Nr.M. 23. Jahrgang.I Ifijf Ks Jüdsirts" Knlim Itlbhlatt.ZsüMbtO, 5. September 1908.parte!- Angelegenheiten.Die Festsetzung des Parteibeitrages für Grost-Berlia�at auch über Berlin hinaus Beachtung gefunden; vor allem wirdAnstoß genommen an der Festsetzung des Frauenbeitrages auf10 Pf. pro Monat. In einer Versammlung des sozialdemokratischenVereins für Magdeburg äußerte sich der Genosse Haupt wie folgt:„Der Antrag auf Einführung eines EinheitS-beitrages fei sehr wichtig. Der Parteitag müsie sich ja dochmit der Regulierung des Organisationsstatuts beschäftigen. DieFestsetzung der Beiträge in den einzelnen Bezirken führen zu Un-zuträglichkeiten. In dem einen Bezirk seien die Beiträge hoch, indem anderen niedrig. Da müsse besonder? mit Groß-Berlin ein ernstes Wort geredet werden, wo man sichfür verhältnismäßig niedrige Beiträge entschieden habe. Manwolle in Berlin nur 30 Pf. pro Monat bezahlen und habe fiirdie Frauen gar nur 10 Pf. Beitrag festgesetzt, trotzdem dieFrauen selbst einen Betrag von 20 Pf. beantragt hatten. Gegen-über diesem Bestreben der Berliner, die Beiträge niedrig zuhalten, während angrenzende, wirtschaftlich schlechter gestellte Bezirkeschon höhere Beiträge zahlen, müsse auf dem Parteitag einenergisches Wort gesprochen werden."Hierzu möchten wir bemerken: Zunächst ist die Festsetzung desParteibeitrages noch Sache der einzelnen Parteiorganisationen.Parteitagsbeschlüsse bestehen in dieser Beziehung bis jetzt nicht. Des-wegen können Parteiorganisationen auch nicht gut„vors Brett" ge-fordert werden, weil sie nach ihrem besten Ermessen in der Beitrags-frage bisher gehandelt haben.WaS die Höhe des Beitrages selbst betrifft, so kann mandarüber verschiedener Meinung sein— speziell in Berlin istdie Zahl der Genossen, die den Beschluß der letzten VerbandsGeneralversammlung über die Höhe des Frauenbeitrags nicht geradeals„der Weisheit letzten Schluß" betrachten und seine baldigeKorrektur wünschen, außerordentlich groß—, allein die Gerechtigkeitgebietet doch, darauf hinzuweisen, daß die Höhe des Wahlvereins-beitrages allein kein richtiges Bild von den materiellen Leistungender Parteimitglieder eines Ortes geben kann. Außer durch denWahlvereinsbeitrag unterstützen viele Genossen die Partei in der ver-schiedenstcn Weise, und nicht zuletzt sind es gerade die Berliner Genossen,die in dieser Beziehung sich nicht zu verstecken brauchen. GenosseHaupt als alter Parteigenosse muß das wissen. Gewiß sind auchwir der Meinung, daß es die Pflicht der Parteigenossen ist, nachMöglichkeit für Aufbringung recht vieler Mittel zu sorgen, um dievielgestaltigen Aufgaben, die an die örtliche Parteiorganisation wiean die Gesamtpartei herantreten, erfüllen zu können. Diese Pflichtsollten aber nicht nur einige große Parteiorte allein betätigen.sondern sie sollte im möglichst umfänglichen Maße geübt werden.Und da wäre es angebracht, mit den Parteiorganisationen ein sehrernstes Wort zu reden, die ihre ihnen auf Grund des Organisations-statuts auferlegte Pflicht der Gesamtpartei gegenüber nicht erfüllen.In diesem Falle aber müßte Genosse Haupt sich schon andere Partei-organisationen aussuchen wie die Groß-BerlinS.An die Parteigenossen Berlins und der Mark BrandenVurg.Die neue L o k a l l i st e liegt der heutigen Nummer des„Vor-wärts" bei und empfehlen wir dieselbe wiederum der Arbeiterschaftdringend zur Beachtung. Jeder Arbeiter muß sich stets vor Augenführen, daß für eine fruchtbringende