Einzelbild herunterladen
 

daS Unternehmertum verliere jeden Respekt vor der Macht der Arbeiterschaft. Wollen die Unternehmer aussperren, dann tun sie's, ob der 1. Mai gefeiert wird oder nicht im letzteren Falle finden sie eben einen anderen Grund, müssen sie jedoed die Arbeiter haben, dann sperren sie einfach nicht aus. Wenn du Generalkommission und der Parteivorstand zum 1. Mai einen Ausruf erlassen, dann dürfe er niemals in Ermahnungen ausklingen, sondern nur einen begeisternden Appell zur Durch- führung einer machtvollen Deinonstralion enthalten'. Die auf daS Referat EiSners folgende Diskussion bewegte sich in gleichem Sinne. Unter lebhafter Zustimmung der Versammlung gab ein Genosse den Parteitagsdelegierten die Parole mit auf den Weg:»In der Mai feicrfrage keinen Schritt zurück I* Als Delegierte zum Parteitage wählten die Nürnberger Partei- genossen GewcrkichaflSsekrctär Bohl, Landtagsabgeordneten Dorn und Redakteur Kurl Eisner. Die Genossen von Kassel beschlossen, am Parteitage zu be- antragen, bei Punkt 3 der TageSorduuug sParlamentarischer Bericht) die Frage der Budgetbewillig ung in den bundes- staatlichen Landtagen zu erörtern. In der Sache selbst wollte man sich noch nicht festlegen, sondern erst die Begründung des Schritts der badischen Genossen abwarten. Ansterdem wurde ein Antrag angenommen, den Parteivorstand zu beauftragen, den von dem Essener Parteitag gefaxten Beschluß betreffend Einführung einheitlicher Mitglieds- b ü ch e r unverzüglich allgemein zur Ausführung zu bringen. In der Diskussion über die Jugendorganisation sprachen drei Redner für die Beschlüsse des Hamburger GewerkschaflS- longresseS, einer dagegeu. Schließlich wurde eine Resolution an- genommen, die besagt, daß von den zur Lösung der bedeutungS - vollen Fragen vorgeschlagenen Wegen der von dem Ham- burger Gewerkschaftskongreß empfohlene als der glücklichste bezeichnet werden müsse. Er verbürge auch, wenn man die keineswegs unwichtige finanzielle Seite der Frage in Be- tracht ziehe, die alsbaldige tatkräftige Inangriffnahme der Jugend- erziehung._ Angriff« auf die Parteischule. In Cassel erklärte in der Generalversammlung des Sozial- demokratischen Vereins der Genosse Wegener in seinem Referat über den Parteitag in Nürnberg :..... Die Parteischule in ihrer jetzigen Anlage müßte auf Grund der bis jetzt gemachten Er- fahrungen als ein verfehltes Unternehmen betrachtet werden. Das dafür aufgewendete Geld könne in anderer Form zweckmäßiger für BildungSzwecke verwandt werden....." Womit der Redner feine Behauptung begründet hat, teilt der Bericht unseres Casseler Parteiblattes nicht mit. Ein ähnlicher Vorstoß ist vom Genossen Kurt E i S n e r in Nürnberg , ebenfalls im Referat über den Parteitag gemacht worden. EiSner führte auS:Der Wert der neugeschaffenen Partei- a k a d e m i e ist sehr zweifelhaft, zum mindesten steht der damit erzielte Erfolg in keinem Verhältnis zu den aufgewendeten Geld- Mitteln. Ich meine, wir sollten keinen Antrag stellen, die BildungS. schule des Parteivorstandes aufzulösen, aber wir können erwägen, ob sich die Schule dezentralisieren läßt, erwägen, ob es nicht vorteilhafter ist, die Lehrer des Instituts, die in Berlin auf einem Haufen sitzen, auf das Reich zu verteilen." Die nähere Begründung der Behauptungen des RednerS läßt auch der Bericht des Nürnberger ParteiblatteS vermissen. Sie ist indes leicht zu ergänzen. Am einfachsten faßt man sie in die Worte:Die ganze Richtung paßt uns nicht I" Nämlich die Richtung der Lehrer an der Parteischule. Sie ist den Kritikern zu.orthodox"! DaS ist der ganze Schmerz. Was den ferneren Vorschlag«mf Dezentralisation der Schule anlangt, so weiß