He Verlängerung der Parlamentssession zur Erledigung des 6!e- setzentwurfs betreffend die Einkommensteuer. Finanzmiuister Caillaux hielt dem entgegen, daß die Kammer während der Reise des Präsidenten Fallisres nicht wohl tagen könne, er auch fürchte, daß während der Ferien die Mitglieder den Sitzungen in nicht genügender Zahl beiwohnen würden; nichts destoweniger stehe er der Kammer zur Verfügung. Ministerpräsident C l e- m e n e e a u erklärte, es sei eine Vertrauensfrage, dann aber ver- besserte er sich und sagte, die Regierung wolle die Vertrauensfrage nicht stellen. Wenn die Kammer den Antrag Pelletan annehmen sollte, würden Kammer und Regierung zur Bearbeitung der Steuerreform versammelt bleiben. Hierauf wurde der Antrag Pelletan mit 294 gegen 226 Stimmen abgelehnt. In der heutigen Sitzung wurde mit groher Mehrheit ein Antrag angenommen, die Beratung des Einkommensteuergesetzes nach dem Wiederzusammentritt des Parlaments ohne Unter- brechung fortzusetzen. Finanzminister Caillaux hatte sich mit dem Antrage einverstanden erklärt. Kundgebungen gegen FalliöreS Rußlandfnhrt. Paris , 10. Juli. (Eig. Ber.) Die bürgerliche Parlaments- demokratie hat längst ihre Prinzipien verhandelt. Die Zeiten, wo ein Floguet einem Zaren sein berühmtes„Vive la Pologne, Monsieur I* zurief, sind endgültig vorbei. Heute hat man„diplo- matischen Takt" und jene.politische Reife", die einem die Eni- rüstung verbietet, wenn ein großes Volk im Kampf für seine bürgerlichen Rechte dem Henker, dem ErschießungSpeloton, den gedungenen Mörderbanden deS Monarchen ausgeliefert wird. So sind die Sozialisten mit ihrem Protest gegen die Fahrt Fallisres isoliert geblieben und haben wie Ibsens „Volksfeind" die Entrüstung der Machthaber und der chauvinistischen Meute zu kosten bekommen. Die Empörung der Patrioten ist umso stärker, weil das Bewußtsein des eigenen Verrats doch nicht so ganz zum Schweigen gebracht werden mag. Die Sozialisten aber erfüllen unbekümmert um dieses ' Treiben ihre Pflicht als Wächter der Demokratie. Der parlamen - tarischen Aktion der Fraktion folgte ein Aufruf der Gesamtpartei, der alle Parteisektionen und alle sozialistischen Arbeiter auffordert, gegen die Reise FalliöreS zu protestieren, und, wenn diese schon nicht zu verhindern sei, den Gegenbesuch des Zaren unmöglich zu machen.— Die bürgerliche Presse hat für diese Kundgebungen einer ihr allerdings unbegreiflichen Prin- zipientreue nur gemeine Beschimpfungen übrig. So registrirte sie die Versammlung für die russische Freiheit, die am letzten Sonnabend unter dem Präsidium des Genossen Rubanowitsch, als Vertreters der russischen Sozialrevolutionäre getagt hat, als antirussischeVersamm« l u n g I Und das„Journal des Döbats" veröffentlichte über Vaillants Intervention in der Kammer eine unsagbar pöbel- hafte, aber nicht minder blödsinnige Korrespondenz, worin unter anderem die französischen Sozialisten beschuldigt wurden, für die preußische Polizei zu arbeiten. Woraus die Welt zum ersten Male erfuhr, daß die preußische Polizei eine Anhängerin der russischen Revolution ist. Angesichts der tristen Stellung der Blockdemokraten verdient das mutige Auftreten des unabhängigen Sozialisten Flaissiores im Senat wirklich besondere Anerkennung. Man hat von den„Unabhängigen" noch kein Beispiel derartiger Charakter- festigkeit erfahren. Der ehemalige