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Bremer Schisses verweist, so ist ja schon möglich, daß das Schiff schwach bemannt gewesen ist; aber im allgemeinen ist dieser Um- stand für eine Schiffskatastrophe nicht verantwortlich zu machen. Wie die Schiffe bemannt werden sollen: nach der Größe, nach dem Quadratmeter Segelfläche, nach dem Tonncngehalt, das ist eine sehr diffizile Frage. Herr Schwarz stellt nun ganz ab- weichend von seinen Genossen den Satz auf: Autorität muß sein! Er will Disziplin auf dem Schiffe haben und meint nun, daß die Seemanns-Ordnung in dieser Beziehung zu weit geht. Ich glaube das nicht. Ausnahmefälle, wo einmal ge- pr igelt wird, wenn einem Schiff-führer. der sich nicht chikaniren lassen will, einmal die Geduld reißt, wer- den immer vorkommen. Die Seemannsämter urtheilen nn- parteiisch, ganz gleich, ob es sich um Matrosen oder Kapitäne handet. Abg. Bebel: Der nautische Verein in Hamburg , ein Unter- Nehmerverein, ist auch bereits mit Vorarbeiten für die Abänderung der Seemannsordnung beschäftigt, die aber natürlich ganz anders ausfallen werden, als das, was Herr Schwarz Ihnen vor- geschlagen hat. Wenn Schwarz Autorität für nöthig hält auf den Schiffen und ich jede Autorität geleugnet habe, so wird Herr Jebsen darin wohl kaum einen wirklichen Widerspruch sehen. Nicht nur eine Abänderung der Secmannsordnung, sondern auch eine Ergänzung des Strafgesetzbuches ist noth- ivendig. Der Untergang derMarie Rickmers" zeigt, daß jedes Schiff, bevor es in See geht, gründlich fach- männisch untersucht werden muß. Der§ 47 der Sec­mannsordnung reicht in keiner Weise aus. Die Mannschaft kann solche Untersuchung nicht beantragen, zumal ihr nach ß 94 auch noch die Strafe der leichtfertigen Anzeige droht. In hohem Grade scheint auch in Deutschland der schauderhafte Zustand vorhanden zu sein, welchen schon vor 20 Jahren Herr Plimsoll im englischen Parlament brandmarkte, daß gewissenlose Rheder seeuntüchtige Schiffe ankauften, hoch versicherten, dann hinausschickten und mit Mann und Maus untergehen ließen. Der Vorfall mit dem Rheder Schiff in Elsfleth zeigt, daß bei uns ganz ähnliches vor- geht.Leider ist die Biannschaft gerettet", schreibt bekanntlich der Mann an seinen Freund; natürlich, der Transport der Leute hat dem Herrn Schiff 9000 Mark gekostet, welche ihm von der Assekuranzsumme verloren gegangen find, welche er sich im übrigenfreut eingeheimst zu haben." Diese Fälle sind keineswegs vereinzelt. Derselbe Schiff in Elsfleth hat kurz darauf ein drittes Schiff in der Südsee verloren, welches mit 6S 000 M. versichert, aber nur 25 000 M. roerth war. Das passirte also einem einzigen Rheder in einem einzigen Jahr, und da entsteht denn doch der dringende Verdacht, daß er die Schiffe absichtlich dem Untergange preis- gegeben habe. Und dieser Mann war bis jetzt außerordentliches Mitglied des Reichsverstchernngsamts für den Vorstand der See- berufsgenossenschaft. Die Berichtigung, welche Herr Schiff an seinem berüchtigten Briefe vornahm, kann niemand ernst nehmen und auch nicht die Ehrenerklärung, welche 70 Honoratioren von Elsfleth ihm angedeihen ließen. Warum hat der Herr nicht denVorwärts" verklagt? Der hatte ihn direkt als Mörder bezeichnet; er wäre einer hohen Strafe nicht ent- gangen, wenn die