Genosse Eisner ganz gut, daß die meisten Lehrer der Schule nur nebenamtlich unterrichten und daß ihre Haupttätigkeit ihnen gar nicht erlauben würde, die Provinzen zu beglücken. Dieser Eisnersche Vorschlag ist also ebenso aufrichtig, wie die Gründe, die er für seinen Angriff auf die Schule anführt. AuS den Organisationen. Die Mitgliederzahl des Sozialdemokratischen V e r- eins Nürnberg ist im vergangenen Jahr von U 000 auf 14 000 gestiegen. Mitglieder, die zu gelben Vereinen übergetreten Sind, wurden vom Sozialdemokratischen Verein-- und auch von »en Gewerkschaften ausgeschlossen. Hud Induftrlc und Ftandel Nooscvelt und Nockefeller. Ms vor etwa zwei Jahren unter der Initiative des Präsidenten Roosevelt ein Kampf gegen die Trusts eingeleitet und als erstes Opfer die Standard Oil Company ausersehen wurde, da glaubte der größte Teil der Oeffentlichkcit an den Erfolg des aufgenommenen Kampfes. Von der ersten gerichtlichen Instanz wurde auch über die Standard Oil Company eine ganz exemplarische Strafe in Höhe von 29 Millionen Dollar verhängt. Aber schon damals tauchten Zweifel auf. ob das Urteil juristisch unanfechtbar sein würde. Verklagt war eine Tochtergesellschaft der Standard Oil Company, die eine so hohe Strafe nie hätte be- zahlen können. Der Bundesrichter Landis verurteilte daher die Muttergesellschast. Diese Gesellschaft ging an die höhere gericht- liche Instanz und hat nunmehr den Erfolg zu verzeichnen, daß der Appellgerichtshof in Chicago daS Urteil des Vorderrichters in wenig schonender Weise umgestoßen und eine neue Verhandlung des Falles angeordnet hat. Man kann sich vorstellen, welchen Eindruck diese Entscheidung auf die öffentliche Meinung in Amerika ausgeübt hat: Rockefeller. der Trustmagnat, triumphiert über den scheidenden Roosevelt . den Vertreter der Staatsmacht! Man findet in dem Resultate des gerichtlichen Vorgehen« bestätigt, was der Richter David Davis amtlich so ausgedrückt hat: Große Körperschaften, fest verbündete Riesenbetriebe besetzen die Wege zur Macht... Es ist ein öffentliches Geheimnis, daß sie durch Einsetzung von gesetzgebenden Versammlungen einige Staaten beherrschen und die Gerichte korrumpieren, daß sie mächtig im Kongreß und skrupellos in der Anwendung von Mitteln sind... Was sind in Amerika für Enqueten, für Unter- suchungen, für Prozesse geführt worden. Es ist niemals etwas anderes erreicht worden, als daß man eine Form aufgab, während die Sache genau so blieb wie bisher." Man wird vielleicht einwenden, daß ja noch nicht aller Tage Abend sei, daß eine neue Verhandlung wieder zur Verurteilung führen könne. Man mag diese Möglichkeit ruhig annehmen bis aber die Verurteilung perfekt werden wird, würden noch Jahre ver- gehen, und der Effekt bleibt vorläufig auf alle Fälle der. daß die staatliche Macht vor der Ueberlegenheit der Truste kapitulieren muß. Selbst bei einer definitiven Verurteilung läge der Fall nicht viel anders, wenn freilich auch der Eindruck der Oeffentlichkcit für die staatliche Autorität weniger nachteilig wäre. Denn nichts anderes hat das impulsive und unbedachte Vorgehen des Präsidenten Roosevelt erzielt, als eine erhebliche Schädigung der staatlichen Autorität: der Präsident konnte nicht einmal die von ihm gewollte Verurteilung des Rockefellerschen Oel« trustS durchsetzen. DaS war aber vorauszusehen, und es war des- halb unklug, trotzdem die gerichtliche Aktion einzuleiten. Oder sollte etwa daS vergebliche gerichtliche Vorgehen die Oeffentlichkett von der Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Einschreitens gegen die Trusts überzeugen? Auch bei dieser Taktik würde indes ein Miß- erfolg herauskommen; denn weder im Senat noch im