Bürgermeister von Marseilles hat in einer Rede, die in der Form sehr gemäßigt, aber im Inhalt von schärfster Entschiedenheit war, gezeigt, daß bei aller Anerkennung der poli- tischen Zweckmäßigkeit der russisch-französischen Allianz die Reise des Präsidenten überflüssig und für redliche demokratische Republikaner ärgerniserregend sei. Auf das vom Senatspräsidenten Dubost natürlich vorgebrachte gewöhnliche Gerede von„unzulässiger Ein- mischmigen in die innere Politik anderer Länder" antwortete Flaisstöres, man könne sich eben keine Binde vor die Augen legen. Das demo- kratische Frankreich werde hoffentlich durch Vaillants Rede zum Nach- denken gebracht werden. Pichon antwortete mit amtlicher, für die Petersburger Gönner berechneter Entrüstung, und der Kredit für Falliöres Reise wurde mit allen gegen eine Stimme— die Flaissiöres— angenommen. Die„Aurore" verzeichnet dieses Abstimmungsergebnis mit Hohn. Die Demokratie erscheint diesem Blatt, seitdem sich sein Ausverkauf von Freiheilsidecn nicht rentiert hat. als ein sehr verächtlicher Artikel. Italien . Trennung von Kirche und Schule. � Rom , 11. Juli. Die Stadtverordnetenversammlung hat mit 57 �egen 3 Stimmen die A b s ch a f f u n g des gesamten Religionsunterrichts in den Schulen angekommen. Rumänien . Gegen den Duellmord. Bukarest , S. Juli. Um dem Duell in der Armee ein Ende zu machen, ist durch eine königliche Verfügung ein E h r e n r a t für die Offiziere des aktiven Dienststandes und der Reserve und für die Offiziere zur Disposition eingesetzt worden. OrKei. Die jungtürkische Bewegung. Saloniki , 11. Juli. Ein von Monastir nach Janina versetztes Jäg erbat aillon ist zu den Aufständigen in Resna übergegangen. Monastir soll in den Belagerungszustand ver- setzt werden. In Cavalla haben die Jungtürken einen Polizisten, der spionierte, erschossen. Die mazedonischen Reforme«. Entgegen der ursprünglichen Absicht, wird das mazedonische Reformprogramm von Rußland und England nicht als gemeinsamer Vorschlag den Mächten unterbreitet werden. Vielmehr wird Ruß- land die Reformen für das Finanz- und Justizwesen unterbreiten, während England den Mächten bereits Vorschläge über militärische Maßnahmen gegen das mazedonische Bandenwesen gemacht har. England bringt zur Bekämpfung des Bandenwesens die Bildung einer fliegenden Kolonne von 16—12 666 Mann türkischer Truppen, die dem General-Jnspekteur Hilmi-Pascha zur Ver- fügung gestellt werden sollen, in Anregung. Diese Kolonne soll von einem türkischen Offizier befehligt werden, der nach Auswahl und Vorschlag Hilmi-PaschaS vom Sultan ernannt werden soll. Man sieht, diese Vorschläge sind nicht sehr aufregend und unsere Chauvinisten könnten sich auch in dieser Frage beruhigen. Marokko. Nochmals auf dem Kriegspfad. Jonbon, 11, Juli. Nach Meldungen aus Rabat vom 6. d. M. ist A b d u l A s i s im Begriff, Rabat zu verlassen, um an der Spitze einer Streitmacht von 3666 Reitern, 3666 Mann Infanterie und mehreren Geschützen nach Marrakesch zu ziehen. Eine zweite ihm ergebene Truppe soll von Mogador nach Marrakesch auf- brechen, um gemeinsam mit ihm vorzugehen. Aus Tanger sind der Schatzkammer eine halbe Million Pesetas zugegangen, mit denen der Sultan den Truppen den Sold auszahlte, um sich ihre Treue zu sichern._ C, Räuber. Tanger , 16. Juli. Aus Colomb-Bechar wird gemeldet, daß Rachrichten aus Djich zufolge