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ihrer Einlagen verlieren. Die Folge dürste eine ganze Anzahl von Bankrotten sein. Schon seit Frühjahr existiert hier eine drückende Bankkrise, die nur dadurch etwas geinildert wurde, daß die Staats- lasse einen Kredit von 10 Millionen Kronen zur Verfügung gestellt hat und jetzt dieser Krach wahrlich, das kapitalistische System zeitigt herrliche Früchte I Entgegen anderen, glaubwürdig erscheinenden Mitteilungen der- breitete Ritzaus Depeschenbureau gestern die Nachricht, daß in der Zusammensetzung deS Ministeriums Christensen eine Verände- rung nicht bevorstehe. Man muß danach annehmen, daß die Minister, die jahrelang mit Alberti zusammengearbeitet haben, alles aufbieten werden, um den Glauben zu erwecken, daß sie keine Ahnung von dem verbrecherischen Treiben ihres Kollegen hatten, daß auch keinerlei Verdacht in ihnen aufstieg, als Alberti im Juni das IVz Millionen-Darlehen aus der Staatskasse verlangte. Nun war aber das Anklagematerial des Genossen Borgbjerg im Reichstag so schwerlviegend und beweiskräftig, daß das Ministerium unbedingt verpflichtet gewesen wäre, Aufklärung zu schaffen, statt für den so schwer kompromittierten Justizminister ohne weiteres Partei zu ergreifen. In der Folkethingsfitzung vom 23. Mai dieses Jahres war es der Wortführer der Liberalen, StaatSrevisor Anders Nielsen, der, nachdem Genosse Borgbjerg alle die schwerwiegenden Gründe für die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zusammengefaßt hatte, erklärte, cS seien keine Beweise vor- gebracht tvorden, die die Annahme deS sozial- demokratischen Antrages rechtfertigten. Der Antrag wurde dann auch abgelehnt mit 69 gegen 25 Stimmen. Nielsen, der als Parteiführer schuld daran ist, daß Alberti seine Schwindeleien fortsetzen konnte, bis ihm das Messer an der Kehle stand, wurde Ende Juli Landwirtschaftsminister. Der Leichtsinn, mit den» er und die Liberalen überhaupt die so dringend notwendige Untersuchung der Amtsführung und der Geschäftspraktiken des Justizministers ab- lehnten, zeugt gewiß nicht dafür, daß er für ein Ministeramt besonders geeignet ist. Besser als seine anderen Ministerlollegen kannte der im Jahre 1902 verstorbene Verkehrsminister H ö r u p den Justizminister schon damals. Jener radikal» demokratische Politiker und Minister sagte kurz bor seinem Tode von Alberti:»DieserMann wird im Zuchthaus enden-. Die Summen, die Alberti durch Fälschungen und Betrügereien veruntreut hat, werden von seinem eigenen OrganDannebrog* auf 10 bis 15 Millionen Kronen angegeben. Vielleicht kommt, wenn die Sache einmal richtig untersucht ist, noch mehr heraus. VorDannebrogS" Redaktionslokal hatte sich am Tage des Ereignisses eine große Menschenmenge versammelt, die energisch ver- langte, daß AlbertiS Blatt, wie andere Zeitungen, AlbertiS Schwindeleien durch Anschlag bekannt gebe. Schließlich nahm man die Extrablätter anderer Zeitungen und versah damit die RedaktionS- fenster. UebrigenS soll»Dannebrog* trotz AlbertiS Untergang weiter erscheinen! wie die Redaktion berichtet, hat Alberti das Blatt im März 1907 an die Redakteur« verpachtet. Das von jenem Schwindler und Verbrecher im Jahre 1902 gegründete Blatt zur Ver- leumdung der Sozialdemokratie soll also dem Lande erhalten bleiben. Die Nachricht von AlbertiS Schwindeleien hat natürlich in ganz Dänemark ungeheuere Aufregung hervorgerufen. Selbstverständlich wird auch das politische Leben sehr stark dadurch beeinflußt werden. Im nächsten Jahre wird da» Folkething neu gewählt. Die t Landleute werden es sich merken, daß ihre politischen Vertreter, daß ihre Partei es war, die ein rechtzeitiges Einschreiten gegen Alberti verhinderte, das von der