Isolierung Deutschlands verschuldet und in erster Linie mit- verantwortlich ist für die gespannte internationale Situation. Auch hier erweist sich der prinzipielle Widerstand, den die Sozialdemokratie von Anfang an den uferlosen Flotten- Plänen entgegengesetzt hat, als das einzig richtige Mittel zur Wahrung des Weltfriedens. Und fragt man nach � der positiven Forderung, die die Sozialdemokratie in der momen- tanen Situation an die deutsche auswärtige Politik stellt, so heißt sie: Verständigung mit England und Einstellung der Vermehrung der Kriegsflotte! I�oblesse oblige. Man muß es der Gegenkamarilla, die den Fürsten Eulen- bürg zur Strecke gebracht hat, schon lassen, daß sie g r ü n d- liche Aufräumungsarbeit besorgt. Noch nie ist der patriotischen und byzantinischen Heuchelei übler mit- gespielt worden, als von dieser patriotischen Meute, die hinter dem so lange mächtigsten Mann im Deutschen Reiche, dein Freund des deutschen Kaisers, so wütig einherhetzt. Es ist dabei nicht ihr letztes Verdienst, daß sie durch die schmutzige widerliche Art, wie die Kampagne von ihrem Manager Haiden geführt wird, zugleich trefflich dafür sorgt, daß die Gegner Eulenburgs— und darunter sind sehr mächtige, hohe und einflußreiche Herren— womöglich noch abstoßender und verächtlicher erscheinen, als der Gestürzte, den sie jetzt nach allen Regeln höfischer Kunst grausam zu Tode hetzen. Für heute muß nur besonders betont werden, wie diese Leute mit der deutschen Justiz umspringen. Freilich die deutsche Justiz erfährt ihr verdientes Schicksal: sie hat längst den festen Halt verloren, den die Justiz in der Ueberein- stimmung mit dem Rechtsgefühl des Volkes findet. Was Wunder, daß diese Herren die Justiz, die ihnen so oft ge- fügiges Werkzeug zur Aufrechterhaltung und Befestigung ihrer Klassenherrschaft schien, nun als nichts anderes be- trachten, wie als ein geeignetes Mittel, den Kampf um den Zugang zur Hintertreppe auszufechten. Was für ein Geheul haben diese Leute jedesmal angestimmt, wenn Sozialdemo- traten mit Einsetzung ihrer Person und in der sicheren Aus- ficht auf das Gefängnis schlimmste Fehlurteile kritisiert haben! Wie zeterten sie über die Verletzung des Respekts, wenn wir nicht in Ehrfurcht vor jedem Fehlspruch erstarrten. Und heute? Heute wird neben dem Prozeß in Moabit ein zweiter in den Spalten der Hardenpresse geführt und den Zeugenaussagen im Gericht geht zur Seite ein Beweisver- fahren in den Zeitungen. Besieht man sich aber die Stimmungsmache näher, so ist sie in der Tat von einigein Interesse und wirft vielleicht auf ihre Urheber ein charakteristischeres Licht als auf ihr Opfer. Der vergiftetste Pfeil, der gegen Eulenburg ab- geschnellt wurde, war die Veröffentlichung des Briefes des Fürsten Dohna, in dem Eulenburg ein„verlogener Kerl" genannt wurde. Inzwischen hat es sich herausgestellt, daß die Veröffentlichung dieses Briefes von dem früheren Inten- danten der Königlichen Theater, dem Grafen H o ch b e r g, ebenfalls einem Freund des Kaisers, veranlaßt worden ist. Solange Eulenburg an der Macht war, solange haben diese sauberen Herren vorsichtig geschwiegen, die die Harden- meute jetzt als Muster des preußischen Adels, als Vorbild- liche Charaktere und als wirkliche Stützen des Thrones, würdig der Kaiserfreundschaft, in dem ekelhaften Bedienten- ton feiert, der nur in Deutschland möglich ist; all diese Helden haben geschwiegen und haben den