üeBenvcrlammlungen zum Cebrertage. Mit der deutschen Lehrerversammlung in Dortmund war eine große Reihe von Ziebenversammlungen verbunden, deren Verlauf freilich nur wenig anregende und bemerkenswerte Momente gab und deren Ergebnisse kaum das Interesse weiterer Kreise berühren dürfte. Nur diL.Vertretervcrsammlungen der I u g e n d s ch r i f t e n. Prüfungsausschüsse und der st a t i st i s ch e n Kommissionen haben einige Aussicht, Beachtung zu finden. Der Vollständigkeit halber seien aber alle Nebenversammlungen kurz registriert. Die Freie Vereinigung für philosophische Pädagogik ließ sich zwei Vortrage über die Bedeutung der Darstellung der kantischen Philosophie und deren Pflege in Vergangenheit und Zukunft und über D i t t e S als Herold der Frost Hommerschen Philosophie und Pädagogik halten. Im Dteutschen Lehrerverein für Naturkunde sprachen 2 Dortmunder Lehrer über die Geologie von Dort- m u n d und Umgegend und der Leipziger Seminaroberlehreb Frey, der sich durch eine instruktive Schrift über den Werkunter- richt bekannt gemacht hat, sprach über den p h y s i k a l i s ch e n A r- bcits Unterricht. Er legte dar, daß alle Versuche, den natur- kundlichen Unterricht in der Form der planmäßigen, geistbildenden Beschäftigungen auszubauen, zu einem mehr oder weniger aus- geprägten physikalischen Arbeitsunterricht führen würden. Dieser — als Unterrichts- und Erziehungsform der oberen Klassen— fordere: eine didaktische Durchdringung des physikalischen Lehrstoffes eine entsprechende, wenn auch einfache Einrichtung eines größeren Raumes als Werkstatt- und Unterrichtsraum, schließlich eine Aende- rung der Lehrpläne und Lehrmethoden an den Seminaren. Die Vereinigten deutschen Prüfungsaus- schösse für Jugendschriften hielten ztvei Versammlungen ab. Die eine hörte und diskutierte zwei Vorträge über das G e- schlechtliche in der Jugendschrift und Die Frage der AlterSmundart. Die andere behandelte geschäftliche Angelegenheiten. Es sollen, so wurde beschlossen, in Zukunft alle Jugendschriften, welche trotz ihres künstlerischen Wertes geeignet erscheinen, auf unreife Geister geschlechtlich erregend zu wirken, abgelehnt werden. DaS Element darf in der Jugendschrift nur insoweit enthalten sein, als die Darstellung die Liebe in Ihrem wahren und edlen Laufe verfolgt. Es ist aber falsch, der heran. wachsenden Jugend alle Dichtungen vorzuenthalten, die von Liebe handeln, im Gegenteil, die Jugend mutz dichterisch wertvolle LiebeS- schichten und Liebeslieder kennen lernen, damit die erwachenden cfühle in gesunde Bahnen gelenkt werden. Die unnatürliche und überschlvengliche Darstellung der Liebe in den sogenannten Back- fischgcschichten ist zu verwerfen. Aenderungen und Kürzungen dramatischer, epischer und lyrischer Dichtungen der klassischen und Volksliteratur sind als Uebergriff« der Engherzigkeit und Schein- moral gegen das Recht der Persönlichkeit des Schöpfers energisch zu bekämpfen. In der Frage der Altersmundart stellte sich die Versammlung mit dem Referenten auf den Standpunkt einer Resolution Posen, welche lautet: Die Anregung Okos, mit Kindern kindlich und anschaulich zu reden, ist zwar nicht neu, kann aber auch nicht oft genug ausgesprochen werden. Dagegen gibt eS keine AlterSmundart, wie Oko sie darstellt, vielmehr hat jedes Kind seine eigene Mundart, die nicht nur vom Alter, sondern von vielen anderen Faktoren, besonders