Ii. 156. 25. IahrgNg.t KeilP des.lomSrlä" Knlim Ballislilall.Sitnolag, 7. Mi 1908.Zweiter Deutklyer Städtetag.(Telegraphischer Bericht.)München, den S. Juli 1308.Im Theatersaat der Münchener Ausstellung wurde heute vor-mittag vom VorfiKenden Oberbürgermeister Kirschner-Berlin das dentyche Städtcparlamenl, die Vertretung der imDeutschen Städtetag organisierten deutschen Städte über 25 000 Einwohner, eröffnet. Es sind ungefähr 300 Teilnehmer anwesend.Oberbürgermeister Kirschuer teilte mit, daß von den 163 deutschenStädten, die beitrittsberechtigt find, alle bis auf 5 dem DeutschenStädtetag beigetreten sind. Zu diesen größeren deutschenStädten gesellen sich eine große Anzahl kleinerer Städte,die zu Stadteverbänden vereinigt sind. Wir können deshalb ruhigbehaupten, daß im Deutschen Städtetag die gesamte deutsche städtischeBevölkerung organifiert ist. Eine solche Organisation ist aber nurmöglich und kann nur gedeihlich wirken auf der Grundlage einesgeordneten Reiches und deshalb richten wir bei Beginn unsererArbeit unseren Blick auf unser geliebtes Baterland und die deutschenFürsten, vor allem auf unseren geliebten deutschen Kaiser, der un-ablässig bemüht ist, den Frieden zu wahren und die Werke desEriedens zu fördern sowie auf den ehrwürdigen Fürsten, in dessenand wir tagen. Se. Majestät der deutsche Kaiser und Se. Kgl.Hoheit Prmzregent Luitpold leben hoch I(Die Versammlung hatsich erhoben und stimmt dreimal in das Hoch ein.)Darauf nahm Oberbürgermeister Dr. Ritter vonB o r s ch t(München) das Wort zu folgender Ansprache:»HochgeehrteHerren I Der Willkommengruß, den ich Ihnen im Namen der StadtMünchen darbringe, soll nichts gemein haben mir den Aktenkonventioneller Höflichkeit, die fast allen Kongressen und Jahres-Versammlungen gegenüber zur stehenden Regel und damit zu einerFormsache geworden sind, deren Berechtigung nachzuprüfen einmaldie Aufgabe des deutschen Städtetages sein dürste.(Heiterkeit undBeifall.) Was ich zum Ausdruck bringen möchte, find nicht lediglichverbindliche Worte, sondern die aufrichtigen Empfindungen, mit denenpie hiesige Bürgerschaft dem zweiten Deutschen Städtetag entgegen-gesehen hat. Mit dem wärmsten Dank dafür, daß der Vorstandunseren Antrag, den zweiten Städtetag in München abzuhalten, an-genommen hat, verbinde ich die Versicherung, daß wir uns glücklichschätzen, so vielen Vertretern der deutschen Städte unsere Ausstellungzeigen zu dürfen. Wir begrüßen in Ihnen eine Korporation, die anAnsehen und Bedeutung und was die Tüchtigkeit ihrer Mitgliedermrd deren Einfluß auf die Wohlfahrt unseres Vaterlandes anlangt,unter allen Interessendereinigungen— ich darf wohl ohne Heber-Hebung sagen— an erster Stelle steht. Was der Deutsche Städte-tag bedeutet, wird schon durch die Tatsache beleuchtet, daß er166 deutsche Städte mit einer Gesamteinwohner-zahl von 16 Millionen, d.h. dem viertenTeil derdeutschen Bevölkerung überhaupt, repräsentiert.Die Haushaltungspläne der im Deutschen Städtetag organisiertenStädte schließen mit einer größeren Summe ab, als, von Preußenund den drei Hansastädten abgesehen, die Etats der sämt-lichen Bundesstaaten zusammengerechnet. Die Anleihen derhier vertretenen Städte überschreiten die Summevon 4 Milliarden Mark.