eine marokkanische Räuber. b a n d e von etwa 16g Naoo sich gegenwärtig in Es 8sssm& auf* halte, um einen französischen Transport zwischen Bonanan und Colomb anzugreisen. Alle Maßnahmen seien getroffen worden, um den Ueberfall zu vereiteln. ,-u perfien. Zur Geschichte des Staatsstreichs. London , 9. Juli. Die„Times" von gestern enthält einen Brief aus Teheran vom 19. Juni, in dem ein interessanter Bericht über die letzte Audienz der persischen Parlamentsvertreter mit dem Schah gegeben wird. Am 16. Juni begaben sich 6 Parlamentsmitglieder und der Präsident zum Schah, um ihm eine Denkschrift über die Wünsche des Parlaments vorzulesen. Die Umgebung des Hofes war bereits militärisch besetzt und der Empfang, den der Schah den Volksvertretern gab, war nicht mehr so warm wie früher. Der Präsident zog jedoch seine Denkschrift hervor und begann sie vor- zulesen. Sie erzählte von den Leiden des Landes durch die Despotie der Monarchen und von der neuen liberalen Bewegung, die sich des Volkes bemächtigte, bis schließlich Schah Muzaffer-ed-Din , den Forderungen der Nation nachgebend, eine Verfassung gewährte, die von seinem Sohne Mahommed Ali, dem jetzigen Schah, bestätigt wurde. Muzaffer-ed-Din starb bald darauf und die Krone fiel dem jetzt herrschenden Schah zu. Aber unglücklicherweise befinden sich in seiner Umgebung mehrere Hofleute, die sich gegen die Ver- fassung verschworen haben und den Geist des Schah gegen die Nation vergiften. Um die Verfassung zu sichern, macht das Par- lament den Schah darauf aufmerksam, daß in einem verfassungs- mäßig regierten Lande alle Staatsangelegenheiten auf parlamen. tarischem und legalem Wege erledigt werden müssen, und daß bc- sonders folgende Artikel der Verfassung wichtig seien: „Artikel 44. Die Person des Monarchen ist frei von Verant- wortung, aber die Minister sind dem Parlamente verantwortlich. Artikel 4S. Die königlichen Erlasse haben nur Gültigkeit, wenn sie von den verantwortlichen Ministern gegengezeichnet sind, und in solchem Falle sind die Minister für sie verantwortlich." Die Deputation beklagte sich sodann über die verräterischen Umtriebe der Hofleute, deren Ziel es ist, die Verfassung zu be- seitigen. Sie fügte hinzu, wenn diese Umtriebe nicht aufhörten, würde sich das Parlament auflösen und der Nation erklären, daß es unter den am Hofe herrschenden Zuständen nicht in der Lage sei, seine Pflichten zu erfüllen. Der Schah hörte vorerst die Vorlesung an, dann entzog er dem Präsidenten die Denkschrift und las sie selber. Als er mit seiner Lektüre zu Ende war, machte er ein langes Gesicht und erklärte der Deputation, er betrachte die Perser als seine lieben Kinder, für die er väterlich sorgen würde. Der Schah wurde dann lebhafter in seinen Liebeserklärungen für die Nation und schloß seine Antwort mit folgenden Worten, indem er seine Hand auf den Griff des Schwertes legte:„Aber gedenket, daß meine Vorfahren den per- fischen Thron mit dem Schwerte erobert haben, und ich bin nicht geneigt, ihn zu verlieren, ohne vorher an das Schwert appelliert zu haben." Er versprach den Volksvertretern sodann, eine Denkschrift als Antwort einzuschicken. Die Antwort kam sodann, wie bekannt, aus den Schlünden der Geschütze, die das Parlamentsgebäude zerstörten und die Konterrevolution einleiteten. Es ist jedoch sicher, daß die Tage der alten Kadscharendespotie