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Nr. 177. 25. Jahrgang. 1. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt.

Aushang der Wahlergebnisse

grober Unfug.

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Freitag, 31. Juli 1908.

einzelne Personen, die in der Liste standen, sich belästigt fühlten, vom Gericht beliebten Logik müßten ja auch der Wahlkommissar, so sei das teine Belästigung des Publikums in seiner unbestimmten der die öffentliche Abstimmung geleitet, der Minister, der sie an­Allgemeinheit. Nichts sei erwiesen, was die Handlung des An- geordnet und der Reichskanzler sowie seine politischen Freunde, getlagten als groben Unfug kennzeichnen könnte. Deshalb müsse die die öffentliche Abstimmung verteidigt haben, die gesamte Presse, die Freisprechung des Angeklagten erfolgen. insbesondere die amtliche Presse, welche das Ergebnis der Ab­Der Vorsitzende verkündete das Urteil: Das Gericht hält den stimmung unter Mitteilung der Namen und Parteistellung der Tatbestand des groben Unfugs für gegeben. Ein Auflauf hat zwar gewählten Wahlmänner veröffentlicht haben, bor den Solange die öffentliche Abstimmung bei den preußischen Land- nicht stattgefunden, wohl aber eine Belästigung des Publikums. Richter gezogen werden. Das Urteil ist unbewußt tagswahlen in den Händen von Unternehmern und Behörden als Das sei schon deshalb anzunehmen, weil das Verhalten des die herbste Verurteilung der Oeffentlichkeit der Wahl, denn Mittel diente, um den trasfesten Terrorismus auszuüben gegen Angeklagten typisch sei, denn gleichzeitig sei der Aushang der es verurteilt lediglich deshalb, weil die Angeklagten die gefeßliche jeden, der, in abhängiger Stellung befindlich, es wagte, anders Listen in mehreren Lokalen erfolgt, so daß alle, die davon betroffen Mißhandlung der Wahlfreiheit aufgedeckt, die Kenntnis von diesem zu stimmen, als den gebietenden Machthabern gefiel, haben weder waren, sich belästigt fühlen konnten. Es sei auch kein Zweifel, daß Gesezesfleck verbreitet haben. Polizei noch Gerichte in dieser Ausnutzung der öffentlichen Stimm- durch die Kennzeichnung die soziale Existenz der Bürger an­abgabe etwas Strafbares erblickt. Nachdem aber von sozialdemo- gegriffen werden sollte. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe kratischer Seite die öffentliche Abstimmung nicht etwa zum Terro- von 30 m. verurteilt. rismus Andersdenkender, sondern nur zur Kontrolle der Partei­stellung der Wähler benutzt worden ist, macht die Polizei Jagd auf solche Bürger, welche ihren Mitbürgern öffentlich bekannt gaben, für welche Partei die einzelnen Wähler ihre Stimme öffentlich abgegeben haben. Zwar ist eine solche Bekanntgabe keines­wegs strafbar. Aber wann wäre die preußische Polizei je in Ver­legenheit gewesen, wenn sie eine an sich erlaubte, ihr aber nicht genehme Handlung bestraft wissen wollte. Gehts nicht mit der in allen möglichen und unmöglichen Fällen angewandten Straßen­ordnung, dann erinnert man sich des bekannten Spruches: Was man nicht definieren kann, sieht man als groben Unfug an." Da der Aushang von Wählerlisten mit Angaben darüber, ob und wie die Wähler gestimmt haben, eine durchaus erlaubte Handlung ist, die Polizei aber diese erlaubte Handlung nicht dulden will, so wird die erlaubte Handlung ohne biel Umstände als grober Unfug und damit als strafbare Handlung erachtet. Und das ist kenn­zeichnend für preußische Rechtsverhältnisse dies Vorgehen der Polizei findet auch bei Richtern volle Billigung. Stürzlich berichteten wir über einen Fall, wo das Schöffen­gericht einen Schankwirt wegen groben Unfugs verurteilte, weil er im Fenster seines Lokals eine Abschrift der Wählerliste ausge­hängt hatte, in der die Namen der Wähler, welche sozialdemo­fratisch gewählt hatten, rot, die Namen der für andere Parteien Stimmenden blau angestrichen waren.