Anklage falsch war. In Jbsen's Stützen der Gesellschaft" wird ja derselbe Vorgang zum Vorwurf eines Dramas gemacht. Hier muß das Strafgesetz eingreifen. Nach meiner Ueberzengung war der Fall, wie er hier vorlag, kaum geeignet, vom Staatsanwalt zur Untersuchung gezogen zu werden. K 265 ist nicht anwendbar, weil das Sinken nicht von dem Unteriwhmer veranlaßt war. Herr Schiff ver- diente lebenslängliches Zuchthaus, aber Z 323 verlangt dazu auch direkt eine veranlassende Handlung. Es muß also eine Be- stimmung ad hoc neu in das Strafgesetzbuch nufgenonlnien werden. Wichtig wäre mir zu erfahren, warum Herr Schiff jetzt nicht mehr dem Reichs-Versicherungsamt angehört. Staatssekretär v. Bötticher: Herr Schiff ist zur Zeit nicht mehr ständiges Mitglied des Reichs-Versicherungsamts. An- regungen aus Revision der Seemannsordnung sind bis jetzt von keiner Seite an uns gelangt. Abg. Metzger: Aus den verschiedenen Scemannsämtern sind in den letzten Jahren nicht weniger als zehn Fälle von Miß- Handlungen zur Verhandlung gekommen, welche zu Selbstmord geführt haben. Der Reichskommissar bei dem Seeamt in Bremer- Häven hat erklärt, daß jetzt Fälle von Mißhandlungen mit solchem Ausgange viel häufiger vorkommen, daß es aber ungemein schwer sei, den Zusammenhang zwischen beiden festzustellen, weil die Mannschaften sehr schwer für dre Aussagen zu haben seien. Die Gerichte erkläre» nun wunderbarer Weise eine generelle An- Weisung, Widerspenstige zu prügeln, für nicht strafbar; und weil dies also noch nach der Seemannsordnung zulässig sein muß, darum eben verlangen die Seeleute die Abänderung der See- mannsordnung. Diese niederträchtigen Mißhandlungen von See- leuten auf deutschen Schiffen müssen aufhören. Wir werden nicht aufhören, dafür zu wirken, auch wenn man uns noch so sehr sozialistischer Umtriebe beschuldigt. Abg. Jebsen: Ich kann mir garnicht erklären, daß man, was Herr Schiff geschrieben hat, auf Absicht zurückführt. Ich kann mir ihn nicht so schwarz denken.(Gelächter links.) Wie sollte ein Mann, wie Herr Schiff, dazu kommen, seinem Kapitän einen Brief zu schreiben, mit dem er doch einmal in Kollision kommen konnte? Ich für meine Person glaube daran nicht. Die Bill Plimsoll war vor 20 Jahren vielleicht ganz angebracht; heute sieht es anders aus. Im großen und ganzen können wir uns nur freuen, daß unsere Kaufsahrteimarine noch so beschaffen ist, wie sie ist. Abg. Bebel: Der Vorredner hätte doch wohl klüger ge- than, wenn er diese Rede nicht gehalten hätte; auch seine Partei scheint feine Rede nicht zu billigen.(Abg. Jebsen: Ich habe für mich gesprochen!) Die zu hohe Versicherung der Schiffe ist noch immer im Schwünge. Die Unfall­verhütungsvorschriften bestehen zwar- aber ihre Ausführung wird nicht konlrollirt, wenn das Schiff in See geht. Im Jnter- esse des Renommöes der deutschen Schiffsrheder sollte Herr Jebsen selbst die obligatorische Untersuchung aller in See gehenden Schiffe fordern. Daß er diesen Adolf Schiff rechtfertigen oder ent- schuldigen wollte, ist das Stärkste, was ich je erlebt. Herr Schiff meint, er habe blos das Wortleider" falsch gesetzt; Herr Jebsen aber führt aus, wie habe wohl ein so intelligenter Mann eine solche Dummheit machen können? Der Umstand, daß Herr Schiff nicht zur Klage geschritten ist. daß er unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Brieses sein Ehrenamt niedergelegt hat, be- weist für mich sonnenklar, daß Schiff ein Massenmörder ist. (Bewegung.) Das Kapitel wird bewilligt und darauf um WU Uhr die Fortsetzung der Elatsberathung auf Mittwoch 1 Uhr ver- tagt. Vorher dritte Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Einheitszeit. Uolrales. Bei de» gestrigen Gewerbegerichts- Wahlen erhielten bei der Wahl der Arbeiterbeisitzer die Sozialdemokraten etwa 24 000 Stimmen, während die von den Max Hirsch 'schen Gewerk- vereinen Aufgestellten etwa 1000 auf sich veremigien, trotzdem sie alles aufboten, um die rückständigen Elemente und alle unsicheren Kantonisten auf sich zu vereinen. Ja, dieVolks- Zeitung" forderte sogar diegemäßigten" Sozialdemokraten auf, den Gewerkvereins- Kandidaten ihre Stimme zu geben. Man sieht, die Arbeiterschaft in Berlin bildet eine geschlossene Körperschaft, von der kaum fünf Prozent noch im Fahrwasser der Bourgeois- Parteien gehen. Auch bei den Wahlen der Arbeitgeber erlangten die sozial- demokratischen Kandidaten in zwei Bezirken den Sieg, in einer Anzahl anderer erzielten sie beträchtliche Minoritäten. In den meisten Bezirken hatte die Sozialdemokratie überhaupt keinen Kandidaten aufgestellt. Im Gewerbegericht werden nunmehr ihren Sitz haben aus der Sozialdemokratie 210 Arbeiter und 9 Arbeitgeber; aus den Gegnern kein Arbeiter und 201 Arbeitgeber. Die Wahlresultate zum Gewerbegcricht wurden gestern in den meisten Bezirken, aber nicht bei allen, gleich nach der Wahl festgestellt. In einem Wahlbezirk erklärte der Wahl- Vorsteher,"er habe keine Zeil, da er zu einem Feste müsse, und, als die anwesenden Wähler sich nicht gleich entfernten, warf er sie einfach hinaus. Wähler per Equipage zur GewerbegerichtSwahl heran- zuziehen, wurde gestern auch von den Max Hirsch'schen versucht. Einen Erfolg hatten sie nur in einem Falle, indem sie einen Arbeiter mit Droschke abholten, der ihnen für diesen Liebesdienst den besten Dank dafür sagte, daß es ihm so bequem gemacht sei, den sozialdemokratischen Kandidaten seine Stimme zu geben. Die Polizei ist angestrengt nicht, daß die bei der Isx Heinze hervorgehobenen Zustände ihre Kräfte jetzt besonders in Anspruch nehmen, in hohen Kreisen und vornehmen Kon- ventikeln wird nach wie vor geschweinigelt und daS betrieben, was das Gesetz Vornahme unzüchtiger Handlungen nennt aber ge- haussucht, verhastet, vernommen wird sehr viel, insbesondere im 6. Wahlkreis, bei Arbeitern. Was Staatsgefährliches vorliegen soll, wissen wir nicht. Gesucht wird sehr viel nach Druckschriften und Privatnotizen. Ob wohl viele Arbeiter ihre Prioatnotizen sich lange ausbewahren? EinerVerschwörung in Reinickendorf " ist die hoch- wohlweise Sicherbeitspolizei auf der Spur, die Thäter sind während einergeheimen Sitzung" überrascht u. f. w. So und ähnlich hieß es kürzlich in den offiziösen und sonstigen Käse- blattet um und in Berlin , mit welchen Bruder Philister und Bruder Bauer von den an d e r Roth leidenden Großgrundbesitzern überschwemmt werden, daß sie in der 53. Woche des Jahres nicht an sieben Tagen Champagner trinken können, dieweil die 53. Woche in gewöhnlichen Jahren nur einen, in Schaltjahren nur zwei Tage aufzuweisen hat. Die guten Bürger