Verkehr mit Eulen- bürg eifrig aufrecht erhalten. Jetzt, wo Eulenburg angeklagt und wehrlos ist, veröffentlichen sie ihr„Material". Wahr- haftig, wir wissen nicht, ob der preußische Adel mehr kom- promittirt wird durch die Vergehen, die man Eulenburg nachsagt, als durch die Tugend, die dessen Gegner bewähren. Fast scheint es übrigens, daß Eulenburg gerade in der Pierson-Affäre sich nichts besonderes hat zuschulden kommen lassen. Wenigstens veröffentlicht Herr Konrad H a u ß- mann eine Erklärung, in der es heißt, daß Eulenburg durch die Schwägerin eines hervorragenden Schauspielers gebeten worden ist, seinen Jugendfreund, den Grafen Hochberg, auf die sehr gespannten Theaterverhältnisse freundschaftlich auf- merksam zu machen. Dann heißt es: „Wenn Fürst Eulenburg damals dem Grafen Hochberg der- traulich mitteilte, jene Dame habe wohlmeinende und ernste Besorgnisse geäußert, so war diese Mitteilung keine in tri- gante„Verlogenheit", fondern eine aufrichtige Wahrheit." Jedenfalls erscheint die Angelegenheit nichts weniger Kls geklärt. Sie in einem Momente, wo sich der Angegriffene nicht wehren kann, zur Beeinflussung der öffentlichen Mei- nung, und wohl auch zur Beeinflussung der Geschworenen vorgebracht zu haben, das mag vielleicht den Begriffen der Blüte des preußischen Adels entsprechen, uns kann es nur tiefen Ekel einflößen. Politische Ucbcrücht. Berlin , den 10. Juli 1908. Wofür die deutschen Steuerzahler ausgeplündert wurden! Die„Deutsche Tageszeitung" hat einen Sonderberichterstatter nach Südwestaftika geschickt. Dieser schreibt aus Swakopmund : „Woran leidet Südwestafrika? so muß zunächst gefragt werden, und die Antwort kann nur lauten: An den Eolgen der heillosen Wirtschaft während des riegeS. Schade, daß ich Swakopmund nicht vor dem Kriege gesehen habe. Wenn man jetzt aber aufmerksam durch die fand- erfüllten Straßen geht, im besseren Teile der Stadt durch Bürger» steige aus Holzbrettern begrenzt, dann tritt finnfällig hervor, daß mit jedem Transport Soldaten während des Krieges Händler und Unternehmer aller Art hier auf- getaucht sein müssen, die die Gelegenheit günstig erachteten, ihr Schäfchen inS Trockene zu bringen. Bars und Hotels schössen wie Pilze aus der Erde; Handlungen aller Art taten sich auf; wir haben jetzt mindestens zwölf Hotels hier und über zsto ei Dutzend Bars, die Restaurationen gar nicht gerechnet. So ungefähr muß eine Goldgräber st adt aussehen wie Swakopmund jetzt nach dem Kriege. Und während des Krieges sind Leute genug hier gewesen, die nicht säeten und nicht ernteten und sich doch ernährten. Leicht wurde Geld erworben, leicht glitt es wieder durch die Finger. Das war die goldene Zeit der Bars und Barmädchen; jetzt fitzen sie trübselig da und noch trübseliger die Besitzer und die vielen Hotels und Restaurationen dazu, ferner die meisten Klein» Händler. Selbst die großen Finnen und Unternehmer beginnen sich einzuschränken, sparen, wo sie können, und entlassen An- gestellte." Von der halben Milliarde, die das südwestafrikanische Kriegsabentcucr gekostet hat, sind also nicht nur höchst be- trächtliche Summen in die Taschen der Tippelskirch, Podbielski und Konsorten geflossen, sondem auch erheb- liche Bruchteile in die Taschen des Gesindels, das auf Kosten der Steuerzahler jahrelang in Südwestafrika während des Krieges schmarotzte. Vom Blute der Herero und vom Marke des deutschen Volkes mästete sich das Abenteurergesindel, das damals Süd- Westafrika heimsuchte! Man sieht, Kriege sind nicht für alle ein trauriges Verhängnis; es gibt Elemente, deren Weizen gerade bei lang- wierigen Kriegsabenteuern blüht. Freilich ist es der Aus- wurf der Gesellschaft, der bei dem Völkermord und der Rassenvertilgung auf seine Kosten kommt. Das Bild, das Südwestafrika im kleinen bietet, würde sich bei einem europäischen Kriege im große» Maßstabe wieder- holen!