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Stuttgart  , Karlsruhe   und Darmstadt   bereitwilligst bekommen. Der Landesvorstaud der badischen Partei konnte diese Auskunft nicht geben, denn der hat an der Konferenz nicht teilgenommen. Diese Konferenz, die nicht zu Pfingsten, sondern an einem voraus- gegangenen Sonntag in Stuttgart   stattgefunden hat, betrachtete sich keineswegs als geheimes Konventikel. Me auf früheren Kon- fercnzen, so wurden auch hier Fragen besprochen, die für die Ab- geordneten aller süddeutschen Staaten von gemeinsamem Interesse sind. In der Presse Bericht über diese Aussprache zu erstatten, lag diesmal ebensowenig Anlaß vor wie bei den früheren Konferenzen. Auch ein Beschluß konnte der Oeffcntlichkeit nicht mitgeteilt werden, da ein solcher nicht gefaßt wurde. Eine Unterlassung, der ich nicht zustimmen kann, ist freilich vorgekommen: es wurden weder Vertreter der Parteiorganisationen noch Ver- treter der Presse zu den Erörterungen zugezogen. In Ueber- einstimmung niit demVorwärts" erblicke ich darin einen Fehler. Auch die Abgeordneten der Partei sollten zu wichtigen Fragen, ckber die in der Partei selbst und unter ihnen lebhaste Meinung»« Verschiedenheiten bestehen, nicht Stellung nehmen ohne Fühlung- nähme mit der organisatorischen Parteivertretung und der Partei« presse. Im übrigen aber liegt zu dem alarmierenden Auftreten desVorwärts" kein Grund vor. Ein Beschluß, künftig für die Budgets zu stimmen, ist, wie schon bemerkt, nicht gefaßt worden. Auch ist nicht richtig, daß der Vorsitzende das Ergebnis der Aussprache dahin zusammengefaßt habe, eS sei eine Beseitigung des Lübecker   Beschlusses anzustreben. Im Gegenteil, man ging davon aus, daß die Haltung der Fraktionen in den einzelnen Landtagen im Einklang stehen müsse mit jenem ParteitagSbeschluß. Man habe sich ausgesprochen über die Frage, welche politische Wirkung ein stereotyp verneinendes Veto der sozialdemokratischen Abgeordneten habe, und über die Verhältnisse, die unter Anwendung deS zweiten Absatzes der Lübecker   Resolution zur Annahme deS CtatS führen können. ES liegt auf der Hand, daß man von Berlin   aus diese Verhältnisse nicht so genau übersehen und beurteilen kann, wie in den einzelnen süddeutschen Staaten. Aber eben darum hätten derVorwärts" und der Parteivorstand ruhig warten dürfen, ob die Stutt» gartor Aussprache in diesem Jahre wirklich zur Annahme des Etats in Baden oder Bayern   durch die Sozialdemokraten führen würbe und welche Gründe dafür geltend gemacht würden. Selbst- verständlich habe die einzelne Fraktion, die für den Etat stimmt, der Partei dafür Rechenschaft abzulegen. Konnte nun aber der Parteivorstand nicht warten bis zum Tage der Etatsabstimmung in Baden, so war eS Sache der badischen Parteigenossen, auf eine ordentliche Anfrage eine ordentliche Antwort zu geben und sich dem Parteivorstand gegenüber nicht hinter ein Schweigegebot zu ver« stecken. Schließlich verdienten die Mitglieder de? Parteivorstandes ebenso viel Vertrauen, wie die Mtglieder de? badischen Landes« Vorstandes. Der Artikel ist, wie gesagt, W. K. unterzeichnet, als« nicht Meinung der Gesamtredaktion. Aenderung der schlestvig- holsteinischen Städteordnung. Da?Hamburger FremdenLlatt" will erfahren haben, daß die preußische Regierung beabsichtigt, die schleswig-holsteinische Städte- ordnung abzuändern. ES soll daS Recht der'Bürger, die Magistrats- Mitglieder direkt zu wählen, aufgehoben werden. Wie