it. 180. 25. Aahrgavg.1. KMge iits JitmärtfIMni), 4. Zaz«» 1908.Die internationale Sozlaliftenzufammen*feunft in Schaffhauien.Schaffhausen, 2. August.Die von der Landesorganisation der deutschen und österreichischenSozialisten in der Schweiz veranstaltete internationale Zusammen-kunft nahm einen in jeder Beziehung prächtigen Verlauf. Ein Herr-licher Augustsonntag lockte die Menschen hinaus in die freie Naturund so kamen denn auch schon in den ersten Vormittagsstunden mitden Eisenbahnzügen aus allen Nachbarländern die Genossen undGenossinnen in Scharen und mit zahlreichen Fahnen, hauptsächlichaus der Schweiz, um an der Kundgebung teilzunehmen Zum Teilist die Stadt zur Begrüßung der zahlreichen Gäste festlich beflaggtund dekoriert, was einen festlichen und freundlichen Eindruck macht.Mittags l'/s Uhr fand der Festzug statt, an dem sich zirka 3000Personen beteiligten. In den Straßen der Stadt, die der Zugpassierte, staute sich eine große, nach Tausenden zählende Menschen-menge, die ein imposantes lebendes Spalier bildete.Auf dem Festplatze schwoll die Teilnehmerzahl auf zirka 7000an, die in der Tat eine gewaltige Demonstration gegen die kapitalistische Ordnung und für den Sozialismus bedeutete.Die Versammlung eröffnete mit kräftigen Worten der Präsidentdes Landesausschusses, Genosie Dr. Adler in Zürich. Er be-zeichnete als den Doppelzweck dieser internationalen Sozialisten«zusammenkunft: eine Demonstration für die internationale Soli-darität des Proletariats und sodann gegen die frivolen Kriegs-hetzereien der herrschenden Klassen, denen das Proletariat seineFriedensliebe und die Völkerverbrüderung entgegensetzt. Unter demlebhaften Beifall der Massenversammlung schloß er sein Eröffnuiigs-wort mit der Versicherung, daß das Proletariat so lange kämpfenivird, bis auf den Trümmern der Bourgeoisie die rote Fahne desSozialismus aufgepflanzt ist.Namens der Schaffhauser Sozialdemokratie begrüßte die Ver-sammlung Genosse Stadtrat Schlatter, der dafür dankte, daßSchaffhausen als der Ort für die Zusammenkunft gewählt wurdeund der sich von der Riesenkundgebung auch eine Förderung derSchaffhauser Arbeiterbewegung verspricht.Als erster Referent nahm Genosse ReichstagsabgeordneterL'edebour-Berlin das Wort, der zunächst die Versammlungals eine Kundgebung des internationalen Proletariats feierte. So-dann wies er auf die steigende Angst der Bourgeoisie vor derwachsenden Macht des klaflenbewußten Proletariats hin. GewisseErscheinungen in der Schweiz möchte man als das Todesahnen derBourgeoisie bezeichnen. Sodann trat er in eine Besprechung der frivolenKriegshetzereien ein, die von der interessierten Bourgeoisie, denPanzerplatten-Patrioten und anderen Kreisen systematisch betriebenwerden und zwar in erster Linie in Deutschland. Die deutscheSozialdemokratie ist es denn auch, die an der Spitze des Kampfesgegen den Militarismus steht. Er geißelte die Friedenskomödienund verschiedene Erscheinungen im politischen Leben Deutschlands,das jetzt zur Abwechselung die Zukunft Deutschlands in die Luftverlegt, durch den Erfolg Zeppelins dazu verführt, während gewisseBeobachtungen im Eulenburg-Prozeß es als nicht unmöglich er-scheinen lassen, daß die Zukunft Deutschlands auch noch einmal inder vierten Dimension gesucht wird. In Wirklichkeit beruht Deutsch«lands Zukunft auf seinem schaffenden und vorwärts strebendenProletariat, das sich im Zeichen des Sozialismus sammelt. DieBourgeoisie ist dem Marasmus verfallen, während das Proletariataller Länder den Kampf für Freiheit und Menschenwürdeführt und uns erhebt in dem Bewußtsein, daß er einKampf um die größte Sache der Menschheit ist. Er besprach weiterdie Vorgänge und Erscheinungen in Persten, Indien, der Türkei, dieKamarilla- und Paschawirtschaft der Junker und Bureaukratie, derenJoch gebrochen werden kann nur mit ihrer Abschaffung und gabschließlich der Ucberzeugung Ausdruck von dem schließlichen Siegedes Sozialismus über den Kapitalismus.Stürmischer Beifall lohnte die begeisternde Rede.Die italienische Begrüßungsrede des römischen Genossen L e r d a,der auf einer zweiten Tribüne speziell zu seinen Landsleuten sprach.