Endlich gibt eZ koch eine Reibe unabhängiger Orga-nisationen gewerkschaftlichen Charakters, die eines innerenZusammenhanges entbehren. Es sind dies teils Verbände mo.derner Gewerkschaftsrichiung, teils neutrale und teils klassenkampf-feindliche Organisationen. Da die wenigen von ihnen eine eigeneStatistik veröffentlichen, so sind die Angaben darüber, die aufSchätzungen der Verbandsvorstände beruhen, sehr schwankend undfür zuverlässige Vergleiche nicht verwendbar. Die Zahl ihrer Mit-glieder erscheint in diesem Jahre etwas höher(1906: 72 044, 1907:96 684); es beruht dies im wesentlichen auf genaueren Angaben,die der Bergarbeiterverband über die polnischen und sonstigen Ver-eine erlangen konnte.Geben wir danach ein Gesamtbild der deutschenGewerkschaftsbewegung des Jahres 1907, so umsaht die-selbe in den sechs Organisationsgruppen 2 446 480 Mitglieder(1906: 22I36S4; 1905: 1819930) und seit dem Vorjahr eine Zu-nähme von 232 826. Von letzterer entfallen auf die Zentralverbände475 797, auf die Lokalvereine 7496, auf die christlichen GeWerk-schaften 27 207, auf die unabhängig christlichen Organisationen7305 und auf die unabhängigen Vereine 24 640, während dieHirsch-Dunckerschen Gewerkvereine 9619 Abnahme verzeichnen. Diegesamten Jahreseinnahmcn aller Gruppen betragen 57 454 561 M.,die gesamten Ausgaben 47 914 202 M. und die gesamten- Ver-mögensbestände 40 970 878 M. Von allen Mitgliedern entfielen76,3 Proz.(1906: 76,3 Proz.) auf die Zentralverbände, 11,2 Proz.(11,2 Proz.) auf die christlichen Gewerkschaften, 4 5 Proz.(5,3 Proz.) auf die Hirsch-Dunckerschen Gcwerkvereine und 3 Proz.(7,2 Proz.) auf die übrigen Gruppen. Von den Einnahmenkommen 89,5 Proz., von den Ausgaben 90 Proz. und von den Ver-mögensbeständcn 81,1 Proz. auf die Zentralverbände. Aus diesenZiffern ergibt sich allein schon, dah die Leistungen unserer Ver-bände die der übrigen Gewerkschaftsgruppen bei weitem über-wiegen. Ein eingehenderer Vergleich der Leistungen ist diesmalzwar nur möglich zwischen den Zentralverbänden und den christ-lichen Gewerkschaften, da die deutschen Gewerkvereine ihre speziellenAusgaben für Kampfes- und Unterstützungszwecke nicht nachweisen.Aber auch dieser bestätigt die wachsende Ueberlegenheit unserer Ge-werkschaften. Es zahlten im Jahre 1907 für Arbeitslosen-und Reiseunterstützung: die Zentralverbände für1826 172 Mitglieder 7 396 725 M.(pro Mitglied 4.05 M.), diechristlichen Gewerkschaften für 201 706 Mitglieder 51 748 M.(proMitglied 0,26 M.). Für Unterstützung und Rechtsschutz überhauptverausgabten unsere Verbände 1907 pro Mitglied 6,97 M., diechristlichen Gewerkschaften nur 2,55 M., und für Streiks und Ge-mahrcgelte entfallen auf unsere Gewerkschaften pro Kopf 7,62 M.,auf die Christlichen nur 2,71 M.Es steht danach außer allen Zweifeln, daß die christlichen Ge-werkschaften sowohl auf dem Gebiete der Unterstützungsaufgaben,als auch im Kampfe für Verbesserung der Lohn- und Arbeits-Verhältnisse hinter den effektiven Leistungen unserer Zentral-verbände weit zurückbleiben. Die christlichen Gewerkschaften habenzwar aus dem Beispiel der Zentralverbände manches gelernt,—sie sind unseren KampfeSbahnen, wenn auch mit innerem Wider-streben, gefolgt und das bewahrt sie vor der Deroute der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine,— aber sie werden das Vorbild nie-mals erreichen, weil sie an inneren Widersprüchen kranken, die ihreEntwickelung hemmen. Sie