entscheidender Wichtigkeit sein, daß die Verwirklichung der Konstitution zugleich die Erfüllung der w i r t s ch a ftli'ch e n, nationalen und religiösen Bedürfnisse aller Bewohner der Türkei bedeutet, die nur durch eine weit* gehende Selbstverwaltung zu erreichen ist. Ueber die türkische Frage hat der englische Minister des Auswärtigen im Unterhause Ausführungen gemacht, die des- halb von Bedeutung sind, weil sie zeigen, daß England die verfassungsmäßige EntWickelung nicht zu stören gedenkt und von den kleinen Balkanstaaten das gleiche verlangt. Grey führte aus: Der Ursprung der ganzen Lage in Mazedonien ist eine schlechte und schwache Regierung gewesen. Sie ist eine Versuchung für die benachbarten Staaten und für die in Mazedonien ansässigen der Nationalität dieser benachbarten Staaten angehörenden Bewohner gewesen, auf die Stärkung ihrer eigenen Nationalität auf Kosten der anderen be- dacht zu fein. Die Regierung, die sich selbst unfähig fühlte, die Ordnung zu bewahren, hat die eine gegen die andere ausgespielt, anstatt kraftvolle unparteiische Mastregeln zur Aufrechterhaltung der Ordnung zu ergreifen. Gegen diese Situation und gegen diese Methoden der Regierung haben wir in Gemeinschaft mit anderen europäischen Mächten zeitweilig Ein- spruch erhoben. Nun ist plötzlich, und so weit wir in Betracht kommen, unerwartet ein Protest von der türkischen Armee und der muselmanischcn Bevölkerung selbst gekommen. Das Außergewöhnliche ist, daß diese Ereignisse, an- statt zunehmende Unordnung zur Folge zu haben, für einige Zeit und in gewissem Maße Sicherheit und Ruhe geschaffen haben und die Banden verschwinden. Wenn dieser Stand der Dinge fortdauert und die Banden sich wirklich zerstreuen, so lvird die Bildung einer Streitmacht zu ihrer Veririchtung nicht notwendig sein. Wir begrüßen für den Augenblick die neu geschaffene Lage.(Beifall.) Ich glaube, daß sie andauern wird und daß die Balkanstaaten Bulgarien , Serbien und auch Griechenland die äußersten Anstrengungen machen werden, dafür zu sorgen, daß sie andauert. Ich glaube auch, daß niemand Nutzen davon haben lvird, sich in Mazedonien festzusetzen und daß die Negierungen der der Türkei benachbarten Staaten, soweit ihr Einfluß reicht, alles was in ihrer Macht steht aufbieten werden, um zu verhindern, daß die Banden auf ihren Gebieten geduldet oder gebildet werden, ebenso wie ich hoffe, daß alle Mächte Europas daS äußerste tun werden, um den günstigen Ein- f l u ß der gegenwärtigen Lage weiter zu entwickeln. Wir sind in der mazedonischen Frage nur aktiv geworden, weil wir sehr wohl wissen, daß nicht nur die christliche Be- völkerung unter der schlechten Regierung leidet, sondern auch die mohammedanische Landbevölkerung. Demnach ist unser einziger Wunsch gewesen, eine gute Regierung an der Spitze zu sehen, und wenn die Türken jetzt daran gehen, die ganze Verwaltung ihres Landes zu verbessern, wenn sie die Bürgschaft übernehmen, daß Mohammedaner und Christen in gleicher Weise von dieser Verbesserung Nutzen ziehen sollen, dann würde die mazedonische Frage auf diese Weise beigelegt sein, indem die Türken getan hätten, was zu tun wir seit Jahren dringend von ihnen forderten. Es wäre besser, wenn die Angelegenheit auf diesem Wege ge- löst würde, als daß man von einer widerstrebenden und un- willigen Behörde Teilreformen erpressen müßte. Wir müssen_ die Ereignisse abwarten. Im gegenwärtigen Augenblick kann ich sagen, daß unsere Sympathien auf Seite derer sein müssen, die mehr Freiheit, mehr Festig- keit und mehr Unparteilichkeit in dre Regierung ihres Landes einzuführen suchen, und ich würde der letzte sein zu prophezeien, daß sie dabei Mißerfolg haben werden. Das letzte, was wir wünschen könnten, wäre, bei Beginn ihres Werke? ihren Enthusiasmus� zu dämpfen.