(Zuruf: Leiderl Leiderl Heiterkeit.)Man vergegenwärtige sich aber dabei, daß mit diesen enormenAufwendungen eine Fülle von segensreichen Werken ge-schaffen worden ist, die mit zu den höchsten Kulturgüterndes deutschen Volkes zu zählen sind. Wenn das Ausland m dergewaltigen Entwickelung der deutschen Städte eine der wichtigstenErscheinungen der Gegenwart erblickt, so liegt das vor allem ander Opferwilligkeit und dem Weitblick des deutschen Bürgertums.Wenn das der Fall ist, dann begreift man aber auch, wie berechtigtder Wunsch der Stadtverwaltungen ist, von den staatlichen Gewaltenso anerkannt zu werden, wie sie es als mächtige und uneigen-nützige Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege und als Grund-pferler staatlicher Ordnung verdienen.(Lebhafter Beifall.)Auf diese Notwendigkeit hinzuweisen, scheint mir gerade im Hinblickauf das erste Thema der diesjährigen Tagung, die Kreditverhältnisseder deutschen Städte, dringend geboten. Wenn die sämtlichen, demdeutschen Städtetag angehörenden Städte die enorme Schuldenlastvon 4 Milliarden Mari auf sich genomnien haben, wenn keinegrößere deutsche Stadt mehr ohne periodisch wiederkehrende In-anspruchnahme des Geldmarktes ihren Aufgaben gerecht zu werdenvermag, so geschieht das wahrlich nicht aus Freude ani Geld-lausgeben, sondern ist auf das zielbewußte Streben zurückzuführen,�siber die engen Grenzen gesetzlicher Verpflichtungen hinaus muster-t gültige Einrichtungen zu schaffen und damit Werte ins Lebenzu rufen, die materiell und ideell das aufgewandte Kapitalüberreich verzinsen.(Lebhafter Beifall,) So sehr man auf der einenSeite die Höhe dieser Belastung beklagen mag, so steht andererseitsfest, daß sie ein sicheres Kennzeichen emporsteigender Entwickelungist, nicht ein Beweis für eine finanzielle Mißwirtschast, sondern imGegenteil der Ausdruck steter Opferfreudigkeit. In einer Zeit, inder' fast überall der Ruf nach Entlastung ertönt und einzelneStaaten kein Bedenken tragen, für die Erfüllung ihrer eigenen Ob-liegenheiten die Mitwirkung der Städte in.Anspruch zu nehmen,wobei sie gleichzeitig an sie die Mahnung nach Sparsamkeit richten(Heiterkeit und Zustimmung), ist es wohl angebracht, hervorzuheben,daß gerade die deutschen Städte ohne Unterschied das Maßihrer Verpflichtungen niemals einzuschränken versucht haben.Besonderen Dank hierflir zu fordern liegt uns fern. Was wir ver-langen, ist nichts als Vertrauen.(Beifall.) Möge die Erkenntnis,daß die Zukunft unseres geliebten Vaterlandes in hervorragendemMaße in der weiteren Entwickelung der deutschen Städte liegt, durchden Zweiten Deutsche!: Städtetag erneut geweckt werden, und mögendie Verhandlungen dieser Tage den Nachweis führen, daß diefinanziellen Fragen der deutschen Städte von den Konstellationender politischen Parteien unabhängig und eine gemeinsame An-gelegenheit aller find, denen ein warmfühlendes Herz für das Wohlund Wehe ihrer Heimatstadt in der Brust schlägt.