Agitations- und� Organisa-tionSalbeit der Besitz freier Lokale die erste Vorbedingung ist. Umin unserem Lokalkampfe immer mehr Erfolge zu erzielen, ist esNotwendig, den Lokalbohkott, unsere wirksam st eWaffe, überall mit aller Schärfe durchzuführen. Alle Ver-anstaltungen der Vereine sind stets daraushin zu kontrollieren.ob dieselben in einem der Arbeiterschaft auch zu Versammlungenzur Verfügung stehenden Lokale stattfinden; gerade dies bitten wirganz besonders zu beachten. Es gibt keine Ortschaft, die bei einernennenswerten Arbciterbevölkerung nicht auch eine ganze Anzahlder verschiedensten Vereine aufzuweisen hat, die sich wiederum inihrer Mehrheit naturgemäß aus Arbeitern zusammensetzen. Hiergilt es, fortwährend agitatorisch auf diese Vereine dahingehend ein-zuwirken, daß dieselben zu ihren Veranstaltungen nur freieLokale benutzen, oder aber die Benutzung eines Lokale» davonabhängig machen, daß der betreffende Wirt seine Räume auch zupolitischen und gewerkschaftlichen Versammlungen hergibt. AlleBilletts zu Veranstaltungen in gesperrtenLokalen sind stets entschieden zurückzuweisen.An die Arbeitervereine'der größeren Städte richten wirwiederum die Aufforderung, sich bei ihren Ausflügen und Partienstreng nach der Lokalliste zu richten, um dadurch unsere Genossen inden Provinzorten in ihrem äußerst schlvierigen und opferreichenLokalkampfe wirksam zu unterstützen. Jeder muß dessen eingedenksein, daß der Kampf um die Erringung von Ver-sammlungsräumen ein Kampf um das Versamm-lungSrecht ist; wo uns Säle zu VersammlungenzurVerfügungstehen.dortkönnenwirunserVer»sammlungsrecht erst wirklich ausnützen. Deshalb:Beachtet die Lokalliste!Des weiteren ersuchen wir die Vorstände und Komitees, beiallen ihren Veranstaltungen dafür zu sorgen, daß das notwendigeBedienungspersonal stets vom kostenlosen Arbeitsnachweis des Ver-bandes deutscher Gastwirtsgehülfen bezogen wird.(OrtsverwaltungBerlin, Gr. Hamburger Straße 18/19. Tel. Amt III 1813.)Außerdem ist es im eigenen Interesse der Vereine selbstdringend notwendig, daß allen Verträgen mit Lokalinhabern eineKlausel angefügt wird, wonach für den Fall, daß das betreffendeLokal später für Arbeiterversammlungcn verweigert werden sollte,der Vertrag seine Gültigkeit verliert.Alle sonstigen Anfragen, Mitteilungen usw. sind stets durch diein der Lokalliste angegebenen Kommissionsmitglieder an den Ob-mann der Lokalkommission zu richten, soweit Lokale Berlins undder Kreise Nieder-Barnim, Teltow-Bceskow und Potsdam-Ost-Havelland in Frage kommen. Für die übrigen Provinzorte sind alleAnfragen direkt an den Obmann zu richten, in keinem Fallejedoch direkt an die Redaktion des„Vorwärts"; dies bitten wirzu beachten.Zum Schluß ersuchen wir die Parteigenossen, die jeweiligeLokalliste stets bis zum Erscheinen der nächsten aufzubewahren,sowie von allen in der Zwischenzeit eintretenden etwaigen Aende-rungen Notiz zu nehmen. Für verloren gegangene Listen kannjederzeit Ersatz von allen Kommissionsmitgliedern bezogen werden.Tie Lokalkommission.Zur Lokalliste. Am Sonnabend, den 12. d. M. veranstaltet der„R a u ch k l u b Havanna" im Lokal„Zur grünen Linde"in Lankwitz sein Stiftungsfest. Wir ersuchen, alle etwa angebotenenBilletts entschieden zurückzuweisen, da das genannte Lokal derArbeiterschaft nicht zur Verfügung steht. Außerdem machen wirdie Mitglieder obigen Vereins, soweit dieselben einer modernenArbeiterorganisation angehören sollten, auf die