(Beifall.) Wir begrüßen die Nachricht, daß der Sultan seinem Lande eine Verfassung gegeben hat, wir begrüßen die Stärke der Erregung, welche die Prokla- mation der Verfassung zuwege gebracht hat und während wir in unserer Wachsainkeit nicht nachlassen, noch auch in unserem Be- streben lau werden, alles in unserer Macht stehende zu tun, um die Weiterentwickelung Mazedoniens zu fördern, müssen wir gegen- wärtig eine sympathische, aber abwartende Hal- tung beobachten.(Beifall.) ». Die neuen Nachrichten aus der Türkei lassen erkennen. daß der Enthusiasmus des Volkes noch zunimmt. Aus Konstantinopel wird vom 23. Juli telegraphiert: Gestern veranstalteten Schüler verschiedener Gesellschafts- klaffen, von ihren Angehörigen begleitet,»nchrere Umzüge durch die Stadt. Auf öffentlichen Plätzen und in Gärten wurden patriotische Reden gehalten und die Zivilbevölkerung ver- brüderte sich mit den Offizieren, die sich an den Kundgebungen massenhaft beteiligten. In den Straße« herrscht lebhaftes Treiben. Hunderte von Händlern bieten Zeitungen zum Kaufe ans, andere verkaufen rote Bänder mit der Inschrift„Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit." Die Bänder werden von der Bevölkerung am Bermel oder am Fez getragen. Nachmittags wurde von der hiesigen Sektion des ottomanischen Koinitees für Einheit und Fortschritt ein Aufruf verbreitet, in welchem die Bevölkerung aufgefordert wird, nun- »nehr ihren Geschäften wieder nachzugehen. Doch hindert der Enthusiasmus nicht, daß man achtsam die Ausführung der Versprechungen überwacht. Momentan steht die Gewährung der Amnestie im Vordergrunde. Darüber liegen folgende Meldungen vor: Konstantinoprl, 23. Juli. Gestern abend fand vor der Pforte eine große Kundgebung statt. Eine an den Großivcsir entsandte Abordnung verlangte die Generala,nnestie. Gleichzeitig legten die bei dem Großwesir erschienenen Heraus- geber der türkischen Blätter die Notwendigkeit einer Amnestie dar, um die Bevölkerung zu beruhigen. Der Großwesir gab hierauf das Erscheinen eines Jrades'bekannt, durch das allen polltischen Verurteilten, Verhafteten und Verbannten Generalamnestie gewährt wird. DaS Jrade wurde durch Extraausgaben der Bevölkerung bekanntgegeben. Eine zahllose Menschenmenge wartet die Freigabe aller Gefangenen ab. Auch eine gewisse Reaktion beginnt sich geltend zu machen. Die Bildung von politischen Parteien beginnt. Unter den Sofias tind anderen Volksklassen haben sich patriotische antiliberale Gruppen gegen die jungtürki- schen Chauvinisten gebildet. Der Systemwechsel zieht natürlich auch einen Personen- Wechsel mit sich. Trotz des Widerstrebens des Sultans be- stehen die jungtürkischen Führer auf der Entfernung der bis- herigen Ratgeber und der Beseitigung der Aildizkamarilla. Einige der markantesten Ratgeber und Spione sind auch be- reits entfernt worden._ eine Friedensrede. ,. Sir E d to a r d Grey hat gestern im englischen Parlament über das Verhältnis zu Deutschland gesprochen und ist dabei mit dankenswerter Entschiedenheit der chauvinistischen Hetze in beiden Ländern entgegengetreten. Grey wird die Beratung des auswärtigen Etats um so lieber zu seiner Darlegung benutzt haben, als ja ein Besuch des englischen Königs in Deutschland bevorsteht und es daher beiden Regierungen erwünscht sein muß. den.Chauvinismus etjpjjst Einzudämmen. Grey führte im wesentlichen folgendes aus? „Es ist unzweifelhaft durchaus nicht wünschenswert, daß einige Kreise des Landes es so darstellen, als ob es das Ziel der englischen Politik sei, Deutschland zu isolieren. Ebenso ist es unerwünscht, daß irgendein Teil der öffentlichen Meinung in Deutschland glauben sollte, daß dies der Fall ist.