übersetzte Genosse Greulich. Er versicherte die Versammlung dersteten Solidarität des italienischen Proletariats im Kampfe desProletariats aller Länder, bis die Herrschaft des Menschen über denMenschen beseitigt ist. �,Genosse Buching er aus Budapest schilderte die bekannteSchandwirtschaft der Oligarchie in Ungarn und' appellierte an dieSolidarität des Proletariats aller Länder für den im Herbst zumAustrag kommenden Wahlrechtskampf.kleines feiiilleton.Wie Cipriani feine Tochter wiederfand. Auf de» internatio-nalen Sozialistenkongressen ist teilweise Cipriani eine dercharakteristischsten Gestalten. Dieser hochgewachsene Greis mit demprachtvoll geschnittenen Gesicht, aus dem noch immer die Jugend-lichkeit des Gemütes spricht, mag er sich auch heute beim Gehenauf einen Stock stützen müssen, verkörpert ein gutes Stück euro-pätscher Revolutionsgeschichte. Ein Theoretiker war er nie, undzuweilen ist ihm das Gemüt mit der Ueberlegung durchgegangen,aber auch wo er sich täuschen ließ, gereichte ihm das zur Ehre.Darin gleicht er seinem Meister Garibaldi, ebenso in seinemunbändigen Patriotismus, der immer noch für ein freies Italienemporlodert, wenn er auch seit 38 Jahren von gesetzeSwcgen inFrankreich ein zweites Vaterland besitzt. Man konnte sich einesleisen Lächelns nicht erwehren, als man den Namen dieses hitzigstenaller Patrioten, dieses immer streitlustigen Haudegens, der nochim griechisch-türkischcn Krieg eine italienische Legion nach Thessaliengeführt hatte, weil sein gläubiger Idealismus dort«inen Kampfum Volksrecht und Freiheit zu sehen vermeinte, unter dem Aufrufantipatriotischer Antimilitariften stehen sah, die mit schwülstigenDrohungen platte Friedensphrasen vermengten. Ein wehrhafterMann ist er geblieben. Als vor etlichen Monaten ein paar Strolcheden nachts nach seinem einsamen Stübchen in Clichy Heimwandeln-den anfielen, schlug er einen der Gesellen zu Boden und hielt sichdie anderen solange vom Leibe, bis Hilfe kam. Nun aber hat dasSchicksal den zahllosen heroischen Kapiteln seines merkwürdigenLebensromans ein rührendes Idyll angefügt. Amilcare Ciprianihat seine Tochter wiedergefunden, die er 38 Jahre nicht gesehenhatte und längst für immer verloren halten muhte. Im Jahr4883 hatte er in London, wo er als Flüchtling lebte und sich müh-selig als Photograph durchschlug, ein junges Mädchen geheiratet, dasihm am 30. Januar 1870 eine Tochter schenkte. Ein paar Monatespäter brach der deutsch-französische Krieg aus, am 4. Septembersank das zweite Kaiserreich zusammen. Frau Cipriani kannte ihrenGatten. Sie fragte nur:„Wann reisest Du?" Und er ant-wartete:„Morgen." Es kamen die Kämpfe gegen die Deutschen,an denen Cipriani mit seinen alten italienischen Waffengefährtenteilnahm, dann die Kommune, der er sich natürlich mit Enthusias«mus anschloß. Bei dem unglücklichen Marsch gegen Versailles wurdeer an der Seite des ermordeten Flourens, dessen Adjutant er.gewesen war, für tot liegen gelassen. Die siegreiche Reaktion schickteden Mann, der sich für das bedrängte Frankreich geschlagen hatte,nach Numea. Von da an hörte er von seinem Kinde nichts mehr.Seine Frau war in ihre Familie zurückgekehrt, seine Briefe wurdengeöffnet. Als er aus Kaledonien zurückkam, war die Gefährtintot, das Kind verschollen. Wiederholte Nachforschungen hliebenohne Erfolge, alle