eventuellen Folgeneines BohkottbrucheS aufmerksam. Die Lokalkommission.Die Genossen vom Gesundbrunnen(VI. Kreis)veranstalten am morgigen Sonntag im VolkSgarten in der Behm-siraße ihr Herbstsest. Das Komitee hat sich bemüht, den Genossenund deren Angehörigen einige recht angenehme Stunden zu bereitendurch das Arrangement eines guten Konzerts. Daneben werdenSpezialitäten für Ernst, Scherz und Humor sorgen; Arbeitersängerwerden das Arbeiterlied zu seinem Recht verhelfen und ein Feuer-werk wird den Abschluß der Veranstaltung bilden. Daß auch für dieKleinen gesorgt ist, versteht sich und Tanzlustige werden gleichfallsreichliche Gelegenheit finden, das Tanzbein zu schwingen. Natürlichwird bei dem geringen Eintrittspreis aus recht zahlreiche Beteiligungder Parteifreunde gerechnet._Tegel. Sonntag, den 6. September, früh 8 Uhr findet von denbekannten Bezirkslokalen aus eine Handzettelverbreitung statt.Montag, den 7. September, abends S'/a Uhr Volksversammlungin W. Trapps Festsälen, Bahnhofstraße 1. Tagesordnung: Staat.Kirche und Schule. Referent LandtagSabgeordneter Genosse AdolfH o f f m a n ir.Berliner JVacbncbtei�Ans der Jnngfcrnheide.Obwohl keine Seen die Jungfernheide durchziehen, ist sieals Ganzes doch feuchter als der Grunewald. Sie ruht aufeiner tiefen Niederung, die von einer feuchten Wiesen- undErlbruchpartie, der Mäckernitz, durchzogen wird, und diesenUmständen hat sie es zu verdanken, wenn sie länger in denHerbst hinein ihre Frischheit behält. Die aus Nadelholz, Not-und Weißbuchen, Erlen und anderen Holzarten bunt zusammen-gesetzten Waldbestände bergen eine Menge Unterholz, das vor-wiegend aus Brombeersträuchern besteht, die ihrerseits wiederallerlei hohen Kräutern Unterschlupf gewährt. So fällt hierder Grasboden fort, der im Grunewald auf weite Streckenvorherrscht, kurz, der Charakter beider Wälder ist grund-verschieden.Die Mäckernitz. die vom Herbst bis tief in den Frühlinghinein oft eine Wasserwüste ist. aus der die Stämme hervor-ragen, ist zurzeit leidlich begehbar. Ein dichtes Gewirr,aus Nesseln und Hopfen gebildet, umkleidet die Erlen.An günstigen Stellen klettert der Hopfen liancngleich anfünf Meter an den Bäumen in die Höhe. Die breitenlappigen Blätter werden nach oben hin schmäler und lassendie herabhängenden weiblichen Blüten frei, die als gelbliche,über haselnußgrotze Kätzchen herabnicken. Sie sind es, dieausgereift jenen bitteren Stoff liefern, der dem Biere zugesetztwird. An freieren Stellen fallen uns Ahornbäumchen auf,deren Blätter wie mit pfenniggroßen schwarzen Tintenfleckengesprenkelt sind. Es ist der Ahornblattpilz, der regelmäßiggegen den Herbst fast alle Ahornbäume befällt, anscheinend,ohne ihnen zu schaden. Denn die befallenen Blätter sindohnedies im Begriffe, sich zu verfärben, um bald vergilbendzu Boden zu sinken.Durch die Mäckernitz zieht sich ein schmales Bächlein, daszur Wasserzcit fließt und grünt, jetzt aber bis auf einigemit Wasserlinsen überzogene Pfützen versiegt ist. Eine Un-zahl von Fröschen und Kröten hat hier ihre Brut aufgezogen.Bei jedem Schritte, den wir in der Nähe der Wasserrinnemachen, springen zu Dutzenden kleine Fröschchen im Graseherum, die noch nicht lange ihre Umwandlung von der Kaulquappe zum braunen Grasfrosch vollendet haben und nunauf dem bisher fremden Elemente der festen Erde heimisch zuwerden suchen.Berliner Asqlverein für Obdachlose. Im Monat August nächtigtenim Männerashl 21 667 Personen, wovon 10 810 badeten, im Frauen-asyl 4729 Personen, wovon 2331 badeten. Arbeitsnachweis wird er-beten für Männer: Wiesenstr. 