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Hefte Aufgab?« zv erfüllen hätke«, forderte er für die christlichen Organisationen, daß sie interkonfessionell und parteipolitisch neutral seien. In dem Augenblick, wo eine Gewerkschaft sich auf konfessio nellen Boden stelle, sei ihr das Rückgrat gebrochen, denn keige tnirchengemeinscktaft könne und werde die Verantwortung für die wirtschaftlichen Jnteressenkämpfe der Arbeiter übernehmen.(Sehr schmeichelhaft für die Kirche, die angeblich ein Anwalt der Armen und Bedrückten ist!) In der Aussprache über den Vortrag von GieSbcrtZ ergab sich, namentlich zwischen den Deutschen und Hob ländern. eine weitgehende Meinungsverschiedenheit über die Rot tvcndigkeit der Jnterkonfessionalität. Schiffer(Düsseldorf ) be- stritt den Bischöfen das Recht, den Arbeitern, wie es in Holland geschehen ist. den Eintritt in eine bestimmte Organisation vorzu schreiben oder zu verbieten. Sie hätten das Recht und die Pflicht, in religiösen und kirchlichen Dingen die Wege zu weisen, aber in rein wirtschaftlichen Dingen stehe ihnen kein Machtwort zu. Stegerwald(Köln ) meinte:Solange die Kirchenfürsten den 'Unternehmern nicht verbieten, sich mit Andersgläubigen zu Wirt schaftlichcn Zwecken zusammenzuschließen, solange hat kein Papst und kein Bischof das Recht, den Arbeitern vorzuschreiben, wie sie sich gewerkschaftlich organisieren sollen." Ein Wiener Delegierter riet von einer Beschlußfassung in dieser Frage ab und trat dafür ein, die Frage der Konfessionalität als eine häusliche Angelegenheit der Holländer zu betrachten. Wiedeberg(Berlin ) meint da- gegen, es feien verpflichtende Grundsätze aufzustellen; die Holländer müßten sich, nach einer gewissen UebcrgangSzeit, zur Jnterkonfessio nalität bekennen. Zur Frage der Notwendigkeit internationaler Beziehungen und der Einrichtung eines internatio- nalen Sekretariats wird durch eine Resolution 1. den christlichen Gewerkschaftsorganisationen aller Länder empfohlen: 1. a) Die Bildung von leistungsfähigen, möglichst straff zentrali- sicrtc» Industrie- bczw. Fachverbänden auf christlicher(interkon- fessioneller). parteipolitisch neutraler Grundlage; b) Zusammen schluß(lederation) der einzelnen Berufsvcrbände zu Landeszen- tralen mit einheitlicher Leitung(Gewerkschaftskommission. Gcwerb schaftsausschuß usw.) 2. a) Als Zentral, und Geschäftsstelle für die internationale Vereinigung der Landeszentralcn die Gründung eines allgemeinen internationalen Sekretariats für die christlichen Gewerkschaften aller Länder; b) das internationale Sekretariat wird dem Generalsekretär der christlichen Gewerkschaften Deutsch- landS, Herrn Stegerwald-Köln, übertragen; c) die Landeszentrale leistet an das internationale Sekretariat einen Jahresbeitrag von 1 Pf. pro Mitglied; die Kasse darf nur zu geschäftlichen Unkosten in Anspruch genommen werden. 3. Es wird eine leitende intern nationale Gewerkschaftskommission gebildet, in die jede Landes- zentrale auf jedes angefangene 100000 Mitglieder einen Vertreter entsendet; die Kommission tritt nach Bedarf, mindestens jedoch alle zwei Jahre zusammen. 