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Der Parteitag mmtnt mit Befriedigung Kenntnis von dem Bericht des Vorstandes über die Tätigkeit der Parteischule und ersucht den Vorstand, sie in der bisl)crigen Richtung weiter aus­zubauen." Der Antrag ö*) wird mit dem Zusatz von Stubbe-Hamburg angenommen: Das gilt auch für solche lokale Gewerkschaften, die von den örtlichen Gewerkschaftskartellen und Parteiorganisationen nicht anerkannt sind." Zum Punkt Frv u c no r gan i s a t i o n wird der An- <?ag 21�) angenommen unter Ablehnung des die Strei- chung des Punktes 4 verlangenden Antrages Lipinski. Die Resolution der Frauenkonferenz(12S) wird ln folgender Fassung angenommen: Nachdem die gesetzlichen Schranken gefallen sind, die in den .inzelncn Bundesstaaten den Frauen den Eintritt in die poli- tischen Vereine verwehrten, mutz es um so mehr Aufgabe der Genossen sein, ihre weiblichen Angehörigen aufzuklären, damit sie Mitglieder der Partei werden." Weiter wird die Deklaration des Berichterstat- k e r s in bezug auf den Eintritt einerGcnossin inden Parteivorstand angenommen und beschlossen, für ein Jahr so zu verfahren. Den Vorsitz übernimmt Dorn. Ter parlamentarische Bericht Eichhorn Erstattet den Bericht unter Ausschluß der Frage der Budgetbewilligung: Sie haben den schriftlichen Bericht alle eingehend studiert. Ich kann mich daher sehr kurz fassen, weil im allgemeinen an der Tätigkeit der Reichstagsfraktion mit AuS- nähme eines einzigen Falles Kritik von Bedeutung nicht geübt wor- den ist und dann, weil in der politischen Lage sich Wesentliches feit der vorjährigen Session auch nicht geändert hat. Ter Block ist noch Trumpf. Höchstens hat sich im letzten Sessionsabschnitt der korrumpierende Charakter der Blockpolitik noch etwas schärfer offen- bart. Als der Block als Ergebnis der Bülowschen Wahlmache zu- stände kam, dachte jeder, daß ein so heterogen zusammengesetztes Gebilde keinen Bestand haben werde. Der Block werde die erste Session nicht überdauern, eine praktische Arbeit sei nicht möglich; und die Ergebnisse des ersten Scssionsabschnittes schienen dieser Annahme Recht zu geben. Aber man hatte das hohe Maß von poli- tischer Verkommenheit der bürgerlichen Opposition, des Liberalismus und des Freisinns, außer Rechnung gesetzt. Tie Erscheinungen der Blockpolitik sind Ihnen allen bekannt. Die Vorgänge, die wir im letzten Scssionsabschnitt erleben mußten, haben bei uns direkt einen physischen Ekel erregt, und man mußte sich im Ernst die Frag» vor- legen, ob man mit den Leuten, die sich derart politisch wegwerfen, überhaupt noch persönliche Beziehungen pflegen kann. Da war nichts mehr von Grundsätzen, nichts mehr von der männlichen Sicherheit, die sich auf fcstgegründete Anschauungen aufbaut, nur immer die Angst, daß der Block in die Brüche gehen könne. Sie kennen die Vcrsöhnungskomödie nach dem Zusammenstoß mit v. Einem. Und warum das alles? Lediglich, weil die bürgerliche Opposition in der Regierungsmehrheit bleiben, sich nicht aus- schließen lassen wollte. Sie wird noch weiter gehen, sie wird> mit Sicherheit ist das schon jetzt anzunehmen auch im nächsten Herbst die RcichSfinanzreform, die indirekten Steuern, bewilligen. Sie wird alles tun, um sich das Scheinrecht zu erhalten, mitzutun und die Verantwortung mitzutragen. Der Niedergang des Libcra- lismus ist geradezu ein warnendes Exempel für diejenigen, die