Nr. 161. 25. Jahrgang.
Die beleidigte Offiziersehre.
sei. Wenn der Major ein Freund kräftiger Ausdrücke sei, er, der Angeklagte sei es auch, dann brauchten beide sich ja nicht vor Gericht herumzustreiten.
Die
Beweisaufnahme
Kasernenhofblüten zu produzieren,
I. Die zweite Straffammer des Landgerichts I verhandelte am Sonnabend einen Prozeß gegen den Redakteur der Tribüne", Dr. Rudolf Lautenbach. Der Kriegsminister bezog sich auf dasselbe Material, welches im Prozeß Seeger ver= hat gegen den Angeklagten Strafantrag gestellt wegen Bewandt worden ist. Eine große Zahl von Aussagen kommissarisch leidigung des Offizierkorps. Dieselbe soll begangen vernommener Zeugen wurden verlesen, deren wesentlichster Inhalt sein durch einen Artikel in der„ Tribüne" vom 8. Januar 1908 mit folgender ist: Major v. Pfanneberg hat auf einen Beugen den der Ueberschrift:" Der Hauptmann als Mörder". Dieser Eindruck gemacht, daß er etwas darin suchte, Artikel knüpft an verschiedene Vorgänge der letzten Zeit: den BilfeProzeß, den Harden- Prozeß, die Ermordung des Majors v. Schöne beck in Allenstein an und vertritt, besonders im Hinblick auf den Allensteiner Mord, die Ansicht, daß sich die höheren Gesellschaftsschichten in einem Stadium moralischer Zersehung befinden, daß auch im Offizierkorps Heuchler vorhanden seien, die die kirchlichen Gebräuche zwar mitmachen, dieselben aber für eine Chose halten usw. Durch diese beiläufige Bemerkung in einem langen Artikel soll das gesamte deutsche Offiziertorps beleidigt sein.
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Der Angeklagte verwahrt sich gegen diese Annahme und bemerkte: Die Offiziere, deren er doch nur nebenbei erwähnte, feien ja nur ein Teil der herrschenden Klasse, die er kritisierte. Darüber sei kein Zweifel, daß sich in den höheren Gesellschaftsschichten ein moralischer Niedergang bemerkbar mache. Wenn aus dem Artikel eine Beleidigung der Offiziere herausgelesen weroe,
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jedoch ohne Absicht der Beleidigung. Andere Zeugen haben ausgejagt: Major v. Pfanneberg rief bei den Kontrollversammlungen die bestraften Leute vor die Front und hielt ihnen in kränkender einem Manne, der wegen Kuppelei bestraft war, sagte der Major: Weise ihre Vorstrafen nicht nur militärische- bor. Zu ,, Sie Schwein, Sie haben den Louis gemacht!" Einen Mann, der in Hausschuhen zur Kontrollversammlung tam, bestrafte der Major mit einer Nachfontrolle. Ebenso wurden auch Leute bestraft, die weit entfernt wohnten und deshalb zu spät famen, so daß dieselben an zwei Kontrolltagen ihren Erwerb versäumen mußten. Defter trat der Major vor die Kontrollversammlung mit den Worten: ,, Kerls, wenn Ihr mich anseht, müßt Ihr ein Gesicht machen, als wenn die Sonne aufgeht."
Major, sie trügen
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Sonntag, 12. Juli 1908.
der Nebenkläger als der Angeklagte. Rechtsanwalt Halpert erwiderte darauf: Ja, der Herr Neben Kläger hat doch das Verfahren provoziert und ich habe doch das Recht, den Wahrheitsbeweis, der erbracht ist, zu würdigen. Wenn der Nebenkläger dabei als Angeklagter erscheint, so ist das nicht meine Schuld.
Major v. Pfanneberg sei schwer beleidigt. Das Gericht habe nur unter schweren Bedenken von einer Freiheitsstrafe abgesehen, aber es spreche zugunsten des Angeklagten, daß er seine Annahme, der Nebenkläger sei an der Majorsecke gescheitert, für richtig hielt und daß er zur Zurücknahme der Beleidigung bereit war.
Das Urteil lautete auf eine Geldstrafe von 300 Mart.
