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Wer. wird man bielleicht erwidern, es ist doch erreicht, daß das Zentrum ausgeschaltet ist. Freilich ist es nicht mehr nötig, wenn es sich um Geldbewilligungen handelt weil sich eine andere Partei da�u bereit sindet; aber das Zentrum hat davon keinen Schaden, sondern nur Vorteile.... Dem ultramontanen Katholizismus wird jede Förderung zuteil, nicht bloß in Bayern  , auch in Preußen. Die Schulpolitik begünstigt mehr noch als bisher die g e i st- l i ch e Beeinflussung, die Klöster werden vermehrt, die Kirche übt einen Einfluß auf die Universitäten und das höhere Erziehungswesen wie noch nie. Und die Sozialdemokratie zieht zum ersten Male in das preußische Abgeorvnetenhaus ein, und wenn auch die Zahl ihrer Vertreter im Reichstage stark verringert ist, so ist ihr Ansehen im Volke durch die Handhabung der inneren Politik g e st ä r k t. Die nächste Reichstagswahl wird es erweisen. Die Frage ist wohl berechtigt, ob, wenn man im Anfang deS Jahres 1307 g e w u ß t hätte, was h e u t e f e st st e h t, irgend welche Aussicht auf eine Unterstützung der Politik, wie sie sich jetzt darstellt, durch Freisinnige vorhanden gewesen wäre..." Auch die Reichsfiuanzreform versetzt Herrn Schräder in überaus melancholische Stimmung. Denn daß der Block bei der Schaffung neuer Steuern das liberale Prinzip berück- sichtigen könne, glaubt Herr Schräder selbstverständlich nicht. Die Reichsfinanzreform, so schreibt er.scheint lediglich dazu dienen zu sollen, das bisherige Systeni der Reichs- und Finanzpolitik einmal wieder für einige Zeit aufrecht zu erhalten". Schräder schließt: Die Frage ist jetzt dringend geworden, ob die Freisinnigen lediglich auf Hoffnungen hin, die sich wahrlich bisher nicht als berechtigt erwiesen haben, weiter eine Politik treiben sollen, die droht, immer von neuem bedenkliche An- forderungen an sie zu st eilen. Will die Regierung ihre Unterstützung, so muß sie jetzt endlich die Sicherheit bieten, daß sie eine Politik treiben will und auch treiben kann, in Preußen und im Reich, der freisinnige Politiker mit gutem Gewissen ihre Hilfe leihen können." Die Wiemer. Mugdan, Pachnicke und Konsorten werden trotz aller Verhöhnung des ehrlich liberalen Gedankens auch ferner mittun, darüber sollte sich Herr Schräder von vornherein keiner Täuschung hingeben. Die Frage ist vielmehr einzig die, ob die Schräder und Ge- sinnungsgenossen sich noch länger dazu hergeben wollen, der agrarisch-pfäsfisch-plutokratischen Reaktion durch Fußtritte belohnte Handlangerdienste zu leisten l poUttfeKe ücberftcbt. Berlin  , den 3. August 1303. Reichsverband und Meineid. Es ist ein streng durchgeführter Grundsatz des Reichs- Verbandes gegen die Sozialdemokratie, keine Drucksache im Ordnungskampf herauszugeben, die nicht von Verleumdungen gegen die organisierte Arbeiterschaft und deren Vertrauens- Personen strotzt. Man könnte einen hohen Preis auf irgend ein Reichsverbandsflugblatt setzen, das keine Lügen enthielte, und sicher sein, das Geld in der Tasche behalten zu können. Nun mag das Hilfsmittel der Lüge im Ordnungskampf un- erläßlich sein: aber andererseits ist es doch genierlich, sich Tag für Tag auf Verleumdungen ertappt zu sehen. Daher ist es zu begreifen, wenn in derKreuz-Zeiwng" ein ehemaliger Beamter des Reichsverbanbes ein Klagelied darüber anstimmt, daß nicht allein die Sozialdemokratie, sondern auch die Nationalsozialen (Pfarrer Korell usw.) dem Verbände lügenhafte