(Lebhafter Beifall.)An erster Stelle der Tagesordnung steht das Thema:„Die Krcditverhältniffe der deutschen Städte unter besonderer Berück-sichtigung der Finanzverhältnisse und der städtischen Anleihen."Das Thema ist in zwei Teile eingeteilt: 1. der Kreditbedarf imHaushalt der Städte und 2. die Formen und Wege zur Befriedigungdes Kreditbedarfes der Städte. Ueber den ersten Punkt sprachStadtrat Dr. W o e l l(Frankfurt a. M.). Er führte aus:Die ungeahnte Entwickelung der deutschen Städte in den letztenJahrzehnten hat ihrer Finanzierung eine besondere Bedeutung undTragweite verliehen. Die Finanz- und Kreditpolitik der Städte be-darf der sorgsamsten Beobachtung. Von Ausnahmen wie Krieg,Katastrophen usw. abgesehen, ist die Kreditbenutzung nur für solcheAnlagen gestattet, welche dauernd der Zukunft zugute kommendeWerte darstellen. Für die innere Rechtfertigung einer Anleihe sollallein entscheidend sein ihr Verwendungszweck und dessen Ver-hältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Die Finanzierung dergewerblichen Betriebe, wie Gas- und Elektrizitätswerke, Straßen-bahnen sowie öffentlicher Unternehmungen(Schlachthöfe, Markt-hallen, gemeinnützige Wohnungen. Friedhöfe usw.) kann un-bedenklich im Wege der Kreditbenutzung geschehen. Für die gewerb-lichen Betriebe ist dieser Weg sogar als dem Gemeinwohl förderlichanzusehen. Die Tilgung der für vorstehende Zwecke aufgenommenenAnleihen hat nach den Grundsätzen der kaufmännischen Abschreibungenzu erfolgen. Für ertraglose Unternehmungen und solche mit nichtgenügender Ertragsfähigkeit soll die Kreditbenutzung mit besondererZurückhaltung erfolgen, und es können in finanztechnischer Hinsichtfolgende, allgemein gültige Richtlinien aufgestellt werden: ZurVermeidung kurzfristiger Darlehen(schwebende Schulden) sindaus der zeitlichen Ungleichheit zwischen Einnahmen und Ausgabenentspringende Differenzen durch Bildung eines Betriebsfondszu beseitigen. Die Störungen des Etatgleichgewichts durchSchwankungen der ordentlichen, insbesondere steuerlichen Ein-nahmen sind durch Ansammlung eines Ausgleichsfonds möglichstfernzuhalten. Soll die Frage der Bedarfsdeckung im Gemeinde-haushaltsetat eine auf die Dauer erfolgversprechende Lösung finden,so ist die Aufgabe nicht nur in der Jahresbilanzierung zu erblicken,sondern es muß für Ausgaben, die nach verständiger Voraussicht inkürzerer Zeit speziell oder generell wiederkehren, ein langfristigesFinanzprogramm aufgestellt werden, in welchem die tunlichsteVermeidung der Kreditbenutzung für solche Zwecke anzustreben ist.Soweit es sich hierbei um Anlagen handelt, die zwar nicht un-mittelbar der Gemeinde, wohl aber einzelnen Teilen der Be-völkcrung wirtschaftliche Vorteile bringen, wie die Umlegung vonStraßen, die Anlegung von Parks, Brückenunterführungen, Fluß-regulierung usw., ist die Kreditbenutzung nicht nur zulässig, sondernim Juteresse der Gemeinde sogar angezeigt. An dieselbe hatsich alsdann aber ein Ausbau des Steuerwescns, Wertzuwachssteueru. a. m. anzuschließen, dessen Ertrag zur Tilgung der Anleihe zuverwenden ist. Bei periodisch wiederkehrenden Aufwendungen erscheintgrundsätzlich die Bildung von Fonds geboten. Das gilt vor allemkleines Feuilleton.Studium und Hunger in Rußland. Die allgemeine Armut unterden russischen Studenten ist eure bekannte Tatsache. Der russischeSwient ist in den meisten Fällen ein Bettelstudent. Man hat sichan diese Erscheinung gewöhnt. Und doch wird die Not unter derstudierenden Jugend von Jahr zu Jahr größer. Das intelligenteProletariat ist in steten: Anwachsen begriffen, in gleichem Maße wieüberhaupt die Zahl der Studenten. Wegen Nichtentrichtung derKollegiengelder sind aus der Petersburger Universität alleininehrere Hundert ausgeschlossen worden. Aus der Universität,an der den Studenten die Zahlung mit Nachsicht vonJahr zu Jahr gestundet wird, an der bei manchenStudenten die rückständigen Universitätsgebühren und Kollegiengeldersich auf 300 Rubel und mehr belaufen. Von den: Grabender Armutund Verzweiflung legen die Zeitungsinserate und die Ankündigungenin den Korridoren der Hochschulen eindringliches Zeugnis ab.»EinStudent sucht Stunden. Weder Entfernung noch Zeit kommen fiirihn in Betracht".