Kongreß fände sich bei ihrer dermaligen Zusammensetzung eine Mehrheit, die regressive Gesetze gegen die Trusts beschließen würde. EruteanSsichten in Oesterreich . Der Saatenstands- und Erniebericht des österreichischen Ackerbau- Ministers für die erste Hälfte des August stellt die Beendigung der diesjährigen Gelreideernle fest. Der Roggen ergab ziemlich guten Ertrag bei verschiedener Qualität. Der Weizen lieferte eine bessere Ernte, die Gerste hatte fast allgemein mittlere Erträge und Hafer mittlere bis ziemlich gute Ergebnisse aufzuweisen. Raps wurde bereits angebaut, ebenw Buchweizen. Frütstein verspricht ziemlich guteS bis mittleres Ergebnis. Recht gut sind die Aussichten in der Kartoffelernte. Auch die Zuckerrübe gedeiht recht gut und zeigt guten bis mittleren Stand. Wärme und Sonne käme ihr zustatten Vortreffliche Aussichten haben die diesjährigen Weinreben mid Obstbäume. _ vaumwellerzeuglmg der Welt im Jahre 1907. Nach einer Zusamineiistellung des ZensusbureauS im Bundesamt für Handel und Arbeit zu Washington wurden im Jahre 1907 in den Baumwolle erzeugenden Ländern der Welt folgende Mengen dieses Spinnstoffes erzeugt und in den Handel gebracht: Erzeugung Anteil a._z, in Ballen von an der Welt- öOO Pfund erzeugung Nettogewicht Proz. Vereinigte Staaten von Amerika 10 882 385 65,9 Britisch Indien...... 2 444 800 14,8 Aegypten......... 1 296 000 7,8 Rußland........ 620 000 3,8 China .......... 428 000 2,6 Brasilir i........ 370 000 2,2 Mexiko .......... 85 000 0,5 Peru .......... 65 000 0,3 Türkei .......... 80 000 0,5 Persien ......... 51 000 0,3 Andere Länder....... 200 000 1,3 Summa... 16 512 185 100,0 Im Vorfahre betrug die Erzeugung, soweit sie für den Handel in Betracht kam, 19 942 000 Ballen, 1905 nur 15 747 000 Ballen und 1904 rund 18 803 000 Ballen. Die Mengen Baumwolle, die nichi aus den Markt kamen, sondern in China . Indien , dem asiatischen Rußland und anderen Gebieten des Orients sowie in Süd« und Mittclamerika für den Lokalverbrauch im Kleinbetrieb verwendet wurden, sind hierbei außer Ansatz geblieben. Während des Zeitraumes von 1786 bis 1790 lieferte Westindien ungefähr 70 Proz. der in Großbritannien verarbeiteten Baumwolle, auf die Mittelmeerländer entfielen 20 Proz., auf Brafilien 8 Proz., auf die Vereinigten Staaten und Ostindien nur 1 Proz. der engli- fchen Spinnereien gelieferten Baumwolle: Aegypten brachte damals überhaupt noch nichts von diesem Spinnstoff auf den Markt. Hua der frauenbewegung. Krise und Prostitution. Große Schichten der Bevölkerung leiden furchtbar unter der infolge der Krise eingetretenen Arbeitslosigkeit. Ganze Industrien stocken seit Monaten. Alte Austräge sind erledigt und neue Be- stellungen lassen auf sich warten. Kein Wunder, wenn die Unter- nehmer ihre Betriebe aufs äußerste einschränken. Arbeiter werden entlassen oder nur einige Stunden am Tage beschäftigt. Da wird denn Schmalhans Küchenmeister in manchen Arbeiterfamilien. Der Magen ist schon daran gewöhnt, ab und zu nicht zu seinem Rechte zu kommen. DaS Gespenst der Arbeitslosigkeit schwebt stets über dem Haupte der Arbeiterschaft. Von der gesicherten Existenz ist wenig zu spüren. Bei der kapitalistischen Produktionsweise wird dieser Zustand auch niemals völlig zu beseitigen sein. Wandel wird erst durch eine völlige Umgestaltung der kapitalistischen in die sozialistische Wirtschaftsweise geschaffen �werden können. Bis zur Einführung der letzteren hat es jedoch noch gute Welle und der Kapitalismus wird noch riesige Opfer fordern. Zahllose Exi- stenzen gehen bei dieser Krise unter in Sumpf und Verderben. Nur um den Profit nicht zu schmälern, werden in Perioden des wirtschaftlichen