verwerfen prinzipiell den Klassenkampfund müssen doch notgedrungen Klassenkämpfe führen; sie wollendas Interesse des Arbeiters vertreten, ohne dem Unternehmer wehezu tun, sie wollen den Arbeitern zu Einfluß und Macht verhelfenund schwächen sie durch ihre Organisationszersplitterung. Indieser Zwitterstellung schwanken sie ständig zwischen Streiklust undStreikverrat hin und her und nehmen mit dem fürlieb, was baldbei den Erfolgen der Gewerkschaften und bald von der Gnade derUnternehmer für sie abfällt. Das bleibt selbst rückständigen Ar-beitern nicht verborgen, weshalb auch drei Viertel aller für dieGewerkschaftsbewegung Neugewonnenen den freien Gewerkschaftenzuströmen und nur ein Neuntel den christlichen Gewerkschaften.Mögen unser« Mitglieder auch künftig in der geeigneten Aufklärungder Außenstehenden nicht erlahmen.— mögen sie die Arbeiterschaftdarauf hinweisen, daß jede Unterstützung der christlichen odersonstigen Sonderorganisation eine Verminderung der Widerstands-fähigkeit der Arbeiterklasse gegen soziales Elend, gegen Ausbeutungund Unterdrückung nach sich zieht, daß es den jahrzehntelangenKampf für die Stärkung und Festigung der Arbeiterorganisationund für die materielle und rechtliche Sicherung der Lage der Ar-beiter endlos wiederholen heißt, wenn schlechtgerüstete Sonder.gruppen die Bewegungen der geschulten Arbeiterheere ständig stören.Dann wird allmählich das Bewußtsein Allgemeingut der Arbeiter-klasse werden, daß eine einzige Gewerkschaftsbewegung der Unter-nehmerklasse gegenüber nottut. �So bestätigt die vorliegende Statistik der Gewerkschaften vonNeuem, daß dieselben an Stärke und Festigkeit gewonnen haben undmehr denn je Gewähr bieten, ihren Mitgliedern wie auch der ge-samten Arbeiterklasse eine Schutzwehr gegen die Schäden der herein.brechenden WirtschaftSkrisis, wie auch gegen die Angriffe des Unter-nehmertums zu sein. Die Gewerkschaften haben einen Stand er.reicht, der ihnen Kraft und Selbstvertrauen gibt. Sie wissen, daßsie ein Faktor im Wirtschafts- wie im öffentlichen Leben gewordenfind, dessen Bedeutung mehr und mehr anerkannt wird und dessenEinfluß sich weder das Unternehmertum noch die Regierungendauernd entziehen können. Deshalb blicken sie getrost in die Zu-kunst, die dem großen Ringen der Arbeiterklasse den Sieg verbürgt.ftis der frauenbewegung.Gesundheitsverhiiltnisse der Zigarrenarbeiteriune».Im grohherzoglich hessischen Kreis Gießen sind 69,9 Proz. allererwachsenen und 67,7 Proz. aller weiblichen Arbeiter überhaupt imJahre 1907 in der Zigarrenindustrie tätig gewesen, oder von 2805bezw. 3240 waren 1962 bezw. 2195 Zigarrenarbeiterinnen. Bei derBedeutung, die die Frage der Einwirkung der Zigarrenarbeit aufden gesamten und vor allem auf den mütterlichen Organismus hat.verdienen darum die bezüglichen Auslassungen des KreiSgesundheits-amtes Gießen ein besonderes Interesse.Ueber die Fähigkeit der Mütter, ihre Kinder zu stillen, heißt esim Bericht über das Jahr 1906:.Die befragten Hebammenhaben durchweg keine Beobachtungen gemacht, �daß dieZigarrenarbeiterinnen ihre Kinder weniger oft nähren alsandere Frauen." Im Gegensatz dazu konstatiert abereine durch Rundfrage des Kreisarztes und Aufzeich-uiuigen einer Hebamme zustande gekommene Zusammen-stellung, die sich auf neun Dörfer erstreckt, daß»von 260 Bauern-frauen 43---- 16,5 Proz. ihre Kinder nicht stillen. Bon 108 Zigarren-arbeiterinnen 25— 28,1 Proz. ES ist aber zu