Ktarnverg. Hausmeister Franz D a u d e> Starnberg, Gendarmerie«-vachtmeister Schöpf- Schwarzenberg am Wald. Geheimer HofratKarl S ch acht-München, Vizewachtmeistcr R o g a ti« Tutzing,löürgermeister Rettenberg- Starnberg, Bahnmeister Goegerle-Starnberg, Kriminalkommissar Dr, K o p p- Berlin, Kriminalkommissaro. Treskow- Berlin, Kriminalschutzmann Müller und Kriminal-schutzmann T i e tz e, Frau Kati S ch ö n f e I d, Wirtschafterin FrauK l i n k f e l d, Oberbrenner G o y,MS medizinischer Sachverständiger ist Medizinalrat Dr. Hoff«mann erschienen.Beim Zeugenaufruf fehlen Oberhofmarschall Graf Eulenburg,<er sich schriftlich entschuldigt hat, und Professor Hermann Kaul-bach, der krank ist und ein Attest eingereicht hat.Der Vorsitzende Landgerichtsdirektor K a n z o w macht diegeugen eindringlich auf die Heiligkeit des Eides aufmerksam.Weder Groll und Hätz noch Liebe, Dankbarkeit und Anhänglichkeitzu dem Fürsten Eulenburg dürfte die Zeugen verleiten, von derWahrheit abzugehen. Auch die Scham über frühere Vergehen darfdie Zeugen nicht veranlassen, irgend etwas zu verschweigen. WirRichter sind auch Menschen, wir ziehen den Menschen nicht aus,wenn wir die Robe anziehen. Der Vorsitzende ermahnt zum Schlutznoch besonders den aus dem Gefängnis Tegel vorgeführten ZeugenSchriftsteller Brand zur Heilighalrung des Eides. Er macht fernerdie Fürstin Eulenburg und die Söhne des Fürsten darauf aufmerk«sam, datz sie ihr Zeugnis verweigern dürfen.Sodann richtet der Vorsitzendean die Geschworene»folgende Worte: Meine Herren! Unanfechtbar ist der Richter, ersteht auf einem Felsen, aus dem Felsen seiner Ueber»z e u g u n g. nur ihr hat er zu folgen, ohne Ansehen derPerson und des Standest Sie haben sich Ihre Ueber-zeugung zu bilden aus dem Inbegriff der Verhandlung.Ueber diese Anklagesache ist viel gesprochen, geschrieben und gedrucktworden, manches zugunsten, manches zuungunsten des Herrn Angeklagten.Sie müssen alles Derartige auslöschen und die Bilderder Verhandlung auf sich wirken lassen, von Anfang bis zu Ende.Wenn ich, meine Herren Geschworenen, einen Punk nicht klargestellthaben sollte, was ja auch einmal vorkommen kann, dann bitte ichmich durch Gebrauch Ihres Fragerechts zu unterstützen. Es sollhier alles bis ins Kleinste aufgeklärt werden: machen Sie also vondiesem Fragerecht Gebrauch. Dieses bezieht sich aber nur aus anZeugen und Sachverständige zu richtende Fragen. Fragen an denAngeklagten zu richten, habe nur ich das Recht und ich werde diesesRecht wahren. Herr Angeklagter, ich gestatte Ihnen, während derVerhandlungen sitzen zu bleiben. Auf einen Kranken wird jederRucli'cht nehmen und der Gerichtshof nimmt diese Rücksicht auch.Die Fragen nach seinenPersonalienbeantwortet der Angeklagte wie folgt:Ich heitze Philipp Fürst zu Eulenburg und Hertefeld. Ich binam 12. Februar 1847 zu Königsberg i. Pr. geboren, verheiratet mitAuguste, Freiin von Sandelz. Ich habe nach dem Abgang von derSchule zunächst gedient, das Offizierexamen gemacht und dann michbeurlauben lassen, um das Abiturientenexamen nachzumachen. Ichhabe dann in Berlin und Leipzig studiert. Als Offizier habe ich denFeldzug 1870 mitgemacht und mir das Eiserne Kreuz erworben.Nachdem ich mein UniversttätSverhältniS beendet hatte, habe ich meinReferendar- und mein Doktorexamen gemacht. Ich wurde sodann,nachdem ich