Niederganges häufig männliche Arbeiter aufs Pflaster geworfen und durch billigere weibliche ersetzt. Oft holt man auS den entlegensten Gegenden Arbeiterinnen herbei, die, unbekannt mit den örtlichen Verhältnissen, die Arbeit unter Be- dingungen antreten, die sich gar bald als haltlos herausstellen. Das Streben der aufgeklärten Arbeiterschaft ist diesen weltfremden Menschenkindern meist nicht bekannt, schutzlos bleiben sie daher dem ausbeuterischen Getue deS Unternehmers ausgesetzt. Haben sie noch so viel Wertsachen im Besitz, um in die Heimat zurückzukehren, sind sie gerettet, ist daS jedoch nicht der Fall, so verfallen sie dem Elend und der Schande. Ein großer Prozentsatz von Prostituierten besteht auS Mädchen, die dem heimatlichen Boden entrissen, in der Fremde jeglichen Schutzes beraubt,. notgedrungen sich der Prostitution ergeben, um dann nie wieder in gesittete Verhältnisse zu gelangen. Die einheimische Arbeiterin ist demselben Lose unterworfen. Sie ist gewöhnlich von Hause aus nicht zu völliger BcdürfniSlosig- keit erzogen, wie ihre auS kulturell niedrigstehenden Gegenden stammende Gefährtin. Durch das ewige Herunterdrücken des Lohnes, verbunden mit der steten Verteuerung der notwendigsten Lebensmittel und sonstiger Gebrauchsgegenstände wird es ihr schwer, von ehrlicher Arbeit ihr Leben zu fristen. Kein Wunder, wenn solche Mädchen, die von zu Hause keine Unterstützung erwarten können, ja vielleicht keine näheren Angehörigen mehr haben oder solche noch durch ihrer Hände Arbeit unterstützen müssen, einen Nebenverdienst in der Prostitution suchen. Einmal auf schiefer Ebene angekommen, braucht nur noch Entlassung auS der Arbeits- stelle einzutreten, um den bereits befchrittenen Pfad des Lasters weiter zu verfolgen, nur noch von der Prostitution zu leben. Schrecklich wütet der Kapitalismus unter der nichts als ihre Arbeitskraft besitzenden Arbeiterschaft. Sie nicht durch aufge- drungene Arbeitslosigkeit dem Verfall preiszugeben, wäre eigent- lich ein Gebot der Nächstenliebe. Aber so sentimental veranlagt ist heute wohl kein Kapitalist mehr, um seine Handlungen von Nächstenliebe bestimmen zu lassen. AuS dem Gesichtskreise deS Kapitalisten heraus liegt keine Ursache vor, die Angestellten vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Für sich nehmen freilich die Ange- hörigen der besitzenden Klasse das Recht in Anspruch, ein ange- nehmeS Leben zu führen und daS Geld mit vollen Händen aus dem Fenster zu werfen. Dieselben Arbeiterinnen, die einstmals durch redliche Arbeit nicht imstande waren, ihr Dasein erträglich zu gestalten, leben später durch das Geld eine» reichen Lebemannes in SauS und Braus DaS arme Mädchen, das früher kaum feine Blöße bedecken konnte, geht in hckrlichen Gewändern einher. DaS Wenige, was ein Mädchen bedarf, um sich recht und schlecht durch- zuschlagen, kann eS durch redliche Arbeit nicht erlangen; erst wenn es gefallen ist, vermag es ein auskömmliches Leben zu führen. Doch wir wollen nicht daS Leben dieser von der guten Gesell- schaft auSgestoßenen Mädchen preisen; gäbe eS ein Zurück, sie würden zu Tausenden umkehren. Aber die Wenigen, die eS von Zeit zu Zeit versuchen, sehen nur zu bald, daß es noch genau so schwer und für eine Abtrünnige noch viel schwerer ist. lohnende Arbeit zu finden. Gar gewaltig schimpft man über die zunehmende Sittenlosig- keit in den unteren Bevölkerungsschichten, und doch wird der Weg zur Moral durch undurchdringliche Mauern versperrt. Man sollte an den maßgebenden Stellen endlich einsehen, daß alle die Maß- nahmen, wie Kasernierung der Prostituierten, die vielen in den verschiedenen Städten bestehenden Ausnahmegesetze gegen die unter