Politik ist, welche zum Ausdruck kommt in dem Ministerialerlaßvom 13. März ISOT, der bei staatlichen Kaualbauten vorzugsweiseausländische Arbeiter beschäftigt zu setzen wünscht, sowie des Erlasses,der durch Einführung der Legitimationskarten fürausländische Arbeiter diese der Willkür der Unter-nehmer und der Polizei preisgibt, wogegen die„nationale"Presse jedoch nicht protestiert hat INun, gegen die ministerielle Beglückung der Tiefbauunternehmermit ausländischen Arbeitern wollte die„StaatSbürger-Zeitung", wiesie noch vor acht Tagen versicherte, einen nationalen Sturm ent-fachen, der diesen antinational wirkenden Erlaß hinwegfegt, und, soeS not tut, den schuldigen Urheber dazu.— In diesem Sinne hätteauch die christlich- nationale Protestversammlung wirken sollen,falls eS den Leuten, die angeblich die Interessen dernationalen Arbeiter vertreten. mit ihrer Protestkund-gebung ernst gewesen wäre! Aber bevor die Vertreter der christlich- nationalen Arbeiter den Mund zu einerProtestrede auftaten, haben sie sich— ach wie gern—von maßgebender Stelle beschwichtigen und befriedigenlassen! Die Einberufer der Protestversammlung hatten dasMinisteriuin ersucht, einelt Vertreter in die Versammlung zu senden.Infolgedessen ist aus dem Ministerium an den einberufenden Aus-schuß die Einladung ergangen, noch vor der Versammlung eine Ver-tretung zur Rücksprache mit dem zuständigen Dezernenten insMinisterium zu senden. Herr Mumm und einer seiner Freundefolgten der Einladung, und nach einer ll/2 stündigen Unterredungmit dem Wirklichen Geheimen RegierungSratMohrmann kehrten sie befriedigt zurück,— Was die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" in einem offiziösen Artikelgeschrieben hatte, um die Proteststimmung der„StaatSbürger-Ztg."abzukühlen, das hat auch der Vertreter des Ministers Herrn Mummversichert: Nur, wenn deutsche Arbeiter nicht zu habensind, sollen Ausländer beschäftigt, die deutschen aber in e r st e rLinie berücksichtigt werden.Jeder, der nicht durch unbegreiflichen Vertrauens-dusel in seiner Urteilsfähigkeit beschränkt worden ist, würde nun denGehcimrat gefragt haben, wie sich denn die von ihmabgegebeneVersicherung und der Bescheid des Ministers andie Tiefbauunternchmer in Einklang bringen lasse, da doch indem Bescheid ausdrücklich gesagt werde, daß die frühere Bestimmungaufgehoben ist, wonach bei Annahme von Arbeitern die ein h eimi-scheu, besonders die in der Nähe der Arbeitsstelle wohnendengeeigneten Bewerber z u e r st eingestellt werden müssen.—Aber solche Bedenken kamen Herrn Mumm nicht! Für ihn istdurch den Artikel der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" unddie Erklärung deS Wirklichen Geheimen die Situation völligverändert, es liegt kein Grund zum Protest mehr vor. Aberda die Versammlung nicht mehr abbestellt werden kann, so geht HerrMumm hin und hält eine Rede, die auf den Ton gestimmtist: Nun ist ja alles wieder gut! Der Vertreter des Ministers, demwir volles Vertraue» entgegenbringen, hat uns versichert, daß inunserem Sinne auf die Tiefbauunternehmer eingewirkt werden soll.Welch ein großer Erfolg unserer Bewegung lIn dieser Hinsicht waren die Anhänger deS Herrn Mummmit ihm völlig einverstanden. Die angenommene Resolutionist denn auch kein Protest gegen die„nationale" Arbeiterpolitikder Regierung, sondern einfach eine Kenntnisnahme von derGeheimratserklärung, die Herrn Mumm und feine