vermeintlichen Spuren erwiesen sich als trüge-risch, Die Hoffnung eines Wiederfindens was iüngst sufgegeben,Genosse Grimm- Basel verglich das gestrige Nationalfest derschweizerischen Bourgeoisie vom 1. August mit dem heutigen inter-nationalen Fest des Proletariats, brandmarkte die Reaktion der-selben, namentlich die neue Schmach der Auslieferung Wassiliewsan Rußland und betonte schließlich die Solidarität der schweize-rischen Sozialdemokratie mit dem klassenbewußten Proletariat allerLänder.Genosse Pernerstorffer- Wien gab eine fesselnde Dar-stellung der Kämpfe und Erfolge der österreichischen Sozialdemo-kratie und zeigte in begeisternden Worten das neue Land der Zu-kunft, über dem die Sonne der Freiheit und Gleichheit auf-gehen wird.Nach fast dreistündiger Dauer schloß Genosse Dr. Adler die Ver-sammlung, die eine eindrucksvolle Kundgebung internationalerVölkerverbrüderung war, mit einem begeisterten dreifachen Hoch aufdie internationale, revolutionäre Sozialdemokratie.Gerichts-Zeltung»Zum Polenkampf.Die katholischen Polenvereine erfreuen sich bekanntlich nächstden sozialdemokratischen Vereinen einer besonderen Aufficht seitensder Polizeiverwaltungen. Das bewies wieder eine Verhandlungvor der Strafkammer in Bochum als Berufungsinstanz. Am29. März feierte der Polenvcrein zu Löntrop unter Beteiligung be-nachbarter Polenvereine das Fahnenweihfest, beginnend mit einemKirchgang. Die Polizeiverwaltung beorderte einen Beamten, ob diePolenvereine im geschlossenen Zuge von dem Kirchgange heimkehrenwürden. Der Vorsitzende des Polenvereins zu Löntrop teilteden Brudervereinen mit, daß ein öffentlicher Aufzug nichterlaubt sei. Die Vereine begaben sich daher in aufgelösterReihenfolge, die Fahnen unentfaltet, zum Festlokal, Diegroße Masse der Polen erweckte naturgemäß die Aufmerksamkeit derStraßenpassanten. Das Recklinghäuser Schöffengerichterblickte darin einen Verstoß gegen das Vereinsgesctz vom 11. März1320. Es handele sich um einen öffentlichen Aufzug. Die Vorsitzenden dersämtlichen 11 Polenvereine wurden mit 3 M. Geldstrafe belegt. DieVorsitzenden der Polenvereine zu Hochlarmark und SüdermarchMichael Wujek und Adalbert Castrowiak legten Berufung ein. DasGericht gelangte aber zur Aufhebung des ersten Urteils und zurFreisprechung der beiden Angeklagten. Es hielt die Beteiligungder beiden Polenvereine an einen« öffentlichen Aufzuge nicht fürerwiesen._Eine für Gastwirte interessante Entscheidung.Unter der Anklage, ein steuerpflichtiges Gelverbe neu begonnenzu haben, ohne die vorschriftsmäßige Anmeldung zur Gewerbesteuervorher bewirkt zu haben, stand am vergangenen Freitag der GenosseGa st Wirt Barowski zu Lichtenberg vor dem dortigenSchöffengericht.Der Anklage lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der An-geklagte betreibt in der Augustastr. 29 zu Lichtenberg ein Schank-geschäft. An das HauS, in welchem sich das Geschäft befindet,schließt sich ein unbebautes Nachbargrundstück an. Änf letzteremfand an einem Sonntag zu Anfang Juni dieses Jahres einesozialdemokratische W ä h l e r Versammlung anläßlich derdamals bevorstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhause statt. Wegendes zu erwartenden starken Verkehrs hatte Barowski einen Kellnerzur Aushilfe angenommen. Zahlreiche Besucher der Versammlungkamen in das Lokal und nahmen dort Erftischungen zu sich. Vielebestellten nun bei dem Kellner Bier, das er ihnen auf das Nachbar-grundstück zur Versammlung bringen sollte. Die Anklage be-hauptete nun, daß der Kellner nicht nur bestelltes Bier,sondern auch nicht bestellte Gläser mitgenommen und sogardurch Anrufe wie:„Bier gefällig?" usw. angeboten habe.Hierin sei aber, führte die Anzeige aus, eben daS Unternehmen einesneuen nicht konzessionierten Schankgewerbes zu erblicken. ZiveiKriminalbeamte, die als Zeugen verommen wurden, sagtenunter ihrem Eide aus, daß sie über vierzig Meter entfernt ineinem Lokal gesessen und von dort aus nicht hätten hören können,ob der Kellner Bier feilgeboten habe. Den Angeklagten selbsthatten beide Zeugen überhaupt nicht gesehen.