bedenken", fährt derBericht fort,»daß 1. Zigarrenarbeiterinnen wohl nicht die Un-bequemlichkeit haben wollen, mehrmal« täglich die Fabrik zu ver-lassen, um ihr Kind zu nähren(Stillstuben wären also auch hier dasGebotene. Anm. d. Ref.); L. unter diesen Frauen sich viele Erst-gebärende finden, die aus mangelhafter Borbereitung der Brüste vorder Niederkunft das Stillen sofort aufgeben müssen(Schrunden-bildung. Brustentzündung)".Lassen sich infolge dieser Sachlage in bezug auf die Stillfähig-feit von Zigarrenarbeiterinnen keine einwandfreien Daten gewinnen,so gilt nicht dasselbe von den für das Jahr 1907 vorliegenden Be-kundun�en des Kreisgesundheitsamtes Giehen, den allgemeinenGesundheitszustand und die Tuberkulosehäufigkett unter der Zigarren-arbeiterschaft betreffend. ES heißt dort<S. 73):.Abgesehen von123 Wochenbetten sind in den Jahren 1905 bis Ende 1907 bei2500 Arbeitern insgesamt 654 mit Erwerbsunfähigkeit verbundeneKrankheitsfälle zur Anwendung gekommen. Die Lungenerkrankungenfigurieren mit 7.6 Proz., die(durch das Stollen derZigarren veränlaßten) Bindegewebsentzündungen an Zeige-fingcr und Dauinen nnt 5 Prozent aller Krankheits-fälle."... Bemerkenswert ist der offensichtlich hohe Prozent-satz, den in erster Linie die Erkältungskrankheiten und 1besonders die Erkältungen der Respirationsorgans einnehmen, undes erscheint kaum zweiselhaft, daß Zigarrenarbeiter mehr als anderegewerbliche Arbeiter diesen Erkrankungen ausgesetzt sind."Für diesen Zustand mitverantwortlich gemacht wird der ständigeAufenthalt in warmen geschlossenen Räumen, sowie die denWitterungsverhältnissen nicht Rechnung tragende unzweckmäßigeTracht dortiger Gegend..Daß aber dabei noch andere Ursachenund insbesondere wohl die ständige Einwirkung des Tabak-staubes mit in Betracht kommen, dafür sprechen einmaldie lange Dauer und Hartnäckigkeit der Katarrhe und dieHäufigkeit und Schwere der Folgeerkrankungen(Lungenkatarrh.Bluthusten, Rippenfellentzündung usw.), dann aber auch zweifellosdie in mehr als gewöhnlicher Häufigkeit auftretenden Magen- undDarmkatarrhe sowie die mannigfachen Störungen in der weiblichenGeschlechtssphäre.... Berufliche Störungen sind zweifelsohne vor-handen." Soweit der überaus vorsichtig gehaltene amtliche Bericht,der noch ein besonderes Relief gewinnt, wenn wir uns gegenwärtighalten, daß es sich hier um eine vergleichsweise günstig situierteTabakarbeiterschast handelt. Günstig darum, weil Heimarbeit seltenist, weil zu der industriellen Arbeit ergänzend und ausgleichend dielandwirtschaftliche tritt und in der Mehrzahl der Fälle der Ber-dienst in der Zigarrenarbeit nur einen Zusatz zum Mannesverdienstbildet._Die Frauenerwerbsarbeit in der Industrie hat seit dem Einsetzender wirtschaftlichen Krise im Gegensatz zur Männerarbeit eine auf-fallend steigende Tendenz gezeigt, die wiederum beweist, daß inZeiten rückläufiger Konjunktur daZ Unternehmertum die billigereund willigere Frauenarbeit bevorzugt. So ist z. B. nach den Be-richten der Großherzogl. hessischen Gewerbeinspcktion die Zahlder überhaupt beschäftigten Fabrikarbeiter im Jahre 1907 von04 448 aus 93 272 oder um 4 Proz. gestiegen. Dabei betrug dieZunahme der erwachsenen männlichen Arbeiter 2473 oder 3,6 Proz.,die der weiblichen aber 1092 oder 6,7 Proz. Besonders bezeichnendfür die Sachlage ist, daß insbesondere die jüngeren Altersklassender Arbeiterinnen eS sind, die die stärkste Zunahme erfahren