auch nicht meritvllrdigerweise—» mußte sich die Mion der sozialdemokratischen Fraktion wiederholt und bei weittragenden Gesetzes- destimmungen gegen die bürgerlichen Parteien statt gegen die Regierung richten und in mehr als einer Frage trat die Regierung auf die Seite der das Allgemeinwohl verfechtenden Sozialdemokratie gegen die für den»soliden Grundbesitz' schwärmen- den bürgerlichen Parteien. Nach Erledigung der Bauordnung und einiger kleinerer An- gelegenheiten, Interpellationen usw. will man noch Ende dieses Monats die Generaldebatte über die Volksschnl- gefetz Novelle eröffnen. Am i. Juli, so, hofft man, könnte die Tagung des Landtags geschloffen werden. Die Generaldebatte über die Volksschulreform wird aber Wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen, als vorgesehen. Von dem Entwurf ist— abgesehen von den Nationalliberalen und jener Presse, die sich die Gunst der Regierung um jeden Preis erkaufen möchte— niemand so recht erbaut. Es ist ein Kompromistwerk schlimmster Sorte. Die Wünsche und Forderungen der überwiegenden Majorität der Lehrerschaft sind einfach in den Wind geschlagen, von den Forde- rungen des sozialdemokratischen Programms gar nicht zu reden. Wohl ist in der Form die Herrschaft der Kirche über die Volks- schule gemildert, in der S a ch e aber werden die Herrschafts- onsprüche des Klerus über die Schule im Gesetz noch sicherer verankert als das bisher der Fall war. Was die Novelle sonst an Aenderungen und Besserungen bringt, ist teils so geringfügiger oder zweifelhafter Natur, daß die Erregung unter der arbeitenden Bevölkerung in dem Mäste wächst, wie die Novelle genauer bekannt wird. In einer An- zahl sozialdemokratischer Versammlungen hat man sich bereits mit der Sache befaßt, während die bürgerlichen Parteien sich noch abwartend verhalten und nur durch die Presse den Boden zu sondieren suchen. Am 20. Jmri wird sich der Gesamt- vorstand des Württembergischen Volks schul- lehrervereins mit dem Gesetzentwurf befassen und Beschlust fassen über die von Vereins wegen zu unternehmenden Schritte. Ist der Verein gewillt, an seinen, Schulprogramm festzuhalten, so wird er in der Sozialdemokratie die tatkräftigste und konsequenteste Vertretung seiner berechtigten Forderungen finden. Andernfalls wird eben die Sozialdemokratie allein fechten. Zwei Urteile der Militärjustiz! Wegen Misthandlung, vorschriftswidriger Bt- Handlung und Beleidigung in einer ganzen Reihe von Fällen stand der Unteroffizier Bernhardt vom Grenadier- Regiment Nr. 101 vor dem Dresdener Kriegsgericht. Er hat mehrere Rekruten in der rabiatesten Weise mißhandelt. So hat er dem Grenadier Weber den Gcwchrlauf in die Brust gestoßen und gesagt:»Bcrfluchtcr Lausejunge, ich rammele Dich übern Hausen!" Denselben Soldaten hat der Soldateuschinder an Tisch und Schrank gestoßen. Eines TagS mußte die ganze Korporal- schaft den Weber mit Bürsten. Lappen und Seife ab- waschen. Die Prozedur war eine schmerzhafte, der Soldat hatte zcrschundcne Haut. Der Grenadier TreSkow ist einmal am Genick angepackt und in einen Eimer gestülpt worden, auch erhielt er noch einen Schlag ins Genick. Auch dieser Soldat ist an Tisch und Schrank gestoßen worden. Die Verhandlung, während welcher der Angeklagte fast alles leugnete, ergab noch weitere Straftaten. Der Ver- teidiger leistete ei» Glanzstück in der Beschönigung der Soldaten- Mißhandlungen.»Wer sein Kind lieb hat, der z ü ch t i g t es I'. meinte er. DaS Gericht schloß sich dieser milden Auffassung an und verurteilte den Angeklagten wegen Misthandlung in einem, vor- schriftLwidriger Behandlung in fünf und Beleidigung in zwei Fällen zu--- drei Wochen mittleren Arrest!!!