Nr. 184. 25. Jahrgang.1. KeilW drs Jaraitls" Kcrlim Joltelilirtt..8-£ln neuer IBaffenraißhandlingsprozeB.Am Freitagmorgen hat vor dem Oberkriegsgericht des Garde-korps jener zweite große Mitzhandlungsprozetz be-gönnen, der vor zwei Monaten vor den Schranken desDivis ionsgerichtes verhandelt wurde. Auf der Anklage-dank sitzen sechs Angeklagte, und zwar die drei VizefeldwebclWalter, Holzapfel und Biermann, der FeldwebelB u ch h o p, der Sergeant B a I k und der Leutnant v. Bültzings-l ö w e n. Die drei Hauptübeltäter Holzapfel, Biermann und Balkwerden aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Es werden ihnenMißhandlungen Untergebener...»bis zu breihimdert Fällen �zur Last gelegt. Das Urteil, das seinerzeit gegen die Angeklagtendurch das Kriegsgericht der k. Gardedivision gefällt wurde, lautetegegen Balk auf ein Jahr drei Monate Gefängnisund Degradation, gegen Holzapfel auf ein JahrGefängnis sowie Degradation, gegen Bier mannauf elf Monate und drei Wochen Gefängnis undgegen Walter auf vier Wochen gelinden Arrest. DerFeldwebel Buchhop und Leutnant v. Bültzingslöwenwurden freigesprochen. Ebenso wie im Falle Dhamm hatsich der Gerichtsherr bei diesem Urteil nicht beruhigt. Er hatdagegen bei dem Oberkriegsgericht des Gardekorps Berufung ein-gelegt. Aber auch die Angeklagten, soweit sie verurteilt wordensind, haben sich bei dem Urteil nicht zufrieden gegeben. Sie habengleichfalls Berufung eingelegt.Nach erfolgtem Zeugenaufruf ermahnte der Verhandlungs»lciter die Zeugen zur strengen Wahrheit. Einer der Haupt-bclastungszeugen, der frühere Grenadier Davids, istnicht zur Stelle. Der Verhandlungsleiter gibt zunächst einenkurzen Ueberblick über den bisherigen Verlauf des Prozesses. Ererwähnt den Brief, den Davids seinerzeit an die Militärbehördesandte, und der den eigentlichen Ausgangspunkt des Prozessesbildet. Davids beschuldigte in dem Schreiben seine Vorgesetztender fortgesetzten Mißhandlungen. Die eingeleitete Untersuchungergab denn auch die B e st ä t i g u n g der in dem Briefe an-gegebenen Beschuldigungen. Bei dem Sergeanten Balk wurdenmindestens 30V Fälle, bei Holzapfel mindestens 200 und fceiBiermann mindestens 100 Fälle von Mißhandlungenbezw. vorschriftswidrige Behandlung Untergebener angenommen.Außerdem wurde Balk und Biermann zur Last gelegt, unter An-drohung nachteiliger Folgen, Untergebene von der Beschwerde-führung abgehalten zu haben. Dem Angeklagten Walter wurdengleichfalls Mißhandlungen Untergebener vorgeworfen. Auch hater die ihm obliegende Beaufsichtigung Untergebener in schuldhafterWeise verabsäumt. Feldwebel Buchhop und Leutnant v. Bültzings-löwen werden beschuldigt, die ihnen obliegende Beaufsich-t i g u n g Untergebener u n t e r l a-s s e n und in schuldhafterWeise die ihnen obliegende Meldung strafbarer Hand-lungen Untergebener verabsäumt zu haben.Oberkriegsgerichtsrat Dr. Boeler verliest das Urteil desKriegsgerichts und die dem Urteil zugrunde liegenden Vorgänge.Es geht daraus hervor, daß der Angeklagte Balk in derschwersten und roheste» Weisedie Leute mißhandelt hat. Der Gewehrkolben, die Klopfpeitsche,eine 12— 15 Zentimeter starke Stange, das Seitengewehr, dieStcllstange und die Faust spielten bei den Mißhandlungen einegroße Rolle. Die Hauptopfer des Balk waren die GrenadiereDavids, Arndt. Schulz und Grell. Sie wurdenfast täglich geschlagen.Davids nimmt mindestens ISO Fälle für seine Person an. Arndtwurde einmal mit solcher Wucht mit der Stellstange ins Gesichtgeschlagen, daß die Haut platzte. Auch auf die Hodenwurden die Leute getreten.