it. 171. 23. Zahtgsvs. 1 Knlißt iles„öomitls" Kcrlim ilollistilott. Freitllg, 24. Inli 1908. Pom Schlachtfelde des Klassenkampfes in Finnland . Neben dem soeben zu Ende geführten Wahlkampfe auf dem politischen Gebiete wütet der Kampf zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern auf dem wirtschaftlichen Gebiete nicht minder heftig. Er hat alle bedeutenderen Berufe ergriffen. Ueber die in den ersten vier Monaten deS Jahres stattgehabten Arbeitseinstellungen berichtet die„Arbeitsstatistische Zeitschrift" (Työtilastolinen Aikakauslehti ) von 37 Fällen, von welchen 13 im Januar, 11 im Februar, 8 im März und 4 im April, und 1 bereits im vergangenen Jahre stattfanden. 34 Fälle sind als Streiks, 3 sind teilweise als Streiks, teilweise aus Aussperrungen an- geführt. Die Dauer der Streiks war in 13 Fällen 7 Tage; in 9 Fallen 8—14 Tage; in 3 Fällen 22— 30 Tage; in 2 Fällen 31—60 Tage; in 2 Fällen von 61— 120 Tage. Ueber zwei Fälle fehlen die Taten. Der Streik der Lederarbeiter dauerte 282 Tage, Es waren an diesen Arbeitseinstellungen beteiligt: Metall- arbeiter(3 Streiks), Steinarbeiter(4), Zement- und Beton- arbeite!(3). Töpfer(1), Sägereiarbeiter<7), Bauarbeiter(1), Spuldrechsler(2), Spinnereiarbeiter(1), Reepschläger(1). Lederarbeiter(2), Schneider(1), Waldarbeiter(8) und verschiedene Berufe(3). Die Zahl der beteiligten Arbeiter betrug 37S7, davon 481 organisiert. Die Zahl der verlorenen Arbeitstage betrug 24 S40. In den meisten Fällen handelte es sich um die Lohnfrage in irgendeiner Form, um die Arbeitszeit, um die Lehrlingsfrage, in einem Falle um die Zusammenarbeit mit unorganisierten Ar- bcitern. In 11 Fällen gingen die Arbeiter mit ihren Forderungen teilweise durch; in 23 Fällen siegten die Unternehmer; in nur 3 Fällen siegten die Arbeiter ganz. Der„Työmies", das Zentralorgan der finnischen Sozial- demokratie, schildert die Lage zwischen den Arbeitern und den Unternehmern in einem Leitartikel vom 8. Juli folgendermaßen: „Durch den schnellen Aufschwung unserer Gewerkschaften sind die Unternehmer wie erschreckt. Sie können es gar nicht vergessen, daß sie oftmals sich gezwungen sahen, den Arbeitslohn zu erhöhen, wie auch den Arbeitstag zu kürzen. Obwohl die Siege der Ar- beiterschaft nicht allzu groß sind, waren sie doch bedeutend genug, um die Unternehmer im ganzen Lande in Gegenorganisationen zusammenzuschweißen. Es entstanden in allen bedeutenderen Ortschaften Unter- nchmcrverbände, wie z. B. die Verbände der Metallindustriellen, der Papierfabrikanten, der Schneidermeister, der Sägerei industriellen, der Zementindustrie usw. Viele von diesen Unter- nehmerverbänden haben sich als einen allgemeinen Arbeit- geberverband organisiert. Diese Zentralorganisation hat die Aufgabe, den Kampf gegen die Arbeiterschaft einheitlich zu organisieren und zu leiten. Die Macht der Arbeitgeber ist dadurch sehr viel stärker geworden, so daß die Kraft der einzelnen Gewerk- schaften gegen sie nicht mehr ausreicht. Bereits von Ostern an kämpfen die Metallarbeiter von Tammerfors gegen die Metallherren. Aber es besteht keine Hoff: nung auf eine Verständigung. Die Arbeitgeber wollen die Wünsche der Arbeiter nicht mal anhören. Die Arbeiter können hungern oder sterben; die Herren interessieren nur niedrige Löhne. Die Herren von der Papierindustrie sind einig darüber, um alles so zu lenken, daß es von ihnen abhinge, zu einem gegebenen Moment eine allgemeine Aussperrung vornehmen zu können. In allen abzuschließenden Verträgen beantragen sie einen Punkt, darauf gestützt sie auch während der Fortdauer des Arbeits: Vertrages eine Aussperrung vornehmen können! Die Bauherren gehen ganz rücksichtslos vor. In Abo waren sie gezwungen, mit der organisierten Arbeiterschaft einen Tarif: vertrag abzuschließen. Aber schon erklären sie. daß dieser Vertrag sie nicht binde und sie beabsichtigen, den Arbeitstag auf 10 Stunden zu verlängern, während vertragsmäßig der Arbeitstag auf 9 Stunden festgesetzt wurde.