— Wegen Beleidigung eines Vorgesetzten stand der Fahrer Roscher vom 12. Artillerie-Regiment vor demselben Kriegs- gericht. In der Batterie des Angeklagten kursierte seit langem das Gerücht, der Sergeant Stoppe habe während des vorigen Manövers fiskalischen Hafer verkauft. Es wurde schließlich eine Untersuchung eingeleitet, während welcher auch der Angeklagte vom Haupt- mann vernommen wurde. Hier soll nun der Angeklagte nach der Behauptung des Hauptmanns angegeben haben, er habe dein Sergeanten Stoppe den Haferdiebstahl auf den Kopf zu- gesagt, ohne daß sich dieser verteidigt habe. Auf Grund der Bekundung des Hauptmanns wurde gegen den An- geklagten eine Anklage wegen Beleidigung eines Vorgesetzten er- hoben. Die Untersuchung gegen den Sergeanten hat nichts er- geben. Der Angeklagte best reitet mit aller Ent- fchiedenheit, die beleidigende Aussage getan zu haben, während der Hauptmann bei seinen Angaben verharrt. Der Vertreter der Anklage beantragte wegen einfacher Beleidigung 4 Wochen strengen Arrest. DaS Gericht erkannte jedoch auf sechs Woche» und eine» Tag Gefängnis._ frunkrcid). Die Marokkodebatte. Paris , 10. Juni. Zu Beginn der Interpellation über Marokko fragte der Abgeordnete Gervais ssozialradikal). ob die Regierung der von der Kammer schon so oft gebilligten Politik treu bleibe, welches die Weisungen für General d'Amade seien und ob die Rc- aierung fortfahre, die AlgeciraSakte als Grundlage des französischen Vorgehens zu beobachten. Gervais empfahl Neutralität zwischen Abdul AsiS und Mulay Hafid.(Beifall.) Der Abg. D e S ch a n e l(Republikaner ) erklärte hierauf, Frankreich müsse sich bewußt bleiben, daß es Abdul A sis sei. der die AlgeciraSakte im Namen Marokkos gezeichnet habe. Europa könne einen Sultan, den Marokko die Freiheit habe, sich selbst zu wählen, nur anerkennen, wenn dieser die AlgeciraSakte unterschreibe. DeSchanel schloß, Frankreich kämpfe seit 1834 um seine Stellung am Mittelmecr. In dem neuen Frankreich , welches es sich dort geschaffen habe, müsse es sich der Zugänge versichern. Dies sei der Grund seines sehr begrenzten Lorgehens.(Beifall links und im Zentrum.) Nachdem nun Jaurös ebenfalls um Bekanntgabe der dem General d'Aniade gegebenen Weisungen gebeten hatte, verlas der Minister des Aeustern P i ch o n die Instruktionen vom 10. Mai 1008. In der Instruktion heißt eS: Nach Wiederherstellung der Ordnung und schnellen Bestrafung der schuldigen Stämme, sowie Beruhigung des SchaujagebieteS, wo Mulaq Hafid das Haupthindernis gewesen ist. komme es darauf an, die Sicher» heit im Lande aufrecht zu erhalten, um den europäischen Handel zu erleichtern. Diese Okkupation solle einen vorübergehenden Charakter haben und auf- hören, sobald es ohne Gefahr für die Sicherheit im Lande möglich sei. General d'Amade solle Stützpunkte e i n r i ch t e'n, um die Anarchie niederzuhalten und nach und nach die französischen Truppen durch Eingeborene zu ersetzen. Die Instruktionen schließen mit den Worten: Wir können hoffen, daß ihr Werk, die Beruhigung des Landes erfolgreich vollendet zu haben, sich in kurzer Zeit seinem Ende zuneigen und daß die Algeciras -Akle bald im Schaujagebiet in Wirksamkeit treten wird. Die Regierung vertraut ihnen in bezug auf die zur Ausführung notwendigen Maßnahmen. Hierauf verlas Pichon die dem General Lyauteh gegebenen Instruktionen, die dahin gehen, daß bezüglich der algerischen Grenze die französisch-marokkaniichen Abkommen innegehalten werden und i» Uebereinjtimmung out dem Rachscn dort die Buhe hergestellt tverde. Pichon fügte hinzst, daß die dem General d'Amade erteilten Instruktionen den Signatarmächten der AlgeciraSakte mitgeteilt worden seien.