haben.Die Arbeiterinnen von 16—21 Jahren haben von 7475 auf 8038,das heißt also um 8 Proz. zugenommen.Gerichte-Zeitung*Die Tötung des EisenbahnarveiterS Borhc<kauf der Müggelheimer Chaussee in der Köpenicker Forst unterlaggestern in später Nachmittagsstunde der Prüfung der 2. Ferien-strafkammer des Landgerichts II. Der L4jahr>ge BahnarbeiterV o r b e ck ist am Sonntag, den 10. Mai, am Fuße der Müggelbergenach einem kurzen Wortwechsel mit einem Radfahrer von diesemerschossen worden. Der Bahnarbeiter Vorbeck hatte am 10. Maimit drei Bekannten einen Ausslug nach Müggelheim gemacht undIvar gegen Mittag am Tatort bei einem Radler vorübergekommcn.der sich dort mit seiner Ehefrau gelagert hatte und frühstückte.Es kam infolge einer Aeußerung des Vorbeck zu einer erregtenSzene, wobei plötzlich ein Schuß fiel. Die Kugel drang dem V. indie Stirn, er sank zu Boden, wurde besinnungslos und verstarbbald darauf im Köpenicker Krankenhause. In dem allgemeinenWirrwarr, den der plötzliche Schuß hervorgerufen hatte, war derTäter mit seiner Begleiterin auf ihren Rädern davongefahren.Cr hat sich am 12. Mai in der Person des 39 Jahre alten TischlersEugen Deska der Polizei in Lichtenberg selbstgestellt und stand nun gestern unter der Anklage der fahr-lässigen Tötung vor der Ferienstrafkammer. Er wurde ausder Untersuchungshaft vorgeführt. Seine Verteidigung führteRechtsanwalt Dr. Kurt Rofenfeld, als medizinische Sachver-ständige waren Medizinalrat Dr. Pfleger und GerichtsarztDr. Marx geladen. Der Angeklagte bestritt, sich im Sinne derAnklage schuldig gemacht zu haben und gab von dem Vorfallfolgen«: Darstellung: Er sei an jenem Sonntag mit seiner Cheftauauf einem Radlerausfluge gewesen, hatte eine kleine Pause gemachtund sich im Walde, etwa 15 Meter von der Chaussee, mit seinerFrau zum Frühstück niedergelassen. Die Räder waren an einenBaum gestellt. Er, der Angeklagte, habe eine vor drei Jahrengekaufte Browningpistole bei sich geführt. Er habe sich kaum hin-gesetzt und feine Frau sei eben dabei gewesen, ein Paket auszu-wickeln, so seien vier Männer herangekommen und hätten durchzweideutige Redensarten und Handbewegungenangedeutet, daß sie ihn und feine Frau für ein Licbespärchenhielten, daß dort Un.sittlichkeiten beginge. Er habesie des WegeS verwiesen und ihnen zugerufen:„Wir sind keinLiebespärchen. Sie sehen doch, daß wir ältere Leute sind!" Vorbeckhabe darauf erwidert:„Wir sind vier!" Darauf seien die vier etwa20 Meter weitergegangen, er selbst habe sich mit seiner grau bereitgemacht, um sich zu entfernen und einem Streite auS dem Wege zugehen. Da feien die Vier stehengeblieben und Vorbeck habe ihmzugerufen:„Komm mal her!" Dann habe er gesehen, wie Vorbeckauf seine Begleiter heftig einredete und alle Vier seien wieder um-gekehrt und auf ihn losgegangen. Auf sein Ersuchen sei ein geradevorbeikommender Radfahrer abgestiegen und in seiner Nähe ge-blieben. Dann sei Vorbeck als erster auf ihn zugetreten und habeihm höhnisch zugerufen:„Allgemeine Musterung!" Zu dem fremdenRadfahrer habe er gesagt:„Du August kannst auch noch her-kommen!" Vorbeck habe ihn, den Angeklagten, dann zunächst mitdem Ellbogen gestoßen und dann plötzlich an derBrust gepackt und das Jacket ihm in heftigerWeife herumgedreht. Aus der Art deS Zupackens habe ergesehen, daß Vorbeck ein Mann sei. der in solchen Händeln be-wandert sei; er habe ihn deshalb angeschrien:„Lassen Sie los!"und als dieser Aufforderung keine Folge geleistet wurde, habe er inseine Gesäßtasche gegriffen, die Browningpistole hervorgeholt unddamit auf seinen Gegner losgeschlagen. Da sei plötzlich ein Schußlosgegangen, über den er selbst sehr erschrocken gewesen sei, denner habe nicht schießen wollen.