Was würde wohl die ehrettwerh„Post" dazu sagen, wenn die Arbeiter einmal einem Unternehmer den Streik androhen wollten, falls er nicht aus seinem Unternehmcrverband austrete.—, Militärjustiz. Wegen MißbrauchS der Dienstgewalt, Unterschlagungen usw. der- urteilte das Kriegsgericht in Ingolstadt die Unteroffiziere Ritteler und Lehmer zu je S Monaten Gefängnis und Degradation. Der Soldat Neichling vom Trainbataillon in Germersheim meldete den Unteroffizier Forst wegen Beleidigung(.Sie sind ein LauSbub 1"). Der Anzeige wurde nicht stattgegeben, dagegen gegen den Soldaten Anklage erhoben, weil er damals, als er von dem Unteroffizier mit„Lausbub" angeredet worden war, nicht mit den Händen an der Hosennaht dagestanden hatte. Das Kriegsgericht in Würzburg verurteilte den Soldaten wegen Achtungsverletzung zu 28 Tagen strengem Arrest.—_ Das Ende der Aktion. Nach den letzten Reichstagswahlen ist gegen acht agitatorisch tätig gewesene Genossen in Gotha ein Verfahren wegen Beleidi- gung des Hauptmanns Dominik und des Stationsleiters Geo Schmidt eingeleitet worden. Dieses Verfahren wurde dann auch auf drei Parteiblätter ausgedehnt. Das Verfahren gegen die Gothaer Genossen ist längst eingestellt und nun sind auch die an- geklagten Parjeiredaktcure ausser Verfolgung gesetzt worden.— Ocftcrmch. Ein rektifizierter Staatsretter. Unser Wiener Bruderblatt, die„Arbeiterzeitung", hat am Dienstag nach längerer Pause wieder einmal eine Konfiskation er- lebt. Sie hatte bei der Besprechung der zum Geburtstag des Kaisers erlassenen Amnestie darauf hingewiesen, dass der Straf- nachlah nur Unbescholtenen zuteil wird, und dazu bemerkt: Diese Einschränkung gestaltet die Amnestie ohne rechten Grund sehr engherzig. Diesen Satz hat der Erste Staatsanwalt konfisziert, weil darin das Verbrechen der Majestätsbeleidigung enthalten sei. Die famose Konfiskation ist indes schon am Nachmittag des- selben Tages vom Landgericht Wien wieder aufgehoben worden. Das Gericht erklärte in der Begründung, dass nach dem Zusammenhang, in dem die von der Staatsanwaltschaft be- anstandete Stelle sich befinde, nicht angenommen werden könne, dass sich die in dem angeführten Passus enthaltene Kritik gegen die Person des Kaisers richte. Der übereifrige Erste Staatsanwalt ist also schnell rektifiziert worden— die„Arbeiterzeitung" aber hat den Schaden von der Massnghme des Herrn weg.—_ Belgien . Die Kongoanncxion a» der Klippe. Die Kammer hat am Donnerstag einen Beschluß gefaßt, der die Kongoanncxwn plötzlich wieder in Frage stellt. Die Regierung forderte in einer Vorlage die Garantierung der Schulden des Kongo st aats durch Belgien . Die Kammer hat diese Vor- läge mit 75 gegen 54 Stimmen bei zehn Stimmenthaltungen ab- gelehnt. Die Niederlage der Negierung muß eine Minister- k r i s e zur Folge haben, wenn Leopold II. nicht vorziehen sollte, die Kongovorlage ganz zurückzuziehen. Man meint Grund zu der An- nähme zu haben, daß er das tun wird— er habe die Garantie der Kongoschuld nur gefordert, um daran die Kongoannexion fchei, kern zu lassen, die er nicht wünscht.— JVIarokfco. Abdul Asis Herr von Marrakesch . Wie aus Marrakesch vom 15. d. M. gemeldet wird, Vernich- tetc die Mahalla des Sultans Abdul Asis die Truppen El Glauis bei Sidi Guellal und eine zweite hafidische Mahalla bei Sidi Rahal. Zu derselben Zeit zog der Kaid Mtugi in Marra- kesch ein.