung hätte noch vor der parlamentarischen Beratung des Ent-Wurfes veranstaltet werden müssen. Auch der Parteileitung undder ReichStagSfraktion müsse der Vorwurf gemacht werden, daß siesich nicht mit der Generalkommission über eine Agitation gegen dasVereinsgeseh geeinigt haben. Hinsichtlich des Gesetzentwurfs überdie Arbeitskammern habe sich die Generalkommission ebenfalls derUnterlassung einer allgemeinen Agitation schuldig gemacht.—Wünschenswert sei die einheitliche Regelung der Streikunterstützungdurch den Gewerkschaftskongreß. Auch die Anwendung des Boy-kotts als Waffe im wirtschaftlichen Kampf müsse geregelt werden,denn diese Waffe sei öfter in unzweckmäßiger Weise angewandtworden. Ueber die Jugendorganisationen lasse sich noch kein end-gültiges Urteil abgeben. Soweit eS nach den Gesetzen möglich ist,müsse die Jugend nicht in besonderen Organisationen, sondern inbesonderen Abteilungen der Gewerkschaften im Geiste der Arbeiter-bewegung erzogen werden.— Bei der Frage der Grenzstreitig.leiten gelte es, der unlauteren Agitafton ein Ende zu machen. Mitden nahe verwandten Berufen der Töpfer und der Glasarbeiterhabe der Porzellanarbeiterverband keine Grenzstreitigkeiten, wohlaber mit dem Fabrikarbeiterverband.— Die Maifeier stehe zwarnicht auf der Tagesordnung des Kongresses, sie werde aber dochwohl erörtert werden, denn es sei notwendig, eine bestimmte Stel-lung festzulegen, da ja die jetzt bestehenden Beschlüsse an der bis-herigen Sachlage nichts ändern. Die Gewerkschaften seien in derFrage der Maifeier konsequent geblieben, während die Partei, wiesich in dem Abkommen zwischen ihr und der Generalkommissionzeige, ihre Stellung gewechselt habe.D r u n s e l verteidigte die Generalkommission gegen den Vor-Wurf, sie habe keine Agitation gegen das Vereinsgesetz betrieben.Eine solche Agitation sei geplant gewesen, sie habe aber nicht aus-geführt werden können, weil durch das Betreiben der Blockmehrheitdie Beratung des Entwurfs mit unerwarteter Schnelligkeit beendetwurde. Der Gesetzentwurf über die Arbeitskammern werde aufdem Gewerkschaftskongreß besprochen werden. Was die Maifeierbetreffe, so dürfe man nicht verkennen, daß diese als Demonstrationgegen den Achtstundentag an Bedeutung verliere, je mehr die Ver-kürzung der Arbeitszeit fortschreitet. Das Abkommen zwischenParteivorstand und Generalkommission sei insofern zu begrüßen,als dadurch die Maifeier einheitlich geregelt worden sei. Nachdem jetzigen Stande der Dinge hätten die genannten Instanzenkeinen besseren Beschluß fassen können. Es wäre ja gut, wennetwas noch Besseres gefunden werden könne, wodurch den Streitig-leiten über die Maifeier ein Ende gemacht werden könnte.W 0 l l m a n n befürwortete unter anderem die Schaffungeines Zentralstreikfonds. Die großen Gewerkschaften hätten sichbisher dagegen gesträubt, weil sie den Fonds nicht nötig haben. Siewürden sich wohl so lange dagegen sträuben, bis sie sehen, daß auchihre Macht allein nicht ausreicht und daß»m Kampfe gegen dasUnternehmertum auch die großen Gewerkschaften die kleinenbrauchen.— Das Maifeierabkommen zwischen Partei und GeWerk-schaff sei daS glücklichste, was der Sachlage nach getroffen werdenkonnte. Für die Porzellanarbeiter sei die Frage der Maifeierkeine brennende, da sie angesichts der Lage in ihrem Beruf zurzeitnoch nicht an eine allgemeine Arbeitsruhe denken könnten, aber siewürden sich bemühen, daS Abkommen zu halten.— Im weiterenVerlauf der Diskussion wurden die vom Referenten berührtenFragen noch verschiedentlich erörtert, ohne daß positive Vorschlägefür den Gewerkschaftskongreß gemacht wurden.