Wieviel Tausend Mark hätte der Major zu zahlen, wenn seine Ausdrücke eben so hoch bewertet und von dem öffentlichen Ankläger gegen ihn Anklage erhoben wäre?
Gerichts- Zeitung.
Ein schwerer Eisenbahnunfall auf dem Potsdamer Bahnhof lag einer Anklage ivegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahntransportes und fahrlässiger Körperverlegung zugrunde, welche gestern in der Berufungsinstanz die erste Straffammer des Land gerichts II beschäftigte. Angeklagt war der Zugführer Karl Marschall aus Schöneberg . Diese Strafsache hatte, wie seinerzeit mitwar am 1. April d. J. von dem Schöffengericht Berlin- Schöneberg von der Anklage des genannten Vergehens freigesprochen worden. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Am
so könnte sich mit ebensoviel Recht jeder Angehörige jedes anderen zu Männern, deren Haarfrisur ins Gesicht strebte, sagte der geteilt, schon einmal das Strafgericht beschäftigt. Der Angeklagte Teiles der herrschenden Gesellschaft beleidigt fühlen. Der Staatsanwalt bezeichnete den Artikel als von Gehässigkeit triefend. Die Offiziere seien dadurch schwer beleidigt. Die Ehre sei ein empfindliches Ding. Wenn die Ehre des Offiziertorps verlegt werde, so sei das besonders verwerflich, denn auf dem Offizierstande beruhe das Bestehen des Staates. Der Staatsantvalt beantragte ein Jahr Gefängnis!
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Halpert, führte unter anderem aus: Nicht auf der Armee beruhe die Sicherheit des Staates, wohl aber fönne man das von einer gerechten Rechtsprechung sagen. Aber kein Stand könne behaupten, daß in seinen Händen die Sicherheit des Staates ruhe. Der Angeklagte habe seine fritische Pflicht im Interesse des Vaterlandes ausgeübt. Selbst ein Jurist, der ohne berufliches Interesse den Artikel lese, werde keine Beleidigung in demselben finden. Daß innerhalb der herrschenden Klassen ein moralischer Zersehungsprozeß vor sich gehe, das werde selbst von einzelnen Angehörigen dieser Klasse anerkannt, aber diejenigen, welche dieser Klaffe fernstehen, sehen nichts davon. Wenn der Angeklagte verurteilt werde, so sei er Das Urteil des Gerichts ging dahin, daß der Angeklagte das Offizierkorps schwer beleidigt habe, indem er einzelne bedauerliche Vorkommnisse verallgemeinert und sie dem ganzen Offizier forps zur Last gelegt habe. Das Urteil lautete auf 600 Mart Geldstrafe.
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II. Unmittelbar nach diesem Prozeß wurde eine zweite Antlage gegen Dr. Lautenbach verhandelt. Diesmal handelte es sich um einen Artikel in der Tribüne" vom 10. Juli 1907, durch den sich Major v. Pfanneberg, früher Bezirksoffizier in Weimar , beleidigt fühlt. Die Staatsanwaltschaft hat die Anklage erhoben und Major v. Pfanneberg tritt als Nebenfläger auf.
Vor einiger Zeit hatte Major b. Pfanneberg Strafantrag gegen unser Barteiorgan, die Leipziger Volkszeitung", gestellt, weil sie schrieb: Herr v. Pfanneberg sei wegen des groben Tones, den er bei Kontrollversammlungen gegen die Reservisten anschlug, nicht in die Weimarer Schüßengesellschaft aufgenommen worden, deren Mitgliedschaft er nachsuchte. ŕ Diese Behauptung ist in dem Prozeß gegen den Genossen Seeger von der Leipziger Voltszeitung" als wahr erwiesen, jedoch wurde ein anderer Grund für die Zurückweisung des Herrn v. Pfanneberg von der Schüßengesellschaft angegeben. Andererseits wurden aber verschiedene starke Grobheiten des Majors gegen Reservisten festgestellt, er gab solche sogar selber zu und da hiernach keine Aussicht auf Bestrafung Seegers vorhanden war, zog Major v. Pfanneberg seinen Strafantrag gegen Seeger zurüd.
zu machen:
Hand vom Sad."