„Zahllose",„ungezählte" Fälle,„täg-liche Mißhandlungen" usw., so sagten die Zeugen teilweise in derersten Instanz aus. Nicht ganz so arg hauste der Angeklagte Holz-apfcl. Seine Spezialität bestand in Faustschlägen und Fußtritten.Mit Vorliebe trat er den Mannschaften auf die Füße. Davidserhielt einmal einen Faustschlag ins Gesicht, daßdie Zähne wackelten und das Blut aus dem Munde herauSfloß.Einige der Untergebenen Holzapfels wurden von diesem fast täglichmißhandelt. Biermann mißhandelte seine Leute in nicht ganz soroher Weise als seine beiden Vorgänger. Bei dem Urteil wurdeberücksichtigt, daß die drei Hauptangeklagten die Mißhandlungenkleines feuilleton.Lamarck und Darwin. Diese beiden Namen bezeichnen zweiRichtungen, die sich in der biologischen Wissenschaft feindlichgegenüberstehen, obwohl beide großen Naturforscher Bahn-b»echer auf dem Wege zur Erkenntnis der Arten geworden sind.Im nächsten Jahre werden wir den 100. Geburtstag Darwinsseiern, zugleich aber auch den 100. Geburtstag des LamarckschenHauptwerkes„Zoologische Philosophie". Hieran erinnerte ProfessorMay- Karlsruhe, der auf dem Internationalen Historikerkongreßüber das Verhältnis der beiden Forscher sprach. Man könnte leichtmeinen, Darwin sei durch seinen großen französischen Vorgänger inentscheidender Weise angeregt worden. DaS ist aber durchaus irrig.In seinen Briefen äußert sich Darwin außerordentlich hart überLamarcks Buch, das sich ihm bei zweimaligen Lesen als ein„erbärmlichesund für ihn völlig nutzloses Buch" erwies. Au anderer Stelle sagter:»Der Himmel bewahre mich vor dem Lamarckschen Unsinn, voreiner durch den Willen bewirkten Anpassung". Darwins Forschungs-art war eben eine andere als die Lamarcksche. Darwin hat sich aufdie naturwissenschaftliche Aufgabe beschränkt, Licht auf den Ursprungund die Umbildung der Arten zu werfen. Der Ursprung der geistigenKräfte, der Ursprung des Lebens sind nach ihm Probleme für eineferne Zukunft, wenn sie überhaupt je von Menschen gelöst werdenkönnen. So sucht Darwin lediglich nach Tatsachen über die Ver-änderung und Umbildung der Arten und sammelt vor allem dieTatsachen der geographischen Verbreitung und der geologischen Auf-cinanderfolge der Pflanzen- und Tierarten sowie die positiven Tat-fachen der Umbildung der Arten durch Züchtung.In allen diesen Richtungen tonnte er' bei Lamarck nichtsfinden. Lamarck war Systematiker und ist durch seine shstemati-fchen Arbeiten zu seinen entwickelungsgeschichtlichen Spekulationengekommen. Er bekennt selbst:„Wie hätte ich die eigentümliche Ab-siufung. die sich in der Organisation der Tiere zu erkennen gibt,betrachten können, ohne nach der Ursache dieser so primitiven, sowichtigen und durch so viele Beweise gestützten Tatsache zu fragen?Mußte