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Vor demselben Gericht hatte sich wegen derselben Handlung die Schankwirtin Frau Lange, Reichenbergerstr. 83, zu verant­worten. Rechtsanwalt Theodor Liebknecht bestritt, daß die An­geklagte überhaupt in Beziehung zu dem Aushang stehe, denn ihr Geschäft werde von einem Geschäftsführer verwaltet. Der als Zeuge vernommene Kriminalschußmann konnte nichts dafür bekunden, daß Frau Lange von dem Aushang etwas wußte. Der Amtsanwalt hielt trotzdem die Klage aufrecht. Die An­geklagte habe von dem Treiben der Sozialdemokraten in ihrem Lokal gewußt, fie habe auch gewußt, daß einer von der Gesellschaft die Liste anstrich, also sei sie des groben Unfugs schuldig und müsse mit 30 m. bestraft werden. Rechtsanwalt Theodor Liebknecht : Ob die Angeklagte von dem Aushang gewußt und ihn geduldet habe, das ist nicht erwiesen. Man darf nicht auf Grund einer bloßen Annahme konstruieren, daß sie es gewußt habe. Wenn man nicht ein Tendenzurteil fällen wolle, dann müsse die Angeklagte freigesprochen werden. Bei der Beratung der vorigen Sache ist von autoritativer Seite gesagt worden, das rot und blau Anstreichen der Namen sei verboten. ( Anscheinend hat der Verteidiger diese Bemerkung aus dem Be ratungszimmer herausgehört, wo der Vorsitzende sehr laut sprach. Im Verhandlungsfaale ist sie nicht gefallen. Der Berichterstatter.) Wenn man einer Handlung so gegenübertritt, daß man sagt, ich Gestern hat die 143. Abteilung des Schöffengerichts unter dem halte sie für strafbar, ich will sie bestrafen, dann tut man etwas, Vorsitz des Assessors Dr. Berwien über zwei derartige Fälle ent- was zu einem Tendenzurteil führt. Nicht das Gefühl, welches eine schieden. Im ersten Fall erſchien als Angeklagter der Schankwirt bestimmte Handlung von vornherein für strafbar hält, soll in der Rechtsprechung entscheiden, sondern nur die klaren Rechtsgrund­Tage der Uuwahlen zum preußischen Landtage, die Wählerliste der fäße. Deshalb weiſe ich, wie in ber vorigen Sache, fo auch jetzt zweiten Abteilung seines Urwahlbezirks ins Fenster gehängt hatte, wieder auf die Entscheidung des Reichsgerichts hin, welche die Tat­und daß während des Wahlaktes, sobald die Abstimmungsergebnisse bestandsmerkmale des groben Unfugs angibt. Wenn wirklich die bekannt wurden, die Namen der sozialdemokratischen Wähler rot, soziale Gristenz einzelner bestimmter Personen gefährdet worden die der bürgerlichen Wähler blau angestrichen wurden, jedoch be- wäre, so ist das keine Belästigung des Publikums in seiner un­stritt er, daß er dadurch, wie ihm zur Last gelegt wurde, groben beſtimmten Allgemeinheit und auch keine unmittelbare Gefährdung Unfug begangen haben fönne. Der Vorsitzende, Assessor Dr. Ber- des äußeren Bestandes der öffentlichen Ordnung. wien , fragte den Angeklagten, ob er denn dadurch, daß er die möchte ich noch darauf hinweisen, daß Herr Schöler hier ganz in Namen der Wähler rot und blau anstrich, dieselben nicht habe der Nähe eine Lifte von Wählern veröffentlicht hat, die tatsächlich kennzeichnen wollen. Der Angeklagte bemerkte, das sei nicht seine eine Boykottliste ist und keinen anderen Zweck hat, als den, die Absicht gewesen. Durch den Aushang follte jeder, der sich für den Wähler, welche nicht für die Partei des Herrn Schöler gestimmt Ausfall der Wahlen interessierte, informiert werden, über die haben, wirtschaftlich zu boykottieren. Gegen Herrn Schöler aber Zahl der Stimmen, die für die Sozialdemokratie und für ihre ist die Anitsanwaltschaft noch nicht eingeschritten. Gegner abgegeben wurden. Wenn der Vorsitzende an eine Kenn­zeichnung zum Zwede bes Boykotts denke, so sei diese Annahme schon deshalb hinfällig, weil unter den Angestrichenen gar keine

Keßner, Glogauer Straße 29. Er gab zu, daß er am 3. Juni, dem

Geschäftsleute waren, die von einem Boykott hätten betroffen

werden können.