glauben, mit der Diplomatie und staatsmännischcn Schachzügen die Regierung auf ihre Bahn bringen zu können. Denn die Liberalen verteidigen ihre Haltung jetzt einfach damit, daß sie sagen, werden wir ausgeschaltet, dann sind wir außerstande, für den Liberalismus zu wirken, irgendwelche Konzessionen der Regierung abzutrotzen und abzupressen. Das sind dieselben Argumente, die man sehr häufig hört von diplomatisch angelegten Naturen, die da meinen, durch halbe? Entgegenkommen und drohendes Auftreten die Regie- rung bewegen zu können, ihnen entgegen zu kommen, die reak- tionären Parteien gewissermaßen überlisten zu können. Das ist dem Blockliüeralismus nicht gelungen, das wird ihm auch in aller Zukunft nicht gelingen. Welche Anstrengungen haben wir beim Reichsvcreinsgesetz gemacht, um Garantie für eine wirkliche Vereins- und Versammlungsfreiheit zu schaffen. Vergeblichl An der Angst der liberalen Blockpolitikcr wurden alle diese Versuche zu schänden, und alle Vorstellungen an den Liberalismus haben nichts gefruchtet; weder durch gute Worte noch durch diplomatische Schachzüge kann man der Reaktion etwas abtrotzen. Auch im parlamentarischen Kampf kann die Richtschnur einer Partei, die sich nicht selbst aufgeben will, nur ihre Grundsätze sein. Nur ihre rücksichtsloseste Vertretuna aibt die Möglichkeit, vorwärts zu kommen. *) Der Parteitag begrüßt den infolge der Einigungsverhand- lungen erfolgten Uebertritt der lolalistischen Vereine in die Zentral- verbände. Die Vereine, die trotz der geführten Verhandlungen bei der Freien Vereinigung der Gewerkschaften geblieben sind, haben durch ihr Verhalten bekundet, daß sie entgegen den Beschlüssen der Partei- tage und des Internationalen Sozialistenkongresses in Stuttgart , die dringend gebotene einheitliche Organisation des wirtschaftlichen Kampfes der Arbeiterklasse nicht wollen. Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften hat sich auch in offenen Gegensatz zur Partei gestellt, indem sie unter Anlehnung an die anarcho-syndika- listischen Bestrebungen die Sozialdemokratie geflissentlich bekämpft und schmäht. Nachdem weiter die Einigungsverhandlungen mit dem Allge- meinen Deutschen Metallarbeiterverband, dessen im Gegensatz zur Lübecker Resolution erfolgte Gründung schon vom Mannheimer Parteitag als schwere Schädigung der Arbeiterbewegung bezeichnet worden ist, zu keinem Ergebnis geführt haben, erklärt der Parteitag: Jede Mitarbeit von Parteigenossen in den mit der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften verbundenen Vereinen sowie in dem Allgemeinen Deutschen Metallarbeiterverband ist unverein- bar mit den Grundsätzen und Interessen der Sozialdemokratie. ") 1. Jede Genossin ist verpflichtet, der sozialdemokratischen Parteiorganisation ihres Ortes beizutreten. Politische Sonderorganisationen der Frauen sind nicht gestattet. Ueber das Fortleben besonderer Frauen-Bildungsvereine entscheiden die Genossen und Genossinnen der einzelnen Orte. Die Mitglied- schaft in solchen Vereinen enthebt jedoch die Genossinnen nicht der Verpflichtung, den sozialdemokratischen Parteiorganisationen anzu- gehören. 2. Unabhängig von den Vereinsabenden der Männer sind für die weiblichen Mitglieder Zusammenkünfte einzurichten, welche ihrer theoretischen und praktischen Schulung dienen. 