von der Umgebung des Kindes ab- hängt. Ganz zurückzuweisen ist aber der Vorschlag OkoS, den Kindern Kunstwerke in einer ihnen verständlichen Sprache zu bieten. Wir wollen ein Kunstwerk erst dann an das Kind heranbringen, wenn es dafür reif ist. Die Abhandlungen des„Hauslehrer" über Tagesfragen sind zwar nicht immer als gelungen zu bezeichnen, doch geben sie den Eltern Winke, wie sie Kinderfragen beantworten sollen. Die im geschäftlichen Teil eingehend mit allem Für und Wider diskutierte Frage, ob die Vereinigten deutschen Prüfunas- ausschüsse die Herausgabe von Jugendschriften(in Verbindung mit einem Verlage oder mit Hilfe anderer Vertriebs- organisationen) selbständig in die Hand nehmen sollen, wurde vertagt. Die Vertreterversammlung deutscher Pesta- lozzivereine habe als wichtigsten Punkt auf ihrer Tages- ordnung stehen: Welche Schritte haben die Pestalozzivereine Preu» ßcns zu unternehmen, um zu erreichen, daß die StaatSregierung den Lehrerwitwen Preußens, die nur eine geringe Pension beziehen, erhöhte Fürsorge zuwendet? In der Vertretersitzung der Militärkom- Missionen referierten Höhne- Berlin über die Sonderein- richtung des einjäh rig-aktiven Dien st eS der Lehrer und Buhl- Minden über die Stellung der Seminare unter den zum einjährig-freiwilligen Dienst berechtigenden An- stalten. In der Vertretersitzung der statistischen Kom- Missionen behandelte Schönfeld. Hamburg die Bedeu» tung der Statistik für die wirtschaftlichen Kämpfe der Lehrerschaft, und Fischer. Charlottenburg legte die nächsten Aufgaben der statistischen Kom- Missionen dar. Diese sind: die Sammlung aller Schule und Lehrer betreffenden gesetzlichen und wichtigen von den Schulbehör- den auf dem Verwaltungswege erlassenen Bestimmungen, die Sammlung amtlich veröffentlichten statistischen Materials, soweit es Schule und Lehrer betrifft, die Veranstaltung eigener statistischer Aufnahmen. Zu den letzteren gehört u. a. eine alljährliche vollstän- dige Uebersicht über die Zahl der Schulorte und Lehrerstellen, der Lehrer und Lehrerinnen, der unbesetzten Stellen, ferner über die Bcsoldungsverhältniss« und über Abgang durch Tod und Pensionie- rung usw. Diese statistischen Arbeiten sind nicht nur Werwoll für die Lehrerschaft, sondern haben auch für die weitere Oeffentlichkeit hervorragendes Interesse, wie erst die jüngsten Publikationen der Zentralstelle bewiesen haben, mit denen die verlogenen, irreführen» den Angaben der„Krcuz-Zeitung" über den«beseitigten Lehrer- mangel" erfolgreich widerlegt und zurückgewiesen worden sind. Die Vertreter der Rechtsschutzkommission be- fatzten sich mit der Disziplinargesetzgebung in den Einzelstaaten und dem Verhältnis des Rechtsschutz st atuts zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Bei rat für S ch u la u S ste l lü n g e n erörterte die Frage der Verbesserung und Gestaltung von Schulausstel- l u n g« n, und die Versammlung von Vertretern schulhygienischer Vereinigungen, die den Vortrag über Schulärzte und Lehrerschaft fallen ließ, beriet den Zusammenschluß der Vereint- gungen für Schulgesundheitspflege, der von Berlin erstrebt wurde, während Hamburg ihn im Hinblick auf die sonst zu gewärtigende Organisierung der Schulärzte und damit verbundene Schädigung der gemeinsamen schulhygienischen Interessen min- bestens vertagt wissen wollte. Auch die Lehrergesangvereine hatten sich zusammen« fefunoen, um