30 M.

Das Gericht hielt auch in diesem Falle den Tatbestand des groben Unfugs für gegeben und verurteilte die Angeklagte zu Nachdem der Vorsitzende, Assessor Dr. Borwien, das Urteil mit wenigen Worten begründet hatte, sagte er: Das Gericht verwahrt sich ganz energisch gegen die Unterstellung, als würde von einem preußischen Gericht ein Tendenzurteil gefällt.

Rechtsanwalt Theodor Liebknecht : Ich sagte, die von mir be­zeichnete Annahme führt zu Tendenzurteilen. Borsitzender, mit einem Aftenbündel auf den Tisch schlagend: Ginerlei. Das Gericht weist diese Unterstellung mit aller Ent­schiedenheit zurüd.

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Der einzige Beuge, ein Kriminalschuhmann, sollte hauptsächlich darüber Auskunft geben, wieso denn durch den Aushang der Liste grober Unfug verübt worden sei. Während es in dem gegen den Angeklagten erlassenen Strafbefehl heißt, er habe durch den Aus­hang einen Auflauf verursacht und eine Belästigung des Publi­fums herbeigeführt, wußte der Beuge nichts von einem Auflauf Er hat am Wahltage in etwa 25 bis 30 Schanklokalen des be­treffenden Polizeirebiers auf Anordnung seines Vorgesetzten die ausgehängten Liften entfernt, nachdem etwa 15 bis 20 Personen, Die gefällten Urteile beruhen auf logischen, juristischen und die in den Listen standen, auf dem Polizeirevier angefragt hatten, politischen Denkfehlern, stehen aber mit der Gerechtigkeit ob denn der Aushang zulässig sei. Einen Auflauf hat der Beuge hart auf dem Kriegsfuße. Schreibt ein Geseß, wie das vor keinem der Lokale gesehen, höchstens fünf Personen standen preußische Wahlgesetz, Oeffentlichkeit der Wahl bor, so gleichzeitig vor dem Fenster, ohne daß dadurch irgendeine Störung zu befürchten gewesen wäre.

Der Verteidiger, Rechtsanwalt Theodor Liebknecht , führte aus: Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts liege nur dann grober Unfug vor, wenn das Publikum in seiner unbestimmten Allgemein­heit belästigt oder der äußere Bestand der öffentlichen Ordnung bedroht ist. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Wenn

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Kleines feuilleton.

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liegt die möglichste Verbreitung dieser Deffentlichkeit im Sinne des Gesetzes. Ein Gesetzgeber, der vorschreiben würde, daß direkt oder indirekt auf dem Wege des groben Unfugs oder dergleichen zur Be­strafung gezogen wird, wer der vom Gesetz verlangten Oeffentlich. feit die möglichste Verbreitung gibt, handelte widerspruchsvoll. Eine solche Widerspruchstollheit dem Gesetzgeber zuzutrauen, ber­stößt gegen die elementarsten Regeln der Auslegung. Nach der

ist

vielleicht auch der Dispens des Kultusministers beseitigen. Aber daß ein preußischer Prinz nicht schon Doktor ist, sondern es erst, tvenn auch auf beschleunigte Weise, werden muß, das ist unerhört, das widerspricht dem das widerspricht dem Autoritätsprinzip, das Revolution. Wir denunzieren hiermit die Urheber dieser Staats­unterminierung allen, die für die Aufrechterhaltung des Bestehenden aufzukommen haben.