Sozialdemokratie so dringend gefordert wurde. Die Verluste und die Schmach wären sicherlich ein gut Teil geringer gewesen, wenn die wiederholten bitterernsten Mahnungen der Sozialdemokraten beachtet, wenn Reichstag und Regierung bei- zeiten den verbrecherischen Justizminister unschädlich gemacht hätten. ehe er selbst sich der Justiz stellte. poUrtfche CUberficht. Berlin , den 10, September 1908. Auch noch die Jnseratensteuer! Außer den verschiedenen anderen schönen Steuern hat daS Reichsschatzamt, um für alle Fälle gerüstet zu sein, auch noch eine Jnseratensteuervorlage ausarbeiten lassen. Der Verl . Lokal-Anz." hat vonunterrichteter Seite" darüber folgendes erfahren: Daß zu den modernen Einrichtungen, die besteuert werden sollen, in erster Linie die Elektrizität und daS Gas gehören, ist bereits bekannt. ES soll dabei aber weniger die von diesen beiden Quellen ausgehende Kraft, als daS Licht besteuert werden, und auch nicht die Produktion, sondern diese Abgabe soll den Konsumenten auferlegt werden, wenngleich ihre Erhebung bei den Produzenten stattfinden dürfte. Die gewerblichen Interessen sollen nach Möglichkeit geschont werden. Ferner ist unter jenen modernen Einrichtungen auch an daS Reklamewesen ge- dacht, das ebenfalls zur Besteuerung h-rangezogen werden soll, ob eS nun in Gestalt von Plakaten, von Inschriften an Mauern, Bergen usw. oder von ZeitungSinseraten auftritt. Was diese anlangt, so will man weitgehende Unterschiede machen, die sogenanntenkleinen Anzeigen" unabhängig von ihrem Uinfang und nur nach ihrem Zweck betrachten, also Stellengesuche und Stellenangebote, Familienanzeigen u. dergl. ganz steuerfrei lassen und auch die minder leistungsfähigen kleineren Blätter zu der Jnseratensteuer nicht heranziehen, son- dern sie lediglich von den größeren, ertragreichen Blättem er- heben." Unwahrscheinlich klingt die Meldung nicht, denn in ihrer Besorgnis, den immobilen Besitz zu schädigen, greift die Re- gierung zu den kuriosesten Steuerplänen. Dagegen scheint uns die von demselben Blatt gebrachte Nachricht, die Fahr- kartensteuer solle aufgehoben werden, als ganz unbegründet. Steuerrechte, die der Fiskus erlangt hat, läßt er nicht so leicht wieder fahren._ Die Neichstagstvahl im S. braunschweigischen Wahl­kreise(Wolfenbüttel -Helmstedt ) findet morgen, Freitag, statt. Der Bund der Landwirte hat den Agrarier Klrye-Jerxheim, die Welsen haben den Rechtsanwalt Dedekwd- Braunschweig und unsere Genossen den Maurer Heinrich Riete aus Braunschweig als Kandidaten aufgestellt. Der Wahlkampf wird zwischen den bürgerlichen Parteien mit einer seltenen Schärfe geführt. ES erklärt sich das daraus, daß die Welsen sich geweigert haben, sich dem Mischmasch anzuschließen. Besonders find die.Nationalliberalen" über die Weifen wütend und werfen diesen direkt Paktiererei mit unserer Partei vor. Dabei unter- scheidet sich das Programm deS Welfenkandidaten fast in nichts von dem des Kandidaten des Bundes der Landlvirte. Die National- liberalen haben allerdings alle Ursache, recht erbost zu sein, denn sie sind von der Mitbestimmung bei der Ausstellung deS Neichstagskandidaten fast völlig ausgeschaltet worden. Der Bund der Landwirte hat sie an die Wand gedrückt und ihnen in der Kandidatenfrage die Pistole aus die Brust gesetzt. DieLiberalen ", die hier mehr freikonservativ als liberal sind, mußten der Kandidatur Kleye wohl oder übel zustimmen. Wohl um ihre schmähliche Niederlage zu verbergen, schießen sie jetzt die glänzendsten Salto mortales für Herrn Kleye, den der nationalliberale Wahlausschuß einendurch und durch liberalen Mann" nennt, obgleich Kleye selbst erklärt hat, er werde sich wohl der Wirtschaftlichen Vereinigung anschließen; national- liberal