ich nicht annehmen, daß die Natur die organischen Wesennach und nach hervorgebracht habe, indem sie vom Einfachen zumKomplizierteren sortschritt." Die zentrale Idee Lamarcks zur Er-klärung der Umbildung, daß d'e Funktion und die Tätigkeit derOrgane diese Organe gebildet und ins Dasein gerufen habe, ver-wirft Darwin keineswegs völlig, nur ist für ihn die Umbildung derOrgane durch Gebrauch und Nichtgebrauch selbst noch erklärungs-bedürftig, und diese Erklärung fipdet er durch die Selcktionstheorie,die Lehre von der natürlichen Zuchtwahl, eine Idee, die Lamarckvollständig fehlt. Weiter kommt hinzu, daß Lamarck als Natur-Philosoph sich nicht auf die entwickclungstheorctischen Problemebeschränkt, fondern auch die Fragen nach dem Wesenund der Entstehung des Lebens. die Darwin aus-drücklich ablehnt, in den Kreis seiner Betrachtung zieht.Fast mit'' Vermessenheit sagt er:„Ich kann beweisen, daß dieAlten nicht im Irrtum waren, als fie der Natur die Fähigkeit zu-schreiben, spontane Zeugungen zu bewirken." Und ebenso kühn tritt�gewohnheitsmäßig betrieben und sie zum Erziehungsprinzip er-hoben haben. Ebenso wie im Falle Breitenbach wollten die An»geklagten„erzieherisch" wirken.Der Gerichtsherr hebt in seiner Berufungsbegründung hervor,daß Balk, Holzapfel und Biermann mit Rücksicht auf die Höhe derAnzahl der Mißhandlungen und mit Rücksicht aus die Roheit, diedabei angewendet wurde, schwerer bestraft werden müssen.Die Strafen, die das Kriegsgericht ausgesprochen hat, erscheinendem Gerichtsherrn zu gering. Ferner fordert der Gerichtsherrdie Verurteilung der Angeklagten B u ch h o p und v. Bültzings-löwen» die beide in erster Instanz freigesprochen wurden. DerVerteidiger des Leutnants v. Bültzingslöwen beantragt, währendder Beweisaufnahme, die sich gegen seinen Klienten richtet, dieOeffentlichkeit auszuschließen. Der Vertreter der Anklage siehtkeinen Grund hierfür. Das Gericht lehnt nach kurzer Beratungden Antrag ab, da kein Grund vorliege.Bei seiner Vernehmung gibt Sergeant Balk zu, daß erLeute„im Dienst zurechtgestellt" und vielleicht auch scharf angefaßthabe. Er könne sich nicht erklären, wie ihn die Zeugen so schwerbelasteten. Er sei damals noch junger Unteroffizier gewesen undhabe es noch nicht richtig verstanden, die Untergebenen zu be-handeln. Er entsinnt sich nur der Klopfpeitsche, mit der er dieLeute geschlagen hat. Der Angeklagte bestreitet, daß er sich schwereFälle von Mißhandlungen habe zuschulden kommen lassen. Aufdie Frage, ob er Davids getreten habe, meinte Balk:„Was derso treten oennt!"„Ihr Saue, das sollt Ihr«och büßen!"Diese Aeußerung, die der Angeklagte an seine Leute richtete, gibter schließlich zu. Davids sei es gewesen, der überall böses Blutgemacht habe. Er habe es nicht allein gewagt, seine direkten Vor-gesetzten, sondern auch die ihm wohlwollenden Offiziere anzu-greifen.Justizrat S e l l o bittet um Aufklärung wegen des«FallesB r e i t e n b a ch", der von dem Gericht als notorisch angenommenwurde. Ihm sei der„Fall Breitenbach" nicht gerichtsnotorisch.Rechtsanwalt Ulrich bemerkte hierzu, daß der„Fall Breitenbach"1903 die Kriegsgerichte beschäftigt habe. Seitdem hörten die MißHandlungen im 4. Gardercgiment auf. Es war ein Befehl er-gangen, wonach die Unteroffiziere nicht näher als bis aufdrei Schritt an die Leute herankommendürfen. Der Angeklagte Holzapfel gibt im großen und ganzendie ihm zur Last gelegten Vergehen zu, er sucht die schwereren Fällejedoch als leichte Mißhandlungen darzustellen. Holzapfel hat dieUntergebenen gern„geschliffen".