praktisch gearbeitet hatte, in den diplomattschen Dienstübernommen, habe mein diplomatisches Examen gemacht, alsLegationSsekretär kam ich nach Dresden. Stockholm, Paris,sodann wurde ich LegationSsekretär in München.Als solcher war ich dort 1831— 1836 oder 1887. Indiesem Jahre wurde ich LegationSrat, dann bin ich 1883zum Gesandten an den Höfen von Braunschweig und Oldenburg er«nannt, bin dann Gesandter in Stuttgart geworden und dannwieder Gesandter in München im Jahre 1891. Dortwar ich bis 13V4. Dann wurde ich Botschafter in Wienund blieb dort vom Jahre 18S4 bis 1002. Ich wollte wegenschwerer Erkrankung, die bereits in den letzten Jahren des vorigenJahrhunderts eingetreten war, aus dem Amte scheiden, doch wollteCr. Majestät mir nicht gestatten, meinen Abschied schon damals zunehmen, sondern es sollte versucht werden, durch Urlaub und Ge-brauch von Bädern Aenderungen in meinem Gesundheitszuständeherbeizuführen. Sie traten aber nicht ein. Im Jahre 1902 bin ichaus dem Dienst geschieden, aber noch zur Disposition geblieben.Endgültig bin ich 1907 auS dem Dienst geschieden. Ich habe achtKinder gehabt, zwei davon habe ich durch den Tod verloren. Dienoch lebenden sind geboren in den Jahren 1879, 183V, 1331, 133öund 1886.Der Vorsitzende verliest hierauf denEröffnungsbeschluß,in dem eS heitzt:„Auf Antrag der königl. Staatsanwaltschaft wirdgegen den Fürsten Philipp zu Eulenburg und Hertefeld, welcher hin«reichend verdächtig erscheint, im Dezember 1907 durch zwei selb-ständige Handlungen 1. in Berlin vor der 4. Strafkammer desLandgerichts I einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behördeden vor seiner Vernehmung gele i st eten Zeugen-eid wissentlich durch ein falsches Zeugnis bekräftigtzuhaben, 2. es unternommen zu haben, den Fischer JakobErnst zu Starnberg zur Begehung eines Meineides zuverleiten, Verbrechen gegen die ZZ 1S4< 169, 161 und 74 Strafgesetzbuch, das Hauptverfahren eröffnet."Jscnviel fordert Ausschluß der OeffentlichkeU.Oberstaatsanwalt Dr. I s e n b i e l: Ich stelle den Antrag aufAusschlutz der Oeffentlichkeit und zwar im w e i t e st e nSinne. Es wird sich hier nur darum handeln, unzüchtigeHandlungen zu erörtern, welche der Herr Angeklagte frühervorgenommen haben soll. Es liegt also, wie eigentlich keinerweiteren Begründung bedarf, ohne weiteres im Jnier esse d erSittlichkeit, datz derartige Erörterungen nicht vor der Oeffent-lichkeit stattfinden. Ich weitz sehr wohl, datz in weitesten Kreisen,namentlich von der Presse, dieser Antrag auf daS schärfste gemißbilligtwerden wird. Ich weitz, datz man gesagt hat, die Justizverwaltunghabe eigentlich kein dringenderes Interesse, als dieseSache, die so viel Aufsehen, so viel Erregung in der ganzen Weltverursacht habe, in der breitesten Oeffentlichkeitzu verhandeln. Ich kann mich dem hohen Gewichtdieser Gründe keineswegs verschlietzen, ich glaubeaber, datz doch überwiegende Gründe für meinen Antrag und gegendie Verhandlungen in der Oeffentlichkeit sprechen. Zu verheimlichenhabe» wir nichts. Wir haben von dem großen Material,welches Herr Maximilian Harden unzweifelhaft besessenund uns zugeführt hat und von dem Material, welches wir selbstgesammelt und erworben haben, alles.