sei er jedenfalls nicht, doch fühle er sich zu den National- liberalen hingezogen. Die ganze Wahlagitation der Mischmassparteien und der sie unterstützenden ReichsverbandSagenten erfolgt unter Ausschluß der Oeffentlichkeit. Die Gegner sind feige wie die Schakale und schließen ihre Versammlungen gegen unsere Parteigenossen ab. DerKreiSdirektor, die Bürgermeister. Stadträte und viele Gemeindevorsteher beteiligen sich in ihrer amtlichen Eigenschaft an der Wahlagitation für den Mischmaschkandidaten und haben offen mit ihrer Amtsbezeichnung den Wahlaufruf unterschrieben. Kriegervereine ver- senden Flugschristen an jedes ihrer Mitglieder mit der Warnung, ja keinen Sozialdemokraten zu wählen. Geistliche und Lehrer, alles stellt sich in den Dienst des Herrn Kleye. Am Wahltage werden die Schulen im Kreise geschlossen, um die Lehrer zur Wahlarbeit frei« zustellen. Für unsere Parteigenossen' ist die Wahlagitation außerordentlich schwierig. Der Wahlkreis ist ein fast rein ländlicher, mit einer reichen Bauernbedölkerung. Er zählt 181 Ortschaften und nur einige kleine Landstädte. Lokale zur Abhaltung von Versammlungen: haben uuS nur in den fünf Städten und sechs Dörfern zur Verfügung gestanden. Und in diesen letzteren haben die Kriegervereine noch alles aufgeboten, die Wirte einzuschüchtern, so daß es uns nur unter großen Mühen gelang, je eine Versammlung abzuhalten. In einigen dieser Versammlungen haben die Genossen Reichstagsabgeordneten NoSke und Brey referiert. Die Parteiorganisation zählt 780 Mit- glieder, die sich aus die Städte verteilen. Blockterrorismus. DieGrenzboten" sind eine der geachtetsten Zeitschriften innerhalb der konservativen Partei. Nur mit Ehrfurcht wurden sie sonst in der konservativen Presse genannt, und ihre Aussprüche galten als Dokumente unantastbarer Weisheit. Jetzt haben sie sich aber erlaubt, in Sachen des Herrn Schncking von Husum eine eigene Meinung zu haben, und flugS kündigt ihnen Herr O e r t e l von der Deutschen Tageszeitung" die bisher immer zur Schau getragene Hochachtung. Höchst eigenhändig wirft er ihnenunerhörte Begriffs- Verwirrung" vor und zeiht sie einertörichten Auffassung" und unsinniger Beschuldigungen". Schon neulich hat er. bei einer Polemik in Sachen der Erbschaftssteuer. daS Wort wissenschaftlich" in Verbindung mit denGrenzboten" nur in Gänsefüßchen gebracht. Man sieht, bei denKonservativen hörtdaS Anfassen mit Glacehandschuhen schon bei der geringsten Meinungsverschiedenheit auf. Herr Oerlel will sogar gleich das schwerste Geschütz gegen die.Grenzboten' auf- gefahren wissen. Er schreibt: DieGrenzboten" werden oft als offiziös bezeichnet. Daß sie es früher in einem gewissen Sinne und in einem gewissen Umfange waren, ist uns bekannt. Ob sie es jetzt noch sind, wissen wir nicht. Gegen die Annahme, daß sie es in diesem Falle ge- Wesen seien, sträuben wir uns mit aller Kraft. Es würde aber, um Mißverständuissen vorzubeugen, zweckmäßig sein, wenn die Norddeutsche Allgemeine Zeitung" Gelegenheit nehmen wollte, in irgend einer Form zu betonen, daß der besprochene Artikel der Grenzboten" P r i v a t a r b e i t ist. Der Gedanke darf unseres ErächtenS nicht aufkommen, daß solche und ähnliche Anschauungen, wie sie in denGrenzboten" zu Markte getragen werden, in irgendwelchen maßgebenden Kreisen herrschen." Also Partei- und RcgierungSbann in bester Form I Nicht mehr und nicht minder I Wie würde Herr Oertel toben, wenn auch nur etwas entfernt Aehnliches unter Sozialdemokraten vorkäme! Zur Sache selbst prollamiert Herr Oertel daS Naturrecht auf Terrorismus trotz Blockpolitik: DaS wäre eine wunderschöne Staatspolitik, die es von vorn- herein verhindern sollte, gegen einen Beamten