„Schemelstrccken",„Unter dieBetten kriechen" und ähnliches käme dabei zur Anwendung.Feldwebel B u ch h o p will von Mißhandlungen nichts g esehen haben. Auch Meldungen über Mißhandlungen gingennicht bei ihm ein. Das gleiche gibt Leutnant von Bültzings-löwen an. Gegen die Vorlesung der Aussagen des ZeugenDavids, dessen Vernehmung vor dem Kriegsgericht unter Aus-schluß der Oeffentlichkeit stattfand, wird seitens der VerteidigungProtest erhoben. Der Antrag wird jedoch abgelehnt.Davids bekundete folgendes: Er sei von Balk mindestens00 mal geschlagen worden.Fast die ganzen Leute der Korporalschaft wurden mißhandelt.Arlt wurde am häufigsten geschlagen. Auf einen verzweifeltenBrief, den der Zeuge an seinen Schwager richtete, wurde mit demFeldwebel Rücksprache genommen. Biermann hatte die Angewohn-heit, die Leute am Kehlkopf zu kneifen. Er sagte ihm einmal:Geh ins Krankenhaus und laß Dir Wasser in den H......spritzen, Du wirst dann gesund!" Leutnant von Bültzings-löwen hat einmal gesehen, wie ein Grenadier wegen Mißhand-lungen geweint hat. Der Zeuge wurde einmal auchan den Geschlechtsteilen gerissen.Der Zeuge Meier, der vor dem Kriegsgericht nur zögerndmit der Wahrheit herauskam, bekundet heute, daß er unzählige Malegeschlagen worden sei. Auf die Vorhaltungen des Verhandlungs-leiters gibt er an, es könnten 50, 100 Fülle gewesen sein. Er, derZeuge übertreibe keineswegs. Nicht allein Balk, sondern auchB i e r m a n n haben ihn häufig geschlagen. Was er bekommen hat.benützte er zu den Mißhandlungen. Auch Holzapfel habe ihn ge-schlagen. Beim Exerzieren trat Biermann dem Zeugen auf dieBrust und sagte dann:„Du mußt kaput gehen, Du Kanalbacke!"Grell ist von Balk wöchentlich etwa dreimal mißhandelt wordenDer Zeuge ist im September vorigen Jahres mit Davids in Zürichzusammengetroffen, doch hat er wegen der Mißhandlungen nichter an das psychologische Problem heran.„Es kann nicht mehr be-zweifelt werden," heißt es bei ihm,„daß die Verstandesprozesselediglich Formen von Organisationseigentümlichkeiten sind." Nachihm hat der Zoologe die Aufgabe, zu untersuchen, was die Ideensind, wie sie entstanden sind, wie sie sich erhalten, wie sie insGedächtnis zurückgerufen und von neuem zum Bewußtsein gebrachtwerden. All das mußte Darwin als wilde Spekulation einer er-hitzten Phantasie erscheinen, und so erklärt sich sein hartes Urteil,daS dem großen französischen Forscher keineswegs gerecht wird.Um so mehr ist eS Pflicht der heutigen Welt, in dem bevorstehendenJubeljahr des Darwinismus des Mannes zu gedenken, der vor100 Jahren die Grundlinien gezogen hat, die durch seine glücklichenNachfolger zur Basis unserer biologischen Forschung werden sollten.In der Diskussion, die sich an den mit großem Beifall auf-genommenen Vortrag