in den alt- preußischen Provinzen will die Regierung diese Wahl zum Vorrecht der Stadtverordneten werden lassen. DaS liberale Hamburger Blatt be- klagt bei der Veröffentlichung dieser Meldung, daß dieäußerst liberale Städteordnung" des meerumschlungenen Landes derart verschlechtert werden soll. Mit diesem Liberalismus hat eS jedoch sein eigenes Bewenden. Ein ZensuS, der in den meisten Städten auf 1200 Mark und in Altona   gar auf ISO» Mark angesetzt ist, macht der Arbeiterschaft eine Beteiligung an den Gemeindewahlen fast unmöglich. So ist eS denn auch in der durch und durch sozialdemo- kratischen Schwesterstadt Hamburg  ? bisher der Arbeiterschaft noch nicht gelungen, nur einen einzigen Vertreter in? Stadtverordneten  - kollegium zu bringen. In Kiel   aber, wo früher ein Verhältnis- mäßig niedriger Zensus bestand, hat der Freisinn aus Furcht bor   der Sozialdemokratie 18VS den Zensus hinaufgesetzt. ebenso neuerdings in Tönning  . Sollte die Meldung desHamburger Fremdenblattes" richtig fein, so würde der Freisinn nur an dem Gliede gestraft werden, an dem er selber gesündigt hat. Unser Kieler   Parteiblatt, dieSchleSwig-Hol   steinische VolkS-Zeitung" berichtigt diese Nachricht dahin, daß eS sich um die Verwirklichung eines Planes handelt, der schon vor zwei Jahren im Pulte deS Regierungspräsidenten lag. Zugleich konstatiert es, daß 1. die meisten Magistrate die Wahl der Magistratsmitglieder durch die Ivahlberechtigten Bürger abschaffen wollen, 2. daß die reaktionären Elemente vieler Städte das Recht auf Zensuserhöhung, das jetzt bei ISVO M. endet, auf einen höheren Satz (etwa 1800 3K.) steigern wollen. 8. die reaktionären Elemente in Kiel   und diele Magistrats- Mitglieder in verschiedenen Städten ein Klaffenwahlrecht einführen wollen. Dem gegenüber steht: 1. Die Mehrheit der bürgerlichen Kreise in SchleSwig-Holstein  Will an der unveränderten Städteordnung festhalten, 2. das Proletariat SchleSwig-HolsteinS   und die abhängigen Beamten verlangen daS allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für die Wahlen der Magistratsmitglieder wie die der Stadtverordneten. DieSchleswig-Holsteinische Volkszeiwng' resümiert: Soll das Wahlrecht geändert werden, so können die Herren sicher sein, das» die Sozialdemokratie nicht schweigen wird. Allerorts werden wir den Ruf erheben: Her mit dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht! Jndustriefendalismus. In der letzten Neichstagssession prägte Pfarrer Naumann das neue Schlagwort vomJndustriebürger", zu dem der Arbeiter, der heute nurJndustrieuntertan" sei, werden müsse. Wie sehr Naumann irrt, wenn er dem Wahne lebt, daß Fabrikanten einem FabrikkonftitutionaliSmuS mit gleichen Rechten der Arbeiter und Unternehmer zustimmen könnten, zeigt eine mit Behagen von der scharfmacherischen Presie abgedruckte Auslassung der Oppelner Handelskammer. In ihrem letzten Jahresbericht schreibt dieser Ver- trewngskörper der Unternehmer: In dem sozialpolitischen Reformeifer ist bedauerlicherweise auch im Jahre 1907 kein Stillstand eingetreten. Eine ganze Reihe neuer sozialpolitischer Gesetze und Verordnungen ist er- gangen oder befindet sich in Vorbereitung. Die Führung in dieser sozialpolitischen R-forinbelvegung liegt fast ausschließlich in den Händen unbeteiligter Theoretiker, die den wirklichen Verhält- nissen in der Industrie und ihren Bedürfniffen zumeist gänzlich verständnislos gegenüberstehen und die vor allem noch immer nicht von