endgültig vorbei sind. DasMedschlis wird neu entstehen, aber in gemäßigt liberaler Form. Charakteristisch ist es, daß die Deputation aus zwei Exdiplo- maten und zwei ExPriestern bestand. Es war die weltliche und geistliche Intelligenz, die die persische Revolution einleitete. Die Entschuldigung. London , 11. Juli. Wie einem hiesigen Blatte aus Teheran gemeldet wird, begeben sich morgen früh der Hausminister des Schahs und der Minister des Aeußeren in die britische Gesandt - schaff, um formell die persische Regierung wegen der ungebühr- lichen Behandlung der britischen Flagge zu entschul.. d i g e n. Der Schah hat gestern eine neue Verfügung er- lassen, in welcher gerechte Verwaltung und die Ein- setzung von Gerichtshöfen zugesagt wird.- Australien . Das gewerbliche Schiedsgerichtswesen in Neuseeland . London , 9. Juli. In den letzten zwei Jahren ist der Glaube Neuseelands an das gewerbliche Schiedsgerichtswesen, das den sozialen Frieden herstellen sollte, st a r k er- schüttelt worden. Es kamen dort trotz der schiedsgericht- lichen Urteile mehrere Streiks vor, unter denen der Berg- arbeiterstreik besondere Aufmerksamkeit erregte, da er zur Belegung der Streikenden mit Geldstrafen führte. Das Wirt- schaftliche Leben Neuseelands ist offenbar in eine raschere EntWickelung eingetreten, die mit den alten Zuständen auf- räumt. Die Gewohnheit ist aber vorläufig stärker als die neuen Erfahrungen und die Regierung bemüht sich, das gc- werbliche Schiedsgerichtswesen aufrechtzuerhalten, was sie durch die Erhöhung der Geldstrafen zu erreichen hofft. Vor wenigen Tagen brachte sie deshalb eine Novelle zum Schieds- gerichtsgesetze ein, die folgende Geldstrafen vorsieht: Alle in einen Streik eintretenden Arbeiter werden mit je 209 M. bestraft, und für jede folgende Streikwoche mit je 20 M.: die Strafe für eine Aussperrung soll 4000 M. betragen, und für jede folgende Aussperrungs- Woche 1000 M. Spezialstrafen werden vorgesehen gegen Ar- bester, die ihre Arbeit niederlegen in einem Gewerbe, das zum allgemeinen Wohlergehen nötig ists wie Bäckereien. Schlächtereien, Gasfabriken, Kohlengruben und Eisenbahnen. Die den Arbeitern auferlegten Geldstrafen sind von den Löhnen durch die gegenwärtigen oder zukünftigen Arbeit- geber abzuziehen. Die Vorlage stößt auf den h e f t i g e n W i d e x sta n d der Arbeiter. Amerika. �.' Der demokratische Vizepräsident. Denver , 10. Juli. Der demokratische Nationalkonvent hat I o h n W. K e r n(Indianapolis ) zum Vizepräsident- schaftskandidaten nominiert. Huö der parteu Aus den Organisationen. Der zweite Jahresbericht des Parteisekretariats Jena für die Wahlkreise Alten- bürg, Weimar Hl, Reuß jüngere und ältere Linie ist soeben herausgekommen. Er erstreckt sich über die Zeit vom 1. April 1967 bis 31. März 1968. Er gibt ein Bild von der leb- haften Tätigkeit des Sekretärs, der 263 Versammlungen, Be- sprechungen lind Konferenzen besuchte. Außerdem gab das Sekretariat zwei Flugblätter heraus. Ueber de» Stand der Organisation wird berichtet: In Llltenburg waren organisiert: Am 1. April 1967: 4216 Mitglieder Am 1. April 1968: 43S9 Mitglieder. In Reuß j. L.(Gera ) waren organisiert; Am 1. April 1967: 8396 Mitglieder Am t. April IM: LfttS MMjeder. In R e u ß ä. L.