—_ Die Wirren im Flottenverein. Der Großadmiral v o n K ö st e r hat nunmehr die Wahl zum Präsidenten des Flottenvereins angenommen. Die Ab- sägung des Keim und des Salm hat jedoch in den Kreisen der Panzerplattenpatrioten die höchste Entrüstung hervor- gerufen. Die Blätter dieser Jnteressentengruppen künden an, daß nicht nur eine Sezession der kleineren thüringi- schen Gruppen, die nur 5000 Mitglieder umfassen, erfolgen wird, sondern daß auch der Austritt des 23 000 Mitglieder starken Landesverbandes„Westfalen " bevorstehe. Ja man spricht sogar von einem Austritt von 140000 Mitgliedern, von einer allgemeinen Auf- lösung des Flottenvereins! Und das alles, weil der Flottenverein nicht lediglich ein Werkzeug der Kanonen- und Panzerplattenfabrikanten und tobsüchtiger Alldeutschen sein soll, sondern auch auf die Wünsche der doch wahrhaftig mit Flottenbegeisterung hinläng- lich gesättigten Regierung eine gewisse Rücksicht nehmen soll! Christliche Erfahrungen. Die christlichen Gewerkschaften und die konfessionellen Arbeiter- vereine haben sich bekanntlich zur„christlich-nationalen Arbeiterbewegung" zusammengetan. Bei den christlichen Gewerkschaften scheint sich unterdes die Ueberzeugung eingestellt zu haben, daß sie durch die nattonale Etikette ihrer Sache keinen Dienst erwiesen haben. Auf dem Verbandstage der christlichen Holzarbeiter, der jüngst in München stattfand, sagte nämlich einer der Referenten: „Mancher organisationSreise Kollege kommt deshalb nicht zu UNS, weil Angehörige anderer Stände die christlichen Ge- werkschaften nur aus nationalen Gründen im Munde führen. Da leider nur zu häufig mit dem Worte „national" Mißbrauch getrieben wird, rterdcn unserer Bewegung dadurch mehr Leute entfremdet als zugeführt." Auch mancher andere Ausspruch verdient festgehalten zu werden. So sagte ein Redner aus Köln : „Nicht immer sind die christlichsten und natt analsten Gegenden am besten zu bearbeiten. Hier und da sind sie sogar die sozial rückständigsten, in denen noch eine jahrzehntelange Arbeit nötig ist. Man kennt hier zwar ein charitattves, aber kein soziales Wirken; im wirtschaftlichen und sozialen Leben herrscht der krasseste Egoismus." Ein Redner aus Stuttgart meinte:„Auf dem Lande wirkt die Umgebung abstumpfend auf den Geist der Leute ein, und hier ist die geistige Hebung der Arbeiterbevöllerung deshalb nur sehr schwer zu erreichen."— Ob der Redner daran gedacht hat, daß die einflußreichste„Umgebung" des Arbeiters aus dem Lande der Herr Pfarrer ist?—_ Ans dem zwanzigsten Jahrhundert. In der Umgegend von Euskirchen , einem Stadtchen am Eingange der Eifel , erzählt sich die fromme Bevölkerung folgende Schauermär: Einige Studenten in Düsseldorf (I) hatten sich in den Besitz einer Hostie gesetzt; einer von ihnen tat den geweihten Gegenstand in ein Trinkhorn mit Bier, das die Runde machte. Als einer der Studenten von dem Inhalt etwas verschüttete, stellte sich heraus, daß das Bier schwarz wie Tinte geworden war und— o Graus I— nach kurzer Zeit wurden auch die Studenten noch am selben Abend schwarz wie die Neger! Euskirchen liegt ein Stündchen von Köln , der Mettopole des aufgeklärten Westens. Das hindert nicht, daß die Leute sich mit ernster Miene solche Schauerdinge erzählen und denjenigen für einen Freigeist und Gottesleugner erklären, der an der Wahrheit oder auch nur Möglichkeit solchen Unsinns zweifelt.