— Die Bauherren von Helsingfors beschlossen ebenfalls, mit dem 15. Juli auf den Zehnstundentag zurückzugehen. Die Durchführung dieses Beschlusses wird in Helsingfors eine Aussperrung zur Folge haben, denn die Arbeiter- schast ist entschlossen, an dem Neunstundentage festzuhalten. Die Konfektionäre und Schneidermeister haben mehrfach ganz dieselben Grundsätze vorgekehrt; sie werden von dem Geiste ge- leitet, daß die Arbeiterschaft je früher je besser niederzutreten sei! Viele Zeichen weisen darauf hin. daß die Arbeitgeber nicht nur die früheren Verhältnisse einführen wollen, sondern noch tiefer herabzutreten trachten. Und die Gemeinderäte in Stadt und Land zeigen ganz dasselbe Bestreben. Die Bauämter von Helsingfors , Wiborg und Abo haben schon den Weg der Verlänge- rung des Arbeitstages betreten. Und die Regierung unter» stützt sie." Erinnerungen aus Paris *). Von Fr. I. Ehr hart. Noch in dem verhältnismäßig jugendlichen Alter von 20 Jahren führte mich das Schicksal wegen Pretzvergehens vor das Schwur- gericht. DaS ist kein besonderes Ereignis, aber daß die Ratschläge des Staatsanwalts einen greifbaren Eindruck auf den ihm über- antworteten Sünder machen, das kommt schon weniger vor; ich bekenne, einer dieser Wenigen zu sein. Mein Staatsanwalt war Herr v. Marschal, ein ausgezeichneter, routinierter Redner, der in zierlichem, dem Angeklagten stets wohlwollenden Vortrage fast immer das„Schuldig" für sein Opfer erwirkte; er suchte am Schlüsse seiner Rede auch mein Herz zu rühren. Umkehr sollte ich halten, mich nicht betören lassen von dem verderblichen, neuen Evangelium und den gewissenlosen Hetzern; wenigstens sollte ich mir erst einmal die Welt anschauen, mein gewerbliches Können und allgerneines Wissen zu erweitern suchen. Der letztere, so Väter- lich-herzlich vorgetragene Rat machte Eindruck auf mich; noch auf der Anklagebank faßte ich den Vorsatz, recht bald der Anregung Folge zu geben, und führte ihn auch aus. So war der Staats- anwalt der eigentliche Veranlasser meiner ausländischen Tätigkeit, die nicht ohne bleibende Wirkung auf mich blieb, und so besuchte ich die Weltstädte, die mir eine Fülle interessanter Tätigkeit und liebe Bekanntschaften brachten. Für viele strebsame Handwerker war der Besuch der Weltstädte etwas Notwendiges; besonders war ihnen stets Paris das Ziel eines, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalts. Hier war in Museen aller Art und in ergänzenden Vorträgen auch dem Hand- werker Gelegenheit zum Selbststudium geboten. Das war um so leichter möglich, als die Schätze, frei von jedem Bureaukratismus, unentgeltlich und zu jeder Tageszeit, Sonn- und Werktags, jedem zugänglich waren. So angenehm und billig es sich für den Ein» geweihten in Paris auch leben läßt, so schwer war es aber in der Regel, als Arbeiter ohne Protektion lohnende Beschäftigung zu finden; zu Hunderten lungerten die planlos in die Stadt zugereisten Fremden auf den Straßen herum. Zu der Armee jener, die vor den Zeitungsexpeditionen und Arbeitsnachweisen sehnsüchtig der neuesten Ausgaben harrten, stellten die Deutschen ein ganz erheb- liches Kontingent; dazu war bei ihnen auch von Organisation noch wenig zu bemerken. So oft auch vor dem planlosen Zuzuge ge- •) Fr. I. Ehrhart, der uns viel zu früh entrissene leidenschaft- liche Kämpfer und kluge Politiker, schildert in der ihm eigenen frischen und wahrhaft volkstümlichen Weise seine Pariser Erleb- nisse im eben erschienenen„Neuen Welt-Ka lender" tür IM. Wir geben sie im Auszug wieder- „Was sollen die Arbeiter daraus lernen? Einzig, daß uns niemand hilft als wir selbst!" antwortet der