—_ Hiid der parteL Eine eigenartige Entdeckung. Der Genosse E. N., Redakteur der„Dresdener Volkszeitung" polemisiert gegen die Ausführungen des Genossen H. F. in demselben Blatte dadurch, daß er den Nachweis zu führen versucht, dass in Sachsen das Budget traditionell nicht abgelehnt, sondern bewilligt worden sei! Seit 1878 sei von unserer Fraktion das Budget nur zweimal ab- gelehnt, in zehn Fällen ober bewilligt worden. Diese Praxis sei nicht nur unter der Führung Liebknechts, sondern auch unter der Führung des Genossen Bebel geübt worden. So habe 1890 Bebel mit der übrigen Fraktion für das Gesamtbudget gestimmt. Auch später, als Bebel ausgeschieden sei, hätten die übrigen Genossen(Geyer, Goldstern, Horn, Kaden, Stolle usw.) das Budget bewilligt. Selbst 1898 und 1999 hätten die säch- fischen Fraktionsmitglieder noch für das sächsische Budget gestimmt. Der Genosse E. N. stellt diese Behauptungen auf Grund des amtlichen Stenogramms des sächsischen Landtages auf. Wir bemerken demgegenüber einstweilen, daß weder im Jahre 1894 noch im Jahre 1991 auf den Par- teitagen in Lübeck und Frankfurt von den süd- deutschen Genossen auf diese angebliche Be° willig ung des Budgets durch die sächsischen Genossen hingewiesen worden ist, wohl aber er- klärte der Genosse Geyer im Jahre 1991, daß eine Budget- bewilligung in Sachsen nur ein einziges Mal vorgekommen sei! Ferner erklärte der Genosse Gold stein bor noch nicht langer Zeit, daß er ni cht für das Budget gestimmt habe!- Trotz der Ungeheuerlichkeit dieser Enthüllungen, die mit unseren iparteitagsprotokollen in schärfstem Widerspruch stehen. druckt sie bereits die„Fränkische Tagespost" munter nach. Wir erwarten, daß die in Frage kommenden Genossen schleunigst eine Berichtigung und damit auch eine gründliche Zurück- toeisung dieser neue st en Rechtfertigungs- versuche dgr süddeutschen Sondcrbündclcicn unternehmen werden!— Zum Parteitag. Genosse I. S t. regt in der„Schwäbischen Tagwacht' an, auf dem Parteitag die Bildung einer Kommission zu betreiben, die sich mit der Herausgabe eines Lehrbuchs der Weltgeschichte befaßt, das den Stoff in gedrängter Kürze bietet und das Tatsachenmaterial mit der ökonomisch-materialistischen Idee durch- leuchtet. Die Konunission mützte eine Reihe befähigter Autoren gewinnen, die sich in die Arbeit teilen und nach einem gemeinsamen Plan, auf Grund des historischen Materialismus, doch ohne in Einzelheiten die subzektive Auffassung der Autoren zu beschränken, das Werk herzustellen. Die Kreiskonferenz für den Wahlkreis Ruppln-Templin delegierte die Genossen Ritter und P o l z i n e r, die Jahresversammlung des Wahlkreises Brandenburg- W e st h a v e l l a n d den Genossen S i d o w. In einer Zuschrift aus Dresden wird uns von einem be- kannten Genossen die iir Nr. 193 gebrachte Notiz über die Bersamm- lung der Genossen von Dresden-Altstadt als irreführend. bezeichnet. Die darin abgedruckte und als angenommen bezeichnete Resolution sei gegenstandslos geworden durch die gegen nur vier Stimmen erfolgte Annahme der Leipziger 3t e s o l u t i o n zur Jugendorganisationsfrage.— Der Bericht der„Dresdener Volks- zcitung" behauptet die Annahme der von uns wiedergegebenen Resolution._ Aus den Organisationen. Die Organisation im Reichstagswahlkreise Brandenburg- West Havelland hat, wie auf der am Sonntag in Brandenburg tagenden Jahresversammlung berichtet wurde, jetzt 3531 Mitglieder. In den beiden Industriestädten des Kreises Rathenow und Branden- bürg sind mehr als 43 Proz. der sozialdemokratischen Reichstags- Wähler im Wahlverein organisiert. Ilm in den kleinen Städten und auf dem Lande, Ivo die Organisation ungünstiger steht und teilweise Slückschritte zu verzeichnen sind, die Partei mehr zu fördern, wurde die Anstellung eines Partei- s e k r e t ä r s gewünscht. Die Anregung wurde dem Vorstand zur Erwägung überwiesen. Bei den Stadtverordnetenwahlen hat die Partei glänzende Siege erfochten und bei den Landtagswahlen entscheidende Fortschritte gemacht. Zur Prodi nzialkonferenz in Berlin stellt die Kreisversammlung den Antrag, in dem ge- planten Einheitsstatut für die Provinz den Pflichtbeitrag der Kreisvereine auf 3 Pf.. pro 39 Pf.