Freundeaufs höchste befriedigt, hat.So endete die Protestkomödie der von Herrn Mumm geführtenchristlich-nationalen Arbeiter.ver MMermchlel in der Cfirltei.Das neue Ministerium zeigt in zwei Punkten vor allemden völligen Umschwung. Es gehören ihm auch C h r i st e n,ein Grieche und ein Armenier, an und eines seiner Mitglieder,Ehrem Bcy, ist Jungtürke. Die Zusammensetzung desvon dem Grotzwcsir Kiamil Pascha gebildeten Kabinettsist die folgende:Hassan Feh in i Pascha bleibt Justizminister und T e w f i kPascha Minister des Auswärtigen, der Wall von SiwaS R e f ch i dAkif Pascha wird Minister deS Innern, der Mali von Tripolis.Marschall R e s ch i d Pascha Kriegsminister. VizeadmiralMehmed Arif Pascha Marineminister. UnterstaalSsckretärdeS GroßwcsiratS T e w f i k Pascha wird Präsident des Staats-VU Mataitrophe von echterdingen.Unser Stuttgarter Mitarbeiter schreibt uns:Gegen ö'/i Uhr morgens wurde das Zeppelinsche Luftschiff inStuttgart gesichtet. Unter ungeheuerem Jubel der Bevölkerung zoges langsam gegen den Wind über Stuttgart hin. Ueber Degerlochbei Stuttgart vollführte es etliche Manöver, es senkte sich bis dichtzum Erdboden, stieg wieder auf, machte Schwenkungen und zog dannüber die Filderhochcbene Hohenheim zu. Gegen 7 Uhr morgenstauchte eö südlich von Stuttgart wieder auf. Es warzurückgekehrt. Etwa um 8'/« Uhr landete es glatt aufeiner Wiese bei Echterdingen, anderthalb Stundensüdlich von Stuttgart. Im Auto raste ich hinaus. Da? Riesenschiffwar völlig unversehrt. Das Aluminiumgerippe blitzte gleich Silberim Morgcnsonnenschein. Zeppelin mit seinem Obcringenienr Dürrund noch zwei Begleitern befand sich in der vorderen Gondel. Einkleiner Defekt am vorderen Motor war die Ursache der Landung;das Lager hatte sich heißgelaufen, wohl infolge VersagenS des Selbst-ölerS. An einer Aluminiumstange hatte sich ein Niet gelockert. Daswar alles. Kurz darauf traf ein Automobil der DaimlerschenMotorwerke von Untertürkheim-Stuttgart ein mit Ingenieuren undMonteuren. Diese Fabrik hat die Motoren geliefert. Die Reparaturwurde sofort in Angriff genommen.Kavallerie und einige Kompagnien Infanterie rückten an undsperrten den Platz ab. Zeppelin selber war über die glatteLandung auf festem Boden sichtlich erfreut. Er scherzte mitseinen Begleitern und dem Publikum. Nachdem er noch in dermittleren geschloffenen Kabine des Luftschiffes gefrühstückt hatte,bestieg er ein Automobil und begab sich nach Stuttgart. Der Ober-ingenieur Dürr blieb zurück, um die Arbeiten zu überwachen. Um7 Uhr abends gedenke man wieder aufzufahren, erklärte er. Aufdie Frage, ob er seiner Sache ganz sicher sei, meinte er, er fürchtenur einen Gewittersturm, der aus der freien HochebenedaS Luftschiff mit voller Gewalt treffen muffe.Mittlerweile hatten sich Zehntausende von Menschen auf der Ebeneangesammelt, die das riesige und bei aller Größe doch höchst ele-gante Luftschiff bewunderten. Gegen 12 Uhr mittags schob sich imNordosten Stuttgarts eine tiefschwarze Wolkenwand empor. GrelleBlitze zerrissen das Gewölk, der Donner hallte über Stuttgart hin.Trotzdem war die Furcht nicht groß, da der Wind aus entgegen-gesetzter Richtung kain. Die weite Ebene lag noch im hellen Sonnen-schein. In der vorderen Gondel wurde an dem Motor fleißig ge-arbeitet.ratS. H a k k i Vey bleibt Unterrichtsminister, Staatsrat EhremBey wird Kultusminister. Effendi Nuradungiar, ein Armenier.wird