dem Wahn gehellt sind, die Sozialdemokratie könne durch unausgesetzte sozialpolitische Reformen bekämpft werden. Sie haben noch nicht be- griffen, daß einerseits die Begehrlichkeit der Massen durch solches Entgegenkommen mir immer weiter wächst, während andererseits durch die fortgesetzte Beschränkung der Arbeitszeit und durch die unaufhörliche Bebürdmig der Industrie mit neuen Lasten die Arbeitskraft»nd Arbeitslust der deutschen   Bevölkerung gelähmt und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Erwerbslebens auS- ländischer Konkurrenz gegenüber auf das empfindlichste becintrüchtigt wird. Die allgemeine Einführung von Tarif« verträa/en, für die in diesen Kreisen jetzt so leb- hast gekämpft wird und die nicht hoch genug als soziales FriedenSinstrument" gepriesen werden können, würde den schwersten Schlag darstellen, den man den deutschen   WirtschaftS- leben zufügen könnte, von dein Unsinn der sogenannten konstitutionellen Fabrik" gar nicht zu reden. Es ist aussichtslos, diese Kreise eines besseren zu belehren, im Gegen- teil wird von ihnen jeder, der seine warnende Stimme erhebt. alssozial rückständiger Mensch" gebrandmarkt. Handel und Industrie freilich und ihre berufenen Vertreter lvcrden sich dadurch in der Verfechtung der wahren Interessen der deutschen   Volks- Wirtschaft nicht irre machen lassen und eS wird ihnen hoffentlich in nicht allzuferner Zeit doch gelingen, die maßgebenden Kreise von der Richtiglcit ihrer Anschauungen zu überzeugen." Das nene Vereins-«nd Versammlungsrecht in der Praxis. Folgende drei Aktenstücke, die für sich selbst sprechen, beweisen wieder einmal, wie es mit den gesetzlich gewährleisteten Rechten für die Arbeiterklasse aussieht: Alt-Drewitz, den s. Juli 1908. An die Gemeindevertretung hierselbst. Antrag des Zimmerer» Karl Becker, betreffs VersammlungSplatz. An die Gemeindevertretung stellt Unterzeichneter den Antrag: Hochdieselbe wolle beschließen, den Platz, welcher dem Männer- gesangverein gewährt worden ist, auch den Arbeitern zum. d. M. zur Verfügung zu stellen. Zur Begründung meines Antrages erlaube ich mir folgendes anzmühren: Da der hiesigen Arbeiterschaft im Orte kein einzige» Versammlungslokal zur Verfügung steht und nach dem neuen Vereinsgesetz das Abhalten von Ver- sammlungen unter freiem Himmel gesetzlich erlaubt ist, so wolle die Vertretung den Arbeitern dasselbe Siecht ein­räumen, was dem Mäimergcsangvercin gewährt worden ist. Denn was dem einen recht, ist dem andern billig. Einer auf meinen Antrag bezüglichen Antwort entgegensehend zeichne Achtungsvoll I. A.: Karl Becker, Küstrinerstr. 44. » Alt-Drewitz, de» 28. Juli 1903. Gemeindevorstand M-Drewitz. Auf Verfügung des Herrn Landrats muß Ich Ihnen den Antrag vom 6. d. M. mit dem Bemerken zurückreichen, daß Ich eS ablehne, der Gemeindevertretung zur Beschlußfassung vorzulegen. Im übrigen verweigere Ich Ihnen die Ueberlassung der Dorfaue als VersammlungSplatz, ganz ab- gesehen davon, daß öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel der ortspolizeilichen Erlaubnis bedürfen. Der Gemeindevorsteher. gez. Koppen. Der Amtsvorsteher. .T.No. D. 739. Alt-Drewitz, den 6, August 1908. Die von Ihnen durch Antrag vom 30. v. M. nachgesuchte polizeiliche Genehmigung zu der am Sonntag, den 9. August, nachmittags 8 Uhr, auf dem Grundstück deS Eigen- tümers Otto Parlow zu Alt-Drewitz, Forststr. 