„Ein gebildetes Mädchen, die höchste Notleidet, sucht schriftliche Arbeit oder eme Stelle als Gesellschafterin,Wirtschafterin, Stubenmädchen eventuell zu alleinstehendem Herrn".„Ein hungeriger Student sucht irgend eine Beschäftigung... istüberhaupt zu jeder Beschäftigung bereit."„Ein Student in äußersterNot bittet um irgend eine Arbeit, ist bereit, selbst die eines Tage-löhnerS zu übernehmen."„Ein Student rasiert, frisiert, schneidetHaare sehr billig" usw.Man lese diese Annoncen aufmerksam: jede von ihnen birgt einganzes Drama. Von einem besonderen Fall weiß in der„Now. Wremja'HerrjAIexandrowilsch zu berichten.(Ob*es wahr ist, wollen wir nochhingestellt lassen I) Ein Student hatte an der sozialistischenAgitation teilgenommen und war als Kandidat für den Posteneines Vorsitzenden einer Sektion aufgestellt worden. Und er gingin das Lager seiner volittschen Gegner über, bat um Arbeit underklärte sich bereit, als Gegner der Sache aufzutreten, der er gedienthatte. Soweit hatte ihn die Verzweiflung der Armut gebracht....Die öffentliche Wohltättgkeit. welche heute existiert, kann die Studentennicht vor Bettelarmut schützen. Alle Hilfsvereine, die dafür be-stehen, verschwinden wie ein Tropfen Wasser im Meer. Außerdemwirkt die Art der Wohltättgkeit. die in Almosenspenden besteht, nach-teilig auf die Psyche des Beschenkten ein. Man sieht die Spendennicht als Darlehen und zahlt sie niemals zurück. EinenBeweis dafür gibt die �Unterstützungskasje der Studenten,deren Darlehen auch später, wenn der Student schondie Hochschule verlassen hat und in Amt und Würden ist,nur selten zurückgezahlt werden. Ein großer Teil wird durch dieGeringfügigkeit der materiellen Unterstützung erbittert und schließtsich der Sozialdemokratie an.In den letzten Jahren hat man begonnen, sich nach einer anderenArt der Unterstützung umzusehen: nach Verschaffung von Arbeits-gelegenheit und Erwerb. Es entstanden an den Hochschulen„Bureausfür Ärbeitshilfe". Aber sie waren nicht zweckmäßig organisiert. Manbeklagt sich über Ungerechtigkeiten: die Leiter der Bureaus seien ge-neigt, ihre Bekannten zu begünstigen. Diese Bureau» empfehlenaußerdem nicht ihre Stellensuchenden, sondern weisen nur auf siehin. Sie kennen weder den Stellensuchenden noch den Arbeit-geber. So spielt denn auch der Zufall des Angebots und der Nach-frage seine Rolle. Nur eine gutesorganisierte Hilfe durch rationelle Stellen-vernnttelung könnte die akute Not unter den Studenten etwaslindern. Solange die allgemeine Lage Rußlands sich nicht ändert,wird das Proletariat der Intelligenz von Jahr zu Jahr zunehmenund die Reihen der Arbetterklasfe vermehren helfen.Theater.I NeueSTheater(Sommergast spiel):„DerZer-rissene". Posse in 3 Akten von N e st r o y. Die Aufführung fandein äußerst dankbares Publikum, ein ungleich dankbareres als einmoderner Autor für einen Schwank von gleichen geistigen Qualitätenhätte erwarten dürfen. Bringt man die Gewichte, die die