,, Dreht Euch mit dem Gesicht dahin, wo der Arsch ist." 3u Reservisten, die er für Sozialdemokraten hielt, pflegte der Major zu sagen:
,, Wer seinen Fahneneid nicht hält, der ist in meinen Augen ein Schuft, ein meineidiger Hallunke."
Louislocken und Schneppenfrisuren. Nicht vorschriftsmäßige Haltung der Hände rügte der Major auf 25. September v. J. ereignete sich auf der Landwehrkanalbrücke offenem Markt mit den Worten: dicht vor der Einfahrt des Potsdamer Bahnhofes cin folgenschwerer Zusammenstoß zwischen einem Personenzug und einem elektrisch Die Kehrt"-Wendung suchte er den Leuten mit den Worten klar betriebenen Vorortzug der Lichterfelde- Ost- Strecke. Der elektrische Zug, welcher von dem Angeklagten geführt wurde, fuhr in ziemlich scharfem Tempo in die Flanke des Personenzuges. Der mit großer Wucht erfolgte Anprall hatte nicht nur einen großen Materialschaden, sondern auch erhebliche Verlegungen von Fahrgästen und Zugbeamten zur Folge. Am schlimmsten war es dem Angeklagten ergangen, der nur durch die Fensterwand des Führerstandes ge= schützt wurde. Marschall erlitt derartig schwere Verlegungen, daß Der Major will aber hinzugefügt haben: Ich hoffe, daß sich von er mehrere Monate im Krankenhause zubringen mußte. Die Eruns niemand einer solchen Handlung schuldig macht.- Andere mittelungen der Staatsanwaltschaft ergaben, daß M. das auf Beugen, meist solche in militärischem Verhältnis, stellen dem Major fammenstoß herbeigeführt hatte. Gegen Marschall , der seit über " halt" stehende Hauptsignal überfahren und dadurch den Zuv. Pfanneberg ein günstiges Leumundszeugnis aus und meinen, ſammenstoß herbeigeführt hatte. Gegen Marschall , der seit über daß die angeführten Aeußerungen nicht so schlimm gemeint waren. 20 Jahren in Dienſten der Eisenbahnbehörde steht und völlig un20 Jahren in Diensten der Eisenbahnbehörde steht und völlig unHerr b. Pfanneberg selbst bezeichnete seine Kraftausdrücke bestraft ist, wurde die vorliegende Anklage erhoben. Wie durch die als gemütliche Wendungen im militärischen Verkehr und meinte, Bekundung eines anderen Zugführers, der sich mit dem Angeklagten Leute solche Ausdrücke übel nehmen. Aber unter den 350 Refer- hatte Marschall das Vorsignal beachtet und vorschriftsmäßig den er könne sich gar nicht denken, daß anständige, militärisch erzogene auf dem Führerstand befunden hatte, festgestellt werden konnte, viften, die zur Kontrollversammlung kommen, befänden sich immer Strom ausgeschaltet und die Geschwindigkeit ermäßigt. Umso unetwa 50 sozialdemokratisch angetränkelte Leute, und für die seien verständlicher war es, daß M. trotzdem das Hauptsignal übersolche Ausdrücke ein gefundenes Diner, und das würde dann zu fahren hatte. Vor Gericht behauptete der Angeklagte folgendes: Insulten gegen den Offizier benutzt. Gegen die Insulten einer Er habe die Geschwindigkeit des Zuges bei dem Vorsignal verGesellschaftsklasse, die unser Empfinden nicht versteht, müssen wir mindert. Hierbei sei ihm ein Vierkantschlüssel heruntergefallen. geschützt werden, sagte der Herr Major. Als er sich nach diesem bückte, habe er einen heftigen elektrischen Der Staatsanwalt beantragte eine Geldstrafe von Schlag erhalten, der ihm für längere Zeit die Besinnung geraubt habe. The er handelnd eingreifen konnte, sei es zu spät gewesen. 