6S/ö9, für Frauen: Colbergerstraße 30.Auf der Abonnentensuche. Der Verlag eines BlättchenS, dasden Titel„Berliner Gerichts-Zeitung" trägt, suchtAbonnenten in der Weise zu werben, daß er Reisende aus-sendet, die von Haus zu Haus gehen und besagtes Blättchenanbieten. Ein Gastwirt P., der in seinem Lokal von einem solchenWerber heimgesucht wurde, berichtet uns über die Erfahrungen,die er mit dem Reisenden bezw. dem Verlag gemacht habe. Aufdie„Berliner Gerichts-Zeitung" zu abonnieren, habe P. in be-stimmtestcr Form abgelehnt. Als aber seine Frau den Reisendengetröstet habe, man könne es sich ja noch überlegen, habe diesergesagt, dann werde er sich wenigstens die Adresse notieren. EinigeZeit nachher kam zu Herrn P. ein Bote, überbrachte ihm die„Berliner Gerichts-Zeitung" und verlangte Bezahlung deS Abonne-ments. P. lehnte das Blatt ab, verweigerte die Bezahlung underklärte, er habe nicht abonniert. Daraufhin ging ihm von der„Berliner Gerichts-Zeitung" ein mit„Hans Steinle" unter-zeichnetes Schreiben zu, das folgendermaßen begann:„Laut mirvorliegendem, von Ihnen unterschriebenen Be-st e I l s ch e i n haben Sie bei meinem Reisenden die„BerlinerGerichts-Zeitung" abonniert. Wie mir mein Bote angibt, weigernSie sich aber, dieselbe zu bezahlen. Ich vermute, daß dies nur aufeinem Irrtum beruht, denn Sie haben laut Schein die Zeitungaus ein Jahr abonniert, sind daher verpflichtet, dieselbe ab-zunehmen. Eventuelle andere mündliche Abmachungen mit demReisenden sind laut Aufdruck auf dem Bestellschein ungültig.Daher bedaure ich recht sehr, eine Abbestellung nicht annehmenzu können. Die Zeitung geht Ihnen nochmals zu, und ich bitte,dieselbe bezahlen zu wollen." Herr P. versichert uns, er wissenichts davon, daß er einen Bestellschein unterschrieben habe. HerrSteinle schreibt, P. sei laut Schein„verpflichtet", die Zeitung ab-zunehmen. Es scheint jedoch, daß dieser Herr Steinle selber sichvon dem bloßen Hinweis auf den„unterschriebenen Bestellschein"nicht allzuviel Wirkung verspricht. Er hat es für ratsam ge-halten, seinen Mahnbrief ausklingen zu lassen in eine Auf-Zählung all der Genüsse, die die„Berliner Gerichts-Zeitung" ihren Lesern bieten werde. Der Brief schließt:„Ichhoffe daher, Sie zu meinen dauernden Abonnenten zählen zudürfen, und zeichne in dieser Erwartung hochachtungsvoll„BerlinerGerichts-Zeitung" HanS Steinle." Herr P. hat sich auch hierdurchnicht animieren lassen, die Hoffnung des Herrn Steinle zu er-füllen. Er wird den Brief der Staatsanwaltschaftübergeben und sie um Untersuchung der Angelegenheit bitten.Der Mitgliederbestand der Krankenkassen ist in Groß-Berlinbis zum August weiter heruntergegangen. AnfangAugust 1908 wurden bei den OrtS-, Fabrik- und Jnnungs-Kranken-lassen gezählt in Berlin nur noch 713 614 Mitglieder, in dennächsten Vororten 127 620 Mitglieder, in Berlin samt diesen Vor-orten 841 234 Mitglieder. Von Juli bis August verminderte sichder Mitgliederbestand in Berlin allein wieder um 3534, in dennächsten Vororten nur«yn 314, in Groß-Berlin um LL4S. Da-gegen war im Jahre 1907 von Juli bis August die Mitgliedcrzahlgestiegen in Berlin noch um 8139, in den Vororten um 369, inGroß-Berlin um 8499. Anfang August vorigen Jahres wurdengezählt in Berlin noch 728197 Mitglieder, in den Vororten 124 909Mitglieder, in Groß-Berlin 853 097 Mitglieder. In den