— AuS den Bekundungen der dreiZeugen, die die Begleiter deS Vorbeck an dem verhängnisvollenSonntag waren, ging hervor, daß'alle vier seit 6 Uhr morgen»auf einer Partie begriffen waren. Sie wollen nicht betrunken oderangetrunken gewesen sein; sie hatten, wie sie aussagten, nur jezwei Gläser Bier und gemeinschaftlich eine Flasche Kognakgetrunken. Sie geben zu, daß sie sehr lustig waren und Vorbeck,der immer sehr übermütig gewesen, dem Angeklagten und seinerEheftau anzügliche Redensarten zugerufen habe. Sie wollen aberschließlich schon eine ganze Strecke weitergegangen sein, als Deskaauf die Chaussee kam und ihnen nachrief:„Wenn Ihr etwaswollt, dann kommt doch Herl" Darauf seien sie umgekehrt, aufDcSka wieder zugegangen und dann habe sich der Zusammenstoßzwischen Vordeck und dem Angeklagten entwickelt. Die ganze Sachesei sehr schnell gegangen; die Zeugen waren der Meinung, daß derSchuß sofort losgegangen sei, als der Angeklagte die Pistole auSder Tasche gezogen und vom Papier befreit hatte. Nach ihrerAnsicht habe der Angeklagte die Pistole auch nicht so angefaßtgehabt, als ob er sie zum Schlagen gebrauchen, sondern als ob erSchießen wollte. Diese Zeugen behaupten auch, daß DeSka auf dieüberflüssigen Fragen und Redensarten deS Vorbeck sofort sehrschroff geantwortet und, als sie sich schon ziemlich weit entfernthatten, ihnen sehr provozierend zugerufen habe, doch zurückzu-kommen, wenn sie etwas wollten. Als Deska die Pistole hervorzogund auf seinen Gegner damit lossticß, habe er gesagt:„Dir werdeich zeigen, was es heißt, Leute auf der Straße anzuulken!" ImGegensah hierzu bekundete die Eheftau des Angeklagten, daß dereine der vier Leute, die sie belästigten, als sie auf ste und ihrenEhemann loskamen, gerufen habe:„Du Kaffer, komm doch her,wenn Du was willst!" Darauf habe ihr Mann geantwortet:„Komm Du doch Herl" Ihr Mann habe die Pistole erst au» derTasche gezogen, als Vorbeck auf ihn eingedrungen sei und an derBrust gepackt habe. Nicht richtig sei eS, daß ihr Mann von einemder Gegner nach seinem N.mnen beftagt worden sei und sich darauf.Karl Schulze" genannt habe.— Von einem Leumundszeugenwurde dem DeSkaschen Ehepaar das Zeugnis sehr ruhiger,friedfertiger Leute gegeben. Die Pistole habe sichDeSka angeschafft, weil er auf seinen Radtouren schon mehrfachbelästigt worden sei.— Die Darstellung, die der Angeklagte undseine Ehefrau von dem Vorfall gegeben, wurde von dem Rad-fahrer, der zur kritischen Zeit auf der Chaussee herangekommen undvom Angeklagten gebeten war, abzusteigen, im allgemeinenb e st ä t i g t.— Der Kutscher K a h n o w hat den Getöteten miteinem Wagen nach dem Köpenicker Krankenhause geschafft. Aufder Fahrt dorthin erzählte einer der Begleiter, daß der Angeklagtesofort geschossen habe, nachdem ihn Vorbeck nach dem Wege nachKöpenick fragte. Als der Zeuge auf das Unwahrscheinliche dieserErzählung hinwies, habe ein anderer geantwortet:„Wir müssenja doch später vor Gericht die Wahrheit sagen, es hat doch keinenZweck, so etwas zu erzählen." Er(Zeuge) habe den Eindruckgehabt, als daß sich die drei schulobcwußt fühlten und mit derWahrheit zurückhielten. Ziemlich denselben