4. Die Landeszentrale verpflichtet sich, an das Sekretariat jede erforderliche Auskunft zu erteilen, vor allem aber alljährlich statistische Angaben über Stand. EntWickelung und Leistungen ihrer einzelnen Organisationen einzusenden. Der letzte Punkt der Tagesordnung betraf die Aufgaben der christlichen Gewerkschaften in den Grenz- gebieten. Der Referent empfahl ein gemeinsames Vorgehen bei allen Aktionen zur Verbesserung der Arbeits- und Lohnbedin gungcn in allen den Grenzbezirlen, die wie das sehr oft der Fall ist ein gemeinschaftliches und geschlossenes Wirtschaftsgebiet darstellen; die Ueberwachung und Regelung des Durchzugs und Zn zugs der fremden Arbeiter, vor allem durch Aufklärung der hei- , nischen Arbeiter über die Verhältnisse im benachbarten Grenz- bezirke; Heranziehung der zugewanderten Arbeiter zur Organisa- tion und mit ihrer Unterstützung die Anknüpfung von Beziehungen zu ihren in der Heimat zurückgebliebenen Arbeitskollegen, um diese vor unbesonnener Abwanderung über die Grenze zu warnen. Ein Beschluß in dieser Frage wurde nicht gefaßt. Auf der Konferenz derchristlichen Internationale" waren 07 Delegierte anwesend. Die Berichte aus den verschiedenen Län- dern lassen deutlich die Schwäche der christlichen Gewerkschaften gegenüber den sozialistischen Organisationen erkennen, und die Ver Handlungen zeigen, wie weit die Christlichen von der Möglichcit ent- fernt sind, an Geschlossenheit und Tatkraft der sozialistischen Be- wegung gleichzukommen, so sehr sie sich auch bemühen, sich deren Erfolge und Erfahrungen zunutze zu machen. Sie lütliiiche Kevolution und dieGroßmächte". Regieren heißt voraussehen." soll einmal Katharina II. geäußert haben. Wenn diese Auffassung richtig ist, so darf man ivohl bei den führenden Staatsmännern in Rußland wie in England keine großen Regierungsfähigkeiten vermuten. Am Vorabend der türkischen Revolution hatten sie keine Ahnung von der ganzen Bewegung der Jungtürken ; denn sonst hätten sie sich kaum so viel Mühe ge- geben, einen ausführlichen Plan zur Regelung derinneren Verhältnisse" in der Türkei auszuarbeiten. Ebenso wenig Ver- ständniZ für die revolutionäre Bewegung in der Türkei zeigten die übrigen Großmächte, die dem englisch -russischen Projekte zustimmten und Unterstützung versprachen. Daß mit der Umwälzung in der Türkei alle diese Pläne und Projekte ihre Bedeutung verloren haben, liegt auf der Hand, und sie werden zurückgezogen werden müssen. Uebrigens werden die Mazedonier und überhaupt die Christen in der Türkei nichts dabei verlieren. Denn auch dies- mal sind die schönen Worte der Diplomatie nicht ernst zu nehmen. Seit 1376 haben die Großmächte nicht weniger als fünfmal Reformprojekte ausgearbeitet, abgesehen von den unzähligen diplomatischen Vorstellungen. Einige dieser Projekte werden von der türkischen Regie- rung angenommen, die Vorstellungen wurden von der türkischen Regierung mit weitgehenden Versprechungen be- antwortet und... alles blieb beim alten. Um die Aus- führung der Versprechungen hat sich die europäische Diplomatie nie gekümmert. Ein Beweis für viele. Der ehemalige französische Minister und jetzige französische Deputierte Pierre Baudin schrieb kürzlich imBerliner Tageblatt": Es erscheint nötig, zunächst festzustellen, daß die Intervention der Mächte bisher den Völker- schaften Mazedoniens keinen ernsthaften Nutzenae- bracht hat. Ihre Lage ist die gleiche wie vor dem Ver- trage von Mürzsteg und vor der Einführung von Reformen. Sie leben in vollkommener Unsicherheit; ihre Leiden können sogar mit der Zeit nur noch zunehmen". Wie wenig sich die Großmächte in der Tat um die Be- völkcrung Mazedoniens kümmerten, sollen uns folgende Tat- fachen beweisen. Unter denBeschützern" dieser Völkerschaften werden stets in erster Linie Rußland und England genannt. Nun in bezug auf Rußland ist