polizeilicher Kontrolle stehenden Mädchen, nicht geeignet sind, um der Unsittlichkeit Einhalt zu tun. Wohl werden die Mädchen in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt, aber gebessert werden sie nicht. Will wirklich hier und da ein Mädchen aus dem Sumpfe heraus, so machen ihm Gesetze oder polizeiliche Bestimmungen es unmög- lich, die guten Vorsätze zu verwirklichen. Ueberall und so auch in dieser Beziehung sieht man. daß an faulen Stellen des Gesellschafts- körperS Pflästcrchen hauptsächlich zum Schutze der Besitzenden an- gebracht werden. Wo sich schadhafte Stellen im Staatsorganismus bemerkbar machen, verkleistert man wohl hier und da etwas, selten -oder niemals kommt es jedoch dazu, das Uebel an der Wurzel aus- zurotten. Mit verbundenen Augen geht die Bourgeoisie den Ur- fachen des Verfalles aus dem Wege, anstatt diese zu beseitigen. Wird dann von feiten der Sozialdemokratie auf Beseitigung ge- drungen, so ergeht man sich in wüsten Schimpfereien auf die Leute, die alles besser wissen wollen. Prostitution und Kapitalismus gehen Hand in Hand. Solange der Kapitalismus die Völker regiert, werden schwerlich bessere Zustände herbeigeführt werden. Gerichts-Leitung. Die Vorteile der Aktenvernichtung zeigte eine Verhandlung, mit der sich gestern die Ferienstrafkammer des Landgerichts I zu beschäftigen hatte. Wegen schweren Dieb- stahls im strafverschörfendcn Rückfalle war der Glaser Otto B. angeklagt. Der Angeschuldigte hatte vor 18 Jahren einmal im jugendlichen Leichtsinn eine Straftat sich zuschulden kommen lassen, wegen welcher er wegen Diebstahls zu einem Monat Gefängnis verurteilt worden war. Er führte sich dann volle fünfzehn Jahre tadellos und war stets nur als ein fleißiger, nüchterner und ehr- licher Mensch bekannt. Vor drei Jahren hatte er daS Unglück, schwer zu erkranken, so daß er seine Arbeit aufgeben mußte. In der bittersten Not ließ sich B. verleiten, einen Diebstahl an Nahrungsmitteln zu begehen, wofür er, mit Rücksichtnahme auf den geringen Wert, zu einer Gefängnisstrafe von drei Tagen ver- urteilt wurde. Der Angeklagte fand dann auch wieder Arbeit, die er erst Anfang dieses Jahres, als ein Rückfall seiner Krankheit eintrat, wieder aufgeben muhte. Er geriet wieder in eine sehr bedrängte Lage. Ueberall. wo er um Arbeit anftagte, wurde er als älterer und kranker Mann abgewiesen mit dem Bemerken, daß eS genug junge und gesunde Leute gäbe. Als B. eine? Tages auf einem Grundstück in der Köpenicker Straße um Arbeit an- fragte, bemerkte er, daß ein auf dem Hof gelegenes Kontor offen stand. Er unterlag der Versuchung, ging hinein und erbrach ein Pult, aus dem er 2,15 M. Bargeld und zwei Zehnpfennigmarken entwendete. Als er stch mit dem gestohlenen Gelbe entfernen wollte, um damit seinen Hunger zu stillen, wurde er von Haus- bewohn ern festgenommen und der Polizei vorgeführt. Die rechtliche Lage in dieser Sache war nun so, daß bei dem Angeklagten die Bestimmungen des Rückfalles in Anwendung kommen mußten, die eine ganz erhebliche Verschärfung der Strafe herbeiführen. Da der Angeklagte bereits zweimal wegen Dieb- stahl? vorbestraft ist. so kamen bei ihm die Bestimmungen des § 244 des Strafgesetzbuches in Anwendung, nach welchen derjenige Täter, der einen einfachen Diebstahl begeht, mit mindestens drei Monaten bestraft werden muß, daß aber gegen einen Täter, der. wie im vorliegenden Falle, einen schweren Diebstahl mittels Er- brechenS eines Behältnisses begeht, eine Mindeststrafe von zwei Jahren Zuchthaus oder bei Zubilligung mildernder Umstände eine Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahre verhängt werden muß. Der Angeklagte wäre also im günstigsten Falle mit