Eindruck hat derFabrikant Lutze gehabt, der mit seinem Motorrad an dem Tatortvorbeigekommen war. Dieser Zeuge bekundet, daß er nach denvöllig widersprechenden Erzäblungen der drei Begleiter des Ge-töteten das Gefühl gehabt habe, als ob diese kein reineS Gewissenhatten. Alle drei hätten anfänglich sehr stark übertrieben, späteraber, als er Zweifel äußerte, ihre Angaben erheblich eingeschränkt.Der Gerichtsarzt deö Kreises Teltow. Dr. Marx, legte, unterVorlegung der Scbädeldecke deS Getöteten, dem Gericht dar, daßnach Verlauf des Schußkanals der Schuß aus unmittelbarer Nähe,vielleicht auch bei einem Schlage mit der Pistole, losgegangen seinmüsse. Keinesfalls sei aber der Schuß, der absolut tödlich war, auseiner größeren Entfernung abgegeben worden. Auch der Medizinal-rat Prof. Dr. Pfleger kam zu dem gleichen Schlüsse.— Staats-anwalt Dr. Ahrens hielt den Angeklagten einer groben Fahr-lässigkeit für überführt und beantragte mit Rücksicht auf die soüberaus traurigen Folgen eine Gefängnisstrafe von zweiJahren. Rechtsanwalt Dr. Kurt Rofenfeld hielt dieFreisprechung des Angeklagten, der in Notwehr gehandelthabe, für dringend geboten. Das Gericht nahm ebenfalls an. daßder Angeklagte zuerst angegriffen worden sei und dann in Not-wehr gehandelt habe. Das Urteil lautete deshalb auf Frei-sprechung.Erwäbnung verdient, daß D e S k a. der sich f r e i w i l l i g derPolizei gestellt hatte, in Untersuchungshaft genommen wurde undbis zum Tage des Termins darin verblieb. Alle Anträge der Ver-teidigung auf Haftentlassung DcskaS waren vergeblich, trotz-dem schon seit Monaten der hinzugekommene gänzlich unbeteiligteRadfahrer seine den Deska entlastende Aussage demUntersuchungsrichter gemacht hatte. Hoffentlich wird das Gerichtin Konsequenz deS Urteils dem durch die monatelange Unter-suchungshaft fchwer aeschädiaten Angeklagten eine Entschädigungzusprechen._Ist„Manoli" eine Beleidigung?Eine interessante Entscheidung fällte heute daS PotsdamerSchöffengericht in einer Privattlage gegen den Arbeiter WilhelmMarzahn aus Caputh. Der Beklagte hatte am 1. Juli d. I.den Stellmacher K l o ck i w i e z auf der Fahrt von Berlin nachCaputh in einem Abteil der 4. Klasse mit Bezug auf feine Religionbeschimpft und ferner mit entsprechender Handbewegung geäußert:„Sie sind j a Manoli, Sie kennen wir schon. Das Gerichttrat in eine genaue Prüfung der Bedeutung dieses Ausdruckes ein,der sämtlichen Herren am grünen Tische fremd war. Nach er-schöpfender Definition des Ausdruckes seitens eines beteiligtenRechtsanwaltes kam das Gericht zu der Anficht, daß die inkrimi-nierte Redensart eine Beleidigung involviere und ver-urteilte den Beklagten zu 10 M. Geldstrafe. Bisher wurde vor demPotsdamer Schöftengericht noch niemals wegen„Manoli" verurteilt,von dem der Vorsitzende richtig bemerkte, daß er das Wort nur alsZigarettenmarke, nie aber mit der Bedeutung«Verrückt ae-kanift hcche,________Versammlungen.Mit der Frage ber Jugendorganisation beschäftigte sich in den„Arminhallen" eine kombinierte Mitglieverversammlung sämtlicherFilialen deö Verbandes der Lithographen und Steindrucker. Aufder Tagesordnung stand als Hauptpunkt die Berichterstattung vomHamburger Gewerkschaftskongreß, welche durch den Redakteur desVerbandsorgans, Paul Barthel, erfolgte. Die Versammlungerklärte sich mit den Beschlüssen des Kongresse» einverstanden.Allerdings mit der Einschränkung, daß die Maifeierfrage mit