«rwogen bis aufden kleinsten Punkt. Wir haben hinein geleuchtet in diedunkel st en Ecken und Winkel und haben überall hindas Licht gebracht, was nach menschlichen Kräften gebracht werdenkann. Zu verheimlichen ist nichts. Ich würde derBeweisaufnahme vorgreifen, wenn ich über das Ergebnis dieserUntersuchungen etwas hier mitteilen wollte. Ich kann aber wohldaS schon jetzt behaupten: daS meiste, waS ermittelt worden ist, istin der brettesten Oeffentlichkeit bereits bekannt und bis zum Ueber-druß erörtert worden. Aber eS spricht doch das Gewicht derS i i t l i ch k e i t auch dafür, daß nicht immer und immer wiederdieser Schmutz in das Volk hineingetragenwird; es spricht das Gewicht der Sittlichkeit dafür, datzdas möglichst vermieden wird. Es sprechen fernerhinnoch zwei sehr grotze gewichtige Gründe dafür,hier nicht in der Oeffentlichkeit zu verhandeln, das ist d a sInteresse des Herrn Angeklagten, und wenn man daSnicht gelten lasten ivill, das Interesse der zahlreichenZeugen, die hier über Neigungen, Verfehlungen undalles andere Zeugnis ablegen sollen. Man kann uns auchnicht entgegenhalten: die Oeffentlichkeit ist die beste Kontrolleder Verhandlungen, denn die Oeffentlichkeit ist dochin einem Schwurgericht, in einem Volks gericht imbesten Sinne des Wortes, nach allen Richtungengewahrt. Wenn wirklich im grotzen Publikum, was ich nicht an-nehmen will und kann, ein Mihtrauen gegen die Justiz-Verwaltung herrschen sollte, so wird die not»wendige Kontrolle in diesem Prozetz ausgeübt werden vonden Volksrichtern, die allein über Schuld und Unschuld desAngeklagten zu entscheiden haben.Unter diesen Umständen muh ich Sie bitten, über meinen An-trag auf Ausschlutz der Oeffentlichkeit im weitesten Sinne zu beratenund zu entscheiden.Die Verteidiger für den Antrag.Justizrat W r o n k e r: Die Verteidigung spricht sich nichtgegen den Antrag des Oberstaatsanwalts aus. Nur in einemPunkte differieren wir mit seinen Ausführungen: Wir sind derAnsicht, daß es eigentlich im natürlichen Interessedes Fürsten Eulenburg liegen würde, wennöffentlich verhandelt würde, damit endlich einmaleine objektive Berichterstattung an die Stelle der-jenigen Publikationen tritt, die in einseitiger ungün-st i g e r Weise sich mit dem Fall beschäftigt haben. Dennoch hatin diesem Saale nur eine Stimme zu erschallen, die Stimmedes Gesetzes, nur eins hat zu entscheiden-DasRecht. Damüssen wir die Privatinteressen des Fürsten unter-ordnen dem öffentlichen Interesse. Das öffent»liche Interesse erheischt für jeden unbefangen Urteilenden,datz nicht öffentlich verhandelt wird, weil die Dinge, die hierverhandelt werden müssen, Dimge sind, die für ein keuschesOhr, für das Ohr der Oeffentlichkeit, nicht be.stimmt sind. Das Gesetz schreibt vor, datz u. a. die Oeffentlich-keit ausgeschlossen werden kann, wenn eine Gefährdung der Sitt-lichkeit zu besorgen ist. Die Verteidigung steht auf dem Standpunkt,datz die Sittlichkeit gefährdet wird, wenn dieDinge, die hier verhandelt werden müssen öffentlich veir»handelt werden.Verteidiger Rechtsanwalt ChodzicSner: Es ist ein sehrfolgenschwerer Antrag, folgenschwer aus dem Grund«,aus den der Herr Oberstaatsanwalt bereits hingewiesen hat. Es isthineingeleuchtet worden in alle Ecken, es sind Dutzende und Aber-dutzende von Zeugen vernommen; es sino, was der Herr Ober-staatSanwalt nicht erwähnt hat, Haussuchungen und Durchsuchungenvorgenommen. Es sind in einem Teile der Presse Aus«führungen gemacht