die Schaffung ein es„Deutschen Lehrer- ängerbundeS" zu beschliegen und in die Wege zu leiten. Konrad A g a h d- Rixdorf behandelte in einer Nebenversamm- lung die Mitarbeit der Lehr er in Jugendfürsorge . Organisationen, ohne jedoch seine umfangreichen Leitsätze anerkannt zu sehen, und Otto P a u t s ch, der seine�politische Weis- heit in der Hauptversammlung damit dokumentiert hatte, daß er erklärte, die Hoffnung der Lehrerschaft stehe und falle mit der „Person der Herrn Kultusministers", verbreitete sich über Be- beut ung, Stand und Methode der schulpolitischen Untersuchungen. Nicht zu vergessen, daß auch die Stenographie, und Schroiblehrer, die Organisten und Musiklehreü, die israelitischen und Auslandlehrer ihre Neben- Versammlungen abhielten. Das Ergebnis war überall äußerst mäßig und lohnte kaum der Zeit und Mühe, die darauf verwendet wurde. Der gähnende Mangel an neuen Gedanken und großen Gesichtspunkten, der das Niveau der Tagung im ganzen auffällig herabdrückte, machte sich oft noch schmerzlicher in den Nebenbersammlungen fühlbar. Von allen Lehrertagen des letzten Jahrzehnts dürste der Dortmunder der langweiligste, seichteste und ertragärmste gewesen sein. Verbandstag der Norzkilanarbkittr. Am Freitag stimmte die Generalversammlung nach kurzer Diskussion einer von der Vorständekonferenz im Februar 199(3 angenommenen Resolution zu. welche den Verbänden empfiehlt, den Uebertritt von Mitgliedern anderer Organisationen statutarisch in der Weise zu regeln, daß die Uebcrtretendcn vom Eintrittsgeld befreit sind und ihnen die Mitgliedschaft in der alten Organisation durch die neue aiigerechnet wird. Es folgte die Beratung einer großen Zahl von Anträgen, welche aus den Zahlstellen eingegangen sind und Aenderungen des Statuts bezwecken. Die Anträge beziehen sich meist auf formale Bestimmun- gen ohne allgemeines Interesse. Die Zahlstelle Ilmenau beantragte, den weiblichen Mitgliedern eine ihrer Zahl entsprechende Vertretung auf der Weneralver- sammlung zu sichern.— Vom Vorstande wurde dazu gesagt: Das Recht, sich ihrer Zahl entsprechend vertreten zu lassen, haben ja die weiblichen Mitglieder. Sie sollten doch in den Zahlstellen, welche einen großen Teil weiblicher Mitglieder haben, von ihren Rechten Gebrauch machen. Das täten sie jedoch nicht, denn die Zahlstelle Eisenberg bestehe in der Mehrheit aus weiblichen Mitgliedern. Diese hätten also die Möglichkeit, nur weibliche Delegierte zu wählen. Die Zahlstelle Eifenberg sei hier aber nur durch männliche Dele- gierte vertreten, also hätten doch die weiblichen Mitglieder frei- willig auf eine Vertretung verzichtet. Fräulein Fischer ans Ilmenau , die Begründerin des Antrages und einzige weibliche Delegierte auf der gegenwärtigen Generalversammlung, gehöre zwar einer Zahlstelle mit starker weiblicher Mitgliedschaft an und doch habe sie ihr Mandat in Katzhütte nur deshalb erhalten, weil dort kein zweites männliches Mitglied zur Annahme der Delegation bereit war. Das zeige doch, wie wenig die weiblichen Mitglieder von ihren Rechten Gebrauch machen. Dem Vorstände sei selvstver- ständlich eine entsprechende weibliche Vertretung erwünscht, aber eine allgemeine Regelung im Sinne des Antrages werde auf große wahltechnische Schwierigkeiten stoßen und deshalb nicht durchführ- bar sein.— Der Antrag Ilmenau wurde mit großer Mehrheit an- genommen.