- Beitragsmarke festzusetzen und den Monatsbeitrag der weiblichen Mitglieder auf 15 Pf. zu bemessen.— Der Stand des Parteiorgans, der„Branden- b u r g e r Zeitung" ist günstig. Trotz Betriebserweiterungen und Ausgestaltung des Blattes ist ein Ueberichuss von rund 19 999 M. erzielt worden. Der Abonnentenstand ist unter den Einwirkungen der Krise etwas gesunken, war aber im Jahresdurchschnitt immer noch höher als im Vorjahr, seine mittlere Höhe war über 12 999. Im Wahlkreis Solingen , der am 9. August seine von 64 Delegierten, darunter 19 Frauen beschickte Kreiskonferenz abhielt, ist im letzten Jahre die Organisation, wohl infolge der grim- migen wirtschaftlichen Krise, nur um 168 Mitglieder gewachsen. An Beiträgen wurden 19 267 M. gegen 7886 M. im Vorjahre auf« gebracht. Die Gesamteinnahmen sind von rund 14999 M. im Vorjahre aus über 13 999 M. gestiegen. Die Kosten der Landtagswahl beliefen sich auf 2519,79 M., ein Zuschuß von 914,86 M. zu dem durch Sammellisten aufgebrachten Betrag von 1694,93 M. war erforderlich.— Die Parteipresse steht verhältnismäßig günstig; die Einnahmen haben sich bedeutend gehoben, allerdings auch die Ausgaben. Ein Antrag, das Parteiblatt in Parteiregie zu übernehmen(jetzt ist eine Genossenschaft Eigentümerin) wurde auf später vertagt. A b- gelehnt wurde ein Antrag, nach welchem der Beitrag der Frauen ISPs, pro Monat nicht übersteigen und die„Gleichheit" nicht obligatorisch eingeführt werden sollte. Im Wahlkreise Ruppin-Templin, dessen Kreiskonferenz am 9. August in Zehdenick tagte, ist infolge der wirtschaftlichen Krise die Mitgliederzahl von 942 auf 873 zurückgegangen. Gewerk- schaftlich organisiert sind 1928 Genossen. Die Einnahmen beliefen sich während des ersten Halbjahrs 1993 auf 976,39 M., die Ausgaben auf 913,58 M. Die Abonnenten der Parteipresse haben sich gleichfalls vermindert. Es werden 333 Exemplare der„Brandenburger Zeitung" und 21 Exemplare des„Vorwärts" gelesen.— Bei den Gemeinde- vertreterwahlcn haben Kurtschlag. Zehdenick und Lychen sehr gut ab- geschnitten. Leider mußte konstatierr werden, daß in Lychen der ge- wählte Parteigenosse der Partei den Rücken kehrte. Genosse Mittag in Zehdenick sti mm te für Errichtung einer katholischen Schule. während bürgerliche Vertreter dagegen stimmten. Darüber von der WahlvereinSversamm- lung zur Rede gestellt, gab derselbe eine ausweichende Antwort. Die Zehdenicker Genossen forderten nunmehr die Mandats niederlegung des inzwischen aus dem Wahlverein geschiedenen Genossen Mittag. Diesem Verlangen ist er bis heute nicht nachgekommen. Bei der Landtagswahl hat er nicht ge- wählt. Die Konferenz nahm dazu folgende Resolution an: „Die heutige Kreisgeneralversammlung erklärt nach Kenntnisnahme der Handlungen des von der Partei aufgestellten und gewählten Stadtverordneten Mittag in Zehdenick , denselben nicht mehr für würdig, der sozialdemokratischen Partei anzugehören und fordert denselben auf, unverzüglich sein Mandat in die Hände seiner Mandatgeber zurückzugeben. Die Versammlung erklärt sich durchaus einverstanden mit den in dieser Angelegenheit von dem Ortsverein Zehdenick gefaßten Beschlüssen.