Minister für Handel und öffentliche Arbeiten, StaatsratNarro Cordato Effendi, ein Grieche, Minister für Ackerbau undBergbau.Die Stiinmung der Presse ist dem neuen Kabinett günstig.Auch die Jungtürken scheinen mit ihrem Erfolg zunächst zu-frieden. Das jungtürkische Komitee für Einheit und Fort-schritt hat ein neues Manifest an die Bevölkerung erlassen,in dem es heißt:Zwischen dem Herrscher und dem Volke bestehe keineverräterische Kluft mehr. Das n e u e K a b i n e t t sei des Ver-trauens aller würdig, weshalb die Nation sich ihm anschließen,sich aber keineswegs in Negierungsgeschäfte einmischen solle. Nurunter dieser Bedingung könne die Regierung im Rahmenihrer Bollmachten zum Fortschritte des Vaterlandes ander Durchführung von Reformen arbeiten. Um nicht dieohne Blut errungenen Früchte zu verlieren, möchten allean der Einigung arbeiten. Unberufene Personen, die sich in dieNegierungsgeschäfte mischen würden, sollen von der Regierungverfolgt werden. Niemand habe das Recht, die Bestrafunggewisser Personen deS alten Regimes zu verlangen. Hierüberhätten die zuständigen Staatsdepartements zu entscheiden. DaSKomitee empfehle, sich dem Willen des Sultans zu unterwerfenund dem Ministerium zu vertrauen, das nach seinen Taten zu be-urteilen sein werde. Das Komitee sei immer im Rah m e nder Gesetze tätig gewesen und werde dieses Verhalten auchweiterhin beobachten.Unterdessen macht auch die Reinigung der Ver-w a l t u n g rasche Fortschritte. Die Vertreter des altenSystems werden abgesetzt und zumeist verhaftet. Darüberwird aus Konstantinopel gemeldet:Die WaliZ von Erzerum, Hedschas, Trapezunt, Bairut undAdana sind abgesetzt worden. Jkdam meldet, daß dertürkische Botschafter in Paris Munir Pascha abgesetzt sei.Der frühere Marineminister Rami Pascha, der frühere Ministerdes Innern Memduh Pascha, der vormalige erste Sekretär desSultans Tachstu Pascha, der frühere Großmeister der ArtillerieZekki Pascha, der frühere Präfekt von Konstantinopcl ReschidPascha und der frühere Günstling des Sultans Ebulhude Paschasind verhaftet und tn das KricgSmiiiisterium gebracht worden.Der ehemalige Kammcrherr Ragib Pascha erklärte, er lasse sichohne Vorzeigung eines auf Grund eines Verbrechens ausgestelltenHaftbefehls nicht festnehmen.Wie die Türken auf Provokationen von Vcrfassungsfeindenzu antworten verstehen, zeigt ein Telegramm der„Köln. Ztg."aus Uesküb:General M u s s a f f e r P a s ch a, der der Kommission fürdie Trassierung der Sandschalbahn zugeteilt und als Reaktionärund S p i 0 n bei dem Offizierkorps schon lange verhaßt war, wurdeheute auf der Durckreise nach Saloniki von den auf dem Bahn-Hofe anwesenden Offizieren erkannt. Sie holten ihn aus demWagen heraus und spuckten ihn an. Ein junger Offizier sagte:Du bist ew Schuft und Verräter. Der General mußte die Wortenachsprechen. Bei der Abfahrt wurde er gezwungen, amFenster zu stehen und auszurufen: H 0 ck die Freiheit! undsich selbst von neuem zu beschimpfen. Der Pascha mußte selbstsein Gepäck einladen, da kein Träger ihm half.Nach einein weiteren Telegramm desselben Blattes wurdeMusiaffcr Pascha auch in Köprülü von einer großen Menschen-menge, Zivil und Militär, empfangen und beschimpft. Es wurdeihm die Uniforni zerrissen und die Generalsabzeichen abgenommen.Der Grund der Wut des Volkes war außer der gegen ihn herrschendenStimmung im Offizierkorps das Benehmen des Pascha? bei derAusrufung