— Der Aus-Hilfskellner gab zwar zu, daß er einige Glas �Biermehr als bestellt tvaren, mit hinanSgenommen habe, bestätigteaber auf Befragen, daß er dem Angeklagten, der dckS Bier verzapfte.stets eine festbestimmte Zahl von Gläsern bestellt habe, so daßdieser gar nicht habe vcrinuten können, daß iveniger bestellt seien,als der Kellner verlangte und hinaustrug. Mit Recht wurde vonals Cipriani vor einigen Tagen einen Brief des bekannten MalersJacques Vely erhielt, der ihm mitteilte, daß der Schreiber inseiner Frau die Tochter des berühmten Revolutionärs erkannt zuhaben glaube. Eine Prüfung des Geburtsscheins der Dame behoballe Zweifel. Cipriani hatte seiner Tochter im Ueberschwang seinesitalienischen Patriotismus die merkwürdigen Vornamen Fulvia,Lavinia, Jtala, Roma gegeben und sie alle fanden sich auf demDokument. Auch die anderen Daten stimmten. Die Entdeckungkam so spät, weil man Ciprianis Tochter in der Familie, in dersie aufwuchs, ihre Abstammung vom„Kommunarden" verborgenhatte. Auch hatte man sie zur„Julia" umgetauft. Die Bezeich-nung des Vaters als Photographcn führte gleichfalls irre. Vely, dersich für den angeblich toten Vater seiner Frau interessierte, derihr so seltsame Namen gegeben hatte, kam der Wahrheit auf dieSpur als er entdeckte, daß Amilcare Cipriani einst London bewohnthatte.— Dem alten Kämpfer wird nun am Herd der Tochter einfreundlicher Lebensabend bcschiedcn sein. Diese Wendung ist umso erfreulicher, als erst vor ein paar Wochen der Herausgeber der„Petitc Rcpublique", die einst„sozialistisch" war, dann ins„So-ziale" abblaßte und sich jetzt protzig nur noch„großes Nachrichten-organ" tituliert, Cipriani nach 20jäHriger Mitarbciterschaft miteiner Abfindung von 490 Frank bor die Tür gesetzt hat, weil derGreis, der so oft für die Völkerfreiheit den Degen in die Faust ge-nommen hatte, in der Tat nicht dazu zu gebrauchen war, zum Profitseines„Brotgebers" sein Ohr an fremde Türen zu nageln. Eineliebende Tochter zum Ersatz eines Nährvaters von dieser edlenSorte zu finden, ist wirklich kein schlechter Tausch.Theater.. Friedrich Wli l h cl mstä dst i sch e S Schauspiel�-Haus. Der Schwank„Ein Rabenvater" von H. Fischerund I. I a r n o war, als er in Berlin vor etwa sechzehn Jähren zumersten Male gegeben wurde, ein„Ereignis". Heute gleicht er einertotal abgegriffenen Münze. Jeglicher Aufputz mit neuen Witzchen undSpäßchen kann über die Nüchternheit der Mache nicht hinweghelfen.Zwar läßt er sich noch als recht zugkräftig in seiner französischenBearbeitung denken; aber das deutsche Original ist zu spießbürger-lich gehalten, um feinerem Geschmack Interesse abzunötigen. DieEinschätzung fällt noch niedriger aus, wenn Regie wie Darstellungjedweder künstlerischen Note entbehren. Unternehmer von„Sommerspielzeiten" sollten doch bedenken, daß die Reichshaupt-stadt kein Dorf ist. Würde man an besseren Provinzbühnen eswagen, so unsagbar stilwidrige Aufführungen zu bieten, gingesicher kein Mensch in ein Sommcrtheater. Bei Zusammenstellungeines Spielpersonals sollte stets bedacht werden, daß nur die T ü ch-t i g c n auf Beschäftigung Anrecht haben— nicht das Stümpcr-tum. Es liegen doch übergenug leistungsfähige Kräfte brach, dieunter den gleichen Gagenbedingungen zu haben wären— vorausgesetzt, daß ein Unternehmer wirklich selber den allernötigstcn Kunst»gefchwack Mäße.. Zum miudestpo muß ihnen aber die Regie offen-feiten der