17, ab« zuhaltenden öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel wird hiermit von mir gemäß Z 7 des VereinSgesetzeS vom 19. April 1903 ReichSgesetz-Blatt Seite 151 versagt und zwar au» folgendem Grunde: Die Spannung zwischen den sozialdemokratisch gesinnten und den national gesinnten Einwohnern hierselbst hat sich in letzter Zeit derart gesteigert, daß mit Sicher- heit(I) anzunehmen ist, daß die angemeldete Versammlung zumal sie an einem Sonntag abgehalten werden soll zu Reibungen und AnSschreitunge» unter den einander gegenüber- stehenden Parteien und somit zur Störung der öffentliche» Sicher- heit Gelegenheit geben wird. (Siegel.) gez. Wolfram  . An den Zimmerer Herrn Karl Becker in Alt-Drewitz. Gegen Behändigungsschein. Zunächst also verweigert der Gemeindedorsteherauf Ver» fügung des Herrn Landrats" die Hergabe eines öffent- lichcn Platzes iin Orte ohne Angabe von Gründen. Ja, er weigert sich, den an die Gemeindevertretung gerichteten Antrag der Gemeindevertretung überhaupt vorzulegen! Als es darauf den Genossen gelingt, von einem Eigentümer ein Grundstück zur Ab- Haltung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel zur Ver- fügung gestellt zu erhalten, wird die Versammlung verboten, weil eineStörung der öffentlichenSicherheit"zu erwarten sei. Dies Argument ist ein nur allzu bekanntes Klischee. Der§ 7 bestiinmt. daß die Versammlung unter freiem Himmel nur dann verboten werden kann, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicher- heit zu befürchten ist. Darüber aber, waS unter einer solchen Ge- fahr zu verstehen ist, ist der Polizeibehörde der grenzen« lose st e Spielraum gegeben. Besagen doch schon frühere Entscheidungen des preußischen Oberverwal- tunaSgerichtS, daß schon dann ein Verbot zulässig sei. wenn die Abhaltung der Versammlnngzur Gefährdung der öffentlichen Sicher- heit führen kann. ES bedürfe nicht der sich auS Tatsachen er- gebenden Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Gefahr. Damit ist der ausschweifendsten Willkür Tür und Tor geöffnet I So steht eS um die Praxis des VereinSgesetzeS, daS als liberale Errungenschaft von unseren freisinnigen Blockkastraten so sehr ver- herrlicht worden ist! Die bürgerliche Presse und der Stettiner Nieterstreik. Wir berichteten gestern, daß unter den bürgerlichen Blättern sich kein einziges gesunden hat, das gegen den Beschluß der Seeschiffs- werften, wegen des VerharrenS der Stettiner Nieter im Ausstande Zehntausende unbeteiligter Arbeiter der verschiedensten Berufsziveige auszusperren, als einen durch den Machtkitzel der Werftdirektionen diktierten finnlosen und frivolen Streich opponierte. Tat- sächlich hat sich heute doch noch ein bürgerliches Blatt zu einer Kritik des übermütigen Beschlusses der Schiffs« werften aufgeschwungen, wenn auch nur zu einer wohl- temperierten Kritik. Die? Blatt ist dieFranks. Zeitung". Sie schreibt nämlich in ihrem ersten heutigen Morgcnblatt: Andererseits mußten auch die Arbeitgeber einsehen, daß die Arbeiterorganisationen alles versucht haben, den starren Sinn der Nieter zu beugen. Deshalb fehlt der Aussperrung der rechte Sinn. Die Aussperrung hätte, auch vom Stand- Punkt der Arbeitgeber, doch nur dann einen Zweck, wenn durch diese Maßregel die übrigen Arbeiter gezwungen werden sollten, auf die Haltung der Nieter einzuwirken. An einem Mittel, die halsstarrigen Nieter zur Aufgabe ihres Standpunktes zu betvegen, fehlt es aber den Ausgesperrten, und deshalb muß die ihnen ans- gezwungene Beschäftigungslosigkeit, durch die viele Tausende mit