— Nach Schluß derDebatte stellte Wollmann im Einverständnis mit der General.Versammlung fest, daß es ihr Wille sei, daß die Delegierten zumGewerkschaftskongreß gegen die unlautere Agitation anderer Ge-werkschaften protestieren und dafür eintreten, daß derselben einEnde gemacht werde.Zum Gewerkschaftskongreß wurden delegiert: Hoffmann-Ilmenau, Se e l m a n n- Kronach, Wollmann, Zietsch undKorn- Berlin.Hierauf erstattete die Beschwerdeprüfungskommission Berichtüber eine Reihe von Beschwerden, die von Mitgliedern erhobensind, welche im Bezüge von Unterstützungen zu kurz gekommen zusein glauben. Auch der Konflikt der Zahlstellen Katzhütte undGroßbreitenbach sowie der Thüringer Gauleitung mit dem Vor-stand lag der Kommission vor, nachdem diese Angelegenheit amDienstag bereits im Plenum ausgiebig diskutiert worden ist. DieKommission kam zu dem Entscheid, daß in den genannten Kon-fliktsfällen das Recht auf feiten des Vorstandes ist. Die General-Versammlung stellte sich durch Annahme einer Resolution auf den-selben Standpunkt.__Der Mzeikommlffar von Ziegenhals.(Eine preußische Tragikomödie in drei Akten.)Erster Akt: Zeit: 23. November 1S07. Ort: Das Gewerk-schaftslokal von Zicgenhals. In dem mittelgroßen Räume drängtsich Kopf an Kopf. Es soll eine sozialdemokratische Versammlungstattfinden. PolizeikommissariuS Piontek läuft monologisierendhin und her. Als vor 4 Wochen zum ersten Male so ein„Roter" ausBreslau in diesem friedlichen Oertchen eine Versammlung hielt,da hatte er, der Herr Kommissar, in höchsteigener Person an derDiskussion sich beteiligt, um Zicgenhals zu retten. Der Erfolgwar aber eigentümlicher Weise nur eine unbändige Heiterkeit ge-wesen. Das zweite Mal hatte er dann die Versammlung zu der-hindern sich bemüht, indem er vor Beginn die Leute nach Hauseschicken wollte. Und nun ist heute schon wieder so ein Kerl auSBreslau da.Die Versammlung beginnt. Der Sozialdemokrat wagt eS, daSheilige preußische Junkerparlamcnt zu kritisieren. Die Aufregungdes Kommissars wird immer grösser. Jeden Augenblick muß derAufruhr losbrechen. Da— ist sie: die Revolution. Der Rednerhat das furchtbare Wort gesprochen. Nun gilts das Vaterland zuretten. Der Kommissar springt auf.„Die Versammlung ist auf-gelöst!" tönt seine Stinnne,— und der Staat ist wieder einmalgerettet.Zweiter Akt: Wenige Tage später im Zimmer der Staats-anwaltschast zu Neige.— Staatsanwalt Guradze studiert in einemSchriftstück von höchster Wichtigkeit. Der Polizeikommissar Piontekvon Ziegcnhals zeigt an. daß der sozialdemokratische AgitatorJoppich au? Breslau zum Klassenhaß und zu Gewalttätigkeitenaufgereizt habe, indem er in der Versammlung vom 26. Novemberdie von ihm. dem KommissariuS, eigenhändig stenographiertenWort gesprochen habe:„Daß die Sozialdemokratie sich, wie dieGenossen im Jahre 1348. mit Waffengewalt der Volksrechte bc-mächtigen werde."— Staatsanwalt Guradze schüttelt den Kopf:aab's denn 1848 schon„Genossen"? Aber der PolizeikommissarPiontek hat es wohl stenographiert, und ein preußischer Polizei-kommissar irrt sich nicht. Während der Staatsanwalt sich ansWerk macht, die Anklage wegen Vergehen gegen 8 433 des Reichs-Strafgesetzbuchs auszuarbeiten, fällt der Vorhang leise.Dritter Akt: Zeit: b. Juni 1908. Ort der Handlung: DerStrafkammersaal im Landgericht zu Neiße. Frech mustert derStaatsverbrecher Joppich von der Anklagebank aus den finsterblickenden Zeugen Piontek, dem es nicht in den Kopf will, daß soein gefährlicher Kerl nicht einmal gefesselt ist.— Hinter demRichterkolleyium hat der Erste Staatsanwalt Meyer Platz gc»nommen."Sein Gehilfe, Staatsanwalt Guradze, beantragt,wegen Gefährdung der Staatssicherheit die Oeffentlichkeit auSzu-schließen.