zwölfMonaten von August 1 9 07 bis August 1908 ist hier-nach der Mitgliederbestand der Krankenkassen in Berlin um 14 583heruntergegangen, in den Vororten um 2720 gestiegen, in Groß-Berlin um 11 863 heruntergegangen. Sondert man die Mit-glieder in männliche und weibliche, so ergibt sich für diesen zwölf-monatigen Zeitraum bei den männlichen Mitgliedern inBerlin eine Abnahme von 460 952 auf 450 937, in den Vororteneine Abnahme von 88 685 auf 87 641, in Groß-Berlin eine Ab-nähme von 549 637 auf 538 578, bei den weiblichen Mit-gliedern in Berlin eine Abnahme von 267 245 auf 262 677, in denVororten eine Zunahme von 36 215 auf 39 973, in Groß-Berlineine Abnahme von 303 460 auf 302 656.Verkehrswesen.Der Polizeipräsident teilt mit: Nachdem ich durch Bekannt-machung vom 29. Juni d. I. auf die wesentlichsten Grundsätze hin-gewiesen habe, welche behufs leichterer und sicherer Abwicklung desVerkehrs aus den öffentlichen Straßen vom Publikum befolgt wer»den müssen, gebe ich weiter bekannt, daß ich die Schutzleute ange»wiesen habe, auf die Durchführung dieser Grundsätze ihre volleAufmerksamkeit zu richten. Namentlich werden die Wagenführerangehalten werden, die Bestimmungen des Z 26 der Straßenordnung, nach welchen scharf rechts an der Bordschwelle gefahrenwerden soll, und in linke Seitenstraßen in weitem Bogen einzu-biegen ist, auf das genauste zu befolgen. Ferner werden dieFührer von Kraftwagen beim Kreuzen von Straßen, beim Um-biegen um die Ecken und bei Fahrten ohne Insassen zu lang-samerem Fahrun veranlaßt und nötigenfalls zur Anzeiae gebrachtwerden»'__Hofkunst.Im Opernhause wird seit einigen Tagen ein neues Stück:„Sardanapal" betitelt aufgeführt, dessen geistige Urheberschaft demKaiser zugeschrieben wird. Es ist ja bekannt, daß der Kaiser sichneben anderem auch auf künstlerischem Gebiete betätigt. Bisherkonnten wir in unserem Blatte eine Besprechung der kaiserlichenSchöpfung nicht bringen, weil es uns nicht möglich war, ein Billettzu den Vorstellungen— auch nicht für gutes Geld— zu erhalten;für die Leitung der königlichen Theater scheinen wir nicht zuexistieren. Wir gedenken niorgen eine Kritik veröffentlichen zukönnen. Was bisher über das Stück mitgeteilt ist, lautet nichtgerade schmeichelhaft. Allgemein geht das Urteil dahin, daß„Sar-danapal" jeden künstlerischen Inhalts bar ist. Nichtsdestowenigerscheint der Kaiser großen Gefallen daran zu finden, denn erhat der Aufführung dreimal hintereinander beigewohnt; am Montagzur Generalprobe, am Dienstag, am Tage der ersten Aufführungmit geladenen Gästen, und am Mittwoch, an dem Diplomaten unddie Spitzen deS Militärs geladen waren. Nach dem ersten Akt be-fahl der Kaiser, nach einem Bericht deS„Lokal-Anzeiger", einigeDamen des Balletts in den Konzertsaal, um seiner Gattin dieKostüme zu zeigen.(Kostüme sollen übrigens die Hauptsache sein.)Nach dem zweiten Akt hat der Kaiser den r höheren Beamten derGeneralintendantur seine Anerkennung ausgesprochen und zahlreicheDekorationen und Geschenke verteilt. Selbst Orden sind aus diesemAnlaß verliehen worden; die Zahl ist gar nicht einmal gering. DemMajor Laufs und dem Professor Schlar überreichte der Kaiserwertvolle Geschenke. Auch zahlreiche andere Beamten der königlichenTheater bekamen Geschenke und Dekorationen.Wer die Hoflunst kapiert, ersteut sich auch der HofgunskAlkoholhaltiges Konfekt. Der Polizeipräsident veröffentlichtfolgende Warnung: Es sind in neuerer Zeit vielfach Konfekte>—Bonbons, Zuckerbohnen, Pralines usw.