ihren Angehörigen, mit ihren Frauen und Kindern, bitter Not leiden müssen, als eine schwere Härte empfunden werden. DaS ist recht wenig, aber andere sogenanntentschieden liberale' Blätter brachten eS selbst nicht bis zu solchen lauwarmen kritische!, Bemerkungen; und doch befinden sich darunter nicht wenige, die Von sich behaupten, daß sieauch" die Arbeiterintereffen vertreten. Techniker und Arbeiter. DaS Gewcrkschaftskartell nahm in seiner letzten Sitzung zu dem Vorgehen der bayerischen Metallindnstrtellen gegen die' organisierten Techniker und Handlungsgehilfen folgende Rc- solution an: Das Gewerkschaftskartell in Leipzig   als Vertretung von etlva 80 000 gelverlschaftlich organisierten Arbeitern protestiert energisch aegeit das terroristische Vorgehen des Verbandes bayerischer Metall- tndustricller, das auf die Beseitigimg deSKoalittonSrechtS der Schichten de» geistigen Proletariats, der Handlungsgehilfen und technischen An- gestellten hinanSläust. Das Gcwcrkschaflslartell sieht als einziges und bestes Mittel gegen derartigen TerroriSmuS die Organisation auf gewerkschaftlicher Grundlage an. Schulter an Schulter mit der gewerblichen und industriellen Arbeiterschaft sollten die Privat- angestellten gegen kapitalistische Bevormundung und Ausbeutung omämpfen. DaS Kartell versichert die um ihr Koalitionsrecht Kämpfenden seiner Sympathie und Solidarität und bedauert zu- gleich die schmähliche und laue Haltung eines großen Teiles der bürgerlichen Handlungsgehilfen im Kampfe um ihr vornehmstes Recht._ Militärjustiz. In der Sitzung deL Kriegsgerichts Landau, Pfalz  , wurden einige aufsehenerregende Urteile gefällt. Der Infanterist Franz Schon vom 17. Jnfanterie-Rcgimcnt in Germersheim   kam am 29. Juni d. I. mit einem Kameraden in einer Wirtschaft in Wort- Wechsel. Hierbei rief er einem dazwischentretenden Unteroffizier zu:Kadett, Du hast mir überhaupt gar nichts zu sagen," woraus der Unteroffizier den total betrunkenen Schön ausforderte, das Lokal zu berlaffen. Anstatt dem nachzukommen, randalierte er in seiner Trunkenheit weiter und soll unter anderem auch mit Tot- stechen gedroht haben. Schön wurde zu einer Gefängnisstrafe von acht Monaten und fünfzehn Tagen verurteilt. Dabei wurde noch als strafmildernd die Trunkenheit deö Angeklagten angenommen. Gegenüber diesem menschlichem Empfinden nach ungeheuer harten Urteil ist da? in der gleichen Sitzung gefällte Urteil gegen zwei Gefreite. Weber und Böhn, als ausnahmsweise milde zu be- zeichnen. Beide hatten sich nachts IL Uhr am 5. April d. I. noch- mals aus der Kaserne entfernt, wo sie dann auf der Straße zwei Dienstmädchen begegneten, von denen Weber beleidigt sein will. DerHeld im Königsrock" packte das eine der Mädchen an der Brust und mißhandelte die völlig Wehrlose schwer. Einem dem Mädchen zu Hilfe eilenden Manne schlug er mit dem Seitengewehr auf den Hinterkopf. Wegen Be­drohung und Körperverletzung erhielt der rohe Patron nur 12 Tage Gefängnis zudiktiert, während sein Kamerad Böhn mit drei Tagen Gefängnis davonkam._ Unfall in der Marine. Ein schwerer Unfall hat sich, wie derVerl  . Lokal.