— ES geschiehtllDer Verteidiger beantragt. Sachverständige darüber zu ver-nehmen, daß die Sozialdemokratie ihrem Wesen nach keine Gewalt.tötigkciten anstrebe und daß eS 1848 noch keine Sozialdemokratengegeben habe und daß der in kriminierte Satz deshalb gar nichtgesprochen worden sein kann.— Der Antrag wird abgelehnt: derPolizeikommissar hat es doch stenographiert!>— Wieder ein An-trag des Verteidigers: Zeugen darüber zu vernehmen, das Piontekunfähig sei. eine Versammlung zu überwachen.— Der Antragwird abgelehnt.Zeug« Piontek tritt auf.— Der Verteidiger fragt.—Piontek stockt und schwitzt.— Der Staatsanwalt erhebt sich vomStuhle.— Am Nicht er tisch immer längere Gesichter.>— Der Verteidiger fragt Wetter.'— Piontek stockt noch mehr.— Da ruft derStaatsanwalt plötzlich:„Aber Herr KommissariuS! Heute machenSie ja ganz andere Angaben, als in der Anzeige!"— Der Präsident fragt nach dem Stenogramm.— Der Zeuge Piontek gibtkleinlaut die Auskunft, daß der KommissariuS gar nicht steno-graphicren kann.— Kühl tönt die Stimme des Vorsitzenden durchden Saal:„Auch ein meineidiger Polizeikommissar kommt insZuchthaus.">— Den Zeugen Piontek will sein Gedächtnis jetzt ganzverlassen.— Der Erste Staatsanwalt hat genug; er verläßt denSaal. Sein Gehilfe aber verzichtet auf weitere Beweisaufnahme,da er die Anklage nicht mehr aufrecht erhalten könne. Doch derVerteidiger läßt nicht locker, bis durch Einvernahme von Ent-lastungszeugen und durch ein Plädoyer das Bild von dem zurVersammlungsüberwachung unfähigen Polizeikommissar voll-ständig ist.Der Gerichtshof berät. Vor dem Staatsanwalt Guradzesteht der geknickte Zeuge Piontek._Mit schneidender Stimme er-sucht er diesen, nach der Sitzung einmal in sein staatsanwaltlichesAmtszimmer zu kommen. Aengstlich fragt Piontek, wo das liege.„Vielleicht zeige ich Ihnen das noch," hört man den Staatsanwaltreplizieren.Die Richter kommen zurück. Der Vorsitzends verkündet dasUrteil: der Angeklagte wird freigesprochen; die Kosten werden derStaatskasse auferlegt, auch die persönlichen des Angeklagten, mitAusnahme der Verteidigungsgebühren, da der Angeklagte �als wohl-gebildeter Mann und mit der durch feine langjährige Tätigkeit inder Arbeiterbewegung erworbenen Gewandtheit, keinen Verteidigergebraucht habe.Der Vorhang fällt zum letzten Make, und der Phantasie derZuschauer bleibt es überlassen, sich die Schlußszene im verschwie-genen Zimmer des Staatsanwalts auszumalen->Gcncbtö-Zcltun�Beleidigung des Oberbürgermeisters KirschKfc'�Der Bureaugehilfe Hermann Zimmermann, der früher dlSKanzlist im Dienste der Stadt Berlin tätig war, hatte sich gesternvor der 6. Strafkammer des Landgerichts I wegen BeleidigungdeS Oberbürgermeisters Kirschner zu verantworten. Am 8. Sep-tember 1937 hate er an den Oberpräsidenten der Provinz Branden-bürg eine Eingabe gerichtet, worin er unter anderem behauptete,der Oberbürgermeister habe aus Furcht, daß ein Schatten auf seinePerson fallen könne, bei der Unterschlagungssache gegen BartuschPerfehlungen des damaligen Revisors Lucas und anderer Beamtenmit seiner Amtsmacht zu unterdrücken gesucht, damit nichts davonan die Oeffentlichkeit käme. Falle Lucas« so falle auch der Ober,bürgermeister, meinte der Angeklagte in seinet Eingab?. Daßjener vom Revisor zum Oberstadtsekretär befördert, er aber, derAngeklagte, entlassen war und trotz verschiedener Gesuche nichtwieder eingestellt wurde, auch keine Pension und kein Gnadengehafterhielt und sich und seine Familie seitdem kümmerlich durch Aus-Hilfsarbeiten in PrivatburcauS ernähren mußte, mag wohl die Per-anlassung dazu gegeben haben, daß er jene Beschuldigungen erhob.Er behauptete auch, daß seine Nerven durch Ueberarbeit imstädtischen