offiziell*) festgestellt worden, daß auf der internationalen Konferenz von 1883 in Konstantinopel der russische Botschafter N e l i d o f f mehrmals den Vorschlag gestellt habe: man möge der türkischen Regie- rung die Vollmacht geben, Ost-Rumelienmili-l t arisch zu okkupieren. Ost-Rumelien ist eine autonome türkische Provinz mit einer fast ausschließlich christlich slawischen Bevölkerung! Aus derselben offiziellen Quelle erfahren wir, daß die bulgarisch-serbischen Feindseligkeiten und derkleine" Krieg(1885) zwischen beiden ausschließlich durch die russische Diplomatie provoziert wurde. Dieselbe Vorliebe für die türkischen Christen zeigte die russische Regierung auch während der Armeniernretzeleien von 1896. Als die französische und englische Regierung, unter dem Druck der allgemeinen Empörung, energisch eingreisen wollte, erklärte der russische Minister des Ansivärtigen dem französischen Minister Hanoteaux:Der Zar ist aufs entschiedenste gegen irgend welche Art einer zwangsweisen Einwirkung auf die Türkei ." Der Zar nahm also die türkische Regierung in Schutz, obwohl es allgemein bekannt war, daß die Armenicrmetzeleien von der Regierung organisiert wurden, obwohl die deutschen und französischen Offiziere, die als Instrukteure dienten, sich trotz der Aufforderung des Sultans weigerten, zu bestätigen, daß die Armee sich während der Metzeleienkorrekt" verhalten habe I Sobeschützt" die russische Regierung die christlichen Völkerschaften in der Türkei . Um die englische Regierung in dieser Hinsicht zu charakterisiere»l. genügt es nur, an die eine Tatsache zu er innern, daß hauptsächlich dank der englischen Regierung nach dem russisch -türkischen Kriege Rumelien und Mazo donien der Türkei zurückgegeben wurden. Nach dem zwischen Rußland und der Türkei abgeschlossenen Präliminarfrieden von San- Stefano(3. März 1873) waren beide genannte Provinzen dem neugeschaffenen Fürstentum Bulgarien also einem christlichen Staate zugedacht. England aber protestierte aufs entschiedenste gegen diesen Präliminarvcrtrag. Lord Beaconsficld ließ sich voin englischen Parlanient einen Kredit bewilligen und gab dem englischen Admiral Homley die Weisung, mit einer Flotte in die Dardanellen einzufahren. Einen Krieg mit England wagte die russische Regierung nicht. So wurde der Vertrag von San° Stefano den Vertretern der Großmächte dem Berliner Kongreß(13. Juni bis 13. Juli 1878) vor gelegt. Hier wurden Mazedonien und Ost-Rumelien der Türkei zurückgegeben. Ost-Rumelien als autonome Provinz, Mazedonien unter der Bedingung, Reformen zum Schutze der christlichen Völkerschaften einzuführen. Diese Reformen stehen, wie gesagt, bis jetzt nur auf dem Papiere. Nicht um denSchutz der christlichen Völkerschaften" handelte es sich auf dem Berliner Kongresse, sondern Haupt sächlich um daspolitische Gleichgewicht in Europa ". Jede einzelne Großmacht wollte verhindern, daß irgendeine andere Großmacht auf Kosten der besiegten Türkei noch mächtiger werde. Dieses Problem fand seine Lösung dadurch, daß man zur Schwächung Rußlands Bulgarien allerdings mit der geheimen Absicht Rußlands , zu gelegener Zeit das so vergrößerte Bulgarien sich einzuverleiben ein kleineres Territorium zuwies und zur Schwächung der Türkei selbst Serbien , Rumänien und Montenegro für un abhängig erklärte. Um dasGleichgewicht" aufrechtzuhaltcn, mußte man nämlich oie Türkei schützen, man wollte aber nicht, daß sich das ottomanische Reich aufs neue zu einer Groß' macht erhebe. Der