(Beifall.) Tie Gefühle zweier großer Völker inögen ihrem Grade nach von Jahr zu Jahr wechseln, aber ich bin befugt, zu sagen, daß jeder, der die Geschichte der letzten 23 Jahre unpar- teiisch überblickt, wird zugeben müssen, daß die Haltung Großbritanniens nicht diejenige einer Macht war, die der Erreichung guter Beziehungen widerstrebte. Wenn Sie Ihre Gedanken zu den Ereignissen zurückschweifen lassen,, die sich in der ersten Hälfte dieser 20 Jahre abspielten, werden Sie finden, daß es Zeitpunkte gab, wo eine bestand ige Reibung zwischen England und Frankreich oder zwischen England und Rußland vorhanden war. In den letzten Jahre»» haben wir Uebereinkünfte mit diesen beiden Mächten erreicht, durch welche diese zwischen uns bestchonde Rei- bung sowohl wie die für den Frieden bestehende Gefahr, die zwischen England und Frankreich einerseits, zwischen England und Rußland andererseits vorhanden war, beseitigt wurde. Das ist ein sehr merklicher Unterschied. Hat vielleicht eine Macht in Europa der Meinung Ausdruck gegeben, daß das günstige Gleichgewicht der Mächte von ihrem Standpunkt aus von unseren schlechten Beziehungen zu Frankreich und Rußland abhänge? Keine Macht hat so etwas gesagt Auch Deutschland hat e s ni ch t g e s a g t. Es ist noch nicht so lange her, daß geäußert wurde, die deutsche Politik hänge nicht davon ab, daß Feindschaft zwischen anderen Mächten hervor- gerufen werde. Ich möchte hinzufügen, daß, soweit wir be- teiligt sind, es keineswegs unsere Politik ist, unserer Freundschaft eine feindselige Spitze gegen eine andere Macht zu geben. Aber wir müycn frei sein, diese Freundschaften einzugehen. Nach- dem wir sie abgeschlossen haben, bin ich willens, die weiteste Garantie zu bieten, daß wir sie zu unserem eigenen Vorteil und dem des anderen Landes benutzen, aber wir wollen ihren Vorteil nicht dazu verwenden, um Feindschaft zwischen unserem Freund und einem anderen Lande zu säen, noch ist es unser Ziel, irgendeine andere Macht zu isolieren. Seitdem man von Isolierung gesprochen hat, ist es nur angemessen, daran zu erinnern, daß Deutschland zwei Verbündete hat und daß wir weder dieses Bündnis mit scheelen Blicken betrachtet, noch gemeint haben, daß es gegen uns gerichtet sei; ferner, daß wir ungeachtet dessen Abkommen mit Frankreich und Rußland getroffen haben, welche der ganzen Welt bekannt geworden sind, obwohl die Bestimmungen der Tripelallianz bisher nicht veröffentlicht worden find. Es existiert also nicht der geringste Grund, anzu- nehmen, daß das Ziel und die Ursache dieser Abkommemn die Isolierung Deutschlands gegenüber irgend- einer anderen Macht wäre.