denBeschlüssen in Hamburg Ivohl noch nicht endgültig geregelt sei.Die Frage der Organisation zur Erziehung der Jugend erfuhralsdann eine besonders ausgiebige Behandlung. Im weiteren Wer-lauf der Versammlung wurde dazu die folgende Resolution ein-stimmig angenommen:„Die Versammlung hat Kenntnis genommen von den Bc-ratungen des Gewerkschaftskongresses über die �Frage der Or-ganisation zur Erziehung der Jugend und erklärt sich mit dengefaßten Beschlüssen einverstanden. Sie spricht deshalb auch hie�wieder ihr volle? Einverständnis mit der Gründung der Jugend-abteilung des Verbandes aus. weil sie durchaus den Bedürfnissender in Frage kommenden Berufe angepaßt ist.Sie sieht in ihr ein Mittel, den Jugendlichen neben derFachausbildung und dem Schutz ihrer Gesundheit und Arbeits-kraft eine willkommene Ergänzung und Erweiterung der lücken-haften Schulbildung zu geben, was bis jetzt die selbständigenJugendorganisationen in dem Maße nicht konnten, weil sie nichtüberall mit ihrer Aufklärungsarbeit hinkommen können. Des-wegen bieten die sich bis in die kliensten Orte erstreckenden Ge-werkschastSorganisationen die sichere Gewähr— selbstverständlichunter Aufrechterhaltung der Mitbetätigung der Jugendlichen—diesen Weg erfolgreich zu beschreiten.AuS diesen Gründen erklärt die Versammlung, auch welter-hin energisch auf dem beschrittencn Wege, die Jugend zu bildenund zu schützen, fortzuschreiten, zumal sie durch die bis jetzt schonerzielten tatsächlichen Erfolge in ihrer Meinung bestärkt wordenist, daß auf diesem Weg« die Jugend mit den Ideen der modernenArbeiterbewegung vertraut gemacht werden kann."Des weiteren bestätigte die Versammlung die Wahl von zweiMitgliedern für den Haupworstand.Schraubenarbeiter. In einer ziemlich güt besuchten Ver-sammlung, welche am Mittwoch bei Graumann, Naunynstraße.stattfand, nahmen alle in der Schraubenbranche beschäftigten Ar-beiter und Arbeiterinnen den Bericht der Agitationökommissionentgegen. Stattgefunden haben: 60 VerwaltungS-, 10 Kommissions-sitzungen, je 26 Vertrauensleutekonferenzen und Diskutierabende,5 Branchen- und 130 Werkstattversammlungen. Die Tätigkeit derKommission wurde allseitig anerkannt. In die AgitationS-kommission wurden P a s s e k und Fellenberg, letzterer alsBranchenvertreter, wiedergewählt. Unter Dranchenanaelegen-heiten nahm die Versammlung Kenntnis von dem Bestehen desZweig- resp. Konkurrenzunternehmens der hiesigen Firma Lübenund Buhse in Rathenow. Aus den bis jetzt von der dortigenVerwaltungsstelle des Deutschen Metallarbeiterverbande» erhaltenenMitteilungen gehe hervor, daß die Rathenower Kollegen die Absichtder Firma erkannt baben und nicht gewillt sind, den BerlinerKollegen gegenüber als Lohndrücker zu fungieren. NachstehendeResolution fand einstimmige Annahme:„Die Berliner Schraubendreher nehmen Kenntnis von denVerhandlungen der Kollegen in Rathenow. Sie verpflichten sich.in jeder Beziehung den Rathenower Kollegen zur Seite zu stehen,erwarten aber von den Rathenower Kollegen, daß sie treu zurOrganisation halten, da nur durch dieselbe die Gewähr für dieBesserstellung unserer wirtschaftlichen Lage möglich ist."Lese,„nd TIskutierklud»Wilhelm Liebknecht-. Sitzung heuleabend«>/, Uhr bei Buhl, Danziger Str. � Öoste willkommen.Sparverein für Freidenker»u» Ausführung der Feuerbestattung.Versammlung Donnelstag. m September, abend«»'/, llhr. Neue König.straße 73, im Köntgjt. Klubhaus. Gäste haben Zutritt.