— Der Zentralvorstand wurde von Neu-Ruppin nach Zehdenick verlegt. Zum Zentralvorsitzenden wurde Genosse Polziner-Zehdenick und zum Kassierer Genosse Ehlicke-Zehdenick gewählt. Der Organisationsplan sowie das Normalstatut für die Wahlvereine der Provinz Brandenburg mit dein Einheitsbeitrag von 39 Pf. wurde angenommen. Zur Provinzialkonferenz wurden die Genossen Klammer, NeSpithal-Zehdenick und Neumann-Neu-Ruppin delegiert. Ein neues Parteisekretariat. Die Parteikonferenz für den Wahl- kreis Hanau -Gelnhausen -Orb beschloß die Anstellung eines Sekretärs. Gewählt wurde Genosse Robert Dißmann , bisher Lokalbeamter des Metallarbeiterverbandes in Frankfurt a. M. Bor Zuzug nach Brüssel wird gewarnt! Wir werden um die Veröffentlichung der folgenden Warnung gebeten: „In letzter Zeit haben wir, wohl infolge der herrschenden Krise, einen sehr starken Zuzug von deutschen Arbeitern nach Brüssel . Wir möchten hierdurch dringend vor Zuzug warnen und Haupt« sächlich die deutschen Handwerker darauf aufmerksam machen, sich nicht zu viel von der im Jahre 1910 stattfindenden Weltausstellung zu vor- sprechen. Belgien ist daS Land, wo, abgesehen von ganz vereinzelten Ausnahmen, die schlechtesten Löhne bezahlt werden und die längste Arbeitszeit herrscht. Ferner machen wir noch darauf aufmerksam, daß gewisse Hand- werker. wie Holzarbeiter, ohne eigenes Handwerkszeug keine Be- schäftigung finden können. Zureisenden empfehlen wir, sich sofort an den deutschen Arbeiterverein Maison du Peuple(Joseph Stevens), zu wenden, der sie mit Rat und Tat unterstützen wird. Alle arbeiterfreundlichen Blätter werden um Abdruck gebeten. Deutscher Arbeiterverein Brüssel . Soziales. Der Handlungsgehilfe als Schauspieler. Es werden zwar manchmal einem Handlungsgehilfen Arbeiten aufgetragen, die nicht zu den kaufmännischen Obliegenheiten ge- hören. Daß aber ein Handlungsangestellter regelrecht Komödie spielen mutz, dürfte auch nicht oft vorkommen. Ein derartiger sei- teuer Fall beschäftigte die erste Kammer des KaufmannsgerichtS. Der Stadtreisende Franz G. klagte gegen die Schreibmaschinen- Vertriebsgesellschaft von P. Derrich auf Zahlung von 199 M. Rest- gehalt. Als Entlassungsgrund führte der beklagte Chef an, der Kläger habe die im Geschäft stattfindenden„Vorstellungen" durch Lachen gestört und habe auch zu sehr dem Alkohol zugesprochen. Mit diesen„Vorstellungen" hatte es folgende Bewandtnis: Zu be- stimmten Zeiten mußten sich sämtliche Reisende in einem zum „Demonstrationssaal" bestimmten Räume des Geschäftslokals ein- finden. Die Stollen wurden dann dergestalt verteilt, daß ein Rei- sendet den Akquisiteur abgab, während ein zweiter den Kunden zu spielen hatte. Das übrige Personal bildete die Zuschauer. Nach den Angaben des Chef-Regisseurs hatte nun die Hauptaufgabe der beiden Spieler darin zu bestehen, daß der den Kunden Spielende alles mögliche an der ihm vorgeführten Maschine aussehen mußte, während der Interpret des Reisenden die Zweifel an der Güte des Objekts durch sachgemäße Demonstrationen zu beheben hatte. Der Kläger soll nun die Rolle des„Akquisiteurs" so ungeschickt gespielt. haben, daß das Auditorium in ein nnbiinbigeS Gelächter ausbrach. Demgegenüber behauptete der Kläger , daß bei den Vorstellungen immer gelacht wurde. Es läge das auch in der Natur der Sache, daß bei einer derartigen Vorführung mit verteilten Rollen im Rahmen des Geschäftsbetriebes der Ernst nicht so leicht gewahrt werden könne. Das Kaufmannsgericht