— Ferner wurde beschlossen, daß die nächste General- Versammlung nur aus 59 Delegierten bestehen soll(gegenwärtig sind es 79) und daß jede Generalversammlung die Delegiertenzahl der folgenden bestimmt. Von den sonst noch angenommenen Anträgen sind die folgenden anzuführen: Mitglieder, deren Frauen im gleichen Beruf oder Be- trieb beschäftigt sind, werden verpflichtet, ihre Frauen der Organi- satwn zuzuführen. In Bezirken mit angestellten Gauleitern sind AgitationSkom- Missionen nicht zulässig. In anderen Bezirken sind die Zahlstellen berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich zu Agitationsbezirkcn zu- sammenzuschließen. Dem Vorstande werden die Mittel bewilligt, um jährlich mindestens zwei von ihm auszuwählende Mitglieder am gewerk- schaftlichen UnterrichtskursuS teilnehmen zu lassen. Die vorige Generalversammlung hat der gegenwärtigen einen Antrag überwiesen, welcher die Einführuirg der vom Stuttgarter Gewerkschaftskongreß empfohlenen Gehaltsskala fordert, mit der Maßgabe, daß den Angestellten ihre bisherige Dienstzeit angerechnet werde.— Dieser Antrag wurde abgelehnt und statt dessen be- schlössen, daß die gegenwärtigen Gehälter, von der vorigen General- Versammlung(IllOb) an gerechnet, um jährlich 100 M. für die An- gestellten und SO M. für die Hülfsarbeiter erhöht werden bis zur Höchstgrenze von 3000 M. für beide Kategorien. Wiedergewählt wurden: Wollmann, 1. Vorsitzender. Korn, 2. Vorsitzender, Herden, Kassierer, Schneider, Schriftführer, Z i e t s ch, Redakteur, Münk und Tobias, Hülfs- arbeiter, Ho ff mann(Ilmenau ) Gauleiter für Thüringen . Revisoren B r e s s« m', F e l l e r, Henning.— Als Sitz der Beschwerdekommission wurde Eisenberg bestimmt. * Berichtigung. In unserem gestrigen Bericht haben sich im Referat des Genossen Z i e t s ch einig« Irrtümer eingeschlichen. Nicht Genosse Zietsch erhob den Vorwurf gegen die Parteileitung und die Neichstagsfraktion, daß sie keine Agitation gegen den Ver- einsgesetzentwurf eingeleitet haben, sondern er sagt«, dieser Vor- Wurf sei den Parteiinstanzen gemacht worden in einer Parteiver- sammlung in Nürnberg. — Hrnsichtlich der Maifeier sagte Zietsch nicht, der Gewerkschaftskongreß müsse eine üestimmte Stellung zur Maifeier festlegen, sondern er vertrat die Meinung, daß nach Lage der Sache der Geivcrkschaftskongretz nichts Bestimmtes festlegen könne, da er ja nicht einseitig an den bestehenden Vereinbarungen etwas ändern könne._ Gerickts-Geltung. Ein verwegener Fluchtversuch eines Angeklagten, der im Gerichtssaale verhaftet worden war, eregte gestern in dem Moabitcr Kriminalgericht großes Aufsehen. Vor der ersten Straf» kammer des Landgerichts III hatten sich vier jugendliche Mitglieder einer Diebesbande zu verantworten, die als Spezialität Tauben- diebstähle verübt hatte. ES waren dicS der Arbeitsbursche Richard Bogel, der schon mehrfach vorbestrafte Arbeiter Artur Gösch«, der Arbeiter Wilhelm Schulze und der aus der Erziehungsanstalt vor- geführte Arbeitsbursche Paul Körte. Eines Tages wurden die vier in einem Lokal festgenommen, wo sie Tauben verkaufen wollten, die sie von dem Boden eines Grundstücks in der Köslinerstratze gestohlen hatten.