— I a u r e s erklärte, er sei zufrieden, daß die Regierung mit Bestimmtheit den vorübergehenden Charakter des Vorgehens in Marokko bestätigt habe; er glaube aber, die Regie- rnng gehe in der Schätzung ihrer rechtlichen Verpflichtungen gegen Abdul AsiS' zu weit und sie täusche sich über die verschiedenen Machtmittel der beiden Sultane. Alle, mit Ausnahme der fran- zösischen Diplomatie, sähen in Abdul Asis einen Gefallenen, und Frankreich habe es erreicht, daß niit Mulay Hafid das einige Ma- rokko gegen es stehe; Hafid habe Fes, Elksar und Tetuan besetzt und werde morgen unweit der Llüste sein und Frankreich die ernstesten Probleme stellen. Frankreich wolle leidenschaftlich den Frieden, eS würde aber niemandem auch nur den geringsten Einfluß auf die Freiheit seiner Entschlüsse in seinen inneren Angelegenheiten noch in seinen äußeren noch auf die Wahl seiner Alliancen einräumen. (Lebhafter Beifall auf allen Bänken.) Als Innres diese Anspielungen auf Interventionen fremder Mächte machte, rief Pichon energisch: Auch nicht ein einziges Mal habe irgendeine Macht Frankreich gesagt, daß es die AlgeciraSakte überschreite. Nie- mals habe irgend wer von Frankreich die soeben angedeuteten Ver» sichcrungen verlangt.(Bewegung.) Pichon schloß, es hieße den Patriotismus der Regierung schlecht kennen, wenn man glaube, sie hätte es zu ähnlichen Ermahnungen kommen lassen können.— Jaures fügte hinzu, in einer politischen Korrespondenz sei von einer deutschen Note die Rede gewesen, in der angefragt worden sei, ob Frankreich seine Truppen zurückziehen würde. Zwei Tage spä« ter habe Botschafter Cambon den Staatssekretär Schön besucht. „Ersparen Sie uns," ruft Jaures ,„in Zukunft'oerartige traurige Zusammenhänge!"(Widerspruch links. Clemenceau und Pichon protestieren' mit Entschiedenheit.) Pichon fragt in großer Er» regung, durch wen Jaures autorisiert worden sei, im Namen Deutschlands zu reden. (Lärm auf der äußersten Linken.7 Der Rest der Rede des Ministers wurde von der Kammer beifällig auf- genommen. Jaures erwiderte, dieselben Gerüchte seien von zwanzig anderen beunruhigten Deputierten verbreitet worden, warum werde er also allein angegriffen?— Darauf fuhr Jaures in seiner Rede fort und der Zwischenfall war damit geschloffen. Jaures schloß seine Rede mit der Bemerkung, daß keine Not- wendigkeit bestehe, Abdul Asis, dessen Herrschaft nur noch einer Ruine gleiche, fernerhin zu stützen, und indem er den Minister des Aeußcrn beschwor, die Akte von AlgeciraS nicht zu überschreiten, um die politische Atmosphäre, die ohnehin so gespannt sei. nicht noch mehr zu gefährden.(Beifall auf-der äußersten Linken.)— Pichon wollte reden, wurde aber durch den Lärm auf der äußersten Linken daran gehindert, wo die Abgeordneten, trotz der Bitten Jaures , mit den Pultdeckeln schlugen.— Präsident Brisson bemerkte, der Aus- druck des Ministers des Aeußern habe seinen Gedanken über- schritten; denn niemand in der Kammer spreche in einem anderen Namen als in dem Frankreichs.