3. Die Festsetzung der Beiträge für die weiblichen Mitglieder bleibt den einzelnen Organisationen überlassen. Empfehlenswert ist, die Beiträge für die weiblichen Mitglieder niedriger zu bemessen wie für die männlichen. 4. Die weiblichen Mitglieder sind im Verhältnis zu ihrer Zahl im Vorstand vertreten. Doch muß diesem mindestens eine Ge- Nossin angehören. 5. Den weiblichen Mitgliedern des Vorstandes liegt eS ob. die notwendige Agitation unter dem weiblichen Proletariat im Einver- nehmen mit dem Gesamtvorstand und unter Mitwirkung der tätigen Genossinnen zu betreiben. 6. Solange betreffs der Beschickung der Parteitage durch die Parteiorganisationen noch das gegenwärtige Provisorium gilt, bleiben auch für die Delegierung der Genossinnen die jetzigen Be- stimmungcn des Parteistatuts in Kraft. Das Zentralbureau der Genossinnen bleibt bestehen. Die Ver- treterin der Genossinnen darin wird dem Parteivorstand«ngc. glxdert. Als ich den Bericht über die Nürnberger Versammlung las, in der über die Tätigkeit des Reichstages Bericht erstattet wurde, glaubte ich, in Eisner einen Anhänger dieser meiner Auffassung zu haben. Er übte an der Reichstagsfraltion die Kritik, es sei beim Vereinsgesetz nicht genug geschehen, man müsse Obstruktion treiben, man hätte die Abstimmung hinauszuschieben versuchen sollen. Ich glaube nicht, daß damit mehr positive Erfolge oder Vorteile für die Arbeiterschaft hätten errungen werden können. Die Fraktion hat in vollem Maße ihre Pflicht und Schuldigkeit unter diesen schwierigen Verhältnissen getan, sie hat den ver- schärften Kampf auch unter der Blockpolitik aufgenommen, und alles, was möglich war, darangesetzt, die Interessen der Arbeiter- klasse zu vertreten. Sic hat� keine Gelegenheit versäumt, weder beim Etat noch bei den zahlreichen Gesetzen. Durch Anträge und Interpellationen hat sie eingegriffen überall, wo es notwendig war. Darum ist die Kritik Eisners nicht recht verständlich. Er vermißt eine Interpellation über die Hill- Affäre, bei der man die ganze Frage der auswärtigen Politik nach seiner Meinung hätte aufrollen können. Die Fraktion hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Die Mehrheit hat es abgelehnt, eine Interpellation einzubringen, aber im Plenum ist der Fall erörtert worden. Wenn nun noch gesagt wird, daß die Fühlung der Fraktion mit den Arbeitermassen verloren gegangen sei, wenn ver- langt wird, daß die Deputationen in den Foyers des Reichstages sich herumdrängen müssen, so weiß ich nicht, was das für ein Vor- teil sein soll. Die Fühlung ist hier intensiver, wenn die Ab- geordneten selbst in die Versammlungen hineingehen, als wenn man diese Deputationen aufmarschieren läßt, vielleicht noch gar in feierlichem Aufzuge, im Frack. Wenn irgendeine Kritik an der Fraktion fehlging, so war es diese einzige, die an ihr geübt worden ist. Das behaupte ich nicht, und kein Mitglied des Reichstages bildet es sich ein, daß die Fraktion nicht zu wünschen übrig läßt, daß wir nicht immer und immer wieder Anregungen bedürfen und sie dankbar entgegennehmen. Ich empfehle, die zum parla- mentarischen Bericht gestellten Anträge der Fraktion zu über- weisen. Zur Verhandlung stehen die Anträge 63, 71, 73, Der An­trag 70 wird nicht unterstützt. Witte- Berliit begründet den Antrag 71.-f) Die Materie ist in dem Parlament bereits verhandelt. Die Zivilmusiker müssen die Steuern auf- bringen und haben Anspruch auf Schutz gegen die Konkurrenz der Militärmusiker. Crispin- Elbing begründet den Antrag 73.") Bogel- Rothenburg(Tauber ) begründet den Antrag 72.") Molkenbuhr spricht zum Antrag 69.