Reinicken- dorfs und Umgegend fingen an, das Gruseln zu"lernen. Nur schade, daß die Aufklärung nicht ewig sich hintanhalten läßt. Nachdem eifrig Vernehmungen, Haussuchungen u. f. w. stattgefunden hatten, hat sich nun klar herausgestellt, daß die furchtbareVerschwörung" in der Abhaltung einer Sitzung desRauchklubs Kernspitze" bestand. Allerdings hat es im Klub manchen Brand gegeben; indeß das Gericht hat denn doch etwas weiteres Ungesetzliches nicht herausgefunden, als daß die Herren Kernspitzraucher ihre Brandsitzungen nicht polizeilich angemeldel haben. Die deshalb mit Strafmandaten Bedachten haben öffent- liche Verhandlung beantragt, weil sie mit Recht annehmen, daß Vereine, deren Aufgabe die Vertilgung nationalen und inter - nationalen Tabaks ist, nicht solche sind, welcheeine Einwirkung aus öffentliche Angelegenheiten bezwecken" und deshalb nach s 2 des Vereinsgefeges anmeldepflichtig sind. Der SelterSwasser- Perkauf durch Apotheken am Sonntage. Zu diesem Kapitel schreibt ein Apotheker der Pharmac. Zeitung": Im August v. I. wurden bei mir eines Sonntags Vormittags von einem Gastwirthe 25 Flaschen SelterS bestellt, die ich Nachmittags gegen 5 Uhr erst zuschickte. Von einem guten Freunde, seines Zeichens Kaufmann und Setter- wasser-Fabrikant, wurde die Sache bemerkt und angezeigt. Gegen die diesbezügliche Polizeistrafe erhob ich Widerspruch und be- hauplete in der Schöffensihnng, daß wir Apotheker von der Sonntagsruhe ausgeschlossen seien und außerdem Setterswasser zweifellos als Heilmittel zu betrachten sei. Bezüglich dieser Frage wurde das Gutachten des Geheimen Rcgierungs- und Medizinalrathes Dr. Philipp in Liegnitz eingeholt, welches dahin lautete, daß Selterswaffer wohl in jeder Apotheke käuflich, aber nicht zum ordnungsmäßigen Betriebe einer Apo- theke nöthig sei. Im vorliegenden Falle sei der Selterswaffer- Verkauf als Nebcngewerbe zu betrachten. Auf grund dieses Gut- achtens wurde ich vom nächsten Schöffengericht verurtheilt. Auch gegen dieses Urtheil legte ich Berufung"ein und fand die Ver- Handlung vor der Strafkammer in Liegnitz statt. Ich betonte, daß es doch viele Präparate:c. in der Apotheke gebe, die ganz zweifellos Arzneimittel seien, obgleich sie auch nicht in der Series" stünden. Hierzu gehöre meines Erachlens auch Selters- wasser, und wenn ich schon 12 Flaschen gewlffermaßen gesetzlich verkaufen dürfe, wäre dies auch bei jeder größere» Menge der tnll. Daß das Setterswasser für einen Gastwirth wäre, sei eine ache für sich und ginge mich nichts an. Die Strafkammer erkonnte auf Freisprechung mit der Begründung, daß Selters- wasser sehr wohl als Heilmittel Verivendung finden kann. AnS Furcht blind zu werden, hat sich«in junger Berliner Handwerker, der am 7. Dezember lS72 zu Mafien, Kreis Luckau, geborene Färber Bernhard Huth, in der sogenannten Kämmerei- Haide in Köpenick in der Nahe dertobten Ecke" das Leben ge- nommen. Dort fanden am Sonnabend Nachmittag Spazier- gänger den Tobten, der in der rechten Hand noch den Revolver hielt, mit welchem er sich den tödtlichen Schuß oberhalb des rechten Ohres beigebracht hatte. Unter den Bricsschaften des jugendlichen Selbstmörders befand sich auch eine Visitenkarte, worauf er Abschied nimmt von seinen Eltern, die er der Thal wegen um Verzeihung bittet. Als