vorzugehen, der. wie von seinen eigenen Parteigenossen zugegeben tvird, in seiner Tendenzschriftstellerei die Verhaltnisse mindestens schief und falsch dargestellt hat l... Noch törichter wir können im 5 wahrhaftig keines anderen Ausdruckes bedienen ist die in dem oben mitgeteilten Artikel derGrenzboten" vertretene Auffassung von dem Wesen der Blockpolitik. Die Blockpolitik ist weiter nichts»IS ein zeitweiliges Zusammenarbeiten der konservativen und liberalen Parteien. um die Fortführung einer nationalen Politik zu gewährleisten. Sie bedeutet durchaus nicht eine Ablehr von den alten Regierungsgrundsätzen, sondern nur eine Abkehr von der bisher innegehaltenen Negierungstaktik. Wer von der Blockpolitik erwartet und ihr zumutet, daß sie mit den alten bewährten Grundsätzen, die derGrenzboten"schreiber alte, ab- gewirtschaftete Methoden nennt, brechen solle, der sprengt den Block. Wo in aller Welt ist dennoffiziell verkündet" worden, daß die Blockpolitik bestimmt sei, die Meinungen frei aewähren zu lassen, auch wenn sie sich in einer Form äußern, die zugestandenermaßen für die Megierung als solche und viele RcgierungSbeamte in hohem Maße be- leidigend ist? Wir haben von einer offiziellen Verkündigung dieser neuen seltsamen Grundsätze nicht. daS mindeste ge- hört. Die Durchführung eines derartigen Grundsatzes würde auch durchaus nicht im Interesse der StaatSautorilät liegen, sondern zum Ruine dieser Autorität führen." DaS heißt mit kurzen Worten: Wenn sie nicht daS Recht haben sollen, nach Belieben zu maßregeln und zu terrorisieren, dann pfeifen die Konservativen auf den ganzen Block. Eulenbvrgs Untersuchungshaft. DieBerl. Universal-Korr." meldet: Ueber den weiteren Verlauf des ProzeffeS gegen Fürst Eulen- bürg bezw. über die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zum ferneren Verfahren erfahren wir ganz zuverlässig, daß die Staats- anwaltschaft in der nächsten Woche, nach der am 15. d. M. er- folgenden Rückkehr deS Oberstaatsanwalts Dr. Jsenbiel, ein Gut- achten vom Geheimrat Prof. Krause einfordem wird. Die Staats- anwaltschaft will vor allem wissen, wann die Verhandlungs- fähigkeit Eulenburgs zu erwarten ist, um danach ihre weiteren Schritte zu bestimmen. Sollte daS ärztliche Gutachten den Zu- stand Eulenburgs als so gebessert bezeichnen, daß einer neuen Verhandlung nichts im Wege steht, so wird die Staatsanwalt- schaft die sofortige Ueberführung Eulenburgs in das Untersuchungs- gefängnis verlangen und gleichzeitig an die Strafkammer wegen Ansetzung eines neuen Verhandlungstermins herantreten. Wenn aber das Gutachten zu dem Schlüsse kommt, daß für absehbare Zeit auf eine Besserung nicht zu rechnen ist, dann würde die Staatsanwaltschaft michl abgeneigt sein, unter gewissen Kantelen die Aufhebung der Untersuchungshaft zu befürworten. Ein dies- bezüglicher Antrag dürfte von der Verteidigung gestellt und von der Staatsanwaltschaft in diesem Falle nicht bekämpft werden, wenn sich Eulenburg eine gewisse polizeiliche UeberwaHung in seinem Schlosse gefallen ließe. Diese Ueberwachung hätte den Zweck, eine Kollusions« oder Fluchtgefahr auszuschließen. Sollte indessen daS Gutachten dahin lauten, daß eine Besserung in abseh- barer Zeit erwartet werden kann, dann will die Staatsanwaltschaft diesen Zeitpunkt abwarten und sich über den Verlauf der Krank- heit des angeflagten Fürsten fortlaufend unterrichtet halten, um im gegebenen Momente sofort die nötigen Schritte zur neuerlichen Aufnahme des Verfahrens zu unternehmen. Bemerkenswert ist, daß fortgesetzt bei der Staatsanwaltschaft Anzeigen und Bezichti- gungen von Personen einlaufen, die früher aus irgend welchem Anlaß mit Eulenburg in Verkehr standen. Die Staatsanwaltschast ist jeder Anzeige wwcit sie nicht anonym war nachgegangen, doch hatten die Erhebungen nahezu in allen Fällen ein negatives Resultat. Unbekannte Momente wird also eine eventuelle neue Verhandlung nicht bringen." Wir wissen nicht, wie weit die Meldung richtig ist, und müssen deshalb derVerl . Univers.