Agitation vor- werfen. DieReichsverbands-Korrespondenz" druckt den Er- guß dieses ehemaligen Beamten in Nr. 26 ab und fühlt sich nach dieser komischen Ehrenrettung so weit gestärkt, daß sie in derselben Nummer die seit alters her so- sehr beliebte Fabel auftischt, die Sozialdemokratie betrachte den Meineid als ein im politischen Kampfe erlaubtes Mittel. In Erinnerung daran, daß' der ehemalige Angestellte dem Reichsverbande in derKreuz-Zeitung  " attesttert, daß in jedem seiner Verleumdungsartikel aufs genaueste die Quelle an- gegeben ist, der seine Mitteilungen entstammen, kommt die Reichsverbands-Korrespondenz" auch zur Erhärtung ihrer Be- hauptung von der sozialdemokratischen Meineidsglorifikation mit Belägen". Der eine dieser Beläge ist ein Zitat aus dem anarchistischenS o z i a l i st vom 20. August 1892. DieReichsverbands-Korrespondenz" weiß zwar, daß dies Blatt die Sozialdemokratie so wütend bekämpft hat, wie nur je ein bürgerliches Organ, aber diese Nebensächlichkeit er- scheint den Wahrheitsfreunden im Reichsverbande als kein Hindernis, der Sozialdemokratie die Aeußerungen des Sozialist" in die Schuhe zu schieben. Doch dieReichsverbands-Korrespondenz" ist auch in der angenehmen Lage, denVorwärts" als Eideshelfer zitieren zu können: denn am 13. Juli 1892 stand, wie sie anführt, imVorwärts" zu lesen: Das man, um einen Kameraden herauszureden, von der Wahrheit abweicht, ist zwar nicht zu billigen, aber doch kein Verbrechen." Diese Worte bedeuten alles andere, als eine Meineids- Verherrlichung, und sie verlieren jeden Schein von Verwend- barkeit, im reichsverbändlerischen Sinne, wenn nian sie im Zusammenhang betrachtet. Es handelt sich in dem damaligen Artikel desVorwärts" um einen politisch gleichgültigen Meineidsfall zweier Berg- arbeiter in Braunschweig  , über den dieKreuz-Zeitung  " be- richtet hatte. DerVorwärts" rügte, daß der Eid bei den unbedeutendsten Anlässen auferlegt werde. Er schrieb: Daß man, um einen Kameraden herauszureden, von der Wahrheit abweicht, ist zwar nicht zu billigen, aber doch auch kein Verbrechen; und gewiß lebt kein.Mensch, der solches nicht schon getan hätte. In derartigen Fällen sollte unter allen Umständen auf die prinzipielle Frage des Eides gehen wir hier gar nicht ein die Beeidigung der Zeugen ausgeschloffen sein. Der Eid selbst wird davurch herabgesetzt, daß man ihn bei jeder Kleinigkeit anwendet... Man beschränke das Schwören auf wichtige, ernsthafte Fälle, wo es ununi gänglich notwendig erscheint. Dann gibt es keine Meineide mehr um Bagatellen." Das ist eine Anschauung, zu der sich heute so ziemlich die ganze bürgerliche Welt durchgerungen hat und die namentlich gegenwärtig aus bekannten Anlässen(Fall Eulenburg), die nicht die Sozialdemokratie berühren, mit einer ge- wissen Leidenschaftlichkeit propagiert wird. Schrieb doch am 2. August 1908 imT a g" ein konservativer Politiker, Richard Nordhausen  , in einer Betrachtung über die Reform des Strafprozesses: Zur Abhülfe der E i d e s n o t ist wenig geschehen. Und doch muß sich ein Weg finden, der die Eselsbrücke handwerkernden RichtergeisteS, die widerwärtige Massenschwörerei, iiberfliissig macht." Dasselbe sagte mit andern Worten derVorwärts" schon 1892. Es ist also nichts mit der Meineidsverleumdung des Reichsverbands und es bleibt, wie dieser Beleg neben vielen Dutzenden anderer von neuem bezeugt, trotz des Retwngs- Versuchs in derKreuz-Zeitung  " nach wie vor Wahrheit, was der Sozialistenfeind Max Lorenz