Die Konstruktion des groben Unfugs" ist, wie der Ver­teidiger durchaus in Uebereinstimmung mit den Gefeßen des Reichs und logischen Denkens ausführte, ein juristischer Fehl= sprung tiefster Gattung. Erklärlich ist die Verfolgung und Ver­urteilung durch die politische Befangenheit der Verfolgenden. Lediglich Sozialdemokraten sind auf die Anklagebank gezerrt, wie­wohl dieselbe Tat von den Anhängern anderer politischer Parteien ausgeübt ist. Der Vorsitzende ist, wie seine oben wiedergegebenen Bemerkungen klar erkennen lassen, so befangen, daß ihm die Gründe, welche seine Befangenheit klar erkennen lassen, nicht ein­mal zum Bewußtsein gefommen sind. Ein Gerichtsverfahren, welches nicht lediglich mit Rücksicht auf die Tat der Angeklagten, ohne Rücksicht auf die Person der Angeklagten eingeleitet wird, ist das Gegenteil einer gerechten Justiz. Wenn aber ein Richter, dem die Tatsachen angeführt werden, daß in dieser Weise angeklagt beziehentlich eine Anklage unterlassen ist, sich gegen Tendenzjustiz mit Worten und Aktenbündeln verwahrt, so beweist er seine Be­fangenheit in krassester Weise. Der Grundsatz und das Kenn­zeichen einer Tendenzjustiz ist ja, wie der alte brave Terenz so nett ausspricht: wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe. Die ergangenen Urteile bleiben klassische Zeugen für die Un­geeignetheit der heutigen Durchschnittsrichter, in politischen Pro­zessen gerecht zu urteilen und für das Walten der Klassenjustiz in Preußen- Deutschland . Das werden sie auch bleiben, nachdem diese juristischen Auswüchse in der juristischen Klinik einer höheren In­stanz fortgebeizt sein werden.

9. Ordentlicher Verbandstag des Verbandes der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands .

Am 2. August und den folgenden Tagen findet im Gesellschafts­hause 3ur& ade in München der 9. ordentliche Verbandstag statt. Der 47 Seiten umfassende Geschäftsbericht konstatiert, daß der wirtschaftliche Aufschwung dem Verbande von der zweiten Hälfte des Jahres 1904 bis 1906 einen bedeutenden Zuwachs brachte. Die Organisation erstreckt sich über 11 Gaue, der Mitgliederstand betrug am 1. April 1906 98 386, am 31. Dezember 1907 136 885, also eine Zunahme von 38 499. Die neu aufnahmen betrugen 118478, es müßt also unter Einrechnung des Mitgliederſtandes vom 1. April 1906 der Mitgliederstand zurzeit 216 864 betragen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil davon ist infolge der Leipziger Beschlüsse, die bezüglich der Beseitigung der Grenzstreitigteiten gefaß wurden, zu anderen Organisationen übergetreten. Der Bericht macht noch besonders darauf aufmerksam, bei Neu aufnahmen streng in den Grenzen des Agitationsgebietes a

bleiben.

tation

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Die Einnahmen der Organisation halten mit der Mitglieder zunahme gleichen Schritt. Der Kassenbericht weist eine Gesamt­Einnahme 4 090 375,02 M., eine Ausgabe bon 2 995 362,95 auf. Hiervon beanspruchten die Lokalausgaben 700 985,70 m., bie Erwerbslosenunterſtüßung 777 476,17 M., die Streitunterstützung 962 748,45 M., die Maßregelungsunterstüßung 57 336,69 M., Sterbe geld 26 617,42 M., Umzugsunterstützung 25 149,30 M. Für Agi wurden ausgegeben 86 547,67 M., die Druckkosten des Proletariers" beziffern sich auf 70 415,15 M. An Kaffen­bestand verblieben 1 095 002,06 m. In den Jahren 1906 und 1907 hatte der Verband 218 Angriffs- und 94 Abwehrstreits zu verzeichnen; an den Angriffsstreits waren 17 695, an den Abwehr­ftreits 6575 Personen beteiligt. Ausgesperrt wurden 6308 Personen. Der Ausfall an Lohn betrug bei den Angriffsstreits 747 816 M.., bei den Abwehrstreits 409 559 M., bei der Aussperrung 621 367 m. Durch die Streiks und Lohnbewegungen wurden insgesamt für 14 689 Personen 60 888 Stunden wöchentlich Arbeitszeitverkürzung und für 67 224 Personen 128 583. wöchentlich Lohnerhöhung erreicht.

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Bügeln Sie also bitte Ihren ersten Grimm;

Wir können Sie trösten: die Sache ist nicht so schlimm. Sehen Sie auf die deutsche Verfassung, Majestät, Dann kriegen Sie die Ueberzeugung: es geht! es geht! ( Gottlieb im Tag".)

Notizen.