Artikelschreiber und legt den Arbeitern nahe, sich immer fester und inniger zu organi- sieren, um den Unternehmerverbänden mit vereinigter Kraft cnt- gegentreten zu können._ Hus Induftrle und Kandel . Liebesgabe«. Wie durch das schon oft kritisierte System der Einfuhrscheine die Reichskasse geplündert wird, schildert die„Deutsche Volkswirt- schaftliche Korrespondenz" also: Seit der Einführung des neuen Zolltarifs, die mit einer Erhöhung des Haferzolles von 23 M. auf 50 M. für die Tonne verbunden war, ist die Einfuhr von aus- ländischem Hafer stark zurückgegangen, gleichzeitig aber auch die deutsche Haferausfuhr entsprechend gestiegen. In der Zeit vom 1. August 1907 bis 30. Juni 1903 wurden in Deutschland nur 265 784 Tonnen Hafer verzollt gegen 318 180 Tonnen im gleichen Zeitraum 1906/07. Dagegen wurden 1907/03 aus dem freien Ver- kehr 611 844 Tonnen Hafer ausgeführt gegen 319 989 Tonnen in 1906/07. Der Ausfuhrüberschuß, der im Vorjahre erst 1009 Tonnen betrug, ist also in diesem Jahr bereits auf 246 060 Tonnen gestiegen. Da bei der Ausfuhr sogenannte Einfuhrscheine erteilt werden, wodurch den Exporteuren eine Vergütung aus der Reichskasse in Höhe deS EingangszolleS zuteil wird, so ist durch die in die elf Monate August-Juni 1907/03 fallende Haferausfuhr von 511 844 Tonnen der RcichSkasse eine Ausgabe von 511 844 X 50 gleich 25 592 300 M. erwachsen. Die deutsche Landwirtschaft muß natürlich Ersatz sür einen so starken Abfluß von inländischem Hafer haben. Würde dieser Ersatz durch eine entsprechende Mehreinfuhr von ausländischem Hafer geschaffen, so würde der Reichskasse der verausgabte Betrag durch den Eingangszoll wieder zufließen. An Stelle des ausgeführten deutschen Hafers wird aber ausländische Futtergerste eingeführt, und für diese beträgt der Zoll nicht 50 M., wie für Hafer, sondern nur 13 M. Die Reichskasse macht dabei ein sehr schlechtes Geschäft; denn während sie für jede Tonne aus- geführten Hafers 50 M. vergütet, erhält sie auf die als Ersatz ein- geführte Futtergerste nur 13 M. Zoll für die Tonne. Auf eine Tonne ausgeführten Hafers können also annähernd vier Tonnen Futtergerste zollfrei eingeführt werden._ Das Konventionswesen und seine Einwirkungen auf die Arbeiterschaft. In kaufmännischen und Jndustriekreisen bollziehen sich schon seit längerer Zeit bedeutende, für den gesamten Handel überaus wichtige Umwälzungen. Seit Jahrzehnten blüht und gedeiht die deutsche Industrie und der deutsche Detailhandel in freier Kon- kurrenz. Massenhaft taten sich nun aber die Fabrikanten der einzelnen Branchen zusammen und gründeten Verbände und Kon- ventionen und der Faktor der freien Konkurrenz wird ausgeschaltet. Nicht nur daß die Fabrikanten unter sich Abmachungen über den Preis eines Artikels, natürlich nicht zu ihrem Schaden, treffen, (jedes Mitglied muß sich verpflichten, nicht billiger als zu dem festgesetzten Preise zu verkaufen, im Uebertrctungsfalle ist eine meistens mehrere hundert Mark hohe Strafe zu zahlen) werden auch dem Dctaillisten alle möglichen Vorschriften nicht nur über den Einkauf, sondern auch über den Verkauf und über die Höhe seines Verkaufspreises gemacht. Ist er nicht gewillt, sich in seinem freien Bestimmungsrecht beschränken zu lassen, droht ihm der Boykott. Er bekommt von den vereinigten Fabriken keine Ware mehr geliefert. Sein Geschäft geht zurück, wenn er überhaupt noch imstande ist, sein Geschäft weiter zu führen. Voll Ingrimm sieht der Detaillist diese neue Macht täglich wachsen, ohne eine Einwendung wagen zu dürfen. Dem kurzsichtigen Beobachter im Wirtschaftsleben zeigt sich vorerst nur dieser Uebelstand, der weiter Forschende erblickt aber noch viel mehr Mißstände des Konventionswesens oder vielmehr Unwesens. Und zwar ist es die breite Masse des Volkes, die der Machtstellung