dem Reichsverband schon am 24. Oktober 1906 attestiert hat: Die Agitation des ReichsverbandeS gegen die Sozialdemo- kratie bewegt sich auf einem in jeder Hinsicht so niedrigen Niveau, daß sie zu schweren sittlichen Schädigungen bor Wählermasse und des deutschen   Volkes führen muß." Lncanns. Der Chef des Geheimen ZivilkabinettZ, Wirklicher Geheimrat Dr. v. Lucanus, ist in der Nacht zum Montag gestorben. Mit ihm ist ein Mann aus dem Leben geschieden, dessen Einfluß weiter- ging, als es in der Oeffentlichkeit schien. Er war nicht nur der Geheimsekretär Wilhelms II., sondern auch sein Ratgeber. Oft ftihrte der alsschwarzer Mann" verschriene Chef deS Zibilkabinetts nur auS, was ihm von seincin kaiserlichen Herrn aufgetragen wurde. Für die meisten der Plötz- lichen Entscheidungen und überraschenden Ministercntlassungcn, die während seiner zwanzigjährigen Tätigkeit als Leiter des Zivil- kabinetts aus diesem hervorgegangen sind, kann er nicht vcrant- wortlich gemacht werden. Herr v. L u c a n u s hat ein Alter von 77 Jahren erreicht. Er ist am 24. Mai 1831 von bürgerlichen Eltern in Halberstadt   ge- boren. Nachdem er in Heidelberg   und Berlin   Jura studiert hatte, wurde er 1854 als AuSkultator für den Justizdienst der- eidigt und wurde 18SS Referendar. Im März 1853 zum Gerichtsassessor ernannt, wurde er bald darauf zum Ministerium der geistlichen Angelegenheiten beurlaubt und 1864 behufs Uebertritts zur Kirchen- und Schulverwaltung aus dem Justizdienst entlassen. Nachdem er 1866 NegierungSrat geworden war, wurde er Justitiar beim Provinzialschulkollegium der Provinz Brandenburg  , 1863 kam er wieder in das Kultusministerium zurück und wurde in dessen erster Abteilung im Jahre 1871 Geheimer Re- gierungsrat und vortragender Rai. Nachdem er 1878 zum Geheimen OberregierungSrat   ernannt worden war, wurde er später Wirklicher Geheimer OberregierungSrat und Direktor der I. Abteilung des Kulwsministeriums. 1331 wurde er in demselben Ministerium Unter- staatSsekretär und Direktor der HI. Abteilung für die Medizinal- angelegenheiten. In dieser Stellung wurde er, nachdem er schon 1884 Mitglied des Staatsrats geworden war, 1886 Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz. Im Jahre 1883 er- nannte ihn Kaiser Wilhelm II.   bald nackf feiner Thronbesteigung zum Chef des ZivilkabincttS und verlieh ihm den Adel. Wie eS in Preußen bei Personen seiner Stellung selbst- verständlich ist, hat es ihm an allerlei Ordensauszeichnungen nicht gefehlt. Selbst Ehrendoktor einiger Universitäten ist er geworden, so ernannte ihn z. B. die juristische Fakultät in Göttingen   und die medizinische Fakultät in Halle zum Ehrendoltor. Bei den Ministern war er eine gefürchtete Erscheinung, denn sein Besuch bedeutete in der Regel den Beginn derGesundheits- rücksichten", die nach wenigen Tagen den Rücktritt des betreffenden Ministers erforderten. Das Zivilkabinett ist die nichtverantwortliche Neben- regierung: eine Einrichtung, die in einem wirklich konstitutio- nellen Staatswesen unmöglich wäre, die aber für Deutschland   der sichtbare Ausdruck des bestehenden absolutischen Regimes ist. LucanuS, der seitherige Repräsentant dieses Systems, ist nicht mehr, das System aber bleibt erhalten. Nachfolger des Verstorbenen wird Herr v. Valentini, der ihn in der letzten Zeit bereits ver- treten hat._ TiePost" als Arbeitgeberin. DerPost" ist endlich die Zunge gelöst. Sie hat in der SonntagSnummer endlich den Mut gefunden, über den am Montag