Traditionin die Wagschale wirst, in Abzug, so steht eS um die alten WienerNestroh- Possen nicht besser als um die berühmten BerlinerPossen aus der guten alten Zeit, die gleichfalls gern insommerlichen Tagen ausgegraben werden. Der Reiz, durch den siewirken, fließt nicht aus irgend einer originellen Kraft des Witzesund Humors, vielmehr aus den Erim:erungen. die sich an sieknüpfen. Es interessiert zu sehen, an welchen Dingen Väter undGroßväter sich anspruchslos erfreut. Das hübsche Thema, aufwelches der Titel deutet, die Verulkung jener Sorte von Leuten, diesich als Zerrissene aufspielen und m:t Weltschmerz prunken, ivirdnur im ersten Akte, und auch da nur in sehr oberflächlicher Weisegestreift. Die Figur des reichen Herrn v. Lipps, der, um seineLangeweile durch eine Sensatton momentan zu verscheuchen, da§erste weibliche Wesen, das ihm begegnen werde, zu heiraten be-schließt, erschöpft sich in dieser einen, mageren Pointe, bringt eS alsKarikatur zu keinerlei komischer Schlagkraft. An Stelle der Charakter-Parodie schiebt sich die viel bequemere Parodie auf die Geschwollen-heiten des in pathetischer Empfindung und grausigen Wechselfällenschwelgenden Abenteurer- und Kriminalromans. Die drolligenEffette der Posse wagen durchgängig den Grundzug solcherPersiflage, sie gipfeln in der Szene, wo der romantisch-alkoholische Schlosser und der Zerrissene, die sich in einem neben-buhlerischen Ringkampfe wechselweise umgebracht zu haben glauben,von schrecklichen Gewissensäsigsten gefoltert nächtlicherweile einanderin die Arme laufen. Natürlich fehlt auch nicht ein edles und armesMädchen für den Zerrissenen, das ihn in einer Musterehe heilflickenwird. Die Schauspieler, alles geborene Oesterreicher wie es schien,agierten mit Lust und Liebe. An erster Stelle stand der gefühlvolleSchlosserriese des Herrn Stift. Herr Forest in der wenig dank-baren Titelrolle trug die Couplets ganz ausgezeichnet bor.«it.Im M ü n ch e n e r Künstler- Theater wurde JosefRuederers„W o l k e n k u ck u ck s h ei n:" mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Das Stück ist in sehr freier Anlehnung an die„Vögel"von AristophaneS als politische Zeitsatire gedacht, versandet aber inallerlei ingrimmigen Ausfällen, die Euelpides-Ruedcrer, der im Mittelpunkt der Handlung steht, auf seine Mitbürger in Athen(an der Isar)macht. Hält man sich an die einzelnen Typen, die klassisch gewandctfür Städte mit raschwachsender Bevölkerung. Im Interesse desErwerbes von Gelände für städtische Zwecke ist die Errichtungeines Grunderwerbungsfonds ins Auge zu fassen.Für Aufwendungen, die nach besonderer Beurteilung der gesamten Verhältnisse in absehbarer Zeit wiederkehren, wenn auch erst nach längerenPerioden, namentlich Aufwendungen für Kunst und Wissenschaft undzur Förderung der Volksbildung, ist ebenfalls die Anlegung vonFonds empfehlenswert. Die Durchführung dieser Finanzpolitik wirdwesentlich gefördert, wenn die Ausgaben, die ihrer Natur nach undvom Standpunkt des gesamten GemeininteresseS an einem bestimmtenZeitpunkt gebunden sind, als Tilgungsdauer ebenso wie bei rentablenUnternehmungen, die Benutzungsdauer der geschaffenen Anlage zurObergrenze haben. Auch ist anzustreben, daß die Tilgung b:s zurWiederkehr der gleichen oder generell gleich zu stellenden Ausgabebeendet ist.