(Beifall.)" Englands auswärtige Politik, das hat gerade wieder der Bund mit dem Zaren gezeigt, ist gewiß frei von Sentimentalität. Aber andererseits ist sie ebenso frei von allen Plötzlichkeiten und Ueber- raschungen. England ist heute im wesentlichen saturiert. Eben deswegen wäre es für Deutschland sehr leicht mög lich, mit England zu einer V e r stä n di g u n g zu gelangen, wenn nicht die verderbliche Flottenschwärmerei, die unklare Weltpolitik, die Beute- gier unserer herrschenden Klassen und das Dominieren der mili- tärischen Einflüsse, der deutschen Regierung eine vernünftige aus- wärtige Politik unmöglich machten. politilcbe CUberficbt. Verlin. den 28. Juli 1908. Der Sozialismus ist der Friede. In eiem Artikel über den Londoner Friedenskongreß machen die„Daily News" einige Bemerkungen, die. an sich interessant, den Unterschied des lebendigen englischen Liberalismus von dem verwesenden deutschen Freisinn klar erkennen lassen. Das Blatt sagt:„So lange als diejenigen Klassen die Politik bcherr- schon, welche von den stehenden Armeen, von den großen Flotten, von den imperialistischen Abenteuern und der Ausbeutung schwächerer Rassen ihren Profit ziehen, so lange wird auch die Furcht vor dem Kriege bestehen bleiben. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den europäischen Staaten. Frankreich ist vielleicht am friedlichsten, weil es am demokratischsten ist. Deutschland ist am meisten militaristisch, weil es auch am meisten unter der Herrschaft der Landaristokratie steht. England steht in der Mitte. Aber überall ist das Wachstum der Ar- bette r. und sozialistischen Parteien die sicherste Gewähr für den Frieden, teils deshalb, weil sie für die Idee der internationalen Solidarität der Ar- b e i t e r eintreten, teils deshalb, weil sie unaufhörlich die Mittel, welche die herrschenden Klassen lieber für Rüstungen ausgeben, für die Sozialreform verwendet wissen wollen. Jede Aenderung, die das Parlament mächtiger macht, die Geheimnisse der Diplo- matie enthüllt, und die Vertretung der Meinung der Besitzlosen fördert, ist eine Aenderung zugunsten des Friedens. Der Feind ist niemals diese Macht oder jene, sonder« d i e- jenigen Klassen in jedem Lande, welche zu Hause oder in der Oeffentlichkcit Stimmung machen für stehende Armeen, für kostspielige Rüstungen und für koloniale Expansion. Der be- deutendste Fortschritt, den die Demokratie zum Frieden hin gemacht hat, war der Beschluß des internationalen Sozia- listenkongrcsses in Stuttgart , dem Krieg Widerstand zu leisten, nicht allein durch Worte oder Abstimmungen, sondern durch alle Mittel, welche die organisierte Arbeit anwenden kann." Preußische Landräte gegen Arbeiterturnvereiue. Jeder preußische Landrat ist ein Universalgenie: er kann alles und macht alles. Die Landräte der um Berlin gelegenen beiden Kreise haben, wie die„Deutsche Tageszeitung" mit Be- friedigung feststellt, Verfügungen erlassen, nach welchen die Ge- meindevorstände den sozialdemokratischen Turnvereinen unter keinen Umständen mehr die Turnhallen zur Benutzung über- weisen dürfen.-- In dieser Verfügung, die auf eine besondere An- frage auch dem Friedrichsfelder Gemeindevorstand zuging, weil sich dort ein Verein beschwert hatte, heißt es:„Die Ueberlassung der Turnhalle an die»Freie Turnerschaft" darf unter keinen Umständen erfolgen." Trotz dieser Vorliebe der preußischen Regierung für die Arbeiter- turnvcreine haben sich viele Arbeiterturner an dem jüngsten Hurra- turnfest in Frankfurt a. M. beteiligt. Die„patriotischen" Ratio», alliberalen. Die nationalliberale„Magdeburger Zeitung" hatte den schüchternen Vorschlag gemacht, das Fell des Volkes bei der Reichsfinanzreform wenigstens nicht ohne jede Gegenleistung der Konservativen zu opfern, sondern für die Stcuergroschen der nichtbesitzenden Klasse wenigstens so viel Wahlrecht zu erschachern, als sich mit den Interessen der Junker und Schlctbayone vertrage. Die konservative Presse jedoch, die am liebsten das Dreiklassenwahlrecht in seiner ganzen gegenwärtigen Schönheit erhalten wissen will, hatte sich im Verein mit dem Zentrum— das seine Dienste ohne Gegenleistung anbot!