***) Der Antrag faßt eigentlich das zu- sammen, was die Fraktion seit Jahren im Reichstage beantragt hat und bezweckt nur eine Erklärung des Parteitages, daß er mit der Haltung der Fraktion in dieser Frage einverstanden ist. Wir haben jederzeit den Standpunkt eingenommen, daß die Arbeiter- Versicherung erheblich weiter ausgebaut werden muß. Wir erkennen an, daß das Verlangen der Privatangestellten nach einer Pensions- Versicherung voll berechtigt ist, aber wir sagen: Das Recht auf genau dieselbe Forderung müssen auch die Arbeiter haben. Molken- buhr legt dar, weshalb man für den Anschluß dieser Pensions- Versicherung an die Arbeitcrversicheruna eintreten müsse und nicht für eine Sonderversicherung. Dr. Rosenfcld-Niederbarnim: Ganz besonders hat es mir gefallen, daß Eichhorn so scharf betont hat, daß es nicht Sache der sozialdemokratischen Fraktion sein könne, durch Diplomatie irgendwelche Vorteile zu gewinnen, sondern daß sie rücksichtslos nur im Interesse der Arbeiterklasse die Vorlagen prüft und sie ablehnt, wenn sie der Ansicht ist, daß die Arbeiterklasse kein Interesse daran hat. Mit ganz besonderem Eifer hat die Fraktion bei der Beratung des Vercinsgcsetzes diesen Standpunkt vertreten. Um so weniger begreife ich es, wenn ein Mitglied der Fraktion der Abgeordnete Heine in einem Artikel der letzten Nummer derSozialistischen Monats- hefte" eine Stellung einnimmt, die einfach unverständlich ist gegenüber der Haltung der Fraktion. Heine erklärt allerdings zunächst, daß es eine empörende Ungerechtigkeit sei, die Rechte der Jugendlichen zu beschränken, aber er fährt fort:Aber allzu tragisch braucht man die Wirkungen dieses Verbotes auch nicht zu nehmen." Und an einer anderen Stelle sagt er,daß ihm eine parteipolitische Beeinflussung der jungen Leute unter 13 Jahren st) 71. Verlin II: Die'Reichstagsfraktion zu ersuchen, im Reichstage erneut einen Antrag zu stellen gegen die den Zivilmusikern gefährliche Konkurrenz der Militär- kapellen, weil durch das Spielen derselben die Zivilmusiker in ihrem Erwerb beeinträchtigt werden. *) 73. Elbing : Die ReichLtagSfraktion möge einen Gesetz- entwurf einbringen, wodurch die Krankenversicherung der Land- arbeiter herbeigeführt wird. ") 72. Rothenburg a. T.: Die Reichstagsfraktion wird beauftragt, baldigst einen Antrag einzubringen, nach welchem die entsprechenden Paragraphen des KrankcnvcrsicherungsgesetzeS be­treffend den ortsüblichen Tagclohn, dahin abgeändert werden, daß bei Festsetzung desselben nicht nur der Verdienst der gewöhnlichen Tagarbeiter, sondern auch der durchschnittliche Verdienst der ge- werblichen(gelernten) Arbeiter berücksichtigt werden soll. "*) 69. Hamburg III, Distrikt Eilbeck : Der Partei- tag erklärt sich in Uebereinstimmung mit dem Beschlüsse des Partei- tages zu München 1302 für die staatliche Alters-, Invaliden-, Witwen- und Waisenvcrsorgung aller Schichten der lohnarbeitenden Bevölkerung. Er unterstützt daher auch die diesbezüglichen Bc- strebungen der Privatangestellten aufs nachdrücklichste. Der Partei- tag betrachtet es als eine unerläßliche Forderung der Gerechtigkeit, daß die staatliche Versicherung in einer Weise organisiert wird, die nicht eine Benachteiligung bestimmter Gruppen der Lohnarbeiter. schaft in sich schließt." Der Parteitag protestiert