weniger Fabrikanten ihren Tribut zahlen mutz. Nur einige Beispiele aus den letzten Monaten beweisen diese Behaup- tung. Ja, noch mehr! Es zeigt sich, daß der Arbeiter unter den Konventionen noch mehr zu leiden hat als der kleine Kaufmann. Für irgendeinen Artikel war der billigste Einkaufspreis einer bestimmten Qualität 80 Pf. pro Meter. Durch die Konkurrenz, die sich die Fabrikanten gegenseitig machten, war jeder einzelne ge- zwungen. für diesen Preis eine möglichst gute Ware zu bringen. Wird nun eine Konvention gebildet, verpflichten sich die Fabri- kanten, diesen Artikel für die Folge nicht unter 1 M. zu verkaufen. Der Detaillist bekommt nun. an welchen Fabrikanten er sich auch wendet, den betreffenden Artikel nicht mehr für den früheren warnt wurde, immer wieder fanden sich die leichtfertigen Kunden in Paris ein, und mancher mußte seine Kühnheit schwer büßen. Aber was nützt alle?; das schöne Paris , das Herz Frankreichs , wird auch fürderhin ein bevorzugter Magnet für die reiselustigen Wan - derer, besonders für unsere jungen Genossen, bleiben. Für wen sollte dieses Paris mit seiner glorreichen revolutionären Vergangen- heit, wo jeder Pflasterstein eine historische Bedeutung hat. auch kein Anziehungspunkt sein? Ganz besonders aber wird der Neuling, der vielleicht kurz zuvor, wie ich, unsere Literatur über das revolu- tionäre Paris verschlang, gepackt. Auf allen Brücken und Staats- gebäuden begegnet er der in großen Lettern tief eingemeißelten Devise der großen Revolution: liberte, egalite, fraternite(Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit). Das hat etwas Anheimelndes, brüderliche Empfindungen Packendes für den Zugereisten. Nur schwer und mit einem gewissen Gefühle der Wehmut konnte man sich dann in die rauhe Wirklichkeit hineinleben; denn für das heutige Frankreich , für die herrschenden kleinen Söhne großer Väter, bedeuten diese goldenen Worte nichts anderes als einen Schamlappen zur Deckung der Wandlung des entarteten Bürger- tumS zum modernen Kapitalismus mit seiner ganzen rohen Brutalität. • Schwer war es für ein Grünhorn, in Paris lohnende Arbeit zu fmden; aber ich hatte Glück. Durch das Syndikat wurde mir eine Stelle am äußersten Ende der Stadt nächst den elyseischen Feldern angewiesen, auf die ich noch am Tage meiner Ankunft los- steuerte. Am Ziel meiner Wanderung angelangt, traf ich eine allerliebste junge Meisterin im Laden; sie begann nach Ueber- reichung meiner Karte auf mich einzureden; sie stellte offenbar Fragen, aber ich, der ich nicht eines französischen Wortes mächtig war, stand verständnislos bor ihr. Hilflos blickte ich nach allen Seiten, schüttelte verzweifelt den Kopf. Die junge Meisterin zuckte mitleidig lächelnd die Achseln. Während ich mich anschickte, mich mit einigen englischen Brocken zu drücken, klingelte sie einen alten Arbeiter herbei, der mich am Arme fassend aus dem Laden durch einige kleine, enge Gassen mit sich zerrend in einen großen Hof in die Betriebswerkstclle führte und dem Chef, einem herrlichen Pendant zur schönen Meisterin, vorstellte. Hier dieselbe Unmöglich- keit der Verständigung; keiner von den zehn Arbeitern, die alle Stockfranzosen waren, konnte helfen. Soviel glaubte ich aber an- Nehmen zu dürfen, daß der Chef gesonnen sei, mich aufzunehmen. In meiner grenzenlosen Verwirrung griff ich nach der Uhr, sie ihm fragend unter die Nase haltend. Richtig, er verstand und deutete auf die Acht. Ich wußte genug. Fröhlich meldete ich mich am anderen Morgen pünktl'ch um die achte Stunde zur Stelle und fand das Ziel meiner Wünsche! liebenswürdige Kollegen und einen höchst anständigen Preis. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Stoff auch teurer zu verkaufen. Den mühelosen Gewinn, den sich der Fa- brikant durch die Konvention sicherte, muß der Konsument bezahlen. Denn gerade in den billigen täglichen Gebrauchs- und Wirt- schaftsartikeln üben die Konventionen ihren Einfluß auf die Preise aus. Der Preis eines Artikels hängt nicht von der Lcistungs- fähigkeit des Fabritanten ab und wird auch nicht durch Angebot und Nachfrage reguliert, sondern der Preis unterliegt der Willkür der Fabrikanten. Eine andere Art von Schädigung durch die Konventionen charakterisiert sich in dem allgemein bekannten Rundschreiben des Verbandes der bayerischen Metallindustriellen. Noch ein drittes Beispiel möge das Wesen dieser modernen Fabrikanten- und Unternehmerorganisationen ins rechte Licht setzen. Die Konvention der Porzellanfabriken macht plötzlich neben anderen Vorschriften, die sie den Porzellangeschäften, Warenhäusern und Porzellanhnndlcrn erteilt, bekannt, daß von jetzt ab der letzte Bruch nicht mehr verkauft, sondern in den Fabriken gleich wieder ver- nichtet wird. Sa harmlos dieser Passus klingt, bedeutet er jedoch für den in der Porzellanbranche tätigen Kaufmann eine beispicl. lose Anmaßung der Porzellanfabriken. Zum näheren Verständnis sei folgendes gesagt. Das fertige Porzellan wird in den Fabriken je nach der Güte sortiert. Die erste Sortierung ist in jeder Hinsicht tadelloses Porzellan, jedoch sind die Preise für diese Ware so un- erschwinglich, daß sie nur von vermögenden Leuten gekauft werden kann, während die letzten Sortierungen, und speziell der letzte Rest, wegen seiner Billigkeit von kleinen Leuten und Arbeitern gekauft wird. In diesem Porzellan machen auch die meisten Porzellan- Händler sowie die Warenhäuser den meisten Umsatz. Dieses voll- ständig brauchbare Porzellan soll, wenn es nach den Wünschen der Fabrikanten geht, von jetzt ab vernichtet werden. Die Gründe liegen greifbar nahe. Wenn der Händler von der Fabri! kein billiges Porzellan mehr bekommt, muß er die teuerere Sortierung führen und der Konsument muß wohl oder übel tiefer in die Tasche greifen. Das, was der Konsument mehr bezahlt, fließt wieder dem Fabrikanten in die Tasche, der früher an 10 Posten der letzten Sortierung nicht so viel verdienen konnte, wie jetzt an einem Posten der besseren Sortierung. Die Kleinen werden von den Großen gedrückt und letzten Endes muß der Konsument zahlen! Bankkrach in Solingen . Die Solinger Bank hat falliert. Gegen viereinhalb Millionen Mark gelten als verloren. Die Leidtragenden sind in der Hauptsache lokale Unternehmungen. Eine Notfusion mit dem Barmer Bankverein Hinsberg, Fischer u. Co.. Kom- mandit-Gesellschaft auf Aktien, ist gescheitert. Eine Aufsichtsrats- sitzung, die am Dienstag stattfand und in der Vertreter des Barmcr Bankvereins anwesend waren, mußte, nachdem diese die Unmöglich- keit einer Rettung erklärt hatten, beschließen, den Konkurs anzu- melden. Die Solinger Bank arbeitete zuletzt mit einem Aktienkapital von 3,6 Millionen Mark. Eine Vermehrung um 1,2 Millionen war bereits beschlossen. Die letzte Bilanz wies als Summe der Debitorenposten 7,63 Millionen Mark aus. Außerdem lvar ein Wechselbestand von 3,97 Millionen Mark vorhanden. Gläubigerforderungen standen 1,88 Millionen und Depositäreinlagen mit 1,32 Millionen zu Buch. Außerdem waren 3,33 Millionen Akzeptverbindlichkeiten vorhanden. Der ordentliche Reservefonds enthielt 0,71 Millionen und eine Spezial- reserve 88 777 Mark. Es wurde eine Dividende von 7 Proz. verteilt. Der Zusammenbruch der Bank ist auf unvorsichtiges Kredit- geben zurückzuführen. Große dortige Firmen, die schon lange schwach standen, wurden von der Bank gestützt. Die von ihnen gegebenen oder von der Bank reichlich auf sie gezogenen Akzepte sind wertlos. Trotzdem wurden sie mit dem vollen Nominalwert verbucht. Da- durch ist die Bank jahrelang über Wasser gehalten worden. Im Juni dieses Jahres starb der