Dienst zerrüttet worden seien und daß d i es— nicht.wie ein ärztliches Gutachten besagt, chronischer Alkoholismus—die Ursache war, weshalb er zweimal nach Herzberge überführtworden war.DaS Gericht hielt eine umfangreiche Beweiserhcbuns für an-gebracht. Der Oberbürgermeister Kirschner und ungefähr noch einDutzend Beamte oder ehemalige Beamte der Stadt Berlin wurdenals Zeugen vernommen. Es zeigte sich, daß die Beschuldigungendes Angeklagten gegen Kirschner völlig haltlos waren. Dem Re-visor Lucas, dessen Verfehlungen vorgeblich unterdrückt waren, warseinerzeit eine Verwarnung wegen Fahrlässigkeit bei der Revisionerteilt worden. Daß die Bartuschschen Unterschlagungen nichtfrüher entdeckt wurden, war, nach den Zeugenaussagen zu urteilen,auf technische Mängel in der Verwaltung zurückzuführen.Der Staatsanwalt Kahl beantragte gegen den Angeklagtenauf Grund des Z 186 deS Strafgesetzbuches zwei Monate Gefängnis.Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Eoßmann, sprach mit Rücksichtauf die Gemütsverfassung und die traurige Lage des Angeklagtenfür eine milde Beurteilung der Sache.— DaS Urteil deS Gerichtslautete auf sechs Wochen Gefängnis und Tragung der Kosten.Prozeß Riedel.Die vor der 3. Strafkammer des Landgerichts l unter Vorsitzdes Landgerichtsdirektors Lieber geführte Verhandlung gegen denDr. Riedel findet fortgesetzt unter Ausschluß der Oeffentlichkeitstatt und nimmt einen großen Umfang an. Seitens der Per-teidiger Dr. Alsberg und Hillcbrandt ist noch eine ganze Anzahlvon Zeugen geladen worden, so daß eine Beendigung des Prozessesnoch in dieser Woche nicht wahrscheinlich ist. Dem Bernehmen nachvertritt der Angeklagte den Standpunkt, daß er sich aus tat-sächlichen und rechtlichen Gründen nicht strafbar gemacht, daß erden Mädchen gegenüber, die ihn in seiner Wohnung besucht haben.leine Künste und keine Ueberredung habe in Anwendung bringenbrauchen, da die Mädchen, die ihm gesagt hätten, daß sie über16 Jahre alt seien, ohne großes Zureden und teils aus eigenemAntrieb sich ihm angeschlossen und ihre Besuche mehrfach wiederholthätten. Die Mädchen seien auch keineswegs unbescholten gewesen.In einigen Fällen bestreitet der Angeklagte überhaupt jeden Ver-kehr mit den betreffenden Mädchen und erhebt gegen deren Glaub-Würdigkeit die lebhaftesten Einsprüche. Die Prüfung dieser Glaub-Würdigkeit erfordert viel Zeit. Dies war insbesondere der Fall beider Prüfung des Charakters des Dienstmädchens Klimmert, diesich seinerzeit vergiftet hat— wie behauptet wird, auS Schamüber den Verlust ihrer weiblichen Ehre, die sie dem Angeklagtenpreisgegeben habe. Der Kriminalschutzmann Sticrstädter hattedas Mädchen in die Wohnung des Angeklagten hineingehen sehenund sie sistiert, als sie nach zwei Stunden mit stark gerötetemGesicht auS dem Haufe herauskam. Sie hat bei der polizeilichenVernehmung ihre Abenteuer in der Ricdelschen Wohnung und dieAttentate, die der Angeklagte gegen sie ausgeübt habe, in allerAusführlichkeit geschildert. Nach ihrer damaligen Aussage sei sieerst kurze Zeit in Berlin gewesen und habe ihre in der Hollmann-straße in Dienst stehende Schwester aufsuchen wollen, als sie demAngeklagten in die Hände gefallen sei. Der Angeklagte behauptetdagegen, daß sie keineswegs die Unschuld vom Lande gewesen fei.Er habe sie vielmehr in der Passage kennen gelernt, als sie ihnbedeutungsvoll anlächelte und sie sei durchaus damit einverstandengewesen, in seiner Wohnung mit ihm Kaffee zu trinken. Auchgegen die Annahme, daß das Mädchen auS Scham in den Tod gc-gangen fei, wurden seitens der Verteidigung erhebliche Bedenkenerhoben. So wurde auf einen Brief Bezug genommen, in welchemdas Mädchen an ihren Vater geschrieben hatte: sie habe auf dieEltern vergeblich gewartet; wenn sie sich nicht um sie kümmernwollten, sollten sie eS doch schreiben; wenn sie am Sonntag nichtbei ihr wären und sie keinen Brief habe, würde sie sich das Lebennehmen.