(Lebhafter Beifall.)Ueber den zweiten Teil des Themas:„Die Formen und Wege zur Befriedigung des Kreditbedarfs"sprach Oberbürgermeister Ku her-Fürth. Er erblickt in'derZentralisierung des städtischen Kreditwesens daS Heilmittel. Aufgabeeiner Zentrale mutz es nach seiner Meinung sein, einen genügendenTeil des verfügbaren Kapitals für die deutschen Städte zu den derAnlage des Geldmarktes entsprechenden und den Vorzügen derForderungen gegen Städte angemessenen Bedingungen zu gewinnen.Was den vorübergehenden Geldbedarf anlangt, so könnte zu seinerBefriedigung und zur Unterstützung ihrer sonstigen Aufgaben dieZentrale das Kontokorrent- und De'positengeschäft aber nur mit denStädten und ihren Finanzverwaltungen durch Heranziehung ihrervorübergehend freien oder auf Anlage wartenden Bestände pflegen.Für den Anleihebedars im engeren Sinne kömtte die Zentrale Dar»lehen bei denjenigen Korporationen vermitteln, die jetzt schon inbeträchtlichein Umfange solche Darlehen gewähren. Sie könnte beidenselbei: auch selbst Darlehen aufnehmen, sie an mehrere Städteweiter begeben und so manchmal die von einander abweichendenWünsche der Darlehensnehmer befriedigen. Auch die Unterbringungder Obligationen der Zentrale bei diesen Korporationen versprechebesseren Erfolg als jetzt die der einzelne:: städtischen Papiere.Diese gelte insbesondere für die Sparkassen. Die Sparkassensowie die städttschen Sttstungen und Fonds würden durch lieber-tragung ihrer An- und Verkäufe von Wertpapieren auf dieZentrale zu deren Kräftigung und zur Schaffung eines sorgfältiggepflegten Papiers beitragen können. Besonder? wichtig Iväre, daßder Verein selbst aus den Tilgungsbeträgen der Städte Darlehengewähren und dadurch die Beanspruchung des Weltmarkts verringernkönnte. Denn die Zentrale ivürde zwar mit den Städten festtilgbareDarlehen vereinbaren, dagegen ein einheitliches Stentenpapier be-geben, also zwar kündbare, aber einem bestimmten Tilgungsplannicht unterworfene Jnhaberschuldverschreibungen wie Steich undStaat schaffen. Durch dieses Jnhaberpapier, das an Stelleder zahlreichen Einzelanleihen treten würde, dann durch Anlage einesSchuldbuches der deutschen Städte, durch Ausdehnung der Einlöse-stellen, Heranziehung der Stadt- und Sparkassen zu diesem Dienst,durch tunlichste Aufnahme auf den Markt kommenden schwimmendenMaterials mit Unterstützung wiederum der' städtische!: Finanz-institute und der freien Tilgungsraten, durch die hierdurch ge-wonnene größere Marktgängigkeit und Widerstandsfähigkeitwürde das städttsche Papier das kapitalanlegende Publikummehr fesseln als bisher. Auch der heute an städtischen Anleihenhöchstens vorübergehend interessierte Bankier, für den im übrigendie vielen städttschen Anleihen eine wahre Last bilden, würde zurEmpfehlung des Papiers gewonnen werden können. Eine direktePropaganda wäre auch durch die Sparkassen möglich, deren über-mäßige Anfüllung mit größeren Einlagen sich zum Vorteil ihrerGaranten einschränken ließe, wenn wie in England der Umtausch zuhoher Bestände in Staats- und städttsche Werte zugestanden würde.Diese Maßnahmen ivürden auch den Wert der Stadtanleihe er-höhen. Zwar würde die Zentrale nicht auf die Solidarhast derStädte sich stützen, die ja auch bei den Hypothekenbanken und ihrenKommunaldarlehen völlig ausgeschlossen ist, aber alle ihreSchulden würden durch mündelsichere