-Korr." die Verantwortung für ihre Mit- teilung überlassen. Doch halten wir die Meldung für wahrscheinlich. Eulenburg wird aus der Untersuchungshast entlassen und in seinem Schlosse überwacht werden bis eines Tages aus dem Auslände die Nachricht eintrifft, er befindet sich seiner Gesundheit wegen außer- halb der deutschen Grcuze und gedenkt auch nicht so bald zurück- zukehren._ Kricgervcreine und Sozialdemokratie. Der Beschluß der Landeskonferenz der sächsischen Sozialdemo» kratie, wonach Kriegervereinler weder Mitglieder unserer Partei- organisationen, noch der freien Gewerkschaften sein können, ist dem Kyffhäuserverband aus die Nerven gefallen. DieKyffhäuserkorrc- spondenz" sagt nämlich zu dem Beschluß: Allerdings sind die Kriegcrvcreine die schärfsten Gegner der Sozialdemokraten. Die Kriegervereine setzen sogar ihre besondere Ehre darin, die Sozialdemokratie zu bekämpfen und die von dieser verhetzten Massen des deutschen Volkes dem nationalen Gedanken wieder zu gewinnen. Dieser Kampf, der gegen eine einzige, auf den Umsturz der bestehenden Staats- und Wirtschaftsordnung sinnenden Partei gerichtet ist, hat aber mit der Frage der Arbeiterfreundlichkeit nicht das geringste zu tun. Die Sozial- demokraten allerdings stellen die Sache fälschlicherweise so dar, indem sie sich als die gegebenen Vertreter der Arbeiter- schaft ausspielen, während tatsächlich zahlreiche Arbeiter nicht der Sozialdemokratie angehören und die Sozialdemokratie über- Haupt weit davon entfernt ist, das Wohl der Arbeiter zu ver- treten. Gerade die Kerntruppe der deutschen Kriegervereine be- steht aus Arbeitern. Diese aber sind patriotisch und königStreu gesinnt und wollen mit der Sozialdemokratie nichts zu tun daben, weil sie nur zu genau wissen, daß das Ziel der Sozialdemokratie darauf hinausläuft, sich der Arbeiter zur Erreichung der politischen Macht zu bediene», während der Sozialdemokratie im übrigen die Arbeiter herzlich gleichgültig sind. Die Kriegcrvereine verwehren den Kameraden Arbeitern auch keineswegs, ihre Rechte in den Ge- werkschaften wahrzunehmen. Müssen denn aber alle Arbeiter sozialdemokratischen Gewerkschaften angehören? Daß alle Arbeiter Sozialdemokraten sind, haben wir nie be- hauptet; die Sozialdemokratie besteht ober zu 95 Prozent aus Arbeitern, was die Kriegervereine nicht von sich behaupten können. Im Kriegerverein spielen die örtlichen Größen eine hervor- ragende Rolle. Ihr höchster Stolz ist es, wenn es ihnen gelingt, einen Großunternehmer, der gleichzeitig Rcserveoffizicr ist, als Mit- glied zu gewinnen. Findet dann eine Festlichkeit statt, macht sich der Herr Reserveoffizier mit den OrtSgrößen am reservierten Tisch breit und dieKameraden" können in dem Gefühl schwelgen, zu- sehen zu dürfen, wie die Herrschaften sich unterhalten. Sollten die Arbeiter, die Kriegervereinen angehören, noch immer nicht einsehen, welch unwürdige Rolle ihnen dort zugedacht ist? Was haben die Kriegervereine jemals für das Wohl der Arbeiterschaft getan? Haben sie auch nur einen Pfennig Lohnerhöhung durchgesetzt; haben sie eine Verminderung der Arbeitszeit angestrebt; haben sie sonst auch nur das mindeste zur Hebung der Lage der gedrückten Massen getan? Das können sie nicht und dürfen sie nicht, sonst treten die Unter- nehmer ans. Di« Kriegervereine predigen den Kampf gegen die Sozialdemokratie. Um sich nach oben in ein gutes Licht zu setzen, im Interesse der