der Verfassung. Er sagte: Z u e r st hoch die Religionund der Sultan, dann hoch die Freiheit.Die Wandlung der Dinge zeigt sich vor allem auch imökonomischen Leben. In der Türkei war bisher jedeindilstrielle Entfaltung völlig durch ein sinnloses Konzessions-wesen und durch die völlige Unsicherheit der Verwaltung undder Justiz unterbunden gewesen. Jetzt sucht man das Ver-säumte nachzuholen und von allen Seiten kommen Gesuche umErteilung von Konzessionen für Bahnbauten, Elektrizitäts-und Telephonanlagen usw. Zugleich aber sind auch die Ar-b e i t e r in Bewegung gekommen. In Konstantinopel hatkürzlich zum erstenmal ein Streik stattgefunden. Die Last-träger stellten die Arbeit ein und nach kurzem Kampfe wurdenihre Lohnforderungen bewilligt. Jetzt macht sich in allen In-dustriegegenden eine Streikbewegung bemerkbar. Inder Tabakregie ist am Donnerstag ein Streik ausgebrochen,der gleichfalls durch eine Lohnerhöhung beigelegt wurde.Die Gewitterwolken wurden vom Wind nach Nordosten zurück-getrieben. Alles atmete erleichtert auf. Da plötzlich— die Uhrzeigte 2 Uhr 50 Minuten— ein furchtbarer Windstoß, derdas Luftschiff in der Flanke packt. Der Anker reißt sichloS, die Menschen an den Seilen werden zur Seite geschleudert.der Ballon wird etwa Illl) bis 1öl> Meter hoch empor-geworfen und treibt dann etwa 800 Meter demStuttgarter Tale zu. Die Spitze des Flugschiffes senkt sich,eine kleine blaue Flamme leuchtet auf, die Umhüllung des Ballonsfängt Feuer, mit rasender Schnelligkeit züngeln die Flammen empor— ein dunipfer Schlag, eine feurige Lohe das ganze stolze Schiff—langsam, dann immer schneller sinken die Trümmer zurErde nieder. Erst steht die Menge wie erstarrt, ein einzigervieltausendstimmiger Schrei, als die flammende Lohe genHimmel schlägt— das stolze Lebenswerk eines genialen Geistes, dieFrucht einer jahrzehntelangen Arbeit und Kämpfe ist vernichtet, inkaum zwei Minuten zu einem wirrenHaufen vongeschwärzten Stangen und Maschinenteilen ver-wandelt. Wimmernde Menschen liegen unter ben Trümmern.Ist Zeppelin gerettet? geht die bange Frage von Mund zu Munde.Zwei Schwerverletzte werden aufgehoben. Die anderen haben sichretten können. Zeppelin ist nicht verwundet. Er war im Automobilzur Stadt gefahren, um Besuche abzustatten.Nach kurzer Zeit kommt der Graf angefahren. Die Mengeverharrt in achtungsvollem Schweigen. Jeder fühlt, dieser Schlagtrifft den Grafen schwer. Mit Tränen in den Augen überblickt derGraf die Trümmer seines Werkes. Er spricht leise mit seinen Mit-arbeitern. Müde umschreitet er die Reste des stolzen Fahrzeu'eS.Es ist. als ob der Graf in den wenigen Stunden um Jahre ge-altert ist.Mehr und mehr bricht sich die Ueberzeugung Bahn, daß dieKatastrophe, der das Zeppelinsche Luftschiff zum Opfer fiel, sich viel-leicht hätte vermeiden lassen, wenn die Führer des zur Hilfeleistungkommandierten Militärs nur einigermaßen ihrer Aufgabe ge-wachsen gewesen wären. Statt die Mannschaften zur SicherungdeS Luftschiffes zu verwenden, wurden sie gegen das Publikumkommandiert. Nach der Landung des Ballons übernahm dasPublikum freiwillig den Sicherheitsdienst. Ein einziger Landjäger.der aber herzlich wenig zu tun hatte, half dem Publikum. Peinlichwurde darauf geachtet, daß niemand mit brennender Zigarre demBallon zu nahe kam. Die Haltung der vieltausendköpfigen Mengewar musterhaft.Nachdem so etwa zwei Stunden verfloffen waren, rückte