daher gegen den in der Denkschrift betreffend die Pensions- und Hinterbliebenenversicherung der Privatangestellten. vom Reichsamt des Innern geäußerten Plan, die Arbeiterschaft von einer angemessenen Verbesserung der staat - lichen Versicherung auszuschließen und sie lediglich den Privat- angestellten zugute kommen zu lassen. Die Leistungen des heutigen JnvalidenversicherungLgesetzes sind so unzureichend, daß davon der Arbeiter ebensowenig existieren kann als der Privatangestellte. Eine Sonderversicherung der Privatangestellten wie sie vom Reichsamt des Innern vorgeschlagen wird, würde nicht nur die Arbeiter ausschließen, sondern, da der BegriffPrivatangcstellter" keineswegs feststeht, auch weite Kreise der Angestellten in die Ge- fahr bringen, nicht in die Sonderversicherung aufgenommen zu werden. Daher und aus anderen für die Angestellten sehr wichtigen Gründen verwirft auch ein großer Teil der privatangestellten das System der Sonderversicherung. Sie fordern eine ausreichcnve Altres-, Invaliden-, Witwen- und Waisenversicherung im Rahmen des Jnvalidcnversicherungsgesetzes durch höhere Leistungen in den jetzt bestehenden Lohnklassen, und Errichtung höherer Lohn- und Beitragsklasscn. In Uebereinstimmung hiermit richtet der Parteitag-- un­beschadet seines grundsätzlichen Standpunktes, daß zur Aufbringung der erforderlichen Mittel alle Klassen der Bevölkerung durch direkte Steuern heranzuziehen sind an die Gesetzgebung das dringende Ersuchen, diese Wünsche schleunigst durch den Ausbau des In- validenversicherungsgesetzes, und zwar so zu erfüllen, daß die Berufsart an sich nicht zum Anlaß genommen werden darf. irgendeine Kategorie der Versicherten zu benachteiligen. Hinsicht- lich der Festlegung des JnvaliditätsbegriffeS jedoch ist die bisherige Tätigkeit des Versicherten, ebenso wie seine Ausbildung, Kräfte und Fähigkeiten voll zu berücksichtigen. Den Versicherten ist das Recht der Selbstverwaltung zu gewährey. nicht nur entbehrlich, sondern geradezu gefahrvoll erscheint".(Hört, hört!) Ich bedaure es, daß auf diese Weise ein Mitglied der Fraktion unseren Gegnern Material liefert. Die Gegner haben sich denn auch das Material nicht entgehen lassen. DieVossische Zeitung" hat bereits darauf hingewiesen, daß der Artikel von Heine die glänzendste Rechtfertigung der Blockpolitik ist.(Hört, hört!) Ich halte es für notwendig, daß der Parteitag Kenntnis von dieser Stellung eines Fraktionsmitglicdcs nimmt, die der Haltung der Fraktion ins Gesicht schlägt und nichts anderes ist als eine Rechtfertigung der Blockpolitik. Ewald-Berlin: Einige Worte zum Antrage 71, der von den Zivil berüfs- Musikern handelt. Es ist eigentümlich, daß man sich auf seine Parteigenossenschaft erst dann besinnt, wenn man sich die Kon­kurrenz vom Halse schaffen will, nicht aber, wenn es sich darum handelt, in die Partei einzutreten. Ich kenne Fälle, wo Zivil- berufsmusiker bei Parteifcstlichkciten sich über den Tarif haben be- zahlen lassen, während sie bei konservativen Festlichkeiten unter dem Tarif gespielt haben. Wenn sie verlangen, daß die Partei für sie eintritt, dann sollen sie die Partei auch so behandeln, wie es sich gehört.