Unternehmer sind sie bestrebt, die Arbeiter von einem Kampfe um eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage ab- zuhalten. Sie sind deshalb in der Tat nichts als eine Schutztruppe des Unternehmertums. Welchen Gewerkschaften darf ein Krieger- vereinler wohl beitreten? Doch nicht den freien Gewerkschaften, sondern höchstens den chriftlichsozialcn oder dengelben", die mit dem Gelde des Unternehmertums ausgehalten werden. So haben sich Kriegervereine immer mehr zu erzrealtionärcn Organisationen entwickelt, und von jedem denkenden Arbeiter muß deshalb verlangt werden, daß er solchen Vereinen fernbleibt. Mil aller Energie müssen Partei und Gewerkschaften de» Kampf gegen diese Wahlorganisationen der Vollsfeinde aufnehmen, hier ist dci Angriff die beste Deckung. Man lasse die. Herren Reserveoffiziere. Geistlichen und Bürgermeister, Unternehmer und Staatsbeamte unter sich; Arbeiter, denkende, vorwärtsstrebende Arbeiter haben in solchen Kreisen, von denen sie zu reaktionären Zwecken mißbraucht werden, nichts zu suchen. Deshalb: Heraus aus den Krieger- vereinen! Himmelschreiendes Elend". Die zentrnmSagrarischeRheinische Volksstimme' stellt eine Berechnung an, wer wirtschaftlich besser gestellt sei. der landwirtschaftliche oder der industrielle Arbeiter? DaS Blatt geht von der Annahme aus, daß der städtische Arbeiter täglich drei Marl . also daS Jahr 900 Mark einnehme; davon seien abzurechnen für Miete 150 M., so daß für die Bestreitung der übrigen Bedürfnisse 760 M. blieben. Der Tagelobn eines Landarbeiters betrage 2 M., sein Jahreseinkommen also 600 M.; hierzu kämen aber die freie Wohiiung und daS freie Kartoffelland, der Ertrag der Pachtöcker und der Viehzucht, so daß der Landarbeiter sich in seinen Einnahmen ganz abgesehen von den teueren Lebensverhältnissen in der Stadt wesentlich besser stehe als der Industriearbeiter. Wenn dennoch der Landarbeiter in Scharen der Stadt zuwandere, so deshalb, weil ihm das Leben dort als paradiesisch geschildert werde, nachher, wenn er das himmelschreiende Elend deS städtischen Proletariats kennen gelernt habe, komme dann die Eni- täuschung. Wir wollen die Angaben des klerikalagrarischen Blattes über die wirtschaftliche Lage der Industrie- und der Landarbeiter auf sich be- ruhen lassen. Wir erinnern uns aber öfterer Artikel derRhei- nischen Volksstimme", worin gar kläglich gejammert wurde über die Verhätschelung der Industriearbeiter", denen sich alle Sorge der Regierung und der Parteien zuwandte, während die armen Bauern leer ausgingen. Wenn das Blatt wieder mal in diesen Ton verfallen sollte, werden wir nicht versäumen, es an den gegenwärtigen Artikel zu erinnern, worin von demHimmel- schreienden Elend des städtischen Proletariats" und dem 900 Mark-JahreSeinkommenjder Industrie- a r b e i t e r die Rede ist._ Der Gnade würdig! 1 Wie seinerzeit ausführlich gemeldet, wurde im Mai dieses Jahres der Unteroffizier Verthold vom Schützen-Rcgiment Nr. 103 wegen Mißhandlung eines Untergebenen mit tödlichem Ausgange.zu einem Jahr und einer Woche Gefängnis verurteilt. Er hatte aus Aerger darüber, daß einige Schützen nicht gut geschossen hatten, seine aus 12 Mann bestehende Abteilung an einem sehr warmen Tage Laufschritt machen lassen. Die Strecke betrug 700 Meter und die Leute waren erschöpft und in Schweiß gebadet. Einer der Schützen fiel infolge der Ueberanstrenguiig um und starb kurz darauf am Gehirnschlag er loar z u Tode gejagt! DaS Oberkriegsgerichi erkannte auf die Berufung des Gerichtsherrn neben der Freiheitsstrafe auch auf Degradation. Eine Revision deS SoldatenschinderS beim Reichsmilitärgericht war erfolglos. Nun rief er die Gnade deS Königs an. Dieser bat nun den Soldatenschinder,