Die

Die Zensur wacht! Durch Beschluß des Münchener Amtsgerichts I wurde das bor wenigen Tagen in München erschienene Werk:" Die ergößlichen ergötzlichen Nächte des Straparola" übersetzt von H. Floerte, beschlagnahmt. ergöglichen Nächte" erschienen in der Sammlung: Perlen älterer romanischer Prosa", die kulturgeschichtlichen Intereffen dienen will. Man sollte die ganze ältere Literatur, die ja in Anschauungs- und Redeweise das heutige Normalempfinden erheblich verletzt, mit einem Schlage verbieten. Das wäre einfacher und man wüßte, wie

man dran ist.

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Der Schnelldoktor( doctor principis rapidissimus) ist eine neue Errungenschaft der spezifisch preußischen Stultur. Es handelt sich nicht um die immerhin überlebte Methode, die früher in fleinen Universitäten Mode war, zwischen zwei fahrplanmäßigen Zügen den Walter Leistitows Totenfeier, die am Mittwoch Doktorhut zu erwerben. Nein, diese Zeiten sind Gott sei Dank Heiratslustige Witwer. Nach der Pariser Bevölkerungsstatistik, vorbei, da es nur auf die Zahlung der Gebühr antam, da ein die in jedem Juli veröffentlicht wird, wurde festgestellt, daß von im Sezessionsgebäude stattfand, gestaltete sich zu einer ergreifenden Engländer in Heidelberg erst für sich und dann für seinen Kutscher hundert Witwern nicht weniger als 73 vor Ablauf des ersten Jahres Trauerkundgebung. Liebermann und Hauptmann hielten Reden, die den Doftortitel erwarb und erst auf unerwartete Hindernisse stieß, nach dem Tode der Frau bereits wieder verheiratet sind, während dem Menschen und Künstler galten. Sie sollen morgen ausführlicher als er sein Pferd doktorisieren lassen wollte. Heutzutage ſteht 15 wenigstens bis kurz nach dem Ende des Trauerjahres warten. wiedergegeben werden. der deutsche Doktorgrad in hohen Ehren. Wer ihn nicht besigt, fühlt zehn warten nicht einmal sechs Wochen bis zur Schließung einer sich um so mehr geschmeichelt, wenn der Stammtischkellner ihm nach neuen Ghe, und nur zwei Witwer scheinen untröstlich zu bleiben träglich gegen entsprechendes Trinkgeld dazu verhilft. Und in und heiraten nicht wieder. Von den Witwen dagegen, denen das besseren Gesellschaften ist von vornherein jeder, der nicht zufällig Gesetz die Wiederverheiratung in den ersten dreiviertel Jahren nach Professor, Rat oder gar Leutnant ist Doktor. Das ist dem Tode des Mannes verbietet, heiraten 25 Proz. im zehnten das Prinzip der Gleichheit, wie es in der guten bürger- Monat ihrer Witwenschaft; 50 haben es weniger eilig und warten lichen Gesellschaft verwirklicht ist: nicht Herr Rozmichel oder ein Jahr oder selbst zwei Jahre nach dem Verlust des ersten Kein Wunder, Mannes, ehe sie einen zweiten nehmen, 8 von 100 warten sogar Herr Treppengeländer, sondern Herr Doktor. werden die Leute fagen, bie überall organische Fort - fünf Jahre. Bei den übrigen, die dem verstorbenen Gatten treu schritte entdecken, wenn auch ein preußischer Prinz Dottor wird. bleiben, gibt meistens. das Alter eine genügende Erklärung. Kaum Und in der Tat, Prinz August Wilhelm , der vierte Kaisersprößling, weniger heiratslustig aber sind die Geschiedenen. Die Frauen ist Doktor der Staatswissenschaften geworden. Er ist der erste sind allerdings etwas vorsichtiger: gegenüber 5 Proz., die sich ohne Das Phylogenetische Museum, daß Prof. Haedel preußische Prinz derart. Bisher haben sie zwar mancherlei Hand- Verzug wieder verheiraten, warten 60 Proz. bis zu zwanzig Mo- der Universität Jena gestiftet hat, wurde dort im Anschluß an die werte erlernt, auch wohl das Abiturium gemacht, aber Doktor naten, und 36 Proz. verheiraten sich überhaupt nicht wieder. Aber Feier des 350. Universitätsjubiläums eingeweiht. Es enthält Haeckels wurden sie nur ehrenhalber. Die bürgerliche Gleichheit hat jetzt von den Männern heiraten 76 unter 100 sofort von neuem, zwei reiche Sammlungen für die Geschichte der Stammesentwickelung des zweifellos einen großen Fortschritt gemacht: dieser Prinz, der töten sich vor Verzweiflung, neun bleiben fünf oder sechs Jahre un- Tierreiches. doch durch die Geburt zum Herrscher geschaffen ist, hat und verheiratet, und nur elf haben für Lebenszeit von der ersten Er­noch dazu in den Regierungswissenschaften, was ja die Staats- fahrung genug. wissenschaften bei uns im Grunde sind, seine Befähigung durch ein Examen beweisen wollen. Die Anhänger der autoritären Monarchie, des Gottesgnadentums schlecht- und ohnehin, müßten dagegen Ein­spruch erheben. Denn solche Zugeständnisse an die Bürger­lichen, müssen fie mit Recht schlußfolgern, führen zur Unter­grabung der Legitimitätsbegriffe. Wie, ein Prinz, unter Umständen berufen ist, mit 18 Jahren ein Millionenreich zu regieren, von Gottes Gnaden und nicht dank seiner Befähigung oder Examina, ein Prinz, der mit acht oder zehn Jahren ohne weiteres die höchste Ehre, die unser Staat vergibt, des militärischen Ranges für würdig gehalten wird, soll Bänke drücken, sich von Professoren prüfen lassen über Dinge, die er fraft seines Geburtsrechtes biel besser beherrscht, als sie, und auf die Gefahr hin, eventuell durchzufallen! Man hat offenbar diese nur zu berechtigten Ein­wände vorausgeahnt und daher diese neue Art des prinzlichen Doktors eingeführt, die immerhin von der kommunen einigermaßen unterschieden ist. Während der gewöhnliche Sterbliche, um vir doctissimus zu werden, mindestens sechs Semester studieren muß, genügten bei diesem Prinzen mit fultusministerieller Genehmigung schon bier. Vielleicht läßt sich die Semesterzahl noch weiter herabsezen,