Verteidigung darauf hingewiesen, daß esvöllig unerheblich sei, ob der Kellner Vier angeboten habe oder nicht.Es könne sich nur darum handeln, ob das Verschänken auf derWiese des Nachbargrundstückes den Beginn eines neuen Schankgewerbesdarstellt, wie die Anklage behaupte, oder nicht. Der Verkauf desBieres an Orten, welche in räumlich naher Beziehung zur kon-zessionierten Schanistätte ständen, wie Hausflur, Straße, Nachbar-grundstück, sei nach zahlreichen Entscheidungen und Ansicht ersterKommentatoren der Gewerbeordnung dem Gastwirt auf Grundseiner Konzession gestattet. Eine Bestimmung, die es dem Gast-tvirt verbiete, Bier anzubieten, gebe es aber nicht. Nur demWandcrgcwerbetreibenden sei das Anbieten der Ware grundsätzlichuntersagt. Wolle man aber selbst in dem Anbieten des Bieres durchden Kellner etwas Unzulässiges erblicken, so könne doch der Ange-klagte darum nicht bestraft werden, weil er von dem Verhalten desKellners nichts gewußt habe. Der Angeklagte sei daher freizusprechen.— Der A m t s a n w a l t plädierte für Verurteilung, indemer ausführte, daß der Angeklagte fahrlässig gehandelt habe,weil er sich nicht um die Verhältnisse auf der Nachbar«wiese und das Verhalten seines Kellners gekümmert habe.— Das Gericht schloß sich den Ausführungen desVerteidigers an und sprach den An geklagten frei.—In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende des weiteren nochaus. daß es Sache der Polizeibeamten gewesenwäre, den Angeklagten darauf aufmerksam zumachen, wenn sie glaubten, daß sein Kellneretwas Unerlaubtes täte. Der AngeNagte habe jedenfallsnicht g e»v u ß t und bei dem starken Geschäftsgang nicht wissenkönnen, was auf der Wiese vorging. Schon aus diesem Grunde seier freizusprechen gewesen, wobei es dahingestellt bleiben könne, obdas Ausschänken auf dem Nachbargrundstück und da» Ausbicten hättekonzessioniert sein müssen._Wäs ist fahrlässig?Eine sehr interessante Auslegung des Begriffs der-„Fähr«lässigkeit" ist in einem Urteil enthalten, welches die 4. Strafkammerdes Landgerichts II gefällt hat. Wegen fahrlässiger Körperverletzungunter Außerachtlassung der Aufmerksamkeit, zu welcher er infolgeseines Berufes besonders verpflichtet gewesen war, mußte sich derHausverwalter Wilhelm R. verantworten. Der An«geklagte ist seit 13 Jahren Verwalter eines Hauses in der Zossener»straße. Noch von seiner früheren Tätigkeit als Fuhrunternehmerher stand auf dem Hof gegen ein Stallgebäude gelehnt eine großeLeiter, die R. früher benutzt hatte, um das Futter für die Pferdevon dem Stallboden herunterzuholen. Diese Leiter stand seitmehreren Jahren dort, ohne daß sich irgendein Unfall ereignet hatte.Hin und wieder wurde sie von Hausbewohnern zum Teil mit, viel-fach auch ohne die besondere Genehmigung des Angeklagten benutzt.Derartige Eigenmächtigkeiten duldete der Angeschuldigte ohne da-gegen einzuschreiten. Am 2. März dieses Jahres spielten trotzdes ausdrücklichen Verbots mehrere Kinder auf dem Hofe. Derdreijährige Bruno Lehmann kletterte in kindlichem Uebermut aufdie Leiter, die, da sie nur gegen die Mauer gelehnt war, umschlugund de» Knaben unter sich begrub. Der Kleine trug außer einemOberschenkelbruch schwere innere Verletzungen davon. Gegen denAngeklagten wurde ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körper«Verletzung anhängig gemacht. Das Schöffengericht Berlin- Tempel«hos verurteilte ihn wegen dieses Vergehens zu 10 Mark Geldstrafe.Hiergegen legte R. Berufung ein und behauptete vor der Straf-kammer, daß ihm der Borwurf einer Fahrlässigkeit zu Unrechtgemacht worden sei. Er stützte sich in erster Linie darauf, daß lautMietsvertrag jeder unnütze Aufenthalt auf dem Hofe verboten sei;er selbst habe auch stets spielende Kinder vom Hofe