(Sehr richtig') Stolten-Hamburg : Ich möchte Sie dringend bitten, dem Antrage 63 im Interesse der Privatangestellten selbst zuzustimmen. Unter den Privat- angestellten sind zwei Strömungen vorhanden. Die eine wünscht einen Ausbau der allgemeinen Alters- und Jnvaliditätsversiche- rung, die andere wünscht eine Sondcrorganisation für Privat- angestellte. Für diese Sonderorganisation dürfen wir einmal aus prinzipiellen Gründen nicht sein, sodann aber auch ans dem Grunde nicht, weil damit der Versuch gemacht werden soll, in die Kreise der Arbeiter und Arbeiterinnen einen Keil hinein zu treiben. Man will die besser gestellten Handarbeiter und Kopf- arbeiter von den Arbeitern im allgemeinen trennen und die Jntcr- essen derselben soweit sie gemeinsame sind voneinander lösen. Wenn wir den Interessen der Angestellten gerecht werden wollen, dann müssen wir fordern, daß keine Trennung stattfindet, sondern daß die Invalidenversicherung einheitlich bleibt wie bisher, und daß die weiteren Kreise, die hinzukommen, in diese einheitliche Organisation hineinkommen. Nun zum Antrag 72. Der darin zum Ausdruck gebrachte Wunsch ist zweifellos berechtigt. Die orts» üblichen Tagelöhnc werden heute so niedrig festgesetzt, daß sie nicht einmal das Einkommen gewöhnlicher Landarbeiter erreichen, und die Renten werden dadurch oft niedriger als sie sein müßten, wenn man den ortsüblichen Tagelohn den wirklichen Verhält- nissen entsprechend festsetzen würde. Aber in der vorliegenden Form ist der Antrag nicht annehmbar. Der ortsübliche Tagclohn wird doch nnr als Minimallohn betrachtet, der der Berechnung zu- gründe gelegt werden soll, Der Antrag müßte also ander? formuliert werden. Damit schließt die Debatte, Das Schlußwort erhält Eichhorn: In der Frage der Versicherung der Privatangestellten haben Molkenbuhr und Stalten die Haltung dargelegt, die die Fraktion bisher immer eingenommen hat. Wir sind stets Gegner einer Sonderversicherung der Privatangestellten gewesen. Der Partei- tag in München forderte sogar die Vereinheitlichung des ge- samten Versicherungswesens. Der betreffende Antrag stößt also offene Türen ein. Das, was der Antrag 70 verlangt, daß auch bei der Zivilabteilung der Gerichte Laien als Teilnehmer an der Rechtsprechung von uns gefordert werden sollen, ist eine schon durch unser Programm selbstverständlich gebotene Forderung. Wir werden bei der sogenannten Justizreform nicht nur diese, sondern noch eine ganze Reihe Anträge auf Grund unseres Programms zu stellen haben. Die Forderung deS Antrages 71 von Berlin II > ist wohl ein dutzendmal und mehr von uns im Reichstage erhoben worden. Im letzten Jahre hat soviel ich mich erinnere der Vertreter der Kriegsministers in der Budgetkommission auch Be- rücksichtigung der gerechten Wünsche in dieser Beziehung zugesagt. Mit Recht aber hat Ewald bemerkt, daß die Zivilmusikcr nun nicht etwa glauben sollen, daß von der Partei ihre Interessen vertreten werden, und daß sie selbst sich nicht zu rühren brauchen. ES bleibt vielmehr ihre Aufgabe, sich zu organisieren, um ihre Interessen gegenüber den Soldaten, die den Musikcrberuf nur nebenbei aus­üben und ihnen dadurch unberechtigte Konkurrenz machen, zu ver- treten. Auch die Frage der Berechtigung des ortsüblichen Tage- lohneö im Krankenkasscnversichcrungsgesetz hat die Fraktion häufig genug beschäftigt. Sie hat stets gefordert, daß die Berechnung nach dem wirklich verdienten Lohne erfolge und nicht nach dem von den Verwaltungsbehörden auf Grund von Auskünften, von Landwirtschaftskammern usw. berechneten Durchschnittslöhnen. Die Fraktion ist noch weiter gegangen und