— In der gestrigen Verhandlung stellten die Angeklagten zumeist jede Schuld in Abrede. DaS Gericht erkannte gegen Bogel auf 14 Tage, gegen Schulze und Körte auf je 4 Monate und gegen den wiederholt vorbestraften Gösche auf 1 Jahr Gefängnis, sowie sofortige Berhnftung. Während der Gerichtsdiener einen anderen in Haft befindlichen Angeklagten abführte,- schwang sich Gösche über die Barriere. Ehe noch jemand eine Hand rühren konnte, sprang der Flüchtling dann mit einem mächtigen Ansatz über eine zweite Barriere hinweg in den dichtgedrängten Zuhörerraum hin- ein. Hier stürzte er der Länge nach zu Boden, sprang im Nu aber wiedr auf und verschwand durch die nach der Straße zu führende Tür des Zuhörerraums. Nun entwickelte sich eine wilde Hetzjagd, an welcher der Staatsanwalt selbst teilnahm. Der Vertreter der Anklagebehörde lief die große Haupttreppe hinunter und erreichte durch Zurufe, daß die untere Ausgangstür nach der Straße durch den Portier schnell abgeschlossen wurde. Der Flüchtling saß nun- mehr in der Falle und wurde auch bald von Gerichtsdienern aus einem Versteck hervorgeholt und nun dem Untersuchungs- gefängniS zugeführt._ Kinematographen -Gefahren. Ein gefährlicher Kinderfreund, der sich in einem Kinemato- graphen-Theater schwere sittliche Verfehlungen hatte zuschulden kommen lassen, mußte sich gestern in der Person des 30jährigen Bäckergesellen Stefan Konibki vor dem Strafrichter verantworten. Der Angeklagte ist schon einmal wegen tätlicher Beleidigung und Sittlichkeitsverbrechen mit neun Monaten Gefängnis bestraft wor- den. Anfang Mai dieses Jahres beobachtete ein Kriminalbeamter den Angeklagten, wie er sich vor einem Kinemawgraphen-Theater in der Brunnenstraße an die Kinderschar herandrängte, die fast ständig vor derartigen Lokalen sich herumtreibt und Erwachsene an- bettelt, sie mit hineinzunehmen. Hierdurch wurde der Plan oeS Angeklagten noch begünstigt. Während der Vorstellung wurden die Räume verdunkelt und in dieser Zeit konnte K. ungestört sich in der schlimmsten Weise an den Kindern vergehen, die ihm vielfach sogar auch schon in gewisser Beziehung entgegenkamen.— Das Gericht erkannte mit Rücksicht auf das überaus gemeingefährliche Treiben des Angeklagten unter Versagung mildernder Umstände auf 1 Jahr Zuchthaus. Eine Rabenmutter vor Gericht. Schamlose Mißhandlungen einer Millionäri» an ihrem Stiefi kinde kamen gestern vor dem Rizdorfer Schöffengericht zur Ver- Handlung. Der Prozeß nahm einen ähnlichen Verlauf als kürzlich der bekannte Fall der Frau Dr. Bergmann. Angeklagt war die Lillenbesitzerin Helene Kohlmannslehner, geb. Quandt, aus der Dclbrückerstraßc 5(3-58. Vor fünf Jahren heiratete die Angeklagte den Gärtncreibcsitzer Kohlmannslehner, der drei Kinder aus seiner ersten Ehe besitzt. Die Angeklagte hat einen Sohn aus der ersten Ehe. Uni ihre Stiefkinder kümmerte sie sich absolut nicht und be- sonders behandelte sie die achtjährige Lotte äußerst lieblos. Die Ehe wurde im vergangenen Jahre bereits wieder geschieden, und jetzt erst erfuhr K. von seinem eingeschüchterten Kind«, welches Mar- tyrium es bei der Stiefmutter zu erdulden hatte. Nachdem K. von seinem früheren Dienstmädchen und von der Köchin verschiedenes über die Mißhandlungen seines Kindes erfahren hatte, stellte er Strafantrag gegen seine geschiedene Frau wegen Mißhandlung seines Kindes. Außerdem klagte er sie wegen Bedrohung an. Frau K. hatte einmal ihr Dienstmädchen Anna Liebig mit dem Beile bedroht. Schließlich wurde der Angeklagten noch vorgc- warfen, ihren Sohn Walter mit dem Schirm und einer Selter- Wasserflasche mißhandelt zu haben. Ihrer