(Lebhafter Beifall.) Minister Pichon stimmte der Erklärung des Kammerpräsidenten bei und fügte hinzu, niemals habe der Vertreter einer fremden Macht eine Sprache geführt, wie sie Jaures im Sinne habe. Die Kammer nahm mit 343 gegen 125 Stimmen eine von der Regierung gebilligte Tagesordnung an, in welcher der Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird, ohne Einmischung in die inneren Angelegenheiten Marokkos und in Uebereinstimmung mit der AlgeciraSakte die Rechte und die Würde Frankreichs in Mg- rokko zu wahren. Lelgien. Der AuflösungSantrag der Sozialdemokratie. Brüssel, 18. Juni. (Eig. Bcr.) Nach einem entsprechenden Vorspiel, daS die Wahlkorniption der Klerikalen in dem Wahlbezirk H a s s e l t entschleierte, stellte der sozialdemokratische Deputierte tz u b i n in der gestrigen Kammer- sitzung einen TagcSordnungSantrag auf Auflösung der Kammer. Die Wahlen vom 24. Mai, erklärte Hubin. haben auch gezeigt, daß die Wähler die Kolonialpolitik gleichwie daS a b f o l u- ti st ifche Regime Leopolds verwerfen. Die Regierung besitze weder die Autorität noch die Fähigkeit, die schwebenden Fragen zu lösen und eS erübrige sich nichts als die Auflösung. Die Regierung, sagt Hubin weiter, ist mit 132 000 Stimmen Majorität geschlagen worden, sie besitzt keine Majorität mehr und kann nicht hoffen, die AnnexionSfrage und das Kolonialgesetz zu Ende zu bringen. Ein Wahlresultat nach dem anderen richtet sich, ungeachtet des die Klerikalen schützenden Schwindelwahlrechtes, gegen die Regierung. Wenn das Repräsentativsystem einen Sinn habe, müsse die Re- gierung nach einem solchen Rückzug verschwinden oder wenigstens das gesamte Land über eine Politik be- fragen, die sein Geschick in Frage stellt. Nach Hnbin ergriff D e st r ö e zur Kammerauflösung daS Wort.— Die von den Sozialisten eroberten fünf Sitze seien der strikten antikolonialen Haltung der Sozialdemokratie geschuldet und dieser Umstand gebe ihnen das Recht, die Auflösung zu fordern. Die Wiesbadener Ministerkonferenz mit dem König hat gezeigt, daß sich die Situation seit dem 24. Mai geändert habe... Statt mit der angekündigten»feierlichen Erklärung' der Re- gierung, die nichts zu sagen hatte, haben so die Sozialdemokraten die Kongosession mit ihrem Antrag auf Auflösung der Kammer ent- sprechend eingeleitet.— Morgen wird die Debatte über den sozial- demokratischen Antrag fortgesetzt, der in seiner jetzigen Form vom Präsidenten als.unkonstitutionell' zurückgewiesen wurde, da nur dem König da? Recht auf eine Auflösung zustehe.— So viel man sieht, haben es die nach Wiesbaden kommandierten Minister— Belgien wird nur mehr auf diesem ambulanten Wege von Leopold regiert— nicht sehr eilig, zu berichten, w a S sie bei ihrem Auftraggeber.ausgerichtet' haben. Die Reisekomödie scheint nicht einmal das Geld wert gewesen zu sein, das sie ge- kostet hat... Italien . Der Journalistenstreik. Rom . 10. Juni. Zu dem gestrigen Zwischenfall in der italienischen Deputiertcnkammer wird noch berichtet, daß die Bericht- crstatter in einer Versammlung beschlossen haben, kein« Paula» mentsberichte mehr zu veröffentlichen, bis ihnen vollständige Genugtuung wegen des Zwischenfalles gegeben worden ist. Die Räumung der Journalistentribüne erfolgte durch eine Abteilung Soldaten, was besonders Aufregung hervorrief. Rom , 10. Juni. Heute früh wurde die Kommission der Journalisten vom Kammerpräsidenten empfangen. Die Kam- »nssion erkannte bei dieser dieser Gelegenheit an, daß der Präsident in der gestrigen Sitzung die Rechte der Press« vollkommen einwandfrei gewahrt habe. Sie lud deshalb die Kollegen ein, auf die Pressetribüne zurückzukehren. Die Journalisten kamen der Aufforderung nach und nahmen bei Beginn der Nachmittags- sitzung ihre Plätze wieder ein. Der Abg. S a n t i n i hatte vorher in der Kammer um Ent- schuldigung für die Beschimpfung der Journalisten gebeten. Der Präsident hatte, geschickter als Herr Graf Stolberg, in der Kammer sofort folgende Erklärung abgegeben: Er be- dauere lebhaft, zu einer so strengen Maßregel gegen die Journalistcntribüne genötigt gewesen zu sein, sie habe in die