vor acht Tagen gegen sie vor dem KaufmannSgericht entschiedenen Prozeß zu berichten. Aber wie I Sie teilt ihren Lesern mit, es sei einegrobe Unwahrheit", daß sie eine Vertragsbrüchige Arbeit- geberin sei, die ohne die Spur eines Rechts das Gehalt eingehalten hatte. Es habe sich vielmehr um einen in derPost"- Druckereihauptsächlich mit der Nachprüfung der täglichen Lohnzettel der Setzer beschäftigt gewesenen Angestellten gehandelt, der, wenn ihm Zeit dazu übrig blieb, auch Jnseratrechnungen kontrollierte." Es sei auch eine 14tägige Kündigung mit dem An- gestellten vereinbart worden. Also ist der gebührend verehrten Kollegin von der Scharfmacherfakultät»och immer trotz aller Eni- scheidungen des KausmannSgerichtS nicht klar, daß unzweifel- hast: 1. der Angestellte kaufmännischer Angestellter, 2. die Verein­barung einer 14tSgigen Kündigungsfrist nichtig und S. die Vorent­haltung des Gehalts ein grober Vertragsbruch derPost" war! Die bodenlose Tiefe moralischen, juristischen, logischen und sozialen Empfindens und Erkennens, wie sie diePost"«ErklSrung vom Sonntag offenbart, hätte nicht einmal Oktavio Freiherr von Zedlitz und Neukirch, unterirdischer postalischer Mitarbeiter a. D., derPost"- Redaktion zugetraut. Und er schätzte sie doch wahrlich recht tief ein._ Die nette Strafprozestordnung. Ueber den Entwurf einer neuen Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich bringt die offiziöse Presse folgende Mitteilung: Ende August soll der Entwurf mit dem umfangreichen Motiven- bericht imReichsanz." der Kritik der Oeffentlichkeir unterbreitet tverden. Der an« 3. September in Karlsruhe   zusammentretende Deutsche   Juristeutag wird jedenfalls Gelegenheit haben, sich mit dem Entivurf zu beschäftigen. Dem Reichstage wird er sofort nach seinem Zusammentritt vorgelegt werden, und wenn sich die Beratungen nicht zu lange hinausziehen, gedenkt die Negierung die neue Strafprozeßordnung schon im Oktober 1919 in Kraft treten zu lassen. Der Schwerpunkt des ganzen Verfahrens soll in der ersten Instanz liegen, ihr Urteil soll die Notivendigkeit einer Berufung eventuell ausschließen. Das Berufungsrecht soll beiden Parteien zustehen. Nicht allein auf die Verhandlungsprotokolle soll sich das endgültige Urteil der höheren Instanz grüudem, dem Angeklagten JSt auch das Recht zugestanden, das Entlastungsmaterial auS der ersten Instanz, eventuell seinen Nichtern neues in mündlicher Ver- Handlung vorzutragen. Schon in der Voruntersuchung werden dem Angeklagten und seinem Verteidiger weitgehende Rechte ein- geräumt, und eS darf dem Angeklagten die Möglichkeit, sich in weitestgehendem Maße zu entlasten, nicht beschnitten werden. Viel Wert haben diese Verheißungen nicht. Es kommt nicht daraus an, was nach der Mitteilung der Regierung angeblich be- zweckt werdensoll", sondern was tatsächlich im Entwurf steht. Es muß also die Kritik aufgeschoben werden, bis der Entwurf im Reichsanzeiger" veröffentlicht worden ist. Folgen der prinzlichen Toktorpromotion. Mehrere Mitglieder der rechtsloissenschaftlichen Fakultät der Uni- versität Straßburg   haben gegen unser Straßburger Parteiblatt, die Freie Presse" und gegen dieBürgerzeitung" Strafantrag wegen Beleidigung gestellt. Diese soll erfolgt sein in Arttkeln, die sich mit der Doltorpromotion des Prinzen August von Preußen befaßt haben. Der Fall Schücking.' In der Affäre Schücking wird allseits abgeblasen._ DieAordd Mg. Ztg." schwört Stein und Bein, daß eigentlich nichts geschehen