Forderungen gegen die Städtegedeckt sein. Die deutschen Städte seien alle absolut sichereSchuldner. Die Kursunterschiede ihrer Anleihen bedeuteten keinenUnterschied der Bonität. Das von der Zentrale ausgegebene wohlgepflegte Papier hätte alle Aussicht, gleich Reichs-'und Staats-papieren geschätzt zu werden. Die Form der Zentrale ergebe sichaus ihrer Aufgabe. Sie bedürfe ständiger Fühlung mit denStädten und ihren Instituten, auch mit den darleihenden Korpo-im Offenbach-Stil oder im Vogelkostüm glossiert werden, so vermagdaS dramatische Pasquill zu amüsieren. Teils im Dreschflegelhumor.teils mit mehr Gallenstein als attischem Salz werden da den: Spottpreisgegeben vor allem Michel, der brave Deutsche mit der Nacht-mütze, Herr Banausios mit dem Kapital, der Volkslenker(Wiedehopf),der Zentrumsmann, der Professor, der Schutzmann, Literaturjüdchen,Scherltum, Ueberweib. Doch das alles macht eine Witzblatt-Nummer,aber keine Komödie aus. Die Pointe der Geistesschnitzel geht daraufhinaus: Böotien ist ewig und auf Euelpides-Ruederer w:rd auch inWolkenkuckucksheim nicht gehört. Die Absichten deS Autors wurdendurch die szenische Ausstattung von Adolf Hengeler trefflich unter-stützt. zu.Humor und Satire.— D e u t s ch e M o d e r n i st e n.„Radikalismus ist immer eineböse Sache; ich für meinen Teil möchte beispielsweise bei demheiligen Rock in Trier wenigstens das Futter für echt erklären."„Katarrh" und„Gicht" im Agrarier-Deutsch.Gräfin(zu dem niesenden Gutsinspektor):„Wohlsein, Herr Inspektor ISie scheinen sich stark erkältet zu haben."— Inspektor:.Ja, FrauJräfin, ick habe eenen furchtbaren Schweinerotlauf in die Näse.Wenn ick man bloß nich wieder ooch noch meine olle Klauenseuchein die rechte Vorderpfote kriege."(„Simplicissimus.")Die Beichte. Ein junges sauberes Diandl geht beichten.Die unangenehmsten Bekenntnisse, nämlich die Sünden gegen dassechste Gebot, bewahrt sie sich bis zuletzt auf. Aber auch da willsie nicht ordentlich mit der Farbe herausrücken. Um ihr das Ge-ständnis zu erleichtern, fragt sie der Herr Pfarrer:„Hast loa Ver-hältniS nit?"— Das Diandl erwidert etwas zögernd:„A bois(ein wenig) schon."— Der Pfarrer:„Ja. was tuat denn nachaDett Bua?"— Das Diandl:„Er kimmt an's Kammerfenster."—Der Pfarrer:„Und nachher?"— Das Diandl;„Nachher klopfter halt an."— Der Pfarrer:„Und nachher?"— DaS Diandl:„Nachher kimmt er halt einer."— Der Pfarrer:„Und was tuater denn nachher?"— Es entsteht ein peinliches Schweigen. Schließ-lich fragt das Diandl. der ihr sehr unangenehmen Inquisition aus-weichend, Se. Hochwürden:„Was tätest denn nachher Du?"_(„Jugend.")�Notizen.— Jonas L i e, neben Ibsen und Björiffon der bekanntestenorwegische Dichter aus der alleren Generation, ist an: Sonntag inKristiania gestorben. Im November wäre er 75 Jahre alt ge-worden. Seine Novellen, Romane, die ein getreues Spiegelbildnorwegischen Lebens geben und seelische Probleme von allgemeinemInteresse in lebendiger Darstellung erörtern, sind auch in Deutsch-land populär geworden.— A t e m ü bangen in der Schule. In einer Pariserhöheren Knabenschule nahm ein Arzt mit 200 Schülern täglich etwa10 Minuten lang Atemübungen vor. Stach einigen Wochen hatte,wie Messungeil feststellten, der Brustumfang um zwei bis sechs Zentt«mcter zugenommen. Tie Versuche sollen aus breiterer Basis fort-gesetzt tverden