anschloß, gab Prof. May einen interessantenUeberblick über die in neuester Zeit hervorgetretcuen antidarwinisti-schen Strömungen. Dieselben richten sich nicht etwa gegen die Eni-Wickelungslehre an sich— diese ist vielmehr ganz allgemein an-genommen—, sondern gegen die spezielle Erklärung der Entwicke-lung durch natürliche Zuchtwahl. Die Nco-Lamarcklsten gehen aufdas Lamarcksche Prinzip der funktionellen Anpassung zurück; dieNeo-Vitalisten, unter ihnen der bekannte Botaniker aus Kiel, zu-gleich Herrenhansmitglied, Prof. Reinke, trollen wieder teleologischePrinzipien zur Erklärung der Umbildung und Höherentwickclung ein-führen. Diese Richtung hat in der jüngsten Zeit eine große Be-deutung gewonnen; doch steht ihnen auch eine starke neo-darwinistischeRichtung gegenüber, welche das Zuchtlvahlprinzip Darwins nochübertreibt und geradezu von einer Allmacht der natürlichen Züchtungspricht.*• mIn der allgemeinen Sitzung des Kongresses sprach Prof. Hei-b e r g aus Kopenhagen über„ A r ch i m e d e s im Lichte einer neugefundenen Schrift". Im allgemeinen wissen wir von dem Eni-wickclungSgango der großen griechischen Mathematiker gar nichts,lveil ihre mathematischen Werke vollständig unpersönlich sind, dieResultate uns darin fertig entgegentreten. Eine Ausnahme bildetder berühmte ArchimedeS, der durch die Erfindung von Verteidigungs-Maschinen bei der Belagerung seiner Vaterstadt Syrakus durch dieRömer auch in weiteren Kreisen bekannt geworden ist. Abweichendvon den anderen griechischen Gelehrten, die eine gemeinsame Schriftsprache benutzten, schrieb er in seinem vaterländischen Dialekt, Auchfönst trat er häufig genug in Gegensatz zu den Zunftgelehrtcnfeiner Zeit und erwies sich auf wissenschaftlichem Gebiete als einRevolutionär.Die vor zwei Jahren aufgefundene Schrift des ArchimedeS„Methodenlehre von den mechanischen Lehrsätzen" gibt einen klarenEinblick in die Arbeitsweise des großen Griechen und zeigt, daß erbereits im Besitz einer Methode war, die im wesentlichen die derInfinitesimalrechnung ist, welche erst wieder im 17. Jahrhundert.also 1800 Jahre nach ArchimedeS. neu geschaffen wurde. Helbergführt dies als handgreifliches Beispiel dafür an, wie viel Zeit undArbeit das Hinwelken der griechischen Wissenschaft unter dem kaltenmit ihm gesprochen. Balk war sonst gut, aber im Dienst sehr heftig.Auch von Biermann ist Grell beim Zielen mißhandelt worden.Auf die Frage, wer der Schlimmste gewesen sei, erwiderte derZeuge, B i e r m a n n. Der Zeuge Engels ist etwa 50— 100 malgeschlagen worden. Kleine Versehen waren die Ursachen der Miß-Handlungen. Der Zeuge blutete öfter nach den Miß-Handlungen. Eines Morgens waren die Mannschaften etwasspät zum Dienst gekommen, worauf die Klopfpeitsche in Aktiontrat. Balk schlug ihm in roher Art ins Gesicht. Nur während derAusbildung kamen die Mißhandlungen vor. Nach der VerurteilungBreitenbachs hörten die Mißhandlungen auf.Bei der Vernehmung des Zeugen Buhr kommt ein be s o n-ders schwerer Fall von Mißhandlung zur Sprache. Buhrerhielt eines Tages von dem Angeklagten Balk einen so g e w a l-tigen Schlag,.daß ihm das Trommelfell platzte.'