De- batte eingegriffen und das könne unmöglich geduldet werden. So- dann sprach der Präsident dem Abgeordneten Santini seinen Dank aus, daß er die Rüge angenommen und eine Erklärung ab- gegeben habe. Nach der Hausordnung hätte er die Journalisten während der ganzen Sitzung ausschließen muffen, aber wegen der Ursache des Zwischenfalles habe er geglaubt, die Kammer auf- foldern zu sollen iHir zu ermächtigen- dnß er dm Leurnalistcn den Zutritt zur gleichen Siffmg wieder gestatte. Wenn sie indessen nicht zurückkommen wollten, so gehe das in einer Kammer den Präsidenten nichts an. Er glaube, der Zwischenfall könne als vollständig beigelegt betrachtet werden,(Lebhafter Beifall.) Der Schaden deS Parmenser Streiks. Rom , den 16. Juni. Nach einer Schätzung des Professors Bizzozzero, eineS landwirtschaftlichen Sachverständigen, hätten die Streikenden von Parma in den anderthalb Monaten des Ausstandes eine Million dreihundcrttausend Lire Lohnausfall erlitten. Der Schaden der Gutsbesitzer beliefe sich ungefähr auf eine Million dreihunderttausend Lire für die höheren den Streikbrechern gezahlten Löhne, 500 000 Lire Verlust an Vieh, durch scklechten Verkauf, höhere Sterb- lichkeit usw., für Verlust der Heuernte 200 000 Lire, für Einstellung der Käseproduktion 200000 Lire. Hierzu kommt der Schaden, der sich aus dem Ausfall der Bestellung der Zuckerrüben, Tomaten, Reben usw. ergibt und auf anderthalb Millionen veranschlagt wird, und schließlich 150 000 Lire für die Vernachlässigung der Seidenraupen. Macht insgesamt für die Besitzer 3 850 000 Lire. Wie es die Unter» nehmer fertiggebracht haben, den Streikbrechern 1 800 000 Lire mehr zu zahlen, als sie normalerweise den Streikenden gezahlt hätten, ist uns unklar. Die Zahl der Streikbrecher soll nie 2500 überstiegen haben. Sollen nun diese absolut die doppelte Lohn- summe bezogen haben, die die zehnmal größere Zahl der Streikenden in gleicher Zeit bekommen hätte? Wenn diese Berechnung stimmte, so wäre sie der beste zahlenmäßige Beweis für die Berechtigung des Streiks. — Die Streikbrecher erhalten 5,25 Lire am Tag, dazu Wer- pflegung und Logis.—_ Die Gcmeindewahlen. Rom , den 13. Juni. Am vorigen Sonntag haben in verschiedenen größeren Städten die Wahlen für die Erneuerung eines Dritteis der Stadlverwaltungen stattgefunden. Diese Wahlen sind für unsere Partei nicht u n- günstig ausgefallen. In Turin , wo die Partei eine Majoritäts- liste ausgestellt hatte, wurden 14 Sozialisten gewählt niit 13 003 bis 12 552 Stimmen. Die übrigen 13 Sitze fielen den Liberalen zu. Die mit den Konservativen verbündeten Klerikalen erlangten keinen Sitz. In der 80 Sitze zählenden Stadtverordneten-Versammlung haben jetzt die Sozialisten 25 Vertreter. In Mailand da- gegen bezeichnet der Wahltag den Sieg der Konservativen und Klerikalen. Die autonomen Gruppen, die allein an dem Wahlkampf teilnahmen, brachten fünf Reformisten als Minoritäts- Vertreter mit 8500 Stimmen durch; die offizielle Parteisektton hatte sich vom Kampf ferngehalten. Im Mailander Stadtrat haben die Reformisten nunmehr sieben Vertreter. Auch in Bologna erlangten die Klerikal-Konservativen die Mehrheit, die Sozialisten eroberten vier Gemeinde- und zwei ProvinzialratSsitze. Sieben Parteigenossen und acht Liberale wurden in Nowara gewählt. Jn Jaenza, Fano.Aversa und anderen Orten SüdttalienS, in denen am Sonntag gewählt wurde, unterlag unsere Partei. während in Catania die Liste der vereinigten Bolkspartcien— Sozialisten, Republikaner und Radikale— die Mehrheit eroberte.