150 Mark. Nach dem Gutachten der als Sachverständige geladenen Eisenbahnbauinspektor Reichard, Betriebsinspektor Bod und Oberingenieur Manthey könne die Möglichkeit, daß der Angeklagte beim Aufheben des Schlüssels einen elektrischen Schlag erhalten habe, nicht ohne weiteres als ausgeschlossen bezeichnet werden. Verschiedene Eisenbahnbeamte bekundeten, daß sie ebenfalls, insbesondere bei feuchter Witterung, bei Berührung von Metallteilen elektrische Schläge be= kommen hätten. Der Staatsanwalt hielt in Uebereinstimmung mit dem RechtsanwaltBarnau die Freisprechung des Angeklagten für geboten. Das Gericht nahm an, daß der Angeklagte durch den elektrischen Schlag gerade in dem kritischen Augenblid besinnungslos geworden sei und dadurch ohne jede Schuld den Unfall herbeigeführt habe. Er wurde freigesprochen.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Halpert, kritisierte die Prozeßführung insofern, als hier eine Reihe von Leumundszeugen zugunsten des Nebenklägers v. Pfanneberg ins Feld geführt werden, während sich doch die Beweisaufnahme lediglich an das zu halten habe, was der Angeklagte in bezug auf den Nebenkläger behauptete. Herr v. Pfanneberg sei in diesem Prozeß in eine Lage gekommen, daß er, der Verteidiger, ihm nicht geraten haben würde, Strafantrag zu stellen. Nun ging der Verteidiger das Beweismaterial durch und führte Punkt für Punkt aus, daß der Ton, den der Major bei den Kontrollversammlungen angeschlagen hat, im höchsten Grade verlegend und beleidigend für die Reservisten sei und daß namentlich der Vorhalt der nicht militärischen Strafen nicht nur das Ehrgefühl der Betreffenden verlege, sondern sie auch in den Augen ihrer Kameraden herabseze, ja vielleicht ihrer Stellung und ihrer Eristenz schade. Die Bemerkung, die der Major mit Bezug auf den Fahneneid machte, stelle sich dar als eine Ausnutzung seiner militärischen Machtmittel, womit er auf die politische Erziehung der Reservisten einwirken wolle. Niemand habe ein Recht, militärische Machtmittel anzuwenden, um Angehörige einer großen politischen Partei zu einer anderen politischen Meinung zu erziehen, denn daß der Major die politisch Andersdenkenden nur beleidigen wolle, solle ihm nicht unterstellt werden. Während der Verteidiger so die Handlungsweise des Majors v. Pfanneberg würdigte, fiel ihm der Vorsigende ins Wort mit der Bemerkung: Aber Herr Verteidiger,
Von diesen Tatsachen ging der Artikel der" Tribüne" aus und tnüpfte daran eine Kritik des Verhaltens der Offiziere bei kontrollversammlungen im allgemeinen und der Ausdrudsweise des Majors b. Pfanneberg im besonderen. Der Artikel schloß mit einer fräftigen Bemerkung gegen den Major, welche der Angeklagte felbst als beleidigend zugibt und sich zum Vergleich bereit erklärt, den aber der Nebenkläger ablehnt. Der Angeklagte bemerkte zur Ablehnung des Vergleiches, er wundere sich, daß der Major, der selbst andere beleidigt habe, so empfindlich gegen Beleidigungen jezt erscheint ja
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Wegen Beleidigung eines Wahlvorstandes wurde der Gewerkschaftssekretär Genosse Schinkel zu Thale i. H. bomLandgericht Halberstadt zu 300 Mark Geldstrafe oder 30 Tagen Gefängnis verurteilt. Schinkel hatte sich auf das Ersuchen einer Anzahl Wähler hin bei der Gemeindevertreterstichwahl zu Nein stedt am 28. März d. J. im Wahllokal eingefunden. Einer Anzahl Wähler der 1. und 2. Klasse war die Anwesenheit Schinkels unangenehm. Sie forderten seine Entfernung. Es kam zu lebhaften Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Schinkel die den Wahlvorstand beleidigenden Aeußerungen getan haben soll. Das Gericht ging über den Antrag des Staatsanwaltes noch hinaus. Dieser hatte 200 Mark Geldstrafe beantragt.
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vom Sonnabend, den 11. Juli bis Sonnabend, den 18. Juli 1908
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