worden, die geeignet sind, die öfjent-liche Meinung gegen den Angeklagten einzu»nehmen, und deshalb wird es im dringend st en Jnter-esse des Herrn Angeklagten liegen, datz diese Dingeund Ausstreuungen in der Oeffentlichkeit widerlegtwerden, diese falschen Gerüchte, falschen Behaup-t u n g e n, diese geradezuauS den FingerngesoaenenDingel In einer angesehenen Berliner Zeitung hat gestanden:Ein Operettensänger F. sei verhaftet worden, dieser sei ein Freunddes Fürsten Eulenburg, und man habe auf seinem Schreibtisch einBild des Fürsten gefunden. Der Herr kennt aber den Fürsten nichteinmal dem Bilde nach. Bei einer bei ihm abgehaltenen HauS-suchung hat man nicht ein Bild des Fürsten vorgefunden, sonderndas Bild eines Mannes, der Herrn Maximilian Harden sehr nahesteht; es war ein Kartcnbild. Ich schlietze mich dem Antrage aufvollen Ausschlutz der Oeffentlichkeit an.Vorsitzender Landgerichtsdirektor Kanzow: Herr Angeklagter,wie stellen Sie sich zu dem Antrage?Angeklagter Fürst zu E Ulenburg; Ich stehe auf demStandpunkt meiner Verteidiger.Der Ausschluß der Oeffeotlichkeit wird verfügt.Der Gerichtshof zieht sich hierauf zurück. Nachdem er wiederden Saal betreten, verkündet Landgerichtsdirektor Kanzowunter anderem: Es ist vom Oberstaatsanwalt auch dasInteresse des Angeklagten und der Zeugen geltendgemacht. Beides kann für da» Gericht nicht ent-scheidend sein. Entscheidend kann nur das Gesetz fein, welchesvorschreibt, datz bei Gefährdung der Sittlichkeit dieOeffentlichkeit auszuschlietzen ist. Der Angeklagtehat beschworen, daß er Schmutzereien nicht begangen hat, dieAnklage behauptet, datz das unwahr ist und eine Reihe von Tat-fachen wird angeführt, mit denen bewiesen werden soll, datz derAngeklagte geschlechtliche und zwar nicht normaleHandlungen vorgenommen hat. Das müssen die Ge-schworenen sehr eingehend prüfen, wir müssen jeden ein.zelnen Vorgang sehr eingehend behandeln. EinTeil der Handlung ist schon öffentlich bekannt geworden. Sowünschenswert auch die öffentliche Kontrolle und Kritik ist, so istdoch dieser Fall geradezu ein Musterbeispiel dafür, datz die Sitt»lichkeit in Gefahr gesetzt werden kann, weil nämlich eineReihe von Handlungen eingehend erörtert werden mutz, die fürkeusche Ohren, wie schon die Verteidigung anführte, nicht bestimmtsind. Der Gerichtshof hat deshalb beschlossen: ES wird für dieDauer der Verhandlung die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. ESkönnte sich nun fragen, ob die Presse zuzulassen sei.Nun kann man sagen: Auch bei verschlossenen Türengibt e S Schlüssellöcher. ES ist nicht ausgeschlossen, datzvon irgendeiner Seite einseitig gefärbte Be.richte aus dem Saale in die Oeffentlichkeit gelangen. Ja, mankönnte sagen, es wäre besser, daheineobjektiveBericht.er stattung zugelassen wird, aber wir müssen erwägen,datzdas Gericht etwa 60 Karten für die Presse auS-gegeben hat. Wenn wir nun die Oeffentlichkeit auSschlietzenund die 60 Herren im Saale lassen, so wäre das eine Halb-he it. Es lagen sodann dem Gerichte eine Reihe von Anträgenvon Richtern, KammeraerichtSräten, Referendaren, einem be-rühmten Professor der Universität(Anscheinend ist der im Zu-Hörerraum anwesende Professor Dr. Kahl gemeint. Der Referent.)um Zulassung zur Verhandlung vor. DaS Gericht hat folgendeserwogen: Der Fall liegt juristisch nicht so, datz die