Türkei schenkte man das Leben, aber sie sollte nur das clcndö Leben deskranken Mannes amBosporus" weiterführen, ihre Politik sollte von den Großmächten bestünmt sein. Um die Türkei ihre Abhängigkeit von den Großmächten noch deutlicher fühlen zu lassen, wurden ihre Finanzen teil­weise unter Kontrolle gestellt. Auch der Z 23 des Berliner Traktats, der die Reformfrage behandelt, stellt die türkische Regierung unter Aufsicht und Kontrolle der Großmächte, doch hat dieser Paragraph den Christen in der Türkei wenig Nutzen gebracht. Er diente den Großmächten bloß als Vor wand, um intcrnational-politische Ziele zu erreichen, um energisch vorzugehen" bei jeden: geringsten Versuche der türkischen Regierung, politisch selbständig zu handeln. Derkranke Mann am Bosporus", die asiatisch-despotische Türkei , mußte sich wenigstens in allen Fragen der aus- wältigen Politik dem Willen der Großmächte fügen. Jetzt aber ist allein Anschein nach derkranke Mann" auf einmal genesen. Die Revolution hat ihn wiederhergestellt. Die Jungtürken . die zweifellos die führende Rolle, wenigstens für die nächste Zeit, übernehmen werden, betonen aus' drücklich, daß die konstitutionelle Türkei sich keine Ein niischungen, weder in ihre äußere, noch in ihre innere Politik werde ge fallen lassen. Sollte es der neuen Türkei wirklich ge lingen, die Nationalitäten- und Konfessionenfrage auf fried lichcm Wege und befriedigend für alle Völkerschaften zu lösen, so ist klar, daß die Großmächte ihren bisherigen politischen Einfluß auf der Balkanhalbinsel einbüßen werden. Ja. sie werden mit einer neuen Großmacht zu tun bekommen, die vielleicht das«politische Gleichgewicht in Europa " ins Schwanken bringt oder wenigstens auf eine neue Basis stellt. Bisher verfolgten die Großmächte in der Türkei vorwiegend p o l i tische Ziele. Das politische Erwachen der Türkei wird neue große wirtschaftliche Fragen und Aufgaben stellen. Die türkische Verfassungsbewegung hat den Reform Projekten zunächst»in Ende gemacht, und man darf hoffen für immer. Auch die russische Regierung muß sich fügen, wenigstens vorläufig und ihr Rcformprojekt zurückziehen Nur wenn die Maßnahmen des Sultans nicht zum Ziele führten, heißt es in der amtlichen Petersburger Depesche, würde die russische Regierung die Mächte auf die Notwendig- keit hinweisen, die unterbrochene gemeinsame Reformtätigkeit wieder aufzunehmen. Und in einer Zirkulardepesche an die russischen Botschafter telegraphiert der Minister des Aeußeren: Das Kabinett in St. Petersburg sei der Ansicht, daß die Mächte im gegenwärtigen Augenblick mit Rücksicht auf die jüngsten Ereignisse in der Türkei jeden Schritt unterlassen müßten, der als ein Ausdruck des Mißtrauens gegenüber dem guten Willen des Sultans und der öttomanifchen Regierung, die beschlossenen Reformen durchzuführen, aufgefaßt werden könnte. Rußland werde mit größter Aufmerksamkeit und Sympathie die Be- strebungen der Türkei , das regelmäßige Arbeiten des neuen Regimes zu sichern, verfolgen und sich jeder Einmischung, die diese Aufgabe erschweren könnte, enthalten. Der Minister schließt mit der Versicherung, daß Rußland treu seinen historischen Traditionen und auf Grund der Rechte, die es aus den Verträgen herleite, feine Rolle als Reformator in Mazedonien ebenso wie die anderen Mächte erst dann als beendigt betrachten werde, wenn das von dem Sultan unternommene Werk eine wirk- liche Verbesserung des Zuftandes in dieser Provinz herbeigeführt hätte. Andernfalls