sei, außer einem ganz kleinen Disziplinarverfahren. Ein böser Re- gierungspräsident hat es natürlich ohne daß der Minister des# Innern eine Ahnung hatte eingeleitet und nun kann es leider nicht mehr eingestellt werden. Herr Wiemer, der sich eben erst mit der ganzen Fraktion(daß Gott erbarm I) hinter Schücking gestellt hatte, wird jetzt die unbequeme Stellung wieder aufgeben können, nachdem dieNordd. Allg. Ztg." versichert, daß keine Provinzialinsianz Herrn Schücking«in Sachen seiner Land- tagskandidatur beeinflussen" ließ; nur, setzt dasDementi" schämig hinzu, der zweite Bürgermeister Plewka aus Schleswig   hat über die Kandidatur mit Schücking geredet. Aber das war ein bloßer Freundschaftsdienst. DennHerr Plewka hat amtlich be- kündet, daß er bei einer aus völlig anderem Anlaß stattgehabten Unterredung lediglich seiner privaten Ansicht Ausdruck ge- geben und weder von einem Austrag gesprochen, noch sich überhaupt den Anschein gegeben habe, der Ueberbringer eines amtlichen Aus- träges zu sein". Nur Herr Schücking selbst ist eigentlich noch der Störenfried und er hält allen amtlichen Erklärungen zum Trotz seine bisherigen Darstellungen aufrecht und beweist eigentlich damit aus-Z neue, daß er sich seines Amtesunwürdig" gemacht hat. Die brave Taute Voß aber ist gläubiger; nach ihr ist Herr Plewka der eigentlich Schuldige, der versucht habe, Herrn Schücking indie Irre zu führen". Und die Folgerung, die die Wahrerin echt freisinniger Prinzipien aus der Maßregelung deS einen Bürgermeisters zieht, ist, daß die Regierung dem andern, dem Herrn Plewka,kräftig auf die Finger klopfen soll," wahrscheinlich gleichzeitig zur Strafe dafür, die brave Tanie init der Angst gepeinigt zu haben, einmal wieder einer hohen Regierung Opposition machen zu müffen. Das Disziplinarverfahren gegen Schücking geht natürlich fort und er wird sich zunächst vor dem Bezirksausschuß zu verantworten haben. Präsident des Ausschusses ist Regierungspräsident v. Dolega-Kozierowsli, derselbe, der daS Verfahren aus Amts- entsetzung eingeleitet hat._ Eine christliche Internationale. Gegenwärtig tagt in Zürich   ein internationaker Kon- g r e ß christlicher G e w e r k s ch a f t e ir. In christlichen Ar- beiterblättern wsrd dieser Kongreß wie folgt begrüßt: Die christliche Gewerkschafts-Internationale hat einen an- deren Sinn und Gebalt als die rote Internationale. Sie«vill ein Mittel sein, den Arbeiterstand zu befreien aus den unwürdigen und ungerechten Berhältnisien, in die ein zu weit getriebener Liberalisnms und rücksichtsloser Egoismus_ ihn getrieben hat. Aber die sozialwirtschaftlichen Verhältnisse, die Eigenart und das besondere Wohl des eigenen Vaterlandes werden von keinem Delegierten außer acht gelassen werden." Die Christlichen sparen sich den Nachweis, wieso sich hierdurch die christliche von der sozialistischen Internationale unterscheidet. Die letztere ist allerdings nicht so dumm, den Liberalismus als den einzig Schuldigen an dem Elend der Arbeiterklasse anzusehen, sintemalen jeder Mensch mit offenen und ehrlichen Augen weiß, daß der Klerikalismus in dieser Beziehung mindestens ebenso viel Sünden auf dem Gewissen hat, wie der Liberalismus. Zum Schluß deS Artikels wird Hingelviesen auf die Notwendig- keit, daß die Glieder der christlichen Gelverkschaftsbcwegung aus den verschiedensten Ländern auf ein gemeinsames Betätigungsfeld zu- sammengeführt würden, um so der roten eine christliche Jntcr- nationale entgegenzustellen. Lange genug