Herren Refe-rendare etwas besonderes lernen könnten(Heiterkeit). Der Pro-zetz könnte nur psychologisch interessant sein, würde aber mehrWert haben für die Herren, die dauernd anwesend sein können.Der Herr Professor und die Herren Kammer�erichtSräte haben beiihren Anträgen zu erkennen gegeben, datz sie nicht dauernd zu-gegen fein können. DaS geht aber nicht, daß einer mal kommt unddann wieder weggeht. Dagegen wird den nicht ausgelosten HerrenGeschworenen ebenso dem RegierungSrat L i n d i g, als Vertreterdes Chefs der Kriminalpolizei und den beiden Stenographen desHerrn Angeklagten, die Anwesenheit im Saale gestattet.DaS Publikum mutz hierauf den Saal verlassen DieVerhandlung wird hinter verschlossenen Türen weitergeführt.Soziales.Gegen den ZirkuSdirektor Buschrichtet sich«ine Klage de» Bereiters V., durch welche Schabenersatz in Höhe von 365Z M., sowie vom 8. April 1008 ab einemonatliche Rente von 79 M. beansprucht wird. Gestern stand inder Sache Termin an vor der Kammer 6 des Berliner Gewerbe-gerichtS unter Vorsitz des MagiftratSratS Wölbling. Der Klägermachte zur Begründung seiner Klage folgende? geltend: ImHerbst 1096, als er Bereiter im ZirkuS Busch gewesen sei, habedeS Beklagten Oberregisseur, Herr Burkhardt-Fottit, an ihn dasAnsinnen gestellt, bei der Probe zur Pantomime„Rom" auf de«ungesattelten Pferd von einer Brücke ungefähr ZM Meter hochherabzuspringen. Er habe darauf hingewiesen, datz zu diesem ge-fährlichen Sprunge doch wohl ein jüngerer und leichterer Bereiterverwendet werden könne. Er sei damals 29 Jahre alt, schon ver-heiratet und Vater von drei Kindern gewesen. Fottit Hab ihnjedoch nicht dispensieren wollen und habe ihn wegen der Wcige-rung, den Sprung zu machen, in eine Strafe von 10 M. genommen.An diesem Tage sei der Bereiter Stern bei dem Sprunge gestürzt undhabe sich eine Rippmverletzung zugezogen. Am folgenden Tage seiKläger wiederum aüfgeforber Nörben, bsn Sprung zu«lachen. Ale erhiergegen wiederum vorstellig wurde, habe ihm Fottit eine Strafe von20 M. und für den Fall der fortgesetzten Weigerung die Entlassungangedroht. Um nicht brotlos zu werden, habe er nun den Sprunggewagt. Uebrigens sei inzwischen bei demselben Sprunge auch derBereiter Gabriel mit dem Pferde gestürzt und zu Schaden ge-kommen. Das habe Fottit nicht gehindert, die Probe fortzusetzenund auch ihm den Sprung zuzumuten. Sein Pferd sei nun dabeimit den Vorderbeinen eingeknickt, so datz er über den Widerristund den HalS des Pferdes gerutscht sei. Bewußtlos sei er vomPlatze getragen worden. Er habe sich eine Hodenquetschung undeinen Beckenbruch zugezogen. Dafür trete er Beweis an. Erstsei er in ärztlicher Behandlung des Dr. Wcnd und alsdann imVirchow-K rankenhause vom 22. November 1906 bis zum 4. April1907 gewesen. Er sei bis zum heutigen Tage nicht imstande, seinenfrüheren Dienst wieder aufnehmen zu können, und werde hierzuwahrscheinlich niemals, jedenfalls nicht vor Ablauf von fünf Jahrendazu in der Lage sein, weil die Oberschenkel steif und kraftlos ge-worden seien, und er in den Hüften noch Schmerzen verspüre. Fürden erlittenen Bermögensschaden mache er den Beklagten verant-wortlich. Er behaupte, der Oberrcaisseur Fottit habe im vollen Einver-ständniS mit dem Direktor Busch gehandelt. Aber auch, wenn diesnicht der Fall sein sollte, so würde der Beklagte trotzdem