— in den Handel ge-kommen, welche mit Schnaps verschiedener Art, darunter oft mitsehr minderwertigem, gefüllt sind. Angestellte Untersuchungen mitdiesen Konfektarten haben ergeben, daß der Alkoholgehalt in den-selben oft ein sehr erheblicher ist. So enthielten 15 Stück einessolchen Konfekts, die etwa 100 Gramm wogen, zusammen ungefähreinen Eßlöffel voll Trinkbranntwein, bei einem Preise von 23 Pf.Es sind auch bereits Fälle vorgekommen, in denen erwachsenePersonen durch den Genutz eines solchen Konfekts berauscht wordensind. Um so mehr aber werden solche Konfekte den Kindern ge-fährlich, denen im Interesse ihrer Gesundheit der Genuß alkohol-haltiger Flüssigkeit in jeder Form untersagt werden sollte. Eswird insbesondere Aufgabe der Eltern und Erzieher sein, den ihrerObhut anvertrauten Kindern»nd Pfleglingen den Genuß solcherKonfekte zu verbieten.Der Verein der Kinbervolksküchen teilt mit: In vielen Fa«mitten erhalten die Kinder kein Mittagessen, weil die Mütter ausdem Hause arbeiten, oder weil die Hauptmahlzeit ersts abends ge-kocht wird, wenn der Vater aus Arbeit kommt. Der Verein fürKindervolksküchen verabreicht in seinen Küchen an den Wochentagen,mittags von 12 bis 2 Uhr, solchen Kindern ein reichliches, nahr-Haftes Mittagessen für 10 Pf. Speisemarken sind in den mitVereinsplakaten versehenen Geschäften zu haben; auch sind in denKüchen die Verkaufsstellen zu erfahren. Die Küchen befinden sich:Nr. 1 Frciligrathstraße 7, Nr. 2 Bredowstraße 22, Nr. 3 Anton-straße 35, Nr. 4 Grünthaler Straße 17, Nr. � SwinemündcrStraße 26, Nr. 6 Senefelder Straße 3, Nr. 7 Miulackstraße 35,Nr. 3 Wilhelm-Stolzestraße 10, Nr. 9 Gubener Straße 13, Nr 10Förster Straße 51, Nr. 11 Waßmannstraße 11, Nr. 12 Gleim»straße 13.Verstärkung der Kunstdeputation. In der geheimen Sitzungder Berliner Stadtverordnetenversammlung wurden zu Bürger-deputierten und Mitgliedern der städtischen Kunstdeputation ge-wählt: Kunstmaler Rudolf Schulte in Hofe, erster Vorsitzenderdes Vereins Berliner Künstler, und Bildhauer Pros. Fritz Schaper,Mitglied des Senats und königlichen Akademie der Künste»Räuberischer Ueverfall auf eine Hauswirtin.Ein schwerer Raubmordversuch wurde gestern in der viertenNachmittagsstunde in der Potsdamer Straße 76a verübt. Dort ver-suchte der in der Siegsriedstt. 7 wohnhafte Gaskontrolleur AdolfBlühmel die in der zweiten Etage des HouseS PotsdamerStraße 76a wohnende 60jährige Hausbesitzerin Elisabeth Stoltgeb. Füller mittels eines stumpfen Instruments durch Schlägeauf den Kopf zu töten. Als der Täter sich in seinemVorhaben gestört sah, stürzte er sich auS dem Fensterauf die Straße hinab, wo er mit zerschmetterten Gliedernhalbtot liegen blieb. Ueber die näheren Einzelheiten dieserentsetzlichen Tat erfahren wir noch folgendes:Die in dem Hause Potsdamer Straße 76a wohnende HauS«besitzerin Elisabeth Stolt ist schon seit mehreren JahrenEigentümerin des Hauses. Gestern nachmittag legte sich nundie sechzigjährige Frau gegen zwei Uhr zu einem kurzenMittagsschlaf nieder, bis sie gegen Sl/3 Uhr durch Klingeln anihrer WohmmgStür geweckt wurde. Als sie öffnete, stand vorihr ein Kontrolleur der Gasanstalt, der angab, den Gasmesser prüfenzu wollen. Da derselbe Mann schon öfter in gleicher Eigenschaftim Hause tätig gewesen war, so ließ sie ihn unbehindert dieWohnung betteten. Er machte sich zuerst auch mit seinem Werk-,euae au dem Gasmesser zu schlafen und rief dann