(Greiz ) waren organisiert j Am 1. April 1967: 866 Mitglieder Am 1. April 1968: 972 Mitglieder. In Weimar III waren organisiert: Am 1. April 1967: 2223 Mitglieder Am 1. April 1968: 2246 Mitglieder. Die im Agitationsbezirk erscheinenden 4 Parteiblatter.Alten« bnrger Volkszeitung" in Altenburg , die„Reußische Tribüne" in Gera , die„Reußische VolkSzeitung" in Greiz und die„Weimarische Volks- zeitung" in Jena hatten am 1. April 1967 zusammen 23 356 Abonnenten. Davon war ein beträchtlicher Teil während der letzten Reichstagswahl gewonnen worden. Erfreulicherweise ist trotz der Depression im Wirtschaftsleben nicht nur die Zahl der Abonnenten gehalten, sonder» sogar noch erhöht worden. Die Abonnentenziffer stieg bis zum 1. April 1968 auf 25 566. Also ein Gewinn von reichlich 2666 neuen Abonnenten. Die Einnahmen des Sekretariats betrugen 3165,96 M, wovon 666 M. vom Parteivorstand in Berlin , 666 M. vom Wahlkreis Weimar HI, 856 M. von Altenburg , 456 M. von Reuß j. L. und 366 M. von Reuß ä. L., 249,56 M. an Honorar für Versammlungen. Die Ausgaben betrugen 2763,54 M., darunter für Versammlungen 1431,75 M.. schriftliche Agitation 376,36 M. Zuschuß zum Gehalt des Sekretärs 266 M. Der Kasseiibestand war 462,36 M. Die Frauen uutcr dem neuen Vcreinsgesctz. In Elberfeld treten die Genossinnen nach Vereinbarung mit der Leitung des Sozialdemokratischen Vereins unter folgenden Bedingungen dem Verein bei: Es steht den Genossinnen das Recht zu, nach Bedarf und nach Verständigung mit der Leitung der Parteiorganisation be- sondere Frauenversammlungen abzuhalten, und zwar sowohl öffentliche als auch Mitgliederversammlungen. In den Mitgliederversammlungen der Genossinnen werden am Beginn des Geschäftsjahres eine Vertrauensperson, sowie Bezirks« führerinnen gewählt, denen die Werbung von weiblichen Mit- gliedern, die Einziehung der Beiträge derselben und die Ver- breitung der„Gleichheit" obliegt. Die beiden Vertrauenspersonen der Frauen g e« hören dem V o r st a n d e des sozialdemokratischen Vereins an; die Bezirksführerinnen nehmen an den Sitzungen der Bezirksführer mit gleichen Rechten teil. Der Beitrag der Genossinnen beträgt monatlich 36 Pf., wo- von ein bestimmter Prozentsatz<7'/z resp. 16 Proz.) an die Zentrale der Genossinnen in Berlin abzuführen ist. Die Lieferung der„Gleichheit" an die Genossinnen erfolgt un- entgeltlich. Der Veitrag wird allvierzehntägig mit der Zu- stelluug der„Gleichheit" eingezogen. Die Hauptkaffengeschäfte liegen in den Händen des Vereins- kassierers, mit dem die Bezirksführerinnen monatlich abrechne». Nach Kopenhagen reisende Genossen werden darauf aufmerksam gemacht, daß dort ein deutscher sozialdemokratischer Verein besteht. Seine Adresse ist: Deutscher soziald. Ar b e iter- Ve rei« „Vorwärts" Kopenhagen , Knabrostraede 3. Zusammenkunft jeden Sonnabend. Soziales* Ungültigkeit einer TarisvertragSklansel. Zwischen den organisierten Chemigraphen und den organi- sierten Inhabern der chemigraphischen Anstalten besteht über ganz Deutschland ein Vertrag. Darin ist ein Paragraph enthalten, wonach nur organisierte Gehilsen bei organisierten Unternehmern beschäftigt werden und umgekehrt organisierte Gehilfen nur bei organisierten Unternehmern arbeiten dürfen. Aus Grund eines Inserats in der„Graphischen Presse" stellte die Firma Böhme u. Co. in Magdeburg den Chemigraphen Meitze ein. Auf Anftage seiner Kollegen stellte sich heraus, daß er nicht organisiert war. Entsprechend der