gemäßZ 273 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verantwortlich sein. ES wäreSache des Beklagten gewesen, den höchst gefährlichen Sprung nichtausführen zu lassen, namentlich nachdem vorher schon die beidenanderen Unglücksfälle vorgekommen waren. Oder eS hätten geeignete Vorkehrungen getroffen werden müssen, die die Gefahrausschlössen oder erheblich verminderten. ES widerspreche auchdurchaus den guten Sitten, wenn der Dicnstberechtigte von seinemDienstangestellten Dienstleistungen gefährlicher Art verlange undfür Schäden daraus nicht einträte. Es müsse deswegen die Ver-pflichtung zum Schadenersatz sogar als stillschweigend übernommenangesehen werden. Ten erlittenen Vermögensschaden berechnetKläger auf 3053 M. bis zur Klagezustellung. Außerdem glaubter, von da ab auf eine laufend« Rente von monatlich 70 M. Anspruch zu haben. Verschiedene Versuche, sich anderweit einen aus-reichenden Erwerb zu schaffen, seien mitzlungen.Für den Beklagten, der durch einen Schriftsatz alles Wesentlichebestreitet, war der Sekretär Schmidt erschienen. Er meinte, datzBusch beim Vorliegen eines Unfalls im Sinne der klägerischen An-gaben keinen Anlaß hätte, dem Kläger besondere Schwierigleitenzu machen, da Busch gegen solche Unfälle bei der Allgemeinen Ver-sicherungSgesellschast versichert sei. Es werde aber die behaupteteHöhe und Gefährlichkeit deS Sprunges, der Zwang zur Ausführungusw. bestritten..Das Gericht beschloß eine umfangreiche Beweisaufnahme überalle in Frage kommenden Punkte.Die„Landplage" der galizifchen Streikbrecher.Die Löhne, welche die millionenreichen, oberfchlesifchen In-dustriemagnaten ihren inländischen Arbeitern zahlen, find be-kanntlich erbärmlich niedrig, die schlechtesten in der gesamtendeutschen Industrie. Und doch sind sie den Unersättlichen in ihrerProfitgier noch diel zu hoch. Um sie zu drücken, besonders aberwenn sie die Bestrebungen der einheimischen Arbeiter nach Ver-besserung ihrer Lebenslage unmöglich machen wollen, ziehen siedie geliebten Arbeitswilligen aus Galizien und Ruthenien heran.Zwar existieren ministerielle Erlasse, welche die Beschäftigung derPolen und Ruthenen in der Industrie im Interesse der Argrarierverbieten. Aber wo es sich um den Kampf des Kapitals gegen dieArbeit handelt, da sind die Interessen der Agrarier und der In-dustriellen solidarisch, und so handelt die Regierung nur„staats-erhaltend", wenn sie Ausnahmen von ihren Verboten ganz all-gemein zuläßt.So ist das oberjchlefifche Industriegebiet von Galiziern undRuthenen geradezu uberschwemmt' und täglich liest man in derunternehmertreuen Presse, selbst in der„Säjlesischen Zeitung", datzdiese Ausländer immer mehr zur Landplage werden, daßdie Sicherheitsverhältnisse OberfchlefienS einen geradezu er-schreckenden Tiefstand erreicht haben. Kaum ein Gerichtsberichtkommt auS dem Kohlenrevier, der nicht von Räubereien und Roh-heitSvergehen der galizifchen und ruthenischen»nützlichen Elemente"zu berichten wühte.So wurde am vorigen Mittwoch vor der Beuthener Straf-kammer gegen einen Ruthenen Tomko Stanko verhandelt, der imSchlafhause der Maxgrube seine Arbeitskollegen durch Erbrechenihrer Spinde völlig ausgeplündert hatte, wobei ihm neben vielennotwendigen Gebrauchsgegenständen und Kleidern auch eine grotzeMasse wertlosesten Plunders zum Opfer fiel. Besonders be-zeichnend