Direktor Stratmann, der über 30 Jahre lang bei der Bank angestellt war. Kurze Zeit darauf, in diesem Monat, folgte ihm der erste Direktor, von Renesse , welcher mehr als 25 Jahre der Bank angehörte. Man spricht davon, daß die beiden Direktoren Selbstmord begangen haben. Die eigentlichen Leidtragenden sind, wie immer, die Ardeiter. Die Folgen des Krachs lassen sich noch immer nicht absehen. Sicher ist aber, daß in den nächsten Tagen und Wochen mehrere— darunter sehr bedeutende— Zusammenbrüche diesem ersten folgen müssen. Die Arbeitslosigkeit, die so schon so stark war, wirdnoch stärkerin dieEr» scheinung treten.—_ Krisenwirkung. Auf einem Härder Eisenwerk wurde— wegen Mangel an Aufträgen— dreißig Arbeitern gekündigt. Aus der- selben Ursache wurde für sämtliche Arbeiter des Werkes die sieben- stündige Schicht eingeführt und eine allgemeine Lohnkürzung vor« genommen. Arbeitgeber. Nach drei Tagen kam der Zahltag. Monsieur Bon- maison legte mir fünfzehn Frank auf den Tisch; ein« an mich ge- stellte Frage, die ich aber nicht verstand, beantwortete ich mit einem, kräftigen„Oui". Damit legte er mir weiter fünf Frank hinzu, schrieb mir aber einen Zettel, ich solle einmal einen Dolmetscher mitbringen; er wolle sich weiter mit mir auseinandersetzen. DaS< geschah schon den folgenden Sonntag. Mein Freund Barber, dem bald darauf nach London übersiedelte, hatte von nun ab ziemlichll Arbeit mit mir. So liebenswürdig und aufmerksam meine Kol-/ legen auch waren, so wollten sie doch mit einem Deutschen , den zui verletzen sie peinlich vermieden, nichts zu tun haben. Sie steckten! bis über die Ohren im Chauvinismus; ebenso empfand auch meine« Meisterin, die die Hosen anhatte und mit Grazie zu tragen ver- stand. Mein Freund stellte mich deshalb als Ocsterreicher vor, und diese Landsmannschaft wollte ich so lange beibehalten, bis ich mich mit ihnen selbst verständigen konnte. Das Arbeitsverhältnis war ein patriarchalisches. Einmal gab uns unser Chef ein Festchen, das recht gemütlich war; ich wurdo dabei ganz besonders bevorzugt. Der Wein machte die Köpfe leb- Haft, die Herzen waren voll, der Mund lief über. Mein Diktionair wurde an diesem Abend arg geschunden: aber wir waren alle fröh- lich, fast zu fröhlich. Der Morgen begann schon zu grauen, als ich bei einem üblichen Anlaß aus Versehen durch die unrechte Türe in die Küche trottete. Meine reizende Meisterin thronte, zum Küssen lieb ausschauend, neben dem würzig dampfenden Kaffee- kcssel. Heute weiß ich noch nicht, woher ich die Dreistigkeit nahm; kurz, ich beugte mich über sie und drückte einen herzhaften schnal- zenden Kuß auf ihre roten Lippen. Sie lachte hell auf und Mon- sieur Bonmaison, der, ohne daß ich es merkte, Zeuge des Vorfalle? war, lachte mit. Ich fühlte alles Blut in den Schädel steigen, und rot wie ein Krebs drückte ich mich schleunigst. Bei Wiederein- tritt begrüßte mich die Gesellschaft mit lautem Hallo. Ich war beschämt, freute mich aber damals und heute Noch über den ge- lungenen Diebstahl, den mir niemand nachtrug, und über den iicb meine Meisterin am meisten lustig machte. � Im Gegensatz zu London entwickelte sich unsere deutsche Be- wegung in Paris nur sehr langsam; es fehlten ihr namentlich die bodenständigen Kerntruppen. Der Kreis der Genossen war ein kleiner und bestand fast ausnahmslos aus Neuzugezogenen. Das schöne, leichtlebige Paris war daran nur zum Teil schuld; mehr Einfluß hatte auf uns die Präfektcnherrschaft, die jede Regsamkeit einer französisch-sozialistischcn Bewegung unterdrückte. Auch die Chauvinistcnseuchc, die den französischen Arbeiter beherrschte, trug ihren Teil zu dieser Stagnation bei. Selbst solche, die uns als Ge- Nossen Keksmt waren, verbargen ihr Empfinden trotz aller Höf«
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