— Preustischer Polizeiterror. Der von den Behörden gegen die Sozialdemokratie angewandte Terror tritt immer offener zu Tage. Das ist erfreulich. Man gibt der Sozialdemokratie dadurch beweiskräftiges Material in die Hand, das nicht hinwegzuleugnen ist. Der Terrorraritätensammler dürfte eine besonders dankbare Aufgabe in der Verarbeitung sämtlichen Materials finden, zumal wenn es sich in so offener Weise ausspricht, wie das landrätliche Dekret zu Plön in Holstein. Der Genosse Böge in Laboe war im Januar d. I. von der Gemeindeverttetung als Mitglied des Schulvorstandes gewählt worden. Im März b e st ä t i g t e der Landrat v. R u m ö h r in Plön im Namen des Schulvisttatoriums die Wahl. Genosse Böge hatte nun das Vergnügen, bei der Landtagswahl am 16. Juni als Wahl- mann gewählt zu werden. Bei der Abgeordnetenwahl gab er als- dann seine Stimme für den sozialdemokratischen Kandi- daten ab. Wer so von dem schnurrigen preußischen Wahlrecht Ge- brauch macht, darf sich nicht wundem, wenn er dafür besttaft wird. Programmäßig ging denn auch folgendes Schreiben ein: ° V-». d-» 25. 3uni»8. J.-Nt. 1186 8. Schönberg , 2. Juli 1908. Bei der Landtagswahl am 16. d. M. haben Sie Ihre Stimme für den Kandidaten der fozialdemolratischen Partei ab- gegeben. Auch sonst haben Sie wiederholt für diese Partei Propaganda gemacht. Da sie somit einer außerhalb der Gesellschafts- ordnung stehende» sl) Partei angehören, so wird Ihre am 26. März d. Js.— Tgb. Nr. 513 8.— erfolgte Bestätigung als Mitglied des dortigen Schulvorstandes hiermit zurück- gezogen. v. Rumohr. Beekinann. An den Fischer Herrn Peter Böge in Laboe ." Der Schulvorstand des am Ostseesttande liegenden Badeortes Laboe ist jetzt wieder seuchenrein, das Schulvisitatorium in Plön , wo bekanntlich preußische Prinzen angestrengte Tage verleben, hat seine Pflicht getan, und den Soziaidemolraten ist abermals amtlich attestiert, daß bei Ausübung des Bürgerrechts gegen sie der Bannstrahl ge- schleudert wird._ Nach den Kriegervereinen die— Feuerwehr! Dem WahlterroriSmus der Kriegervereine sollen sich nunmehr auch die Feuerwehren anschließen. Wenigstens ist das Wunsch und Willen des freisinnigen WahlrechtsmacherS und Verlegers deS reisinnigen„Hahiiauer Stadtblattes", des StadttatS Preibisch in Hayna», den Herr Fischbeck beim Reichstagswahlkampfe im Jahre 1907 stets als„seinen hochverehrten Freund" bezeichnete. In Hayna» besteht nämlich eine sogenannte„städtische" Feuerwehr, nicht etwa eine Berufstruppe, sondern sie setzt sich aus freiwillig sich meldenden Bewohnem der Stadt zusammen, die sich verpflichten, bei ausbrechenden Bränden Löschdienste zu leisten und dafür eine jähr- liche Entschädigung von etwa 60 Mark aus der Stadtkasse erhalten. Wie auch sonst der Gemeinsinn gerade unter der Arbeiterschaft am ausgeprägtesten ist, so besteht auch hier diese Feuerwehr fast aus- schließlich aus Arbeitern, und von diesen wieder bekennt sich ebenso erklärlicherweise� die gute Hälfte ganz offen und frei zur Sozial- demokratie. Als nun die Landtagswahl