war die Verhandlung durch das Auftreten einesruthenischen Zeugen, der sein Alter einmal mit 14, dann wiedermit 18 Jahren angab, der nicht wußte, welcher Konfession er ange-hörte und nie eine Schule besucht hatte.Aber die Beschäftigung dieser Leute bedeutet für die übrigeArbeiterschaft direkt auch eine Lebensgefahr. Auf Godullaschachthatte man gewissenloserweise einem Ruthenen Roman Ostrowskiden verantwortungsvollen Posten eines Anschlägers anvertraut,von dessen peinlicher Gewissenhaftigkeit die glatte Abwickelung derMenschen» und Kohlenförderung in den Fördertürmen abhängt.Eine» TageS hatte Ostrowski entgegen seiner Instruktion, die eroffenbar gar nicht verstanden hatte, die Förderschale falsch in dieHöhe ziehen lassen und die Folge war, datz ein auf der Schalebefindlicher Arbeiter dadurch zwischen Schachtmauerung und Schalegeriet und zu Tode gequetscht wurde. In der Verhandlung vorGericht wegen fahrlässiger Tötung, in der Ostrowski zu zweiMonaten Gefängnis verurteilt wurde, hob der als Sachverständigervernommene Gewerberat ausdrücklich„die schwere Anstelligkeit derRuthenen" hervor.— Die Jndustriegewaltigen von Oberschlesienaber werden fortfahren, die„Landplage" weiter zu züchten zumHeile des unersättlichen Kapitals.Prämien für Kassenbetrüger.Der Ingenieur Wernekind zog den von ihm be-schäftiaten Arbeitern Krankenkassenbeiträge in Höhe von 218,85 M.vom Lohn ab, führte aber die Gelder nicht an die Krankenkasse ab.Für diese Straftat läßt daS Gesetz Geldstrafe, Gefängnisstrafe, auchEhrverlust zu. Die durch hohe Strafen gegen Pretzsünder bekanntgewordene vierte Strafkammer deS Landgerichts I hielt eine Strafevon— zwanzig Mark für ausreichend. Das ist, wie unsereLeser wissen, kein vereinzelter Fall auffallend milder Bestrafung vonLeuten, die Arbeitergelder unterschlagen haben. Dieselbe Erscheinungwie in Berlin ist im Osten und Westen Deutschlands anzutreffen.Eine gleiche Erfahrung auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes hatbekanntlich zum Vorschlag einer Erhöhung der Strafandrohung inder(SsiwerbeordmingSnovelle geführt. Ob in der Kassengesetznovelleeine ahnliche Vorschrift Aufnahme finden wird, ist bei der lebhaftenund auSschlietzlichen Heranziehung von Ardeitgebern zu denReformarbeiten, leider kaum anzunehmen. Der Reichstag wird danachhelfen müssen._Kolossale Depotunterschlagungen und VeruntreuungendeS Bankiers Bernhard Silz beschäftigten am Freitag in einer bisgegen Mitternacht dauernden Verhandlung daS Schwurgericht desLandgerichts l unter Vorsitz des Landrichters Hesse. Der seit einemJahr in Untersuchungshaft sitzende Bankier Bernhard Kilz, ein49jähriger, bis dahin unbestrafter Mann, hatte sich wegen Konkurs-vergehen, Depotunterschlagungen in Höhe von etwa 500 000 Mark,Untreue, Betruges und Gläubigerbcgünftigung zu verantworten.Mit ihm stand sein früherer Buchhalter, der Bankbeamte KarlBöhmer», vor den Geschworenen unter der Beschuldigung, den Kilzangestiftet zu haben, einen Tag vor dem Zusammenbruch des Ge-schäftS der Frau des Böhmer», die dem Angeklagten Kilz Wertpapiereanvertraut und erfahren hatte, datz sie lombardiert worden waren.für die gesamten Papiere den Kurswert auszuzahlen.— DasUrteil lautete auf drei Jahre Gefängnis unter Anrechnung vonneun Monaten der erlittenen Untersuchungshast. Der AngeklagteBöhmer! wurde freigrsproche»,