— Ein sehr ungünstiges Zeugnis soll dein Vernehmennach dem Mädchen von dem Pfarrer B a h l o w in Liegnitz ans-gestellt worden sein, bei dem sie kurze Zeit im Dienst war. Siesoll dort wiederholt die Absicht, sich zu vergiften, ausgesprochenhaben. Schon nach einigen Tagen habe sie aus dem Dienst wiederweggehen wollen und äußerte: sie würde lieber sterben, als dortbleiben. Auch eine Flasche mit Salzsäure soll sie an den Mundgesetzt haben. Trotzdem soll sie am Sonntag sehr vergnügt undfröhlich geputzt weggegangen sein und ihre Lust bekundet haben,mit irgendeinem Manne zusammenzukommen. Sie soll sich auchdie Nacht in Liegnitz herumgetrieben haben. Nach diesem Zeugnishabe sie den Eindruck sehr sinnlicher Veranlagung gemacht und seisehr unsauber gewesen.— Ein Mädchen, welches gleichzeitig mitihr diente, soll dies bestätigt haben. Sie hat von ihr allerleipikante Dinge gehört, wonach sie wiederholt in den Licgnitzer An-lagen mit Männern ein Stelldichein gehabt habe. Ihre Erzählungenhätten nicht so geklungen, als wäre es bloße Renommage gewesen.Dieser Zeugin soll sie gesagt haben: man hätte doch nicht ver-hindern sollen, daß sie sich tötete, es wäre doch so schön gewesen.wenn dann alles in den Zeitungen gestanden hätte. DaS Mädchenhabe sich auch, wie weiter bezeugt wurde, geäußert: sie wolle sichin die Katzbach stürzen.— Die einzelnen Fälle, die zur Anklagegestellt sind, werden mit großer Gründlichkeit geprüft und erörtert„Quatschen Sie jetzt nicht mehr!"Vor dem Schöffengericht in Rixdorf standen die KaufleuteAlex Gast und Artur Dröser als Angeschuldigte. Sie hattenwegen angeblich ruhestörenden LärmS einen Strafbefehl überje fünf Mark erhalten und dagegen Einspruch erhoben. DieAngeschuldigten unterbrachen wiederholt den als Zeugen ver-nommenen Schutzmann Zfchiefche in seiner Aussage. Darauf äußerteder Vorsitzende. Amtsrichter Laibeng uth:wenn die Rixdorfer Arbeiter sich so bettagen, wundertman sich nicht, die find ungebildet, quatschen Sie jetztnicht mehr.Das Urteil lautete auf Bestätigung der Geldstrafe von je6 M. In der Begründung des Urteils hieß eS: die RixdorferArbeiter machten der Rixdorfer Polizei gerade genug zu schaffen.ES hätten die Schutzleute mit den Arbeitern einen sehr schwerenStand. Wiewohl die Angeklagten zu der gebildeten Klaffe gehören.habe das Gericht das von der Polizei ausgeworfene Sttafmaß nichterhöht.DaS Gesetz oder die richterliche Auslegung des Gesetzes gibtdem Richter ein sehr weitgehendes Recht. DaS Recht, eine Klasseder Bevölkerung, die Rixdorfer Arbeiter, wie vorstehend zu ver«dächtigen und zu beschimpfen, stände ihm aber selbst dann nicht zu,wenn die von ihm gewählte AuSdruckSweise eine höflichere wäre.Die mitgeteilten Aeußenmgen stellen einen richterlichen Uebergriffdar, der zwar deutlich die verlehrte, voreingenommene Anficht desRichters über die ArbeiterNasse wiederspiegelt, aber aufS entschiedenstezurückgewiesen werden muß.-Einsegangene DruckIckHften.Juristisch-psychiatrische Grenzfragea. Hest 2/3.— Psychiatrieim Grotzherzogtum Hessen 2,— M. Hest 4.— Strafrechtliche Reform-bestrebnnqe» im Lichte der Fürsorge" von Dr. I. Longard. S0 Pf. Hest5/6.— lieber das Verhältnis des geistigen Inventars zur Zurech.nimgs- und Geschäjtssähigkcir von Dr. I. Berge. 2,83 M.— lieber Ge-fänguispsychosen. Von K. Wilmanns. 1,20 M.— Ueber die Nervositätder Frauen und ihre Verhütung von Dr. Weißwange. 23 Pf. VerlagC. Marhold, Halle a. S.