-Anz." be- richtet, gestern bei einer von dem kleinen KreuzerUndine" in der Nähe von Sonderburg   unternommenen Nevnng ereignet und vier Menschenleben gefordert. DaS Blatt bringt darüber folgende tele- graphische Meldung: Als gestern abend der kleine KreuzerUndine" von einer Ucbung aus See nach Sonderburg   zurückkehrte, wurde daS Manöver Mann über Bord" ausgeführt. Ein Schiffsboot mit einem Maat und 10 Mann wurde ausgesetzt, um denüber Bord Gefallenen  " aufzufischen. Durch Versehen deö Postens an der Maschine ging der Kreuzer vorwärts anstatt rückwärts. Hierbei wurde das bemannte Boot zum Kentern gebracht und alle stürzten ins Wasser. Trotz so­fortiger und ausreichender RettungSmittel konnten nur sieben gerettet werden. ES ertranken der Matrose Heinrich Klippe(Wittenberg   bei Gelsenkirchen  ). Johann RickmerS  (Finkenwerder), Gerhard Weber (Bollingen  ) und Johann Zöller(Seligenstadt  ). Die Leichen sind noch nicht geborgen._ Ein Skandalprozest. In Stettin   wurde vorgestern gegen den Landrat G. in Stettin  und«inen Grenadier K. wegen angeblich gemeinsam begangener unsittlicher Handlungen vor verschlossenen Türen verhandelt. Die Beweisaufnahme wurde mit der Vernehmung dreier Sach- verständiger beendet, die sich über den Angeklagten G. eingehend äußerten. Ten Gutachten, die gleichfalls hinter verschlossenen Türen erstattet wurden, ist zu entnehmen, daß der Angeklagte ein« nicht normale Veranlagung besitzt. Das Urteil in dem Pro- zeffe, der von dem LandgcrichtSdirektor Hörig geleitet wurde. wurde um 4 Uhr nachmittags gesprochen. ES lautete dem Antrage des Verteidigers Rechtsanwalts Steinmetz gemäß auf Frei­sprechung, während der Vertreter der Anklage, Staatsanwaltschaft�- rat Ehristiani, gegen G. sechs und gegen Kadow drei Monate Ge- fängnis beantragt hatte. DaS Gericht hat den belastenden Aussetgen Kadows keinen Glauben beigemessen, da Kadow im Laufe der Bor- Untersuchung wiederholt falsche Angaben gemacht habe, Schweiz  . Abschaffung der Nachtarbeit in den Bäckereien. Bcllinzona, 10. August.(Eig. Bericht.) Nach jahrelangen Kämpfen im Kanton Tessin   um die von den Bäckergehilfen gc- forderte und von der übrigen organisierten Arbeiterschaft unter- stützte Abschaffung der Nachtarbeit in den Bäckereien ist daS Ziel nun doch erreicht und das bezügliche Gesetz vor wenigen Tagen, am 8. August, in Kraft erklärt worden. DaS Gesetz betrachtet als Nachtarbeit die Arbeit von 9 Ubr abends bis 4 Uhr morgens Ivährend dem Winterhalbjahr(Oktober bis März) und von 9 Uhr abends bis 3 Uhr morgens im Sommer- Halbjahr(April bis September). Während der für die Nachtruhe bestimmten Zeit ist da» Ar- betten nicht nur für die Gesellen, sondern auch für den Bäcker- mcister selbst verboten. Einzig in Bäckereien, in. welchen nur ein- einzelne Person arbeitet, kann die Arbeit zwei Stunden früher be- ginnen, als im Gesetze vorgesehen. Die Bäckergesellen haben nun in verschiedenen Teilen des Kan- tons Versammlungen abgehalten, in welchen beschlossen wurde, an der strikten Durchführung oieses Humanitären   Gesetzes festzuhalten und unnachsichtlich Mcister oder Gesellen anzuzeigen, wenn Ucbcr- trctungen desselben bekannt werden sollten. Es ist noch lange keine genügende Nachtruhe, die das Gesetz mit dem zulässigsn Arbeitsbeginn um 3 und 4 Uhr morgens bringt, aber es ist ein bescheidener erster Anfang dazu, der ent- wickelungsfähig ist und im Laufe der Zeit zur vollständigen Ab- schaffung der gesamten Nachtarbeit führe» kann. frankreick. Seideuarbeiterstreik in Besanvon. DerMatin" meldet aus Bcsaneon, daß gestern dort ernste Kundgebungen stattgeftmden haben. Die streikenden Seidenarbeiter griffen die Truppen an, mehrere Soldaten und Gendarmen wurden verletzt, 10 Verhaftungen wurden vorgenommen. Für heute werden noch ernstere Zusammenstöße befürchtet.