lehnte die von der Beklagten angebotene Beweisaufnahme ab und verurteilte die Firma dem Klageantrag gemäß. Die Verfehlungen berechtigten nicht zur sofortigen Eni- lassung, auch bezüglich der behaupteten Trunkenheit des Klägers hätte Vermahnung vorangehen müssen. Eine für Rollkutscher wichtige Entscheidung' fällte die Kammer 7 des Berliner Gewerbegerichts in ihrer letzten Sitzung unter dem Vorsitz des Magistratsrats Dr. G e r t h. Der Rollkutscher S. verlangte von der Speditionsfirma Jakob und Vallentin Herauszahlung von 99 M. Kaution, die ihm als Ersah für ein von seinem Wagen gestohlenes Kolli einbchalten waren. In Betracht kam eine Vertragsbcstimmung, in der unter anderem ge- sagt ist: Für Verluste oder Beschädigungen, die die ihm über- gebenen Güter erfahren, haftet der Kutscher, falls er nicht nach- weist, daß sie auf einen unabwendbaren Zufall zurückzuführen ist, als welcher jedoch Diebstahl nicht anzusehen ist.— Der Kläger beruft sich daraus, daß er keinen Mitfahrer(Rolljungen usw.) zur Verfügung gehabt habe, als der Diebstahl passierte. Er habe Güter von der Bahn abgeholt, habe ohne Mitfahrer hinfahren müssen und nach dem Bahnhof keinen Mitfahrer nachgesandt be- kommen.— Der Firmenvertreter und der als Zeuge erschienene Inspektor gkoland führten aus: Es komme vor, daß die Kutscher , namentlich an Fortbildungsschultagen, ohne Nolljungen zur Bahn fahren müßten. Für solche Fälle seien sie aber angewiesen, auf dem Bahnhof bis zum Eintreffen eines Begleiters zu warten, bevor sie Güter an Kunden abfahren, und wenn kein Begleiter komme, mit allen Gütern direkt nach dem Speditionshof zu kommen. Dem habe Kläger zuwidergehandelt, indem er doch, obwohl kein Begleiter kam, Güter abrollte.— Ter Vertreter des Klägers als Fachmann stellte fest, daß sehr viele Diebstähle schon auf dem Bahnhof vor- kämen, wenn nur eine Person die Uebernahme der Güter besorge. Diese könne doch nicht zugleich vorn und hinten den Wagen beobachten. Im übrigen aber habe nach Mitteilungen anderer Kutscher die vom Inspektor behauptete Order nur darin bestanden, daß nach Vorkommen von Diebstählen gesagt worden sei: Warum fahrt Ihr nicht nach Hause? In anderen Fällen wären Kutscher angeschnauzt worden, wenn sie wegen Fehlens eines Mitfahrers gleich nach Hause gekommen seien.— Der Inspektor bestritt dies und blieb bei feiner Aussage. Das Gewerbegericht verurteilte die Firma zur Herauszahlung der 99 M. und führte aus: Da der Kläger ohne Jungen habe fahren müssen, so treffe ihn hier keine Verantwortung, weil gar nicht nach- wcisbar sei, wann und wo die Waren gestohlen seien, ob das nicht vielleicht schon auf dem Bahnhof geschah. Den Schaden müsse die Gesellschaft selber tragen Es sei überhaupt eine Misere geworden, diese ewigen Diebstähle von Stückgütern. Weshalb bleibe man bei den altgewohnten Wagen, die nach allen Seiten offen seien? Warum schaffe man nicht derartig geschlossene Wagen an, wie sie in London und Paris benutzt würden? Das Urteil des Gewerbegerichts ist durchaus zutreffend. Es frägt sich nur, ob nicht der Klage bereits ohne Beweisaufnahme stattzugeben gewesen wäre, weil die vertragliche Vereinbarung, die dem Arbeiter das Nisiko des Verlustes auch dann auferlegt, wenn ihn keine Schuld trifft, gegen die guten Sitten verstößt, und un- gültig ist._ Der Handel mit polnischen und russischen Arbeitskräften muß ein sehr einträglicher und blühender Geschäftszweig sein. Jetzt dehnen die Sklavenhändler ihre Tätigkeit auch nach Süddeutschland aus. In Nürnberg hält sich zurzeit ein solcher, namens