— über diese liberale»Erpressertaktik" weidlich entrüstet. Aber auch die„Kölnische Zeitung ", eins, der führenden nationalliberalen Organe, erklärt jetzt, daß sie nicht daran denke, Volksrechte„erpressen" zu wollen. Sic schreibt: „Die Reichsfinanzreform ist aber eine Frage, die alle Parteien mit demselben Ernst anspricht, deren Erledigung von Tag zu Tag mehr nationale Pflicht wird, für die jede Partei Opfer bringen mutz, ohne Dank zu verlangen. So verständlich die Erbitterung der Liberalen ist, so ver- bängnisvoll wäre es, sich in dieser Stimmung zu Taten hinreißen zu lasten, die dem nationalen Liberalismus gefährlich werden»nützten.„Etwas anderes ist's, versucht zu sein. Angelo, etwas anderes, zu fallen." Die„Kreuz-Ztg." bemerkt dazu mit unverkennbarem Hohn:„Auf den Versuch, die preußische Wahlreform ebenfalls für eine nationale Arffgabe des Reichstages zu erklären und sie damit der Kompetenz des Blocks zu unterstellen, geht die„Köln . Ztg." bezeichnender- weise gar nicht erst ein." In der Tat: Für die Herren Nationalliberalen ist es eine„nationale" Aufgabe, das Volk durch neue indirekte Steuern nach allen Regeln der Kunst auszuplündern, um die Besitzenden und'Leistungsfähigen vor dem Be- zahlen direkter Steuern möglich st zu schützenl DaS ist die nationale Aufgabe des Blocks! Eine E r w c i t e- rung der Volksrechte könnte ja diese nationale Block- Politik auch nur erschweren.— Keine Reaktivierung Kuno v. Moltkes. Der„Köln . Volksztg." wird telegraphisch aus Berlin gemeldet� daß Graf Kuno weder in seine Stellung zurückkehren noch einen Ersatzposten erhalten wird. Nach der zweiten Verhandlung des Harden-Prozesses glaubte man in„wohlinformierten" Kreisen, daß Graf Kuno v. Moltke einer Reaktivierung entgegengehe. In diesen Kreisen galt eS(sogar als sicher, daß die neue Stellung Moltkes sich in unmittelbarer Nähe des Kaisers befinden würde'. Die Reaktivic- rung mußte jedoch hinausgeschoben werden, als gegen das Urteil des Prozesses beim Reichsgericht Berufung eingelegt worden war. Kiino v. Moltke ging ins Ausland. Nachdem das Reichsgericht der Revision stattgegeben hatte, war eine Wiedereinstellung in den Dienst schon aus dem Grunde nicht möglich, weil der Kaiser erst volle Klarheit haben wollte. Als jedoch die Anklagen gegen Eulenburg sich verstärkten, wurde es von der Reaktivierung immer stiller, und jetzt gilt es als besthnmt, daß Graf Kuno v. Molke nicht mehr in seine Stellung zurückkehren noch sonstwie reaktiviert wird. Es steht ferner zu erwarten, daß die Affäre Eulenburg noch einen Wechsel in einigen maßgebenden Stel- lungen zeitigen wird, der spätestens aus Anlaß der Kaisermanöver stattfinden wird. Sollte Herr v. Einem reif sein für den gnadenvollcn Abschied?