gewiesen.Außerdem bestehe die Möglichkeit, daß kurz vor dem Unfall einDritter die Leiter ohne sein Vorwissen fortgoholt und unsachgemäßwieder hingesetzt habe. Hierfür sei er nicht verantwortlich zumachen. Die BcrufungSstrafkammer hielt jedoch das erste Urteilunter folgender Begründung aufrecht: Es gehöre zu den besonderenPflichten eines Hausverwalters, alle Vorrichtungen, durch welcheein Unfall entstehen könne, stets im Auge zu behalten und dafür zusorgen, daß sie sich in einem ordnungsmäßigen Zustande befinden,durch den der Eintritt eines Unfalles soweit denkbar verhütet wird.Zu den Gegenständen, denen der Angeklagte in Ausübung seinesBerufes seine besondere Aufmerksamkeit zu widmen hatte, gehöreauch in dem vorliegenden Falle jene Leiter. Das Gericht habe an«genommen, daß die Leiter an dem Tage des Unfalls unsachgemäßdagestanden habe, wenn auch der Angeklagte selbst nicht diese Auf.stellung bewirkt habe. Selbst wenn man annehmen würde, daßein Dritter die Leiter fortgeholt und unsachgemäß aufgestellt habe,so sei hierin eine Fahrlässigkeit des Angeklagten zu erblicken. Ihmmüsse zum Vorwurf gemacht werden, daß er überhaupt die Fort«baren. Wenn man z. B. sehen muß, daß eine Mäjorsfrau inGarderobe und Gebahren noch lange nicht den Anforderungen zugenügen vermag, die man von einer Gemüsekrämerin erwartet,oder daß ein junger Freiersmann— Ingenieur seines Zeichens—wie ein Probereisender bor die Eltern seiner Angebeteten tritt,anderer Unstimmigkeiten nicht zu gedenken, dann sind das unver«zeihliche Verstöße der Regie! Unter allen Darstellern des„Raben-vatcrs" bewies allein Adalbert Neher, daß er sowohl aufdem Parkett, wie auf der Bühne zu Hause ist. Er spielte nicht nur—er w a r ein Major Rhoden! Schade, daß keiner der anderen Mit»wirkenden vorgab, die Figur zu sein, die er darzustellen hatte.Trotzdem— das Haus war vollbesetzt, und das Publikum zeigtesich voraussetzungslos genug, um dem abgeblaßten„Rabenvater"zu einem lebhaften Heiterkcitserfolg zu verhelfen. e. k.Humor und Satire.— D i e K l a t s ch b a s e.„Ick jloobe, Müllers Erna iS uffAbwege jeraten: Die Familie hat sich eene jrößere Bratpfanne au-jeschafft 1"— American Bar. Der Kellner:„Da is aner, der wüi anKocktell ä la Marschall."Der Wirt:„Gib eahm a Maß Bier— un wann'S rahm nctrecht is, hau eahm'naus."— WahresGeschichtchen. Hauptmann(zur Kompagnie):».Die Mannschaften beteiligen sich selbstverständlich am BegräbnisdcS seligen Herrn Oberst. Sammlung 1 Uhr im Kasernenhof I Ab-marsch zum Trauerhanse l'/z Uhr l Es ist gestattet, die aufgebahrteLeiche zu besichtigen. Aber stramme Haltung beim Vorübergehen!Denkt dran, Leute, was für ein Donnerwetter es absetzen könnte,wenn Herr Oberst etwa nur scheintot«vären und euch elende Wasch-läppen beobachten müßten! Verstanden?!"— DieunzufriedeneJustiz.„Et jibtkeene Jerechtigkeitmehr! In eener Woche haben se mir drei Redakteure frei-jesprochen l'_(„Jugend.")Notizen.— In Frankfurt a. M. wurde der 39. Anthropologen»kongreß eröffnet.— Eine kanadische Expedition. Eine ForschungZ»Expedition ist von dem amerikanischen Musen ni für Naturgeschichteund dem Geological Survey von Kanada nach dem Mündungsgebietdes Mackenzie-River und den umliegenden Gegenden entsandtworden, um ethnologisches und zoologisches Material zu sammeln.An der Spitze der Expedition stehen Mr. V. StephanSson undMr. R. M. Anderson. Der Zweck des UnternehnienS ist, wissen-schaftliche Studien über die Eskimos des Landes zu machen und er-schöpfende Sammlungen zu erwerben, die nicht allein die materielleKultur der unzivilisierten Stämme jener Gegend zur Darstellungbringen, sondern auch einen Ueberblick über die zoologische»» Ver»Hältiiisse gestatte» und die Geologie dieses Gebietes aufkläre».