dasMilitär an. Das Publikum wurde barsch zurückgedrängt. Fastdie gesamte Mannhaft wurde gegen die Zuschauer kommandiert.Während in der Türkei rascher und vollständiger als manman es für möglich gehalten hätte, der Friede zwischen deneinzelnen Nationen und Konfessionen hergestellt worden ist,während bei den Eidesleistungen in den einzelnen Kasernenbegeisterte Verbrüderungen mit den Christen statt-finden, die auch sonst vom jungtürkischen Komitee angestrebtwerden, scheinen die Großmächte wieder als Störenfriede aus-treten zu wollen. Der„Matin" meldet aus Petersburg:Der Minister des Aeußern wird heute abend den Mächtenauf telegraphischcm Wege das russische Reformprojekt fürMazedonien zustellen. JSwolski wird gleichzeitig die Beweg-gründe, welche Rußland zu der Aufstellung des Refonnweckc-Zveranlaßt haben, auseinandersetzen. Er wird erklären. Rußlandverfolge das Prinzip der Nichteinmischung in die innerenAngelegenheiten der Türkei, aber es verfolge mit Interesse dieChristen im Orient.Wir denken, das Prinzip der Nichteinmischung fordertvor allem, der türkischen Verfassungsbewegung,' die in derkürzesten Zeit mehr für die Ruhe in Mazedonien bewirkt hat,als alle Reformaktionen, keine Hindernisse in denWeg zu legen und der russische Zar täte besser daran, fürmenschliche Zustände für die russischen Christen zu sorgen,bevor er als Beschützer der orientalischen auftritt.politische(lebersicbt.Berlin, den 7. August 1903.Die englische Regierung und der Freihandel.In London tagt zurzeit der internationale Freihandels-kongreß. Sowohl auf dem am Mittivoch abend abgehaltenengroßen Bankett im Hotel Cecil wie in der gestrigen erstenSitzung sind interessante Reden gehalten worden, den beiweitem größten Wert aber besitzen die gewissermaßen imNamen des ganzen heutigen englischen Kabinetts abgegebenenVersicherungen des Premierministers Asquith unddes Handelsministers Winston Churchill,daß die gegenwärtige englische Regierung unbedingt am Frei-Handel festhalte und nicht gesonnen sei, den Schutz-Zöllnern irgendwelche Zugeständnisse zumache n. So sagte z. B. Asquith, nachdem er die Frageaufgeworfen hatte, wie es zu erklären sei, daß die BevölkerungEnglands frcihändlerisch geworden sei und unter allen Um-ständen freihändlerisch bleiben wolle:„Das Festhalten Englands an dem Freihandel sei nicht persön-lichem Einflüsse eines ManneS und nicht Theorien zuzuschreiben,sondern de» Lehren der Erfahrung. Der Freihandel sei undbleibe eine ökonomische Notwendigkeit. Worin bestehe diese Not-tveudigkeit? In der Unfähigkeit Englands, die Lebensmitte lfärdie Bevölkerung und das Rohmaterial für seine Industrien hervor-zubringen. England könne seine Industrien nur erhalten undseinen Arbeitern nur dann Beschäftigung sichern, wenn es seineHäfen für die ganze Welt offen halte. Mit der Zeit würde dieNotwendigkeit auch andere Nationen dazu zwingen, dem BeispieleEnglands zu folgen. Die Weisheit des Ratschlages Peels,Zölle durch Freihandel zu bekämpfen, trete immer deutlicher her-vor. Dies klinge paradox, aber der Grund dafür, daß esrichtig sei, sei leicht zu finden. Die fteien Importe sichertenEngland eine ganze Reihe von unverzollten Rohmaterialien undnötigenfalls auch von Maschinen. Die Folge sei, daß die englischenWaren auf den neutralen Weltmärkten mit den Waren andererLänder erfolgreich konkurrieren könnten. Ja, der englische Handelkönne infolgedeffen sogar die