hat die Aufhebung der Gemeindckrankenversichcrung, die die ländlichen Arbeiter besonders benachteiligt, verlangt. Vielleicht werden wir schon im nächsten Winter Gelegenheit haben, diese Materie ausführlich zu behandefn. Wir werden es uns angelegen fein lassen, die Wünsche der In- dustrie- und Landarbeiter auf Perbesserung der Krankenversiche- rung und Erhaltung und Ausdehnung der Selbstverwaltung zum Ausdruck zu bringen. Angesichts dieser Anträge will ich nur noch die Bitte aus- sprechen, daß die Genossen, Ivelche künftig Anträge stellen, sich die Tätigkeit der Fraktion etwas eingehender ansehen möchten. Wäre das diesmal geschehen, so wäre mancher der Anträge überflüssig ge- wesen. Welleicht vergessen die Genossen deshalb manchmal, daß Anträge von der Fraktion seit langem gestellt sind, weil im Reichs- tag nur alle Woche einmal Initiativanträge beraten werden. In der letzten halbjährlichen Session sind sogar nur im ganzen 2 oder 3 Tage den Initiativanträgen gewidmet worden. ES liegen jetzt noch an 200 Initiativanträge dem Hause vor, deren Erledigung gar nicht abzusehen ist. Wenn es an uns läge, würden wir in der Woche an drei oder vier Tagen Initiativanträge beraten, bis man sich bequemt, den Wünschen deS Volkes etwas mehr entgegenzukommen. Aber die Fraktion steht hier der geschlossenen Mehrheit der bürger- lichen Parteien gegenüber. Diese haben'das Interesse, zunächst die Regierungsgeschäfte glatt abzuwickeln und dann liegt ihnen nichts mehr am Weitertagen des Reichstages. Die Genossen Singer und Bebel haben bei den verschiedenen Gelegenheiten in der schärfsten Weise gegen die geradezu unwürdige Durchpeitschung und die Galopparbeit im Reichstage gesprochen. ES hat nichts genützt. Im Gegenteil! Es gehört keine, große Prophetengabe dazu, um voraus- zusehen, daß auch in der nächsten Session der Block ein Interesse daran haben wird, so rasch als möglich heimzugehen, damit jede Gelegenheit zu Konflikten vermieden lvird. Gegen diese Hetze haben wir nur die öffentliche Kritik und diese haben wir ausgiebig geübt. Ein Berliner Genosse, dessen Namen mir im Augenblick nicht einfällt, hat Stellen aus einem Artikel Heines über das Vereins- gesctz in denSozialistischen Monatsheften" verlesen. Nach dem Zitat hat es den Anschein, als wenn Heine eine airdere Stellung jjum Vereinsgesetz in diesem Artikel eingenommen hätte als im Reichs- tag. Ich kann nicht sagen, wieweit das richtig ist, denn ich lese dieMonatshefte" nicht. Im Reichstage hat Heine jedenfalls in der Vertretung der Fraktion beim Reichsvereinsgesetz eine Haltung eingenommen, die zu keinen Ausstellungen Anlaß aab. Wenn es richtig ist, was aus denMonatsheften" verlesen wurde, dann würde eS um so bedauerlicher sein, wenn man nachdem man im Reichstag mit Entschiedenheit und Schärfe für die Rechte der prole- tarischcn Jugend eingetreten ist nachher an einer Stelle, wo «ine solche Schärfe vielleicht nicht so angenehm empfunden wird. sich anders und entgegenkommender äußert. Ich bedaure, daß Ge. nosse Heine hier nicht geredet hat. Soviel ich tveiß, ist er auf dem Parteitag anwesend. Ich schließe mit der nochmaligen Bitte, alle Anträge, soweit sie unterstützt sind, der Reichstagsfraktion zur Berücksichtigung zu überweisen.(Bravo !) Die Anträge 69, 71, 72 und 73 tverden der Reichstags» fraktion als Materialüberwicsen. Damit ist auch dieser Teil des Vorstandsberichtes erledigt-