Stieftochter Lotte hatte sie eine das Leben gefährdende Behandlung zuteil werden lassen. Aus nichtigen Gründen stieß sie das wehrlose Geschöpf gegen die Wand, warf sie vom Stuhle, zog sie an den Haaren von einem Zimmer ins andere, ließ sie hungern, und bei strömendem Regen jagte sie das Kind auf die Straße hinaus. Wie die kleine L. an- gibt, ist sie öfter hungrig zu Bett geschickt worden, so daß sich Nach- barn ihrer annahmen und ihr zu essen gaben. Wenn sie ihre Stiefmutter„Mutter" genannt habe, sei sie regelmäßig mitzhanoclt worden. Im Winter habe sie dünn und im Sommer dick gekleidet gehen müssen. Verdorbene Speisen, die das Dienstmädchen nicht essen wollte, mußte die Kleine zu sich nehmen. Die Angeklagte drohte dem Kinde, ihm die Knochen entzwei zu schlagen, wenn der Vater verreist sin. Sie habe deshalb den Vater flehentlich gebeten, niemals zu verreisen. Aus Angst vor weiteren Mitzhanolungen hat das gequälte Geschöpf dem Vater niemals Mitteilung von den unmenschlichen Mißhandlungen der Stiefmutter gemacht. Morgens mutzte die Kleine hungrig, ohne Kaffee getrunken zu haben, zur Schule gehen. Das Dienstmädchen gibt noch an, daß die Ange» klagte ihr Stiefkind mit der Schulmappe und dem Federkasten auf den Kopf geschlagen habe, so daß Beulen entstanden. Bei den Mißhandlungen, die das Mädchen zu erdulden hatte, habe die Zeugin gezittert und gebebt.„Du verfluchtes Frauen, cmmer sollst nicht zu nur Mutter sagen!" mit diesen Worten stieß die Angeklagte ihr Stiefkind häufig von sich fort. Eine andere Aeutzerung lautete: „Ich wünschte, Du wärest erst tot!" Auch zur Kartenlegerin ging die Angeklagte recht häufig. Sie glaubte fest an deren Prophezei- ungen. Einige als Zeugen vernommene Verwandte suchen die Angeklagte zu entlasten. Der Verteidiger machte geltend, daß die Mißhandlungen fünf Jahre zurückliegen und infolgedessen Ver- jährung eingetreten sei. Das Gericht beschloß, die EheschcidungS- alten deS K.'schen Ehepaares herbeizuschaffen, um genaueres fest- zustellen. Die Verhandlungen mußten lnfolgedessen vertagt werden Die„miserablen Löhne" der Textilfirma Fr. Gebauer, von denen der„Zentralverband deutscher Textil« arbeiter" im Herbst vorigen Jahres in einem an die Arbeiter dieses Betriebes gerichteten Flugblatt gesprochen hatte, bc- schäftigtcn gestern zum zweiten Male daS Schöffengericht Berlin- Mitte(145. Abteilung). Wegen jenes Flugblattes, das die Arbeiter zum Anschluß an die Organisation aufforderte, hatte Herr Gebauer eine Beleidigungsklage angestrengt gegen den S t i ck e r G u st a v Wasewitz, der als Mit- glied des Vorstandes des Textilarbeiter- Verbandes das Flug- blatt verfaßt und verantwortlich gezeichnet hatte. Herr Gebauer wollte vor Gericht beweisen, daß er nicht»miserable Löhne" zahle, daß seine Arbeiter sich nicht„betrogen" zu fühlen brauchen, und so weiter. In einem c r st e n Termin, der im März stattfand, wurde auf Antrag des Rechtsbeistandes des Herrn Gebauer Ver- t a g u n g beschlossen, weil dieser gegen die Beweisanträge deS Be- klagten sich erst noch wappnen wollte. Zum gestrige«Termin waren außer den Zeugen des Beklagten eine beträchtliche Anzahl Fabrikangestellte geladen worden, durch deren Aussagen Herr Gebauer die Beweise des Beklagten entkräften zu können hoffte. Herr Gebauer selber war, wie ,m ersten Termin, so auch diesmal wieder nicht persönlich er- schienen. Der Vorsitzende, AmtsgertchtSrat