-Der Geschlagene verlor das Bewußtsein undbrach zusammen. Auf dem Revier mußte der Zeuge aufGeheitz des Angeklagten fälschlich angeben, die Verletzungsei durch einen versehentlichen Gewehr stoß einesKameraden entstanden! Der nächste Zeuge Heinrich wurdeebenfalls bei einer Mißhandlung ohnmächtig. Ein weiterer Zeugeist der Ansicht, daß die Sache nicht so schlimm gewesen sei, alsmanche Zeugen angegeben hätten. Der Zeuge ist nicht so häufigals andere Kameraden geschlagen worden. Er will sich nicht mehrentsinnen, daß in großem Umfange geschlagen wurde, gibt jedochzu, daß es zeitweise„etwas stark" war. An den Zeugen Struw erichtet der Verhandlungsleiter die Frage, ob ihn die Mißhandlungennicht empört hätten. Struwe erwidert:„Ganz schlimm war esnicht." Es folgen nun eine Reihe von Zeugen, die nur in einzelnenFällen mißhandelt worden sind, Buhmann wurde einmal an denHaaren gezogen. Im Gegensatz zu den ersten Belastungszeugen,die über die Mißhandlungen empört waren, sagen die nächstenZeugen aus, daß nicht so viel geschlagen worden sei. Ein Zeugebekundet, daß in der 3. Kompagnie ein netter Ton zwischen Unter-offizieren und Untergebenen geherrscht habe. Justizrat Scllo richtetan einen der Zeugen die Frage, ob nicht in der Kompagnie überdie unmenschlichen Mißhandlungen, die nach Angabe mehrererZeugen vorgekommen sein sollen, gesprochen worden sei. Der Zeugeweiß hiervon nichts. Der Zeuge Henke bekundet wiederum, daßgewohnheitsmäßig geschlagenworden sei. Die Leute hätten Angst gegenüber den Vorgesetztengehabt. Es wurde auch tüchtig„geschliffen". In Gegenwart vonOffizieren sei nicht mißhandelt worden. Gerichtsasseffor Malmke,dessen Aussage verlesen wird, hat bekundet, daß damals das Gerüchtumging, daß auch in anderen Kompagnien gc-schlagen werde. Er habe jedoch keine Anzeige erstattet,da er sich als Einjähriger nicht in die Sache hinein-mischen mochte. Mittags tritt eine Pause ein.In der Nachmittagssitzung wurde in der Verlesung der Aus-sagen der nicht erschienenen Zeugen fortgefahren. Nach beendeterBeweisaufnahme ergreift der Vertreter der Anklage,Kriegsgerichtsrat Schönemark, das Wort. Er steht nach dem Er-gebnis der heutigen Beweisaufnahme auf dem Standpunktdes Urteils der ersten Instanz. Daß viel geschlagenworden sei in der Kompagnie, sei erwiesen. Auffällig sei eS allerdings, daß von den fortgesetzten zahlreichen Mißhandlungen-von den Vorgesetzten nichts bemerktwurde, doch sei ein Beweis für die Angeklagten Buchhoff undvon Bültzingslöwen in dieser Hinsicht nicht erbracht. Er müsse alsoin diesen beiden Fällen Freisprechung beantragen. Was das Strafmaß der übrigen Angeklagten angehe, so hält er die Strafe, dieim ersten Urteil ausgesprochen sei, für ausreichend. Der Ver»treter der Anklage beantragt schließlich, soloohl die Berufung derAngeklagten als auch des Gerichtsherrn zu verwerfen.Das Urteil lautete für die drei Hauptangeklagten etwas günstigerals der erste Richterspruch. Die Berufung des Gerichtsherrn wurdegänzlich verworfen. Der Angeklagte Balk wurde auf seine Berufunghin zu einem Jahre und einem Tag Gefängnis, Holzapfel zu elfMonaten und Biermann zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt.Bei