Grund für den Selbstmord giebt H., der der Sohn eines Gutsbesitzers bei Finsterwalde ist, an, daß er sich durch vieles Lesen die Augen gefchwächt und da ihm ferner vor einigen Wochen bei der Arbeit Schwefelsäure in die Augen gespritzt, so müsse er Erblindung befürchten. Die Leiche des Acrmsten wurde am Montag auf dem Köpenicker Friedhofe beerdigt. Tobt aufgefunden wurde vorgestern Abend um 9 Uhr von ihrem Ehemann die Droschkenkutscherfrau Marie Hirsch in der gemeinschaftlichen Wohnung Sorauerstr. 28. Die Leiche lag auf dem Fußboden mit dem Gesicht nach unten und ließ an der Nase Blut erkennen. Da der Mann nicht zu Hause war während des Vorganges, so glaubte man an«in Verbrechen, zumal da ein Arzt die Todesursache nicht feststellen konnte. Auf unsere Nach» frage wird uns indeß mitgetheilt, daß die Frau an epileptischen Krämpfen gelitten und wahrscheinlich einem solchen Anfalle er- legen ist. Nichtsdestoweniger ist die Leiche durch die Staats- anwaltschaft mit Beschag belegt worden. An de« Folgen einer Hühneraugen-Operation gestorben ist der in weiten Kreisen bekannte Häusermakler Hartmann, Weißenburgerstr. 67 wohnhaft. H." halte sich am vergangenen Mittwoch die Hühneraugen selbst geschnitten und dabei nicht auf eine ganz geringfügige Wunde geachtet, die er durch das Schneiden der Hornhaut selbst verursucht. Da der Kaufmann einen wichtigen Gang vorhatte, so zog er sofort Strumpf und Stiefel an, ohne der bald eintretenden Schmerzen zu achten. An demselben Abend aber mußte der Leidende ärztliche Hilfe m Anspruch nehmen, doch blieb dieselbe ohne Erfolg, am Nachmittag des nächsten Tages sollte bereits vas ganze rechte Bein amputirt werden, doch verstarb H. während der Vorbereitung zur Operation am Herzschlag. Verhaftet wurde gestern Abend zu später Stunde der Sohn des Hauseigentbümers Probst in der Calvinstraße, Namens Albert in dem Wirthshnuse an der Ecke der Werft- und Ger- hardtstraße. Ein Ingenieur Schulz, der bei einer hiesigen Glüh- lichtfirma beschäftigt>var, hatte Inkassos vorgenommen und die Unterschrift des Prinzipals gefälscht. Schulz hat auf solche Weise hohe Summen einkafsirt und Probst als seinen Komplicen angegeben. Dieser wurde daher durch die Kriminalpolizei in dem genannten Lokal abgefaßt und festgenommen. Mit einer schweren Kopfverletzang wurde am 17�d. M der Tischler Karl Reinicke aus Oranienburg nahe der Station Waidmannslust auf dem Bahnkörper aufgefunden und mit dem uge 1922 nach Berlin befördert, wo man ihn dem Lazarus- rankenhause zuführte. R. liegt noch bewußtlos darnieder und hat noch nicht vernommen werden können. Ein frecher Diebstahl ist in der Nacht von Sonntag zu Montag auf dem Begräbnißplatz der St. Jakobigemeinde am Hermannplatz versucht worden. Gegen 3 Uhr früh bemerkte der Revierwächter Kost auf dem Kirchhofe mehrere Personen, die auf das Dach der Leichenhalle geklettert und beschäftigt waren, das Zinkblech des Daches abzulösen. Als der Beamte die Spitzbuben anrief, ergriffen dieselben die Flucht und kletterten über die Um- friedigung des Begräbnißplatzes. Der Nachtwächter zog nun seinen Revolver und feuerte auf einen der Diebe; ob jedoch der Schuß getroffen, ließ sich nicht feststellen, da es den Verbrechern gelang, in der Dunkelheit zu entkommen. Die nächste Schwurgerichtsperiode