einem Jahre Gefängnis davongekommen. In der gestrigen Verhandlung stellte Rechtsanwalt Dr. Max Kantorowicz den Antrag, aus den Akten festzustellen, ob der Angeklagte die vor 18 Jahren gegen ihn verhängte Strafe auch verbüßt habe, da nur dann die straf- schärfenden Bestimmungen des Rückfallparagraphen in Anwendung kommen können, wenn die den Rückfall begründenden Strafen ver- büßt, erlassen oder verjährt sind. Diese Feststellung war nicht mehr möglich. Nach den betreffenden Vorschriften werden Gerichts- alten nach zehn Jahren vernichtet und nur dt« UrteilsauSferti- gungen werden dreißig Jahre aufbewahrt, bis auch sie der Ver- nichtung anheimfallen. DaS vor 13 Jahren ergangene Urteil war zwar zur Stelle, aus diesem ging aber nicht hervor, daß der Angeklagte auch die Strafe verbüßt hatte. Diesem Umstand hatte eS der Angeschuldigte zu verdanken, daß er einer enorm hohen Strafe entging. Der Staatsanwalt mußte die Anklage wegen RückfalldiebstahlS fallen lassen und beantragte eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten. Der Verteidiger plädierte auf Zuertennung der gcringstzulässigen Straf« von drei Monaten, da auch diese bei der ganzen Sachlage noch eine sehr harte sei. Das Gericht er- kannte auf vier Monate Gefängnis unter Anrechnung von einem Monat der erlittenen Untersuchungshaft. Eine WilddiebSaffäre, die in einer Berliner Markthalle zur Entdeckung gekommen war, beschäftigte gestern daS Schäffengericht in Lichtenberg . Wegen un- berechtigten JagenS war der Maler Georg Wunderlich angeklagt. während sich der Wildfmndler Franz Freigang wegen Hehlerei ver- antworten mußte. Die hiesige Kriminalpolizei hatte in Erfahrung gebracht, daß trotz der bestehenden Schonzeit für Rehwild in der Markthalle in der Lindenstraße Wildpret verkauft werde ES war auch in den Räumen der Markthalle ein offenes Geheimnis, daß der letz'ge Angeklagte, der dort einen Stand und größere Kellereien inne hatte. gew.lderteS Wild verkaufe. Am 28. März d. I. be- obachtete deshalb die Polizei den Stand des Anacklaaten. Don dem Aufseher Payer wurde den Schutzleuten mitgeteilt, daß soeben ein Mann mit einem großen Paket in den Keller deS F. hineinge­gangen sei. Ein Kriininalschutzmann ging diesem Mann nach und nahm ,hn auf der Straße fest. Auf der Polizeiwache fand man be, einer Durchsuchung des Festgenommenen in dessen Hosentaschen einen zufammengeiegten Teschinglauf. ferner wurde noch be.'hm der Flintenschaft, ein Feldstecher und mehrere Jagdpal ronen vor. gcftinben. Es tDiithe festgestellt, daß der Festgenommen- d-r schon wegen Wilddieberei vorbestrafte jetzige Angeklagte Wunderlich war. Er g°b zu zwi,chen KarlShorst und Sadowa ein R-h geschossen zu haben, behauptete aber, er sei bei dem Aufbrechen von Spazier- gangern gestört worden und habe das Wild liegen lassen müssen. In der Zwischenzeit war eine Durchsuchung de» Freigangschcn Kellers vorgenommen. Hierbei wurden drei Damwildkeulen und mehrere Rehpfoten beschlagnahmt. Freig-ng behauptete, er wisse nW. w,e die Rehteile in seinen Keller gelangt seien. Von Wunder- lich habe er nie etwas«kauft Da» Gericht hielt auch die dem F- zur Last gelegte Hehlerei für nicht genügend aufgellärt und ) brach ihn frei. Tagegen wurde Wunderlich wegen Jagdfrevels zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Unlauterer Wettbewerb wurde dem Zahnarzt Thormeyer zur Last gelegt, welcher sich gestern vor. der 1 Strafkammer des Land. gerichts I verantworten mußte. D.e Anklage aegen T. lautete auf Vergehen gegen den Paragraphen 4 des Metzes bett� die Be, kampfung des unlauteren Wettbewerbes dom 27. Mai lSW. welcher denjenigen mit Strafe bedroht, der in der Absicht, den dnschem emes