allen drei Angeklagten wurden zwei Monate von der Unter-suchungShaft als verbüßt erachtet.Auf Degradation wurde nicht erkannt.Der Berufung des Vizefeldwebels Walter wurde nicht statt-gegeben. Feldwebel Buchhop und Leutnant v. Bültzingslöwen wurdenebenso wie in der Vorinstanz freigesprochen. In der BegründungHauch des Römertums und der dadurch vorbereitete große Zusammen-bruch des wissenschaftlichen Denkens im Mittelalter der Menschheitgekostet hat.Humor und Satire.— Im Dorfwirtshaus.»...Die Zeitung ist ja vonvorgestern; kann ich nicht die von heute haben?"—„Die kriegenwir erst übermorgen; aber morgen können S' schon die von gesternhaben!"•— Die junge Hausfrau.„DaS Waffer kocht— wennich nur jetzt wüßte, Ivos ich hineintun soll?!"— Annonce. Gebe bekannt, daß morgen einige wertvolleVasen unter den Hammer kommen. Maier, Auktionator.— Protest.� Sie:„Was ist Dir?"— Er:„Nichts; mir warnur ein Schluck Bier in die unrechte Kehle gekommen I"— Sie:„Du, fang' mir nur mit der anderen Kehle nicht auch noch zusaufen an!"_(„Fliegende Blätter".)Notizen.— Der Führer der dänischen Grönlandexpedition, dessen Todgestern gemeldet wurde, M h l i u s E r i ch s e n, ist HungerS gestorben. Er war mit zwei Begleitern— einer Dame und einemEskimo— im Schneesturm auf eine Eisscholle geraten und vomLande abgetrieben worden. Nachdem öer Proviant verbraucht war,starben Erichsen und die Dame infolge von Entkrästung, lvährendeS dem Eskimo noch gelang, die Station zu erreichen und Berichtzu erstatten; er verstarb dann aber auch.Die Zahl der Ausländer an den deutschenUniversitäten ist im Sommerseniester 1908 gegen die Vor-semester zurückgegangen. Insgesamt betrug sie 3594 gegen 4151 in,Winter 1900/1907 und 3700 im Sommer 1907. Ob diejer Rückgangzusammenhängt mit der von reaktionärer und chauvinistischer Seitebetriebenen Hetze gegen die in Deutschland studierenden Ausländerund den von manchen Universitäten infolgedessen angewandten be-schränkenden Maßnahmen, wird in der benutzten Universitätsstatistiknicht gesagt; offenbar aber besteht hier ein Zusammenhang. Vonden ausländischen Studenten waren beheimatet 1373 in Rußland,600 in Oesterreich-Ungarn, 293 in der Schweiz, 150 in Bulgarien,143 in England, 92 in Rumänien, 00 in Serbien, 58 in Holland,55 in Frankreich. 43 waren Griechen, 43 Türken, 42 Luxemburger.41 Italiener, 32 Schweden und Norweger, 24 Belgier, 14 Spanier.9 Portugiesen, 4 Dänen; 252 kamen aus Amerika, 131 aus Asien(hauptsächlich Japaner), 11 aus Afrika(meistens Söhne deutscherAnsiedler), 2 aus Australien. Vornehmlich ist die Zahl derstudierenden Russen, und zwar von 1400 auf 1373 zurückgegangen,eine Tatsache, die sich wohl durch die bekannten polizeilichen Matz-regeln erklären läßt. Unter den erstklassigen Universitäten iveist nurMünchen eine Zunahme der ausländischen Studenten auf. Mangeht wohl nicht fehl, wenn man diese Bevorzugung Münchens inZusammenhang briirgt mit der dort herrschenden größeren Toleranzgegen die„Fremdlinge", während sonst unsere realtionären lieber-Patrioten ihre Ausgabe, das geliebte Vaterland in den Augen dergesitteten Welt möglichst herabzusetzen, wirksam erfüllen.