--- Rußland. Ein Attentat. Uralsk, 18. Juni. Der Kosakengeneral K o r o s ch k h i n Wurde durch cinxn Schuß durch das Fenster getötet. Perflcn. Der Staatsstreich des Schahs. London , 10. Juni. Ein hiesiges Blatt mekoet aus Teheran , der Schah habe auf das Memorandum des Parlaments noch nicht ge- antwortet und sein Hoflager erhalte Verstärkungen von den Stämmen. Der Schah sei nicht geneigt zum friedlichen Ausaleich und augenscheinlich entschlossen, den Absolutismus wieder- herzustellen. Die Kaufleute in Teheran «rfUsrj.ejj sich für Fortsetzung der Einstellung der Geschäfte«- Eue der Partei. Julius Motteler zum Gedächtnis wurde vorgestern, am 18. Juni, dem siebzigsten Geburtstage unseres teuren Toten, auf dem Südfriedhofe in Leipzig ein würdiges Grabdenkmal enthüllt, das die Gattin als ein äußeres Zeichen niemals versagenden Gedenkens hat setzen lassen. DaS Denkmal besteht aus einem hohen und breiten, weithinragenden Block aus Rochlitzer Porphyr, den vorn ein Medaillon mit MottelerS Kopf in Relief ziert; darunter liest man in einfachen Lettern: öüllüS MOTTELEB 1838-1907 m RASTLOSE» ARBEIT VERZEHRTE SEIN LEBEN DER KAMPF FÜR DIE ARBEITERKLASSE. Das Denkmal macht in seiner einfachen Geschlossenheit einen wirkungsvollen nachhaltigen Eindruck. Zu der Enthüllung hatte sich vorgestern mittag um die Genossin Emilie Motteler ein Kreis alter Freunde aus nah und fern und Leipziger Genossen zahlreich versammelt. Für sie alle sprach zunächst Eduard Bernstein . Er slizzierte den Lebenslauf MottelerS, hob besonders seinen stets und überall bewährten und aufopfernden Dienst für die Arbeiterklasse hervor, seine treue, unver« gleichliche Kameradschaftlichkeit, seine Gradheit und Wahrhaftigkeit; er schloß, daß so geleistete Dienste niemals vergehen würden und auch niemals vergessen werden könnten. An Bernsteins tief empfundene, aus persönlichen Erinnerungen und Erlebnissen vielfach unterstützte eigentliche Gedenkrede, schloffen sich innige Worte deS Dankes und treuen ErinnernS von LipinSki, Gold st ein und Richard Fischer. Noch einmal ergriff B e r n st e i n das Wort, um im besonderen der treuen und gleichfühlcnden tapferen Lebensgefährtin MottelerS Dank und Anerkennung für alles auszu» sprechen, was sie für den Toten und für die Partei geleistet hat. Damit hatte die einfache, eindrucksvolle Feier ihren Abschluß gefunden. •.» Zur Enthüllung des Denkmals liefen mehrere Telegramme ein. In einem von Klara Zetkin , Degerloch bei Stuttgart , heißt es: „Ich gedenke mit Dankbarkeit des selbstlosen Vorkämpfers unserer Sache, der mir ein treuer und führender Freund war." Aus Mössingen war folgendes Telegramm eingegangen: »Am heutigen Ehrentage gibt seiner tiefgefühlten Verehrung für seinen verblichenen Freund und Kampfgenossen hiermit Ausdruck sein Mitarbeiter Belli.'_ Freundschaftliche Kritik und gehässiger Auwurf. Die»Frönt. Tagespost '(Nürnberg ) bemerkt in ihrer Nr. 137 zu unserer vor einigen Tagen veröffentlichten Zurückweisung der aus die»Leipziger VolkSzeitung ' bezüglichen Stelle ihres letzten Berliner gewcrkschaft- lichen Briefes: »Wir finden diesen vom.Vorwärts' aufgestellten Grundsatz so nett und nützlich, daß wir nur wünschen können, er möge ihn zunächst selbst befolgen. Dann hätte er seiner Notiz nicht die Ueberschrift gegeben:»Ein gehässiger Auwurf', sondern die grimmige»L. V.' ehrfurchtsvoll darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht angängig sei. unseren Berliner Mitarbeiter, den»kriti- sterenden Freund' als hetzenden Feind anzuschreien; uud der »Vorwärts' selbst hätte dann seine Auslassung statt»Ei» gehässiger viiwurf'»Freundschaftliche Kritik' betitelt.'
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