kam, da war es wiederum ganz selbstverständlich, daß diese Arbeiterfeuerwehrmänner zur Wahl gingen und sozialdemokratisch stimmten. Das alles ist so einfach und ebenso selbstverständlich, daß erst ein freisinniger Scharfmacher von der Fischbeck-Garde kommen muß. um dahinter eine Gefahr für den Staat zu erblicken. Im Bürger- verein war es, wo dieser edle Bekenner deS freien Wortes und der freien Ueberzeugung eine donnernde Brandrede gegen die„pflichtvergessenen" Feuerwehrleute hielt; eS sei e i n e S ch a n d e, daß Personen, die im Solde der Stadt(ganze 60 M. U) ständen, sozialdemokratisch wählten; da müsse un- bedingt Remedur geschaffen werden; die Stadtverwaltung müsse die nötigen Maßnahmen treffe»: Sie mögen es nur tun. Die Arbeiter werden die 80 M. ent- behren lönuen. Wenn aber dann bei einem ausbrechenden Brande die Hayuauer Bürger wehrlos dastehen werden, dann mögen sie sich bei dem freisinnigen Wahlterroristen und Stadtrat Preibisch be- danken. Zur Kennzeichnung der Verlogenheit und Verkommenheit des Fischbeck-FreisinnS verdient auch dieser Fall der Nachwelt er- halten zu werden.—_ Ein Soldatenschinder stand vor dem Kriegsgericht der 6. Division des 3. Armeekorps in rankfurt a. O. Der Unteroffizier Ernst K. vom 12. Grenadier - egiment Prinz Karl von Preußen war der Mißhandlung Unter- gebener in 22 Fällen und der„vorschriftswidrigen" Behandlung in 5 Fällen angeklagt. K. praktizierte als Backpfeifenverteiler, Haar- ausreißer und Schläger mit dem Seitengewehr seine idealeren Regungen. Seine Spezialität waren Fußtritte gegen den Unterleib, die zu mancherlei Erkrankungserscheinungen führten. Der Angellagre versuchte seine Roheiten durch Uebereifer und Aufregung zu ent- schuldigen. Das Kriegsgericht hielt ihn der Soldatenmißhandlung in 13 und der vorschriftswidrigen Behandlung in 7 Fällen schuldig und verurteilte ihn zu sechs Wochen Mittelarrefl. Von der äußerst milden Strafe wurde noch eine Woche auf die Unter- suchungshaft abgerechnet._ Wahlterrorismus. Die Kriegervereine im Bochumer Bezirk beginnen fetzt allent- halben mit den Mitgliedern aufzuräumen, die bei der Wahl sozial- demokratisch gewählt haben. In einem Kriegerverein in der Stadt Bochum wurden z. B. fünf Mitglieder dieserhalb ausgeschlossen, das gleiche wird von Witten und Langendreer gemeldet. Die evan- gelischen Arbeitervereine gehen ebenso vor. Im evangelischen Arbeiter- verein Uckendorf wurden z. B. fünf Mitglieder hinausgeworfen.— Belgien . Die Kongodebatte. Brüssel , 9. Juli. Deputiertenkammer. Im Laufe der Diskussion über Anträge auf Vertagung und Schluß der Kongodebatte stellte der Sozialist Furnemont das Ver- langen, daß die Regierung vor dem Schluß der Erörterungen die mit England erzielte Verständigung rechtfertige. Ministerpräsident Schollaert erklärte, die Regierung habe vor dem Lande dic Verantwortung für die nationale Unabhängigkeit. Sie werde dem Auslande keine unangemessenen Zugeständnisse machen. Den Ge- dankenaustausch mit dem Auslände müsse sie fortsetzen, werde aber, sobald die Besprechungen zum Abschluß gediehen seien, die betref- senden Schriftstücke mitteilen. Mehrere Deputierte beantragten. daß die Erörterungen bis zur Veröffentlichung des mit England gepflogenen Schriftwechsels ausgesetzt würden. Schollaert wandte dagegen ein, daß die Frage, über die mit England verhandelt werde, mit dem Angliederungsprojekt an sich nichts zu tun habe. Er bitte, den