vom Landgericht l, unter Vorsitz des Landgerichts-Direktors B a a t h, wird am 27. d. M. ihren Anfang nehmen. In der Anklagesache gegen den Kommerzienrath Wolfs wegen betrügerischen Bankrotts ist Termin zur Hauptverhandlung auf den 28. d. M. anberaumt worden. Ob derselbe wird abgehalten werden können, wird von dem körperlichen Befinden des Angeklagten abhängen, welches nicht das beste sein soll. Am 1. März wird sich der Re- dakteur S a l i n g auf die Anklage wegen Meineides be- gangen bei Gelegenheit des Prozesses Ahlwardt zu ver- antworten haben. Auch die Anklage gegen den Steuererheber Kluth wegen wiederholter schwerer Urkundenfälschung:c. wird in der Schwurgerichlsperiode verhandelt werden. Marktpreise in Berlin am 19. Februar, nach Ermitte- langen des Polizeipräsidiums. Weizen per 100 Kg. guter von 15,8015,20 M., mittlerer von 15,1014,60 M., geringer von 14,50 14,00 M. Roggen per 100 Kg. guter von 13,5013,20 M., mittlerer von 18,1012,90 M., geringerer von 12,8012,50 M. Gerste per 100 Kg. gute von 17,5016,30 M., mittlere von 16,2015,10 M.. geringe von 15,0013,80 M. Hafer per 100 Kg. guter von 15,80 15,20 M., mittlerer von 15,10 14,60 M, geringer von 14,5014,00 M. Stroh, Richt- per 100 Kg. von 4,904,00 M. Heu per 100 Kilogramm von M. Erbsen per 100 Kg. von 40,0025,00 M. Speisebohnen, weiße per 100 Kg. von 50,0020,00 M. Linsen per 100 Kg. von 80,00 bis 30,00 M. Kartoffeln per 100 Kg. von 7,00 4.50 M. Rind- fleisch von der Keule per 1 Kg. von 1,601,20 M. Bauchfleisch per 1 Kg. von 1.300.90 M. Schweinefleisch per 1 Kg. von 1,601.20 M. Kalbfleisch per 1 Kg. von 1,600,90 M. Hammel- fleisch per 1 Kg. von 1,500,90 M. Butter per 1 Kg. von 2,30 bis 1.80 M. Eier per 60 Stück von 3,003,60 M. Fische per I Kg.: Karpfen von 2,401,20 M. Aale von 3,001,00 M. Zander von 2,401,00 M. Hechte von 1,801,00 M. Barsche von 1,600,70 M. Schleie von 2,401,00 M. Bleie von 1,60 bis 0,80 M. Krebse per 60 Stück von 10,003,00 M. Polizeibericht. Am 20. d. Mts.. Morgens gegen 5 Uhr. wurde gegenüber der Markthalle am Reichstags-Ufer ein Mann in der Spree treibend bemerkt und noch lebend aus dem Waffer gezogen. Er wurde nach der Charitee gebracht. Vormittags stürzte der Schornsteinfeger Budig vom Dache des HauseS Rosen- thalerstr. 11/12 auf de» Hof der 8. Gemeindeschule, Gipsstr. 23, herab und erlitt außer mehreren Knochenbrüchen anscheinend schwere innere Verletzungen, so daß er nach dem St. Hedwigs- lrankenhause gebracht iverden mußte. Vor dem Hause Reinicken- dorferstr. 20 wurde Nachmittags ein Bauwächter durch eine» Ge- fchäslswagen überfahren und am Schienbein bedeutend verletzt. Im Lause des Tages fanden 5 Brände statt. Gerickks�BoiUrng. Kohinor", Petroleum-Eiufuhr-Kommandit-Gesellschaft Lange u. Co. Unter dieser hochtönenden Bezeichnung wurde Anfangs 1891 hierselbst ein kaufmännisches Geschäft gegründet, dessen Inhaber gestern wegen wiederholten Betruges vor der siebenten Strafkammer des Landgerichts I standen. Es waren die Kaufleute Karl Spiegelb erg und Friedrich D e ch e l, Prrsonen, deren Vergangenheit eine schlechte Gewähr für die Solidität ihres Unternehmens leistete, denn beide sind vielfach, zuletzt sogar mit Zuchthaus vorbestraft. Spiegelberg wurde im Dezember 1890 aus dem Zuchthause in Brandenburg entlassen. ES gelang