würde die kaiserliche Regierung sich genötigt sehen, den Mächten die Notwendigkeit der Wiederaufnahme der gegenwärtig unterbrochenen gemeinsamcu Reformtätigkeit nahe- zulegen. ) Im diplomatischen Briefwechsel, der 1836 in dem ftanzösischen Gelb« und dem englischen Blaubuch veröffentlicht worden ist. politiscke deberlickr. Berlin , den 8. August 1908. Liberalismus und Rcichsfinanzreform. Die von der liberalen Presse an den Reichskanzler ge- richtete Mahnung, die Steuervorschläge zur Sanierung der Reichsreform so zu halten, daß die Liberalen dafür stimmen können und nicht das Zentrum wieder in seine alte Stellung als Regierungspartei einrückt, da in diesem Fall der Reichs- kanzler das erste Opfer des Zentrums sein werde, be- antivorteil die aus den Miniiterien gespeisten«Berliner Pol. Nachr." spöttisch mit der an die Liberalen gerichteten Aufforderung, nur hübsch auf die konservativen Wünsche Rück- ficht zu nehmen und sich diesen anzubequemen, dann werde der Block und der Reichskanzler dem Deutschen Reiche er- halten bleiben. Wörtlich heißt es in dem Schweinbnrgschen Blatte: Wenn die Reichsfinanzreform ohne das Zentrum nicht zu- stände kommen könnte, würde dieses zweifellos die Beseitigung jedes liberalen Einfluffes auf die Politik des Reiches und Preußens zur Bedingung seiner Mitwirkung machen. Die einfache Schluß- folgerung aus dem Vordersatze aber ist, baß. wenn die liberalen Parteien verhüten wollen, daß das Zentrum in die Lage versetzt wird, eine solche Bedingung zu stellen, sie eben dafür sorgen müssen, daß die Reichs- finanzreform auch ohne Unterstützting deS Zentrum? zustande kommt. Kann man nötigenfalls auf deren Mitwirkung verzichte», so ist die Gefahr einer Wiederherstellung der ZentruinSherrfchaft im Reiche beseitigt. Statt den Reichskanzler zu Hilfe zu rufe». sollten die Liberalen, insbesondere die Linksliberalen, vielmehr sich stark machen, die Reichsfi nanzreform mit den Kon- servativen, also von der nationalen Mehrheit deS Reichs- tageS aus, unter Dach zu bringen. Dazu ist natür- lich erforderlich, daß sie auf den anderen Flügel der nationalen Mehrheit gebührend Rück- ficht nehmen und an ihre Mitwirkung nicht Bedingungen knüpfen. die diesem rechten Flügel die Verständigung mit dem Zentrum als das kleinere Hebel erscheinen lassen würden. DaS gilt sowohl von den Mitteln zur Durchführung der Reichsfinanzreform selbst, als auch von den Wünschen in bezug auf das preußische Wahlrecht. Nach beiden Richtungen werden die liberalen Gruppen, wenn sie die von ihnen gefürchtete Verständigung mit dem Zentrum mit Sicherheit ver- hüten wollen, ihre Wünsche in solchen Grenzen halten . müssen, daß auf ein Zusammengehen mit den konservativen Gliedern des Blockes gerechnet werden kann." Der reine Hohn l Doch die Liberalen stecken ihn ruhig ein.--_ Aus Herrn Hollos Reich. Gewöhnlich wähnt man immer, daß. wenn Ausländer nach Preußen kommen, sie meist einen Vorteil davon haben. daß sie in eine höhere Knltursphäre hineingerückt sind. Daß dem aber nicht immer so ist, beweist eine Zuschrift, die ein aus G a l i z i e n zugezogener Ansiedler an diePosener Neuesten Nachrichten" richtet. Derselbe schreibt: Ich habe nicht geglaubt, in der Provinz Posen solche schlechten Schulverhältnisse zu finden. Als ich auZ Galizien, wo meine Kinder einen geregelten Unterricht er- hielten, nach Schönhausen , das vier Kilometer von der Haupt- und Residenzstadt Posen entfernt liegt zog. führte ich meine Kinder der Schule