Antrag auf Vertagung deshalb abzulehnen. Die Kammer faßte in diesem Sinne mit 89 gegen 49 Stimmen Beschluß. Die Anträge auf Aussetzung der Erörterungen wurden mit 70 gegen 60 Stimmen ebenfalls abgelehnt. Snglanck. Annahme der Altersversicherung. London , 9. Juli. Unterhaus. Das Alt er 8» pensionsgesetz wurde in dritter Lesung mit 315 gegen zehn Stimmen angenommen. OrKel. Die jungtürkische Betveauna. Konstantinopcl, 10. Juli. Nach Konsular-Depeschen ist Schemsi-Pascha von drei Offizieren getötet worden. Zwei Offiziere der Garnison von Mrniastir sollen geflüchtet sein. Die Nachricht, daß die Truppen sich weigern, gegen die Flucht- linge zu marschieren, ist unbestätigt. Der Marschall O s m a n- P a s cha, Mitglied der obersten Jnspektionskommission. ist zum außerordentlichen Kommandanten des Vilajets Mvnastir ernannt worden und gestern dorthin abgereist. Saloniki, 10. Juli. Die Ennordung Schemsi Paschas hat eine Panik hervorgerufen. Schemsi Pascha wurde im Wagen er- schössen, als er sich nach Resna begeben wollte, um die Truppen zum Gehorsam zu veranlassen. Ein Bataillon, welches nach Resna abgesandt wurde, verweigert den Weitermarsch. Die Bewegung hat das ganze Vilajet ergriffen. Perften. Die Haltung Englands. Im Unterhause stellte gestern der liberale Abgeordnete Lynch an die Regierung die Anfrage, ob die Kosaken, welche die Zu- gängc zu der englischen Gesandtschaft in Teheran bewachten. zurückgezogen worden seien, und ersuchte auch um eine Auf- klärung über die Stellung des Obersten L i a k o f f. Zugleich riet Lynch dazu, daß Greh der russischen Regierung freundschaftliche Vorstellungen machen sollte, um Sicherheit dafür zu schaffen, daß aktive russische Offiziere sich auf die Aufrechterhaltung der Ordnung beschränken und sich nicht an Maßnahmen zur Unterdrückung der Volksrechte beteiligen sollten. G r e y erwiderte, die persischen Truppen seien zurückgezogen worden; von Liakoff werde gemeldet, daß er bei Erklärung des Belagerungs- zustandes zum Gouverneur von Teheran ernannt worden sei. aber jetzt sei ein Zivilgouverneur ernannt worden. Der Schah hätte seine Absicht bekannt gegeben, die Konstitution aufrecht zu erhalten und es sei kein Anlaß, Vorstellungen zu erheben. In- betreff der weiteren Frage bezüglich Liakoffs führte Grey auS, daß Liakoff in Diensten des Schahs wäre, und jeder Schritt, den er im Drang der jüngsten Ereignisse unternommen hätte, habe er unabhängig von der russischen Regierung getan. D i l l o n(Na- tionalist) fragte mit Rücksicht auf die gemeldeten H i n r i ch t u n ge n und Folterungen, ob die englische Regierung gegen solche Handlungen Einspruch erhoben hätte. Greh erwiderte: Ich sehe nicht, was Gutes daraus sich ergeben sollte, wenn wir von der Politik der Richteinmischung abweichen würden. Ich schlage nicht vor, Schritte zu tun, welche eine Verantwortlichkeit für dic inneren Angelegenheiten Pcrsiens in sich schließen würden. Jn> habe bereits mitgeteilt, daß wir Garantien für die Sicherheit oder die angemessene Behandlung der in die Gesandtschaft Geflüchteten verlangt haben. Darüber kann ich nicht hinausgehen. In Beant- wortung einer weiteren Anfrage erklärte Staatssekretär Grey, die persische Regierung sei wegen der Mißachtung der englischen Ge- sandtschaft aufgefordert worden, um Entschuldigung zu bitten. Dem eBrnehmen nach sei das EntschuldigugnSschreiben in
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