ihm, eine Anzahl Personen zur Hergabe von Mitteln zu be- wegen, womit derKohinor" gegründetwurde. Spiegelberg bekleideie den Direktorposten, Dechel die Stellung eines Buchhalters. Es wurden vorläufig einige 20 Verlaufsstellen errichtet, die nach und nach auf 100 erhöht werden sollten und mit einem Fuhrherrn wurde ein Verlrag abgeschlossen, den Transport zu besorgen. Der Kaufmann Lange, welcher ebenfalls eine Summe eingeschossen hatte, wurde Lagerverwalter. Das Geschäft bestaud kaum ein Jvhr. Es kam zum Konkurs und sämmtliche Kommanditisten verloren ihr Geld. Wie Spiegelberg im Termin behauptete, sei das Unternebmen besonders dadurch zu Grunde ge- gangen, weil der Lieferant nicht leistungsfähig war. Es hätten täglich lOO Tonnen Petroleum umgesetzt werden können, wodurch ein Reinertrag von 500 M. täglich hätte erzielt werden können, der Lieferant, ein Rittmeister a. D. von Pressentin, habe aber nur 30 Tonnen läglich geliefert. Die Angeklagten sollen nun versucht haben, sich vor dem Zusammenbruche des Unter- nehmens durch Kautionsschwindelcicn über Wasser zu halten. Sie nahmen einen Lagerverwalter und einen Kassirer gegen Kaution an und die ihnen anverlraulen Gelder sollen sie im eigenen Nutzen verbraucht haben. Es waren dies Beträge von 1400. bezw. 2000 Mark. Der von Spiegelberg angenommene Kasstrer bekundete, daß ihm versichert worden sei. daß das Geld bei der Mitteldeutschen Kreditbank hinterlegt werden solle. Wenn er sich nach einigen Monaten bewähre, so solle ihm das Recht zustehen, seine Kaution gegen 12 pCt. in das Geschäfl einznschießen. Der Zeuge war der Ueberzengung, daß er von Spiegelberg nur angenommen worden sei, weil derselbe sich in den Besitz seiner Kaution setzen wolle, eine ausreichende Beschäftigung für einen zweiten Lagerverwalter war gar nicht vorhanden. Der An- geklagte Dechel spielte besonders bei der Annahme des kaulionsfähigen Kassirers eine Hauptrolle, indem er dem- selben versicherte, daß das Geschäftgroßartig" gehe. Nach acht Tagen wurden sämmtliche Verlanfsstellen ge- schloffen, weil keine Waare mehr vorhanden war. Spiegelberg hatte im Jahre 1886 die Petroleum-GesellschastExcelsior" ge- gründet. Seine Thätigkeit bei diesem Unternehmen trug ihm die letzte Zuchthausstrafe von 3 Jahren ein. Bei der Vernehmung des Zeugen Lange kam zur Sprache, daß dieser als Gefangeneu- Aufseher in Brandenburg angestellt gewesen war. Er hatte Spiegelberg dort kennen gelernt und war von demselben überredet worden, seine Stellung aufzugeben, um Lagerverwalter der GesellschaftKohinor" zu werden. Der Staatsanwalt be- dauerte, daß gegen Spiegelberg nur auf 10 Jahre Zuchthaus erkannt werden könne, da es für die Gesellschaft ein Gewinn sei, wenn derselbe möglichst lange hinter Schloß und Riegel gehalten werde. Er beantrage gegen Spiegelberg lOJahre Zucht- Haus, 10-jähngen Ehrverlust und 6000 M. Geldstrafe, gegen Dechel wegen Beihilfe zum Betrüge in 2 Fällen fünf Jahre Gesängniß, fünfjährigen Ehrverlust und 3000 M. Geldstrafe. Das Urtheil lautete gegen Spiegelberg auf fünf Jahre Zucht- Haus, fünfjährigen Ehrverlust und 3000 M. Geldstrafe eventuell noch 200 Tage Zuchthaus, gegen Dechel auf drei Jahre Gesängniß und dreijährigen Ehrverlust. Der Letztere, der sich auf freiem Fuß befand, wurde sofort in Haft genommen.