M. Oel- bäum aus Kolbuszotoa in Galizien , vorübergehend auf, um Auf- träge auf die Lieferung von Lohndrückern entgegenzunehmen. Er versendet an die Unternehmer ein gedrucktes Zirkular, in dem es heißt: ..... Ich bin stets in der Lage, galizische, masurische, russische Arbeiter für jedwede Arbeit, insbesondere für landwirtschaftliche Betriebe, Ziegeleien, Chamottewerke, Erdarbeiten zur Verfügung zu stellen. ... Sie brauchen Leute, die gesund, tüchtig, fleißig, genügsam und anständig sind. Durch meine Beziehungen bin ich in der Lage, Ihnen solche Leute zu verschaffen. Zu jeder Partie wird du Aufseher gestellt, der der fremden und der deutschen Sprache mächtig ist. Dabei erleichtere ich Ihnen die Beschaffung und Haltung der Arbeiter in jeder Weise. Je nach Wunsch und Bcrcinbarung übernehme ich die Verköstigung, Verpflegung und Auszahlung der Arbeiter oder beschaffe dieselben gegen einmalige Provision.... Sie werden gewiß, wie die zahlreichen Personen und Firmen, mit welchen ich bereits in dauernder Verbindung stehe, vollständig zu- friedengcstellt werden. ES können jederzeit die besten Referenzen aufgegeben werden. Gegenwärtig ist die richtige Zeit zum Abschluß von Verträgen für das Jahr 1999. Entschließen Sie sich nicht zu spät, da sonst bielleicht die für Sie erforderlichen Arbeitskräste nicht mehr zu beschaffen sind." So kommen die galizischen Händler mit Menschenfleisch den Unternehmern zu Hilfe. Feiertagsruhe im Fleischergewerbe. Die vereinigten Fleischer- Innungen Nürnbergs beantragten beim Stadtmagistrat, für die zweiten Feiertage völlige Arbeitsruhe und Geschlossenhalten der Vcrlaufslokale vorzuschreiben. Blus der Frauenbewegung. Dienstboten und Herrschaften. Ein heißumstrittenes Problem ist in Berlin die Dienstboten- frage. Während in allen anderen weiblichen Berufen ein be- ängstigender Andrang herrscht, wollen die Klagen der interessierten Kreise über die geringe Zahl der Zuziehenden im Dienstverhältnis nicht verstummen. Statt aber die Sachen dieser Erscheinung ehrlich und objektiv zu erforschen und die Schäden bei der Wurzel anzupacken, versucht nian es mit allerhand HilfSmittelchen, die nicht kalt und nicht warm sind oder man verdreht die wahren Tatsachen, weil sie unbequem sind und schimpft weidlich über das unbotmäßige, anspruchsvolle„Gesinde"! Neunmalweise behaupten sogar, es gebe gar keine Not der Dienst- boten, sondern nur eine Not mit den Dienstboten. Da man indes mit solch tiefsinnigen Aussprüchen die Frage nicht löst, zum tat- kräftigen Angriff auf das Grundübel aber der Wille und Mut fehlt. so bleibt die Karre natürlich aus demselben Fleck stehen und die Konfusion wird nur um so heilloser. Nun erscheint aber ein RegierungS- rat. ein wirklicher Regierungsrat. Herr Dr. Leo, auf dem Plan, um mit der ganzen Wucht seiner Persönlichkeit sein Urteil in dieser Frage abzugeben. In der„Sozialen Praxis" hat der Herr in einem Artikel seine Ansichten niedergelegt, wovon wir einige Sätze herausgreifen wollen: Die Macht liegt nicht mehr auf feiten der Hausfrauen, sondern bei den Dienstboten. In keinem Berufe haben sich die Arbeitsbedingungen so gehoben, sind die Leistungen so herunter« gegangen wie im Dienstbotenstande. Die Dienstboten unter die Ge- werbeordnung zu stellen, weist der Artikelschreiber entschieden zurück. denn„Gewerbeordnung heißt Gewerbeaufsicht, Kontrolle sämtlicher in Deutschland bestehenden Haushaltungen durch die Gewerbe- insvektion".(.?>u i n» n notwendige Gegengewicht zu den
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