Wollner, be- zeichnete daS als um so verwunderlicher, da Herr Gebauer doch gewiß ein großes Interesse daran haben werde, daß eine baldige und möglichst vollständige Aufklärung über die in seinem Betrieb herrschenden Zustände erreicht werde. Gebauers Rechtsbeistand, Assessor Müller, wurde ersucht, den Kläger schleunigst noch für diesen Termin herbeizuzitieren. Aber alle Bemühungen, Herrn Gebauer aufzufinden, blieben erfolglos. Auch die wiederholten Versuche deS Vorsitzenden, eine Einigung zwischen den Parteien zustande zu bringen, scheiterten immer wieder daran, daß Herr Gebauer dem Gericht fern geblieben war und sein Vertreter ohne ihn nichts tun zu können erklärte. ES mußte w die Verhandlung eingetreten werden. aber sie kam— trotz einem zweistündigen Hin und Her — nicht hinaus über ein Vorstadium. Der Beklagte, dem als Verteidiger Rechtsanwalt Th. Liebknecht zur Seite stand, gab an, er habe das Flugblatt verfaßt, nachdem Arbeiter der Firma Fr. Gebauer den Textilarbeiterverband um sein Eingreifen ersucht hatten, weil sie selber Maß» regelungen befürchten mutzten, wenn sie die Zustände des Gebauerschen Betriebes öffentlich zu besprechen wagten. Der Vorsitzende wunderte sich, daß ein Handarbeiter ein Flugblatt schreiben könne. Er richtete auch an Wasewitz die sonderbare Frage, was ihn denn die Zustände des Gebauerschen Betriebes angingen. Die Beweisaufnahme sollte beginnen nüt der Vernehmung des Stadtrats M a a tz, der von der Verteidigung als S a ch v e r st ä ndiaer geladen worden war. Herr Maatz erklärte aber, er sei zwar Chef seiner Firma, er kümmere sich aber schon lange nicht mehr um fein Geschäft, überlasse alles seinen Associüs und könne nicht sagen, ob die von Gebauer gezahlten Löhne „miserabel" seien oder nicht. Hiernach mutzte auf diesen fach- verständigen Unternehmer verzichtet werden. Als zweiter Sach- verständiger war der Gewerkschaftsbeamte Hübsch vom Textilarbciterverband durch die Verteidigung geladen worden, aber Herrn Gebauer« Rechtsbeistand meinte, daß der allein nicht genüge. Wieder schlug der Vorsitzende eine Einigung vor. Gegenüber der Forderung, Wasewitz solle die Angaben eines Flugblattes als unzutreffend zurücknehmen, erklärte dieser, er sei höchstens bereit zu der Erklärung, daß er die ihm von glaubwürdigen Personen gelieferten Angaben veröffentlicht habe, nicht um Herrn Gebauer persönlich anzugreifen, sondern um die Interessen der bei Gebauer beschäftigten Arbeiter zn fördern. Herrn Gebauers Rechtsbeistand wagte nicht, hierauf einzugehen. Das Gericht gelangte zu dem B e- Schluß, die Sache wiederum zu vertagen, weil erst noch zwei andere Sachverständige, der Fabrilbesitzer Paul MengerS und der Fabrikbesitzer W. Riedel, zu laden seien. Hoffentlich bereiten nicht auch sie dem Gericht die Ueberraschung, erklären zu müssen, daß sie nicht wissen, was„miserable Löhne" sind. Angeordnet soll auch werden, daß Herr Gebauer zum nächsten Termin p e r s ö n- Ii ch zu erscheinen hat. Eingegangene Vruckfckrlften. Der Arbeitsvertrag. 2. Band. Von Ph. Loimar. Geb. IS M.— Soziologie. Von G. Siunncl. Geb. 25 M. Verlag Dunckcr u. Humblot in Leipzig . Peter Alteuberg, Die Auswahl aus meinen Büchern.(S. Fischer, Verlag, Berlin .) Geh. 3 M., geb. 4 M. Soziale Fraueubildnug. Von Dr. MIce Salomon. Geh. 1,20 M. Verlag B. G. Teubner in Leipzig .
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