habe in der internationalen Arbeiterbewegung die Sozialdemokratie das Monopol für sich in Anspruch nehmen können; jetzt müsse gezeigt werden, daß der Glaube an die christliche Weltanschauung in der Arbeiterschaft noch lange nicht erloschen sei, daß sich in allen Ländern eine strebsame Arbeiter- bewegung emanzipiert habe von den unfruchtbaren Ideen des Sozialismus. Wenn die christliche Arbeiterbewegung wirklich so etwas Großes und Erhabenes ist, wissen die Leutchen denn nicht, baß ihre Be- wegung ihr Entstehen der Furcht des Klerikalismus vor der Sozialdemokratie verdankt, daß die christliche Gewerkschaftsbeivegling ebenso nur ein Abklatsch der sozialisti- scheu Gewerkschaftsbewegung ist,«vie die christliche Internationale ein Abklatsch ist von der s o z i a l i st i s ch c n Internationalen? Das lveinge Gute, was sich im christ- lichen Lager findet, ist der Sozialdemokratie abgeguckt, und es cut- spricht der ultramontanen Aufgeblasenheit, sich»tachher alS die Besseren und Klügeren aufzuspielen.-» Fortbildungsschulen und Handwerk. Der preußische Handelsminister hat an die Regierungspräsidentcu einen Erlaß gerichtet, in dein er sagt, daß zu seiner Kenntnis Fälle gelangt find, stvonach Gewerbetreibende gerichtlich bestraft wurde», weil sie einen Lehrling vom Besuch der Fortbildungsschulen zurück- gehalten baben, obivohl sie dazu durch dringende Gründe veranlaßt waren. Der Minister verfügt deshalb, daß in Fällen, wo trotz Ab- lehnung eines Befreiungsgesuches die Schule versäumt worden ist, vor Erstattung einer Strafanzeige festzustellen sein wird, ob nicht besondere Umstände eine mildere Beurteilung rechtfertigen. Der Minister desGeistes", Herr von Holle  , wird gegen diesen Erlaß seines Kollegen vom Handelsfach nichts einzulvenden haben. Erst das Geschäft, dann die Weiterbildung.  -» Zur Gehaltsaufbesserung der Beamte» wird mitgeteflt, daß nach den preußischen Gehaltsvorkagen die Unter st aatssekretäre in den Ministerien dasselbe Einkommen erhalten sollen wie die in den Reichsämtern, daß ferner die Gehälter der Ministerialdirektoren erhöht werden und die Regie- rungspräsidenten eine höhere Repräsentationszulage er- halten sollen. Eine Bestätigung dafür liegt noch nicht vor, eS ist aber stets bei Gehaltsaufbesserungen nach dem Grundsatz gehandelt worden: n a ch obenmitScheffeln, nach unten mit Löffeln. Daß dieserbewährte" Grundsatz diesmal verlassen wird, ist kaum au- zunehmen._ Baden und die Elektrizitätssteuer. Unser Karlsruher   Parteiorgan, derVolksfreund", hält die vom Finanzminister Hansell in der Elektrizitätssteuerdebatte der Zweiten Kammer bestrittene Behauptung des Abgeordneten Kolb, daß die badische und württembergische Regierung eine Anregung zu einer gemeinsamen Aktion der süddeutschen Staaten gegen die. geplante Elektrizitätssteuer abgelehnt hätten, aufrecht und schreibt: Wir glauben es ohne weiteres, daß Herrn Hansell amtlich und aktenmäßig eine Anregung von der bayerischen   Regierung nicht gemacht worden ist; damit aber ist noch nicht das Gegenteil von dem bewiesen, was der Abgeordnete Kolb berichtet hat, wahr ist vielmehr, daß die bayerische Regierung die besagte Anregung gemacht hat, aber sich davon überzeugen mußte, daß die badische und württembergische Regierung nichts davon wissen wollte." Auch gelegentlich der Stuttgarter   Ministerkonfercnz sei von einem Minister eines anderen süddeutschen Bundesstaates eine ähn- liche, Mt EM fijt] die geplgEte Nekicizitätssteuee bezügliche An-