der

Humor und Satire.

Ode an den Sultan .

Majestät! Nach längerer Unterlassung

Schenken Sie Ihrem geehrten Bolt eine Verfassung. Erlauben Sie mir untertänigst zu bemerken: Das ist eine frohe Stunde für die Tärken.

Dieselben errichten bald voller Freude

Am Bosporus ein Reichstagsgebäude. Eine Inschrift befindet sich weder hinten noch vorn, Doch ist es eine Zierde für das Goldene Horn. Und wenn Sie die Verfassung zu geben geruh'n, So bleibe die Hauptsache: man so dhun! Der bloße Begriff freut jeden Schneider und Schuster; Machen Sie die Verfassung nach deutschem Muster! Dann hat in allen wichtigen Fragen

Das Parlament sowieso nichts zu sagen. Die Voltsboten schimpfen, das ist flar wie Selter, Doch streichen sie feinem Wefir die Gehälter...

8 wei Millionen Mart für ein Gemälde. Den außerordentlichen Preis von zwei Millionen Marf hat soeben, wie der Gaulois" berichtet, der amerikanische Millionär Widener in Philadelphia für ein Gemälde von Van Dyck bezahlt. Es handelt sich um das berühmte Bild einer Dame, der ein Negerpage die Schleppe trägt. Das Werk gehörte ehemals zur Sammlung Cattaneo.

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Eine stenographierende Schreibmaschine, eine sogenannter Stenotyper, ist nach einer amerikanischen Zeitschrift in den Vereinigten Staaten erfunden worden. Sie ist die Einfach heit selbst; sie ist viel kleiner als eine gewöhnliche Schreibmaschine und fann bequem auf dem Schoß gehalten werden. Aeußerlich sieht man nur die Rolle, über die das Papier gleitet, ein paar Zahnräder und die Klaviatur, die aus sechs Tasten besteht. Diese werden einzeln oder zu mehreren gleichzeitig angeschlagen und sezen fo selber die Zeichen der Schrift zusammen. Das Erlernen des Alphabets soll ziemlich leicht sein; nach zwölf Wochen soll man es auf 100 bis 150 Wörter in der Minute bringen können; geübte Schreiber dagegen sollen es auf 200 Wörter in der Minute bringen, wodurch die Stenographie erheblich übertroffen wird. Außerdem soll die Maschine Tautlos arbeiten.