Schutzzollmauern der anderen Länderüberspringen und mit den Waren der betreffenden Länder in dereneigenem Gebiete in Wettbewerb treten."Eine Zierde des ReichsverbandeS.Vor einiger Zeit brachten wir eine Liste von geborstenen Orb-nüngsfäulen, die innerhalb des Reichslügenverbandes eS als ihreheiligste Pflicht ansahen, die verhaßten Roten, bei denen dieschlimmste Korruption herrschen soll, in ihrer bekannten moralischenWeise zu bekämpfen. Unter diesen Wackeren befand sich auch derGründer der Ortsgruppe Darmstadt des Reichslügcnverbandes,Dr. Zimmer, der dieser Ortsgruppe lange Jahre als Vorsitzendervorstand. Neulich wurde er nun von der Firma E. Merck, bei derer 1ö Jahre beschäftigt war, Knall und Fall entlassen. Unser Darm-städter Parteiblatt, der„Hessische Volksfreund", griff die Sache aufNur wenige Soldaten waren beauftragt, darauf zu achten, daß derWind das Luftschiff nicht losreiße. Wie die Offiziere ihr Amtauffaßten, dafür ein bezeichnendes Vorkommnis: Bei der Ab-löfung klappte ein Griff nicht recht. Der Offizier lieh daraufhindie Mannschafft Griffe kloppen! Diese kleine Episode zeugt wohlam besten davon, wie sehr die Offiziere der Situation gewachsenwaren.Das Publikum bemerkte frühzeitig genug die Gefahr, als dasGewitter drohte. Der verderbenbringende Windstoß machte sichschon von weitem durch eine ungeheure Staubwolte bemerkbar.Schreie und angstvolle Warnungsrufe hätten den Offizieren noch zuden notwendigen Maßnahmen Veranlaffung geben sollen. Manhätte im letzten Augenblick noch das Luftschiff mit der Spitze demWindstoß entgegendrehen, auch etliche hundert kräftige Männerveranlassen können, an den Seilen und Stangen das Schiff zuhalten. Statt deffen wurden die hilfsbereiten Arbeiter und Bauernzurückgetrieben.Im nächsten Augenblick war das Unglück geschehen. Die paarSoldaten mußten, um ihr Leben zu retten, die Seile fahren lassen.Die Empörung des Publikums kannte keine Grenzen mehr.Verwünschungen und Schmährufe wurden laut. Die einfachenSoldaten entschuldigten sich, sie hätte» den Befehlen gehorchenmüssen. Die unverständige Haltung der Offiziere reizte aber bieMenge noch mehr. Einen Augenblick schien ein allgemeiner Kampfunausbleiblich. Die Wut des PMikunis hatte den Gipfel erreicht.Da traf Zeppelin ein. Wie auf ein Zauberworr beruhigte sichdas Publikum. Achtungsboll machte man dem Grafen Platz. Dannbrachte die Menge dem schwergeprüften Manne betäubende Ova,tionen dar. Die Gefahr eines furchtbar blutigen Nachspiel» derKatastrophe war beseitigt....Glücklicherweise bewahrheitet sich die Nachricht vom Tode desMonteurs Laborda nicht. Er wurde in tiefer Ohnmacht für totvom Platze getragen.—Gesagt muß noch werden, daß nach dem Urteil von Fachleutenda» Lastschiff bei aller Zweckmäßigkeit der Einrichtungen undSchönheit der Formen doch verriet, daß dem Grafen äußersteSparsamkeit Pflicht war. Mancher Teil machte direkt den Ein-druck der Aermlichkcit. Die beiden Gondeln waren nicht überdeckt.obgleich die Motore eine feste Ueberdachung notwendig gemachthätten, um einen feuersicheren Abschluß gegen den Ballon zu er-zielen. Weiter wäre ein dritter Motor und ein drittes Schrauben-paar in der Mitte des Ballons vielleicht von hohem Wert gewesen.Wir zweifeln nicht, daß auf Grund' oer Erfahrungen der erstengrößeren Reise das neue Luftschiff an Sicherheit und Zweckmavig-keit wie Schnelligkeit das zugrunde gegangene wclt übertreffenwird,