-_ Südwestafrikanische Wünsche. Zur Begrüßung des jetzt in Südwest angelangten Herrn Dern- bürg veröffentlicht die„Deutsch-Südwe st afrikanische Zeitung" einen Programmartikel, der sehr charakteristisch für die Auffaffungcn unserer füdwestafrikanischen Kolonssten ist. Da wird zunächst bedauert, daß die Schutztruppe noch weiterhin vermindert und durch Polizeitruppen ersetzt werden soll. Natürlich: wovon sollen die Besitzer der unzähligen Hotels. Bars, Kneipen und die anderen zahlreichen Spekulanten leben, wenn man ihnen durch Herabsetzung der Schutztruppcn die Kundschaft, die Bereicherungsobjekte entzieht I Deshalb auch das eifrige Bemühen, womöglich mit den O v a m b o s Konflikte zu entfesseln. Ein neuer Krieg wäre ein gefundenes Flesten für die Tausende von Schmarotzern, die der Krieg ins Land gelockt hat, und die jetzt großenteils erwerbslos geworden sind l Weiterhin protestiert das Blatt gegen jede etwaige Absicht, das Los der im traurig st en Hörigkeitsverhältnis befind- lichen Eingeborenen zu verbessern. Die VerorSnungen seien eine „strammeJacke, aber eine g u t e I a ck e". Die Eingeborenen fingen an, sich an diese„stramme Jacke" zu gewöhnen. Wolle man ihnen da eine neue anpaffen, die sie vielleicht„schmucker und hehag- licher kleide", so möchten sie— so fürchtet man— am Ende der Zwangsjacke der brutalen Arbeitssklaverei zu entschlüpfen suchen l Das ist Kolonialpolitik I Hunderttausend Eingeborene mußten enteignet, mußten zn zwei Dritteln ausgerottet und zum letzten Drittel versklavt werden, damit einige Hundert Kolopialbarone auf ihre Kosten ein feudales Leben führen köimenl Denn eine dichtere Besiedelung des Landes durch K l e i n k o l o n i st e n erklärt das Blatt ja für a u S« geschlossen! Es schreibt: „Nach wie vor steht für uns im Vordergrund des Interesses die Verwertung des Farmgeländes. Eine nennenswerte Erhöhung der Bodcnpreise loiirde den Grundsätzen einer rationellen Besiedelungspolitik zuwiderlaufen. Je billiger das Land verkauft wird, um so schneller und intensiver wird die Besiedelung des Landes vor sich gehen. Der VersuS, durch Kleinsiedelungen eine dichte Besiedelung zu fördern, gilt allen Kennern des Landes für fehl-" geschlagci»...." In einem Punkte freilich ist Demburg der Mann dieser Kolonial- agrarier: er soll ihnen recht viele neue Eisenbahnlinien bauen! Und im großen und ganzen wird das ja auch der ganze Effekt dieser neuen Asrikareise des Kolonialsekretärs sein!—' Gegen das Rcichstagöwahlrecht. Die Konservativen rüsten zum Angriff auf das geltende Reichs- tagswahlrecht. Die„Amtlichen Mitteilungen des konservativen Vereins für die Provinz Brandenburg " schreiben: „Sobald im Herbst die Wahlrechtsanträge der Genossen im Landtage kommen werden, würde es sich empfehlen, der Regierung als Richtschnur für ihr Vorgehen die Anregung mit auf den Weg zugeben, die Lösung der preußischen Wahlrechts- frage in einem Zusammenhang mit einer Reform des Gemeindewahlrechts und nicht minder des Reichstagswahlrechts zu bringen. Gründe der Gerechtigkett und Billigkeit sprechen dafür, und diesen kann und darf sich eine einsichtsvolle Regierung niemals ver- schließen. Jedenfalls kann, ja muß erwartet werden, daß nicht früher an dem preußischen Wahlrecht herumgedoktert wird, bis eine Einigung über die gleichlaufende Reform deZ Gemeinde- Wahlrechts gesimden ist." Konservative Unverfrorenheit! Fürst Bülow erklärte anläßlich der sozialdemokratischen Wahlrechtsinterpellation im Reichstage, die Reform des Landtagswahlrechts sei eine Sache, die den Reichstag nichts angehe. Der Reichstag hätte kein Recht, sich mit dem preußischen Klaflcnwahlrecht zu befassen. Umgekehrt»näßt sich aber das preußische Junkertum das Recht an, im preußischen Dreiklassen- Parlament die Verschlechterung des ReichstagSwahlrechts zu fordern.—
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