in S t e i m e r S d o r f zu. Der Lehrer nahm sie nicht auf, da er schon 150 Kinder in der Klasse hatte und eS für Neuaufnahmen an Raum mangelte. So besuchen nun meine Kinder und die mehrerer Ansiedler keine Schul«! Auch alle Lern- a n f ä n g e r sind Ostern von der Schule solange zurück- gestellt worden, bis die Schule in Schönhausen fertig ist. Leider geht eS damit recht langsam. Die Ansiedler aus Bayern erzählten mir. daß die Redner, die in Bayern Ansiedler werben, mit Borliebe sagen: Für Schhlen ist gesorgt." Somit wären wir also in Punkto Kultur noch hinter Galizien zurück! Trotzdem Hunderte von Millionen für Ansicdelungszwecke verwandt werden, muß also immer noch das Mittel der Bauernfängerei herhalten, um Ansiedler zu bekommen, deren Kinder dann hier verwahrlosen! Aber wozu braucht man auch in O st e l b i e n Schulen? Was ist ein Ultramontaner? Auf diese Frage gibt derArbeiter", das Organ des Vcr- Landes katholischer Arbeitervereine(Sitz Berlin ) folgende Antwort: Ein Ultramontaner ist der w a h r h a f t v e r n ü n f t i g e und in den Augen GotteS vornehm st e Mensch". Begründet wird das wie folgt:Jeder Katholik, der offen und ohne Scheu sich als ultra- montan, d. h. als wahren, gläubigen Christen deklariert, hat schon deshalb einen wahrhaft vornehmen und wahrhast adligen Charakter, weil er Mut und Festigkeit zeigt... Aber auch von anderer Seite betrachtet ist der Ultramoniane wahrhast vornehmer als ein auf- geklärter GlaSkopf. Wer bis übers Grab hinaus denkt und Rückficht ninimt auf die Ewigkeit, der ist nicht nur verständig, der ist ver- nünftig. Und dies ist eben ein Ultramontaner, er denkt und sieht am weitesten hinaus und richtet sich danach." Bei diesen Anschauungen über den wahren Verstand begreift man es. weshalb die Ultramontanen die Volksschule für überflüssig halte»._ Byzantinismus überall. Der Spar« und Darlehnskassenverein(Raiffeisen) w Heerdt bei Düsseldorf feiert in diesem Monat sein fünfundzwanzigjährigeZ Jubiläum. DaS für die Feier vorgesehene Programm verheißt unter anderem: Ausstellung einer Gedenktafel zu Ehren Tr. Exzellenz des Herrn Oberpräfidenten Freiherrn von Schor- l e m e r- L i e je r zur Erinnerung an dessen wiederholte Anwesen- heit in Heerdt . DieKölnische Volkszeitung" bemerkt hierzu: Wir haben bisher geglaubt, rheinische Bauern wären nicht dazu sähig. dem Byzantinismus zu huldigen. Was hier die Raisseisen-Leute von Heerdt vorhaben, übertrifft wohl alles, was auf dem Gebiet deS Byzantinismus bisher in Deutschland geleistet wurde. Und das will etwas heißen I" Die Entrüstung deS rheinischen gentrumSblatteS begreift sich. Die Mitglieder des genannten Vereins sind durchweg Zentrums- leute und ihre Huldigung gilt einem Manne, den das Zentrum als einen Abgefallenen und wegen feinernationallatholtschen" Bc- trebungcn für einen besonders heftigen Gegner des Zentrum« hält. Wenn die Heerdter Bauern ihre Gedenktafel dem Kölner Srzbischof Äscher stifteten, würde das Blatt nicht über. Byzantinismus ammern I_ Immer wieder behördliche Verstöste gegen daS Reichs- Vereinsgesetz in Sachsen . Die an die Zeiten des sächsischen Juwels gewöhnten Polizei- bchörden in Sachsen scheinen sich nur sehr schwer an dieliberale Auslegung des ReichSvereinSgesetzeS" gewöhnen zu können, von der der Minister v. Hohenthal in seiner internen Instruktion an die Polizeibehörden gesprochen hat. Ein solcher Fall passierte wieder in Schmiedeberg im Erzgebirge . Dort sollte am Donnerstag eine