Vertragsbestimmung mußte er die Arbeit wieder einstellen; es wurde ihm jedoch von der Firma gesagt, daß er wieder anfangen könne, sobald er der Organisation beigetreten sei. Die 2 Stunden Arbeit wurden ihm als halber Tag mit 2,56 M. bezahlt. Meitze verlangte nun für 2 Wochen Lohn und Reise- entschädigung. Er hatte nachdem jedoch bei einer nichttariffreuen Firma Arbeit bekommen, aber nicht angefangen. Der Vorsitzende führte aus, daß die Bestimmung des Tarifs bezüglich der Organi- sationszugehörigkeit nicht den guten Sitten entspreche und daher ungültig sei. Weiter sei es Sache der Firma gewesen, sich zunächst zu erkundigen, ob der Einzustellende organisiert sei. Die Firma wird verurteilt, an Meitze noch für einen halben Tag 2,56 M. zu zahlen, im übrigen wird die Klage abgewiesen, weil der Kläger in- zwischen Arbeit gefunden hatte. Kläger hat fünf Sechstel, Be- klagter ein Sechstel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen, lieber die Frage, ob die angeführte Klausel mit den allgemeinen Grund- sätzen der Vertragsfreiheit vereinbar sei, herrschte aus Anlaß der Einführung des erwähnten PassuS ein lebhafter Meinungsstreit. Die getroffene Entscheidung dürste eine nach Lage der Gesetzgebung zutreffende sein._ Bauarbeiter in Schlesien und Pose». Auf die Lage der Bauarbeiter wirft der soeben erschienene De- richt der Schlesisch-Posenschen Bangewerks-Berufsgenoffenschast ein grelles Licht. Versichert waren ini Jahre 1967: 8423 Baubetriebe gegen 8345 im Jahre 1966.„Durch die technischen Auffichtsbeamten wurden im Berichtsjahre wieder eine Anzahl, zum Teil längere Zeit bestehender Betriebe ermittelt und zur Anmeldung gebracht." Die höchste Zahl der versicherten Betriebe entfällt ans die Maler und Anstreicher mit 1625, der Maurer mit 1557, der Klempner mit 1001 usw. Die Zahl der versicherten Arbeiter ist von 124 876 im Jahre 1966 auf 123 586 zurückgegangeu. „Auf jede versicherte Person sind 226 Arbeitstage gerechnet, auf einen Betrieb entfallen somit 14,3 versicherte Personen, auf eine ver- sicherte Person durchschnittlich 574,18 M. Lohn gegen 623,96 M. im Jahre 1966." Die I a m m e r l ö h n e der Bauarbeiter für wohlgemerkt 226 Arbeitstage im Jahre betrug laut Bericht im Bezirke der Sektion I(Breslau ): 733.99 M.(761.66 M. 1666) . II(Liegnitz ): 666,53.(586,47., , III(Oppeln ): 668,44.(562,14.. . IV(Posen): 666,78.<631,18,. . V(Gnesen ): 687,85,(646,69„. Im Kreise Oppeln verdient also heute noch ein Bauarbeiter pro Jahr nur 668 M. und soll damit in diesen teueren Zeiten eine Familie ernähren 1 1 Die Zahl der gemeldeten Unfälle betrug 5691 gegen 5325 im Vorjahre. Entschädigt wurden 1684 dieser Fälle. Auf 1666 Ver- sicherte entfielen 41,11 Unfallanzeigen. Obschon die Unfallziffer gegen das Jahr 1966 etwas zurückgegangen ist, ist die Zahl der schweren Unfälle gestiegen. Die Folgen der entschädigten Unfälle waren nach dem Bericht: cf*r,r Dauernde teilweise vorübergehende Jayr Too völlige Erwerbsunfähigkeit 1965 96 7 469 496 1966 96 6 429 563 1967 lOS 7 462 610 Ueber die Tätigkeit der technischen Aufsichtsbeamten, die 7656 M. an Gehalt bekamen, erfahren wir im Bericht gar nichts. Der Vorsitzende der Berussgenoffenschast erhält für„Zeitverlust" 6666 Mark pro Jahr Entschädigung gezahlt! Weil» dies eine LMlranIeMffe sich erlauben würde Z
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten