Äotiz zmn wirtschaftlichen Boykott, zur BrotloZmachung deZ Doktor V r e i t s ch e i d auf:, „Herr B r e i t s ch e i d sollte doch den Mund nicht gar so voll • nehmen. Sowohl er wie Herr Borgius werden ja doch von dem Handelsvcrtragsverein alimentiert, dem sonderbarerweise nicht nur Handelskammern von freisinniger Tendenz, sondern sogar auch freisinnige Volks- Vertreter angehören, obwohl dieser Verein durch indirekte bezw. personelle Unterstütznng der sogenannten„Demokratie" sich gem ei n schädlich gemacht hat, insbesondere in der Richtung derjenigen Bestrebungen, die der Handelsvertragsverein bei seiner Gründung in» Auge faßte." Solche Terroristen dürfen allerdmgs den Mund nicht voll nehmen, wenn vom Terror der R e a k t i o n die Rede ist.-» Zur Ovambo-Frage. Auch die„Kölnische Z e i t u n g", eins der maß- Lebendsten nationalliberalen Organe, ist mit der Freigabe des Ovambogebietes für raffgierige Händler nicht einverstanden. Das Blatt schreibt: „Wenn Hauptmann Franke von den Ovambohäuptlingen, wie es heißt, auch die Zusage erlangt hat, ihr Gebiet dem deutschen Handel zu öffnen, so können wir nur wünsche n, daß von dieser Erlaubnis der Ovambohäuptlinge zunächst inöglichsr wenig Gebrauch gemacht wird. Es wird wohl von niemand mehr ernstlich bestritten, daß das Auftreten der fliegenden Händler im Herero - lande und einzelner dort ansässiger gewalttätiger Farmer, die neben der ihnen kein genügendes Auskommen bietenden Farmwirtschaft den fliegenden Handel betreiben, einer der hervorragend st en Gründe zum Aus- brechen des letzten großen.Aufftandes in Deutsch-Südwestafrika gebildet hat. Die Zu- lassung unsicherer Leute zum Handel im Ovambogeb ietc könnte nur zu leicht wieder zu Verwickelungen führen. Unseres Erachtens kann daher nicht davon die Rede sein, daß infolge des Frankschen Zuges nunmehr das Ovamboland dem Handel allgemein freigegeben wird. In erster Linie muß das Land für uns eine reiche Arbeiter- bezugSquelle werden und aus diesem Gesichtspunkte her- aus verwaltet werden. ES scheint nunmehr die Zeit ge- kommen zu sein, im Ovambolande einen mit Land und Leuten besonders gut vertrauten und bei dein Eingeborenen beliebten Mann als Residenten einzusetzen, der den fortwährenden Verkehr mit den Häuptlingen aufrechtzuerhalten hätte,, und gleichzeitig die Ar b e i t e r be scha f f u n g für die übrigen Teile der Kolonie zu erleichtern. Den Häuptlingen sollte, um sie enger an die deutsche Verwaltung zu ketten, ein n i e d r i g e s Gehalt gegeben werden, sozusagen als Entgelt für die Arbeitcranwerbung und vielleicht auf den Kopf der Arbeiter zu bemessen. Für den Handel sollte das Gebiet nach wie vor geschlossen bleiben, jedoch mit der Maßnahme, daß der Resident einzelne zuverlässige Leute für be- stimmte Gebiete als Händler zulassen kann. Diese Händler müßten eine Kaution hinterlegen, aus der im gegebenen Falle nach Entscheid des Residenten die durch Betrug oder Gewalt- taten des Händlers geschädigten Eingeborenen entschädigt werden könnten. Mit militärischen Stationen und militä- rischen Zügen sind die Ovambo unbehelligt zu lassen." Es ist erfreulich, daß endlich auch eins der Hauptorgane der nationalliberalen Partei eingesehen hat, daß der Ausrottungskrieg gegen die Herero auf die s k a n d a- I ö s e n A n s r a ujj üb g s p.r,a kst i k e n g e w a l t t ä t i g e r. Hirn d l e r u tt o-- Fa-r m er znräckzuführen ist! Ebenso' richtig ist die Warnung davor, nunmehr das Ovamboland den.gleichen Händlerpraktiks«.,zu eröffypn.''.... Was allerdings die„Kölnische Zeitung " vorschlägt, vermäg nicht geringe Bedenken zu erregen. Dasi Ovamboland soll nunmehr an Stelle der durch den frivol an-' gezettelten und mit Trothascher Unerbittlichkeit durch- geführten Hererokrieg zum großen Teil ausgerotteten Herero Arbeitssklaven für die Minengesellschaften und Farmer liefern. Um diese neue„Arbeitsbezugsquelle" er- giebig zu machen, soll die H a b s u ch t der Häuptlinge angestachelt werden! Die Häuptlinge sollen für den Kopf des gelieferten Arbeiters gewissermaßen eine Per- mittel ungsprämie erhalten. Dadurch würde das System einer bis dahin unbekannten Gewaltherrschaft der Häuptlinge gefördert und die Unzufrieden- h e i t der Eingeborenen erregt werden. Durch solche Zu- Wendungen an die Häuptlinge würde nichts anderes geschehen, als was auch bei Samuel Maherero und anderen Herero- Häuptlingen geschah, die man durch Bestechungen zu Landverkäufen anreizte, zu denen sie nach der .Stammesverfassung gar nicht berechtigt waren! Will man also Verwickelungen mit den Ovambo vermeiden, so soll man nicht nur raff- und raubgierige Händler dem Lande fernhalten, sondern es auch den Eingeborenen s e l b st überlassen, ob sie sich als Arbeiter verdingen wollen. Jede durch ein Prämiensystem angestachelte Werbetätigkeit der Häuptlinge könnte nur die gleiche Folge haben, wie das von der„Kölnischen Zeitung " selbst gekennzeichnete Ansbeutungssystem der Händler! Die Wehrsteuer. Ilm da? Steuerbukett zu vervollständigen, das ja mindestens 500 Millionen neuer Steuern einbringen soll, wird jetzt auch die Einführung der Wehrsteuer befürwortet. Mit Recht weist das„Berliner Tageblatt" darauf hin, daß man in Oesterreich die Wehrsteuer eine Krüppel st euer nenne. Enthalte sie doch eine Besteuerung für diejenigen, die in- folge ihrer schwachen Konstitution zur. Erfüllung ihrer Wehr- Pflicht nicht sähig waren. Außerdem ist, wie das„Berliner Tage- blatt" des weiteren nachiveist, die Wehrsteucr recht wenig er- giebig. Selbst wenn man sie in einem angemessenen Verhältnis progressiv gestalten wollte, das heißt, wenn man die niederen Einlomnien völlig steuerfrei ließe, dafür die höheren Einkommen entsprechend besteuern wollte, so würde sich der Ertrag doch höchstens auf ein oder zwei Dutzend Millionen belaufen, also Lei der insgesamt aufzubringenden Steuersumme absolut nicht ins Gewicht fallen. Wohl aber würden diese Steuern gleich anderen sogenannten LnxuSsteuern, durch die angeblich auch die besitzenden Klassen getroffen werden sollen, nur einen Vorwand dafür bieten, daß man nicht durch eine wirkliche progressive Einkommens«, Vermögens« und Erb- schaftsstcuer diejenigen Kreise trifft, die vermöge ihres Ein- kommen? und Besitzes sehr wohl in der Lage wiiren, die neuen Steuern aufzubringen, ohne daß in irgendeiner Form, sei eS durch eine indirekte Steuer, sei es durch eine neue, auch die Nicht- Ibesitzenden treffende direkte Steuer, wie die W e h r st e u e r, Das mit Steuer« überlastete Proletariat herangezogen zu werden brauchte. Daß man trotzdem ernstlich an die Einführung einer Krüppel« peuer denkt, beweist nur, von welchen Absichten die Steuer- stnder gegen die nichtvesitz ende Klasse beseelt sind!— Ä m—mm Der Dreschgraf entmündigt. Der Graf P ü ck l e r- Klein-Tschirne. der jahrelang trotz offen- kundigster Beweise einer gestörten Geistestätigkeit feine Rolle als antisemitischer Agitator spielen konnte, ist nunmehr, wie ans Glogau gemeldet wird, vom dortigen Amtsgericht entmün» digt worden. Das Gericht kam in dem Verfahren, das von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war, zu dein Eni- mündigungsbeschlnß, weil Graf Piickler geisteskrank sei. Wäre Piickler nicht Reichsgras gewesen, so würde ihn dieses Geschick wahrscheinlich erheblich früher ereilt haben I— Eine berechtigte Frage. Unter der Stichinarke„Lange Galgenfristen" schreibt die„Frank- furter Zeitung": „Die Zeit zwischen der Fällung eines Todesurteils und seiner Voll st reck nng oder der Begnadigung des Ver- urteilten ist für diesen furchtbar. Leider werden diese Galgen- fristen in Preußen und in den Reichslandm. wo der Kaiser das Begnadigungsrecht ausübt, immer länger. Die Begnadigung der zum Tode verurteilten Landwirte Klein und Borgmann ließ viele Monate auf sich warten. Der 21jährige Arbeiter Eßling , der am 30. Oktober vorigen Jahres in Motz zum Tode ver- urteilt wurde, erhielt seine Begnadigung erst An- fang Mai d. I. Der 18'/? jährige Dien st kne cht Thouvenin, der am 12. Dezember v. I. einen Doppel- mord verübt hatte und bald darauf verurteilt wurde, erhielt seine Strafe erst am 4. Juli d. I. Sollte nicht eine Ver- k ü rzung der Galgenfristen möglich sein?" Auch w i r sind der Meinung, daß sich wirklich der Entscheid darüber, ob ein Todesurteil zu vollstrecken ist oder nicht, be- schleunigen ließe I—_ Landrätliche Zweiseelentheorie. Gleich seinem Hirschberger Kollegen hatte der Landrat von Neustadt O.-S. die Polizeiorgane seines Amtsbereichs ermahnt, sich mit den Bestimmungen des Rcichsvereinsgesetzcs genau vertraut zu machen und niemals in kleinlicher und unnötiger Weise das Gesetz gegenüber Versammlungen und Vereinen in Auwendung zu bringen, auch nicht auf Umwegen. Als daher eine rein gewerkschaftliche ivtaiversammlung in Neustadt trotz allem Proteste von der Polizei überwacht wurde, reichte der Einberufcr im vollen Vertrauen auf den landrätlichen Erlaß eine Beschwerde gegen die Neustädter Polizei an den Kreischef ein mit dem Ersuchen, dieser möge die ihm unter- stellte Polizei zur Anerkennung seines Willens anhalten. Wer aber beschreibt das Erstaunen des Einberufers. als er dieser Tage ein Schreiben erhielt, worin ihm derselbe Landrat eröffnet, daß die Polizei in ihrem Rechte gewesen sei l „Die Polizei ist berechtigt, in öffentliche Versammlungen Deputierte zu entsenden, wenn in ihnen politische Angelegenheiten erörtert werden sollen.... Es ist in der Versammlung... über sozialpolitische Angelegenheiten verhandelt worden. Der Absatz 3 des Z 56 des Vereinsgesetzcs vom 11. April 1908 findet in diesem Falle keine Anwendung, da über den Rahmen des§ 152 R.-G.-O. hinausgehende und auf politischem Ge- biete liegende Angelegenheiten, wie Organi- sation, Eintritt in den Bauhandwerker-Ver- band, in der Versa»imlung... erörtert worden sind..." Ja, was mögen denn nun eigentlich gewerkschaftliche Ver- sammlungen für Dinger sein, wenn in ihnen nicht über die GeWerk- schaften und den Eintritt in diese gesprochen werden darf! Wie eigenartig malt sich doch manchmal die Wirklichkeit des Lebens in dem Kopfe eines preußischen Beamten! Nun bleibt eben nichts übrig, als daß der Herr Landrat durch das Gericht darüber belehrt wird, daß sein Erlaß auch für ihn Geltung hat.— Die Wahlterroristen der Ferdinandgrnbe, die bekanntlich elf auf dieser Grube beschäftigte Arbeiter wegen ihrer ZentrumZabstimmung bei der letzten Landtags- Wahl entlassen' haben, lehnen in hochfahrender Weise ab, mit der vom polnischen Arbeiterverein zur gegenseitigen Hilfe gewählten Deputation zu verhandeln, ge- schweige denn auf deren auf Wiedereinstellung der Gemäß- regelten und verschiedene Verbesserungen der Lohn» und Ar- beitsbedingungen gerichtete Forderungen einzugehen. Im Ge- genteil, in ungeniertester Weise betreiben diese national- liberalen Hakatisten ihre Wahlrache weiter; so haben sie jetzt zwei kleinen Fuhrwerks Unternehmern, die ebenfalls für das Zentrum eingetreten waren, verboten, in Zukunft die Abfuhr von Deputatkohle vom Gr üben hose zu übernehmen. S« wird es also voraussichtlich zum Kampfe kommen.! /' Steuersondierungen. Die sozialdemokratische Fraktion der Zweiten badischen Kammer versuchte am Montag bei der Beratung des Eifenbahnbetriebsetats die Stellung der Regierung zu der neuesten ReichSsteuerversion, zur Elektrizitätssteuer, aus- zuforschen. Es kam deshalb bei der Position des Lörracher Bahn- hofeS unter Bezugnahme auf ein elektrisches Straßenbahnprojekt Lörrach— Basel der Genosse Abg. Rösch auf eine Verteuerung der künftigen elektrischen Unternehmungen zu sprechen, wenn solche unter der Wirkung einer Besteuerung dieser aus der Rhein- st r ö m u n g gewonnenen Kraft durch das Reich entstünden. Präsi- dent Fehrenbach(Zentrum) bezeichnete aber diese Anregung als eine Abschlveifung. deren Erörterung bei der noch kurz bemessenen Zeit der Session zu weit führen könnte und deshalb als nicht statt- Haft. Bielleicht nimmt jetzt das Zentrum den Faden durch eine formell eingereichte Interpellation wieder auf, um die Regierung, wenn es dazu käme, vielleicht zur lakonischen Antwort zu ver- anlassen: wir wissen von nichts und verzichten deshalb auf jede Er- klärung!_ Wegen Soldateuqnälerel wurde der Sergeant Augustin vom 3. bayr. Feldartillerie-Regiment vom Kriegsgericht in R c g e n s b u r g zu 22 T a g e n M i t t e l- a r r e st verurteilt.—_ Ocrumicfo. Entschädigung für Reservisten. Wien , 14. Juli. Das Abgeordnetenhaus nahm die Regierungsvorlage betreffend Entschädigung der F a m i l t e n- A n g e h ö r i g e n von zur Waffenübung ein- berufenen Reservisten an. Snglancl. Das Wettrüsten. London , 13. Juli. Unterhaus. In der Diskussion über daS Schiffsbaubudget kritisierte Lee das Flottenprogramm der Regierung als unzulänglich. Er stellte es dem Programm Deutschlands , gegenüber und erklärte, im Herbst 1912.werde Deutschland 17 Schiffe der Dreadnought- und Jnvincible-Klasse haben, während England nur 12 besitzen werde. Bezüglich der Zwistigkeiten innerhalb der Marine bemerkte der Redner, jedermann hege das Vertrauen, daß die Regierung dieser ernsten Angelegenheit sich gewachsen zeigen werde. M c K e n n a be- merkte, er glaube nicht, daß das HauS Ursache habe, über die Dread- nought-Frage in Unruhe zu geraten. In diesem Augenblick seien in Deutschland fünf große Schiffe auf Stapel gelegt, während in England zehn beinahe fertiggestellt feien. Im Juni 1911 werde Eng- lanv acht Dreadnought» und vier Kreuzer haben, während Deutschland siebenSchiffe vom Dreadnought« und zwei vom Jnflexible-Typ besitzen werde— vorausgesetzt, daß eS sein Programm in der von ihm selbst fixierten, außerordentlich kurzen Zeit zur Ausführung bringe. Eine Kritik, die die Situation vom Jahre 1912 ins Auge fasse, habe mit dem Programm des gegenwärtigen Jahres nichts zu tun. In Ausführung dieses Programms hätte sich England nur zu versichern. daß Deutschland nicht schneller bauen könne als Großbritannien und daß nach dem Programm des laufenden Jahres Großbritannien Mitte 1911 Deutschland überholt haben werde. Die große Ueberlegenheit, die England in den älteren Schiffstypen besitze und das Uebergewicht, das 12 Dreadnoughts und Jiwincibles gegenüber neun auf feiten Deutschlands verleihen, verbürge Englands Vollkommeue Sicherheit im Jahre 1911. Diese unbedingte Sicherheit sei eine Lebensfrage für Großbritannien , aber darüber hinaus zu gehen, wäre nichts als Verschwendung. Im nächsten Jahre würde die Regierung in der Lage sein, die Fort- schritte im Schiffsbau anderer Staaten zu berücksichtigen und aus Stapel zu legen, was notwendig fein werde— nicht mehr und nicht weniger—, um England bis zum Jahre 1912 seine Sicherheit zu verbürgen. McKenna schloß, indem er auf die kürzlichen Zwischenfälle innerhalb der Marine zu reden kam. Es scheine ihm, daß diese Differenzen in der Preste stark übertrieben worden seien. So- weit sie die Admiralität beträfen, beruhten sie jedenfalls auf un- erwiesenen Gerüchten, auch glaube er, daß durch sie schon zu einer befriedigenden Gestaltung der Dinge Beranlassung gegeben wurde. (Beifall.) W y n d h a m(I.) meinte, aus McKennas Erklärung könne nur der Schluß gezogen werden, daß eine starke Vermehrung der F l o t t e n a u s g a b e n für die nächsten zwei Jahre stattfinden müsse. Der ParlamentSsckretär der Admiralität McNamara erklärte, daß die Negierung entschlossen sei, die unantastbare Vor- Herrschaft Englands zur See aufrecht zu erhalten. Nach einer weiteren Debatte kam McKenna auf neue ans die Debatte über das Schiffsbauprogramin zurück und bemerkte, daß dabei wiederholt Vergleiche mit dem Deutschen R e i ch e gezogen worden seien. Er habe den Wunsch, zu erklären, daß in Vergleichen dieser Art eine feindliche Gesinnung gegen Deutschland nicht zu erblicken sei und daß ihnen auch nicht die Annahme zu gründe liege, daß es während dieses laufenden oder während eines zukünftigen Programms zu Feindseligkeiten kommen werde.(Beifall.) Das deutsche Ftotteuprogramin werde nur zum Vergleich herangezogen, um für die eigenen Fortschritte im Schiffsbau einen Maßstab zu haben.— Sodann gelangte das Schiffsbaubud get zur Annahme.— Cörfcci Die mazedonische» Reformen. Paris , 14. Juli. Offiziös wird gemeldet, daß die russische Rc> gierung gleich England demnächst an die Mächte eine Rote betreffend Mazedonien richten verde. Während die englische Note sich mit den unmittelbar zu ergreifenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung befaßt. wird die russische Note die Frage der Reformen behandeln, da die englische Regierung vorgezogen habe. Rußland betreffs dieses Teils der mazedonischen Angelegenheiten die Initiative zu über- lassen. Der.TempS" will wissen, daß der türkische B ot- schafter in Berlin gestern den Auftrag erhalten habe, die deutsche Negierung zu ersuchen, sie möge sich mit den Mächten verständigen, um in Sofia einen energischen Druck auszu- üben, da die Pforte nach wie vor Bulgarien für die Unruhen in Mazedonien verantwortlich mache. Der„Temps" spricht sich sehr beifällig über die englische Note aus und rühmt insbesondere deren Klarheit und Einfachheit. Die Polizeioffiziere, denen nach den englischen Vorschlägen die zu bildenden fliegenden Kolonnen unter Befehl eines türkischen Offiziers übertragen werden sollen, würden not- gedrungen sehr energisch sein müssen. Die Pforte werde gegen das System, das nicht nur den Grundsatz, sondern aucli die Betätigung ihrer Souveränität respektiere, keinen Einwand er- heben. Die englische Regierung habe da große Geschicklichkeit an den Tag gelegt und die gegen sie gerichtete Kritik erfolgreich zurückgelviejen. Die Befürchtung, daß England intraiisigente Vorschläge machen würde, welche die Türkei und sodann auch Oesterreich- Ungarn ablehnen würden, habe sich als ungerechtfertigt herausgestellt. Man müffe anerkennen, daß England, soweit es von ihm abgehangen habe, alles getan habe, um das europäische Konzert zu erhalten. Frankreich , das aus seinen Ansichten über die mazedonische Frage in London niemals ein Hehl gemacht habe, beglückwünsche sich dazu, daß Eng- land diesen Ansichten in so klarblickender Weise Rechnmig getragen habe. Man müsse den Türken, Serben, Bulgaren , Griechen und Wallachen in Mazedonien zeigen, daß ihre Einzelbestrebungen nicht alle? sind, daß Europa über diesen stehe und daß das mazc- donische Problem nicht zugunsten einer Nation, sondern zum Wohle des allgemeinen Friedens gelöst werden müffe. Eine jnngtürkische Erklärung. Wie«, 14. Juli. DaS jungtürkische Zentralkomitee in Paris dementiert in einer Zuschrift an daS„Neue Wiener Abend- blatt" die Meldung ausländischer Blätter, daß die in Mazedonien ausgebrochene jungtürkische Bewegung gegen die Christen ge- richtet sei, vielmehr kenne die jnngtürkische Richtung keine religiösen Unterschiede.— Das Attentat. Konstantinopel , 13. Juli. Zu dem Anschlag auf General F a z i l- P a s ch a wird noch gemeldet, daß der General nur v e r- wundet wurde. Der Attentäter soll ein Albanese sein. perftcn. Flucht zu»» Sultan . Frankfurt a. M., 14. Juli. Die„Frankfurter Zeitung " meldet auS Konstantinopel : Der Bruder des Schahs von Persie» Schua es Saltaneh und dessen Sohn Fathollah Mirza haben den Sultan um ein Asyl in der Türkei gebeten. Der Sultan willfahrte der Bitte der persischen Prinzen und»vird dem Vater wie dem Sohne hier einen standesgemäßen Wohnsitz anweisen. Fathollah Mirza ist heute mit größerem Gefolge hier eingetroffen. Ein neues Bo»i«bardenle»t. Täbris , 14. Juli. (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) Gestern vormittag 7 Uhr begann dieBeschiesjung des Stadtviertels Ümirakhis mit zwei Geschützen. Dw Revolutionäre antworteten mit heftigem Gewehr- feuer. Im Stadtviertel Bazischaman,»vo Rakhim Khan mit Reitern steht, dauert die Auslieferung der Waffen fort. Der Verkehr zwischen Dschulfa und Täbris ist eingestellt. Die Wirkung der Beschießung ist noch unbekannt. Hus der Partei. Der Sozialdemokratische Verein Breslau(Land)-Neumarkt gibt nach 16 monatigem Bestehen soeben seinen ersten Jahres- b e r i ch t heraus. Als er sich am 1. April 1907 vom Sozialdemo- kratischen Verein BreSlan-Stadt trennte, betrug die Mitgliederzahl 1370; sie stieg im ersten Jahre ans 1800, darunter 40 Frauen. Die Vcrivaltmig der Geschäfie liegt in den Händen des Parteisekretärs Ge- nossen S ch o I i ch. Der gesamte räumlich ziemlich ausgedehnte Verein zerfällt in 14 Distrikte mit 68 Bezirken. Die Zahl der„ Vo lks w